Renommierte Trivialität: Münchner Team empfiehlt soziale Netzwerke gegen Angst
Was ist ein Dilemma?
Ein bekanntes Beispiel für ein Dilemma ist die Wahl zwischen Scylla und Charybdis in der griechischen Mythologie. Beide Meerungeheuer bevölkern eine Meerenge, zuweilen die zwischen Sizilien und Italien. Ihr Zweck: Seeleute fressen.
Ein Dilemma beschreibt in seiner Grundform ein Entscheidungsproblem, das mit zwei alternativen und gleichermaßen unerwünschten Resultaten verbunden ist.
In seiner sozialisierten Form beschreibt ein Dilemma ein Entscheidungsproblem, das sich daraus ergibt, dass A sich für eine Lösung entscheiden muss, deren Folgen von der Entscheidung abhängen, die B trifft, A aber keine Gelegenheit hat herauszufinden, wie sich B entscheidet.
Das Gefangenendilemma, das Anatol Rapoport und Albert M. Chammah „erfunden“ haben, um Kooperation und Konflikt zu erklären, ist das Schulbeispiel für ein solches „soziales“ Dilemma [sozial wird hier im Sinne von: die Interaktion von zwei Menschen betreffend, verwendet].
Zwei Häftlingen, A und B, wird von einem Staatsanwalt unabhängig voneinander der folgende Handel vorschlagen. Beide sitzen wegen einer kleineren Straftat für ein Jahr im Gefängnis, werden aber verdächtigt, gemeinsam ein größeres Ding gedreht zu haben. Der vorgeschlagene Handel geht wie folgt:
Gesteht A und B gesteht nicht, dann wird A freigelassen und B erhält eine Haftstrafe von 10 Jahren.
Gesteht B und A gesteht nicht, dann wird B freigelassen und A erhält eine Haftstrafe von 10 Jahren.
Gestehen beide nicht, müssen beide ihr eines Jahr im Gefängnis absitzen, die zweite Straftat bleibt ungeahndet.
Gestehen beide, dann müssen beide fünf Jahr ins Gefängnis.
Das Dilemma, vor dem jeder der beiden Häftlinge steht, die sich unabhängig und ohne Kenntnis der Entscheidung des Gegenüber entscheiden müssen, sieht so aus: Rational wäre es für beide, nicht zu gestehen und ein Jahr Gefängnis abzusitzen. Jedoch haben beide denselben Anreiz, zu gestehen, um freigelassen zu werden. Diese Option ist jedoch mit der Gefahr verbunden, dass beide sie wählen und fünf Jahre im Gefängnis einsitzen müssen. Gesteht z.B. A aber nicht, dann läuft er Gefahr, dann, wenn B gestanden hat, 10 Jahre im Gefängnis verbringen zu müssen.
Als Ergebnis werden beide gestehen, um schlimmeres zu verhindern, obwohl beide, wenn sie nicht gestanden hätten, deutlich besser gefahren wären. Aber die Unsicherheit darüber, wie sich A bzw. B entscheidet, ist einfach zu groß, als dass entweder A oder B das Risiko eingehen können, nicht zu gestehen und 10 Jahre im Gefängnis sitzen zu müssen.
Das also ist ein Dilemma.
Kein Dilemma ist, was die LMU in einer Pressemeldung als solches bezeichnet, eine Pressemeldung, die Trivialitäten zum Gegenstand hat und in der versucht wird, die Trivialität des Berichteten durch Ergänzung des Wortes „renommiert“ zu überdecken:
„Die Menschen haben Angst, sie suchen den Kontakt zu anderen, aber das erhöht in diesem Fall das Infektionsrisiko für uns alle“, sagt Dezecache. „Das ist das evolutionäre Missverhältnis, das wir beschreiben.“ Es stelle eine massive Herausforderung für die Menschen dar, wenn sie jetzt von der Politik aufgefordert werden, sich zu isolieren und Abstand zu halten. Paradoxerweise seien also nicht die antisozialen Reaktionen der Menschen auf Gefahren das Problem, sondern die sozialen. „Social distancing“ stehe im Widerspruch zu unseren natürlichen Reaktionen auf Bedrohung.
Guillaume Dezecache ist gemeinsam mit Chris Frith Teil eines, wie es bei der LMU-Pressestelle heißt, Teams „um Ophelia Deroy, Inhaberin des Lehrstuhls für Philosophy of Mind und Wissenschaftlerin am Münchner Zentrum für Neurowissenschaften“, die auf ein großes Dilemma hingewiesen haben. Welches, das oben beschriebene angebliche Dilemma.
Das angebliche Dilemma in aller Kürze:
- Wenn Menschen Angst haben, dann rotten sie sich zusammen.
- COVID-19 macht Menschen Angst.
- Sie dürfen sich nicht zusammenrotten, sie müssen Abstand wahren.
Ja, das ist also das Dilemma, auf das die drei vom Team „im renommierten Fachmagazin Current Biology“ hinweisen. Das ganze, nennen wir es pseudo-Dilemma, hängt natürlich an der Prämisse, dass Menschen „soziale Wesen“ sind. Eine Prämisse, die, obwohl sie nicht zuletzt Aristoteles geäußert hat, durchaus bestritten werden kann.
Wir haben das hier getan.
Ist schon die grundlegende Prämisse eine fragwürdige, so ist die Behauptung, dass es eine „massive Herausforderung für die Menschen“ darstelle, wenn sie Abstand halten sollen, noch fragwürdiger, denn diese Behauptung beruht auf der Prämisse, dass Menschen die Nähe von anderen, die physische Nähe suchen. Es soll ja Leute geben, die Massenaufläufe gut finden. Ein normaler Mensch wird sich jedoch in einem überfüllten Raum unwohl fühlen, seiner Handlungsfreiheit beraubt, dem ausgeliefert, was andere tun oder nicht tun. Tatsächlich gibt es wohl nichts Schlimmeres als in einer Menge auf engstem Raum in einem Raum stehen zu müssen, ohne aus eigener Kraft in der Lage zu sein, den entsprechenden Raum zu verlassen. Aber bitte, das ist natürlich unsere Ansicht, und wir betreiben nur das renommierte Blog ScienceFiles.
Dass sich drei in München zusammengefunden haben, um ihre Sozialphantasien auszuleben, zeigt sich bereits zu Beginn der Pressemeldung. Dort steht:
„Das Problem sei nämlich nicht, dass wir in der Krise egoistisch werden oder die Gefahr ignorieren, wie uns Bilder von leeren Supermarktregalen oder vollen Parks weismachen wollen. Die Aufnahmen seien irreführend, schreiben Deroy und ihre Kollegen, der renommierte Sozial-Neurowissenschaftler Chris Frith vom University College in London und Guillaume Dezecache, ein Sozialpsychologe der Universität Clermont Auvergne. Wenn sie einer Bedrohung ausgesetzt sind, suchten Menschen noch mehr als sonst den sozialen Kontakt, schreiben die Wissenschaftler.“
Wir wissen ja nicht, was die drei vom Team gemeinsam rauchen, wenn sie sich aus Angst vor „den Menschen“ zusammenfinden, um über „die Menschen“ zu schreiben. Wenn es etwas gibt, um uns zu verärgern, dann die Angewohnheit von gelangweilten Mittelschichtlern, die nicht wissen, was sie forschen sollen, über „die Menschen“ zu schreiben, worunter sie natürlich alle außer sich verstehen. Die Menschen, die Travestie von Mensch, die das Team vor Augen hat, wird in Krisen also nicht egoistisch. Man wünschte, die drei wären zusammen in einem Kino, in dem eine Panik ausbricht. Vielleicht lernten Sie dann etwas über das soziale Verhalten von Menschen, das James Coleman wie kein anderer erforscht hat. Dabei hat er viele Dilemmate gefunden, die sich im menschlichen Verhalten dann einstellen, wenn Interaktion gefordert ist, die Kooperation voraussetzt. Die Dilemmata stellen sich ein, weil Kooperation wiederum Vertrauen zur Voraussetzung hat. Man kooperiert nicht mit Menschen, denen man nicht vertraut, außer vielleicht im Team aus München. Man sucht auch nicht die Nähe von Menschen, denen man nicht vertraut, ganz im Gegenteil, man meidet Menschen, denen man nicht vertraut. Wäre dem anders, Millionen würden in Gefängnisse flüchten – das ist natürlich überspitzt – naja, vielleicht auch nicht.
Kurz: Die Trivialität, die das Münchner Team einem renommierten Journal untergeschoben hat, trifft bestenfalls für Kinder oder Kinder im Geiste zu, die sich unter den Mantel von Erwachsenen flüchten, für Erwachsene jedoch nur in sehr eingeschränktem Maße. Wie trivial das ist, was das Team zusammengeschrieben hat, wie banal und fast schon lächerlich, zeigt sich daran, dass sie die großen Probleme, die das von ihnen konstruierte Dilemma, das keines ist, erzeugen soll, durch ausgerechnet das Internet, die sozialen Netzwerke lösen wollen.
„Unsere ursprünglichen Neigungen sind kooperativ, nicht egoistisch. Wir können aber die Forderung nach sozialer Distanzierung durch den Zugang zum Internet bewältigen“, sagt Chris Frith.“
Eine Pseudo-Lösung für ein Pseudo-Problem, denn wenn es möglich ist, das angeblich Dilemma virtuell zu lösen, dann braucht man keine anderen, dann reicht ein Computer-Spiel, in dem man dann seine Angst dadurch bewältigen kann, dass man seinen Helden alles, was im Weg steht, kurz und klein schlagen lässt. Übrigens sind Menschen natürlich egoistisch und nicht sozial. Wären Sie sozial, warum sollten Sie sich anstrengen, wo man doch von anderen erwarten kann, dass sie die Anstrengung mitübernehmen. Ein weiteres soziales Dilemma, denn eine altruistische Gesellschaft ist eine Gesellschaft der Trittbrettfahrer: Funktionsunfähig und zum Untergang verurteilt.
Dieses Dilemma ist übrigens nicht lösbar.
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Da hat man fast ein ganzes nicht immer einfaches Berufsleben im werteschöpfenden Bereich hinter sich und dann sowas:
Man merkt es wäre gar nicht nötig gewesen, man hätte es in einer anderen Sparte viel leichter haben können.
Und dann wird man auch noch angesichts dieser schrecklichen Virus-Attacke darauf hingewiesen wie sehr einem doch die Nähe zu Möönschen fehlt, von denen man gute 80-90 % auch zu anderen nicht-normalen aber virusfreien Zeiten am Liebsten meidet bzw. nicht ertragen mag.
Zur Beruhigung für jene einsamen Seelen, die nicht ein noch aus wissen hier nun ein gnadenlos renommierter Therapeut, der seine validierten und sogar ge-peer-reviewten Ratschläge zur Überwindung der Einsamkeit ohne staatliche Verköstigung und auch gratis in diese hochprozentige Flaschenpost verpackt hat.
Zum Wohlsein!
https://player.hader.at/hader/hader-homestory-teil-5?streamNow=true
Unsere ursprünglichen Neigungen sind kooperativ, nicht egoistisch – deswegen muß auch nicht an die Menschen appelliert werden, eine Krise gemeinsam zu überstehen, und z. B. nicht alles Klopapier aufzukaufen, gleichgültig ob der Nächste ein paar Monate einhalten muß; deswegen existiert keinerlei regelmäßig abzuhaltendes religiöses Ritual, dass die Menschen daran erinnern soll, dass sie sich an die Bedürfnisse der Anderen erinnern; deswegen muß Mensch nicht ständig aufpassen, von anderen Menschen übervorteilt zu werden; deswegen versucht die EU-Kommission nicht die Briten schief dastehen zu lassen, um den Briten EU-Standards aufzuzwingen; deswegen sind Sitcoms wie „Married with Children…“ überhaupt nicht lustig, denn alle Charaktere sind ausnahmslos egoistisch und nutzen jede Gelegenheit um sich selbst auf Kosten der anderen zu bereichern; und deswegen gibt es auch keine politisierten Wohlstands-Kinderchen, die nichts leisten, aber an bedingungslose Kohle ranwollen.
Das bestätigt, was ich bereits vor einigen Tagen schrieb. Das wirkliche Problem – das psychische – wird erst in Wochen seinen Blüten treiben.
Ich meide Menschen, wo es nur geht, aber der Sport fehlt mir schon .
In meinem sozialen Umfeld ist mir niemand aufgefallen, der Angst haben könnte. Die meisten sind einfach nur genervt.
Altruismus liegt mir überhaupt nicht. Ich bin eher ein Individualist und kein „Herdentier“.
.
Mag sein, dass dies Ängste sind, an denen Kollektivisten leiden.
Den Drang, sich in einer anonymen Menschenmasse zu verlieren oder einfach nur sich draußen im Freien auszubreiten, gibt es schon und er ist ein gewaltiger Wirtschaftsfaktor. Er ist vielleicht auch eher tierisch und bakchisch/dionysisch als sozial. Der moderne Großstadtmensch ist aber davon ebenso gekennzeichnet wie afrikanische Buschmänner. Schopenhauer lästert in seinen Aphorismen ständig über diese menschliche Geselligkeit. Es könnte schon sein, dass ängstliche Menschen in diese Art der Geselligkeit regredieren und durch Computerspiele bei der Stange gehalten werden können.