Immunität gegenüber SARS-CoV-2 auch ohne Erkrankung an COVID-19?
Für ein Forschungsprojekt, das gemeinsam von der Charité in Berlin und der TU-Berlin durchgeführt wird, werden derzeit Teilnehmer gesucht. Die Studie, deren Ziel es ist, herauszufinden, ob es eine Kreuzimmunität gegen SARS-CoV-2 gibt, also eine Immunität gegen den neuen Erreger ohne je mit diesem Erreger in Kontakt gekommen zu sein, ist vor ein paar Tagen angelaufen. Eine Kreuizimmunität basiert nicht auf einer genauen Kenntnis eines Virus, die das Immunsystem bei einer zurückliegenden Erkrankung gewonnen hat und die es in die Lage versetzt, schnell auf einen bekannten Erreger zu reagieren, sondern auf einer Art Klassenähnlichkeit zwischen einem neuen Erreger und einem alten Erreger, auf den das Immunsystem bereits reagiert hat.
Bei Virusinfektionen zielt das Immunsystem, zielen die t-Zellen des Immunsystems, die es als CD4-Zellen (Helferzellen) und CD8-Zellen (Killerzellen) gibt, auf bestimmte Proteine in der RNA des Erregers. Für SARS-CoV-2 ist derzeit noch weitgehend unklar, welche Proteine von der körpereigenen Abwehr angegriffen werden und mit welchem Erfolg. Deshalb ist die Entwicklung eines Impfstoffes ziemlich schwierig. Es gibt jedoch Forschung bzw. Forschungsvorhaben, die Licht in das Dunkel bringen sollen. Eines davon ist das gemeinsam von Charité und TU-Berlin durchgeführte Projekt, für das derzeit Teilnehmer gesucht werden. Dessen Ziel ist indes nicht auf die Entwicklung eines Impfstoffes gerichtet, jedenfalls nicht direkt, sondern es geht darum herauszufinden, ob Teile der Bevölkerung gegen eine Erkrankung an COVID-19 und somit gegen SARS-CoV-2 immun sind, weil sie in der Vergangenheit bereits eine Coronavirus Infektion überstanden haben.
Vier der Grippe-Viren, HCoV-OC43, HCoV-HKU1, HCoV-NL63 und HCoV-229E, die wir hier beschrieben haben und die schon seit längerem in menschlichen Populationen unterwegs sind, sind Coronaviren, so dass die Vermutung einer Kreuzimmunität insofern naheliegt, als Ähnlichkeiten in der Struktur der vier Coronaviren mit der Struktur von SARS-CoV-2 dazu führen können, dass Immunsysteme von Menschen, die schon einmal an einem der vier Viren erkrankt sind, schneller und informierter auf SARS-CoV-2 reagieren können als die Immunsysteme von Menschen, die bislang mit keinem der Coronaviren in Kontakt gekommen sind.
Mit dem Projekt in Berlin soll diese Frage geklärt werden. Die Forschungsintention wird wie folgt beschrieben:
“Coronaviren begleiten die Menschheit seit vielen Jahren. Die Virusfamilie ist verantwortlich für einen Teil der üblichen Winter-Erkältungen mit meistens milden Verläufen. Das Immunsystem von vielen Menschen ist daher bereits mit dieser Virusfamilie vertraut.
Das SARS-CoV-2-Virus ist eine unrühmliche Ausnahme innerhalb dieser Virusfamilie: Es war dem menschlichen Immunsystem bisher unbekannt, ist darüber hinaus hochinfektiös und kann potenziell schwere Krankheitsverläufe auslösen.
Möglicherweise gibt es jedoch durch die enge Verwandtschaft der Viren eine Art Teil-Immunität. Ob diese Teil-Immunität nun verantwortlich sein kann für mildere Verläufe einer SARS-CoV-2-Infektion, ist allerdings bisher nicht bewiesen.”
Wir sind in der schönen Situation, heute eine Studie besprechen zu können, die diese Fragen umfasst und beantwortet hat, was nicht heißt, dass weitere Forschung zu diesem Thema irrelevant ist, sondern im Gegenteil, dass weitere Forschung auf den Ergebnissen von Alba Grifoni, Daniela Weiskopf, Sydney I. Ramirez, Davey M. Smith, Shane Crotty und Alessandro Sette (2020), die unter dem Titel “Targets of T Cell Responses to SARS-CoV-2 Coronavirus in Humans with COVID-19 Disease and Uneexposed Individuals” gerade in “Cell” veröffentlicht wurde, aufbauen kann.
Darin untersuchen die Autoren zum einen, welche Proteine die menschlichen t Zellen, CD4 und CD8 angreifen, und sie untersuchen, ob das Immunsystem von Menschen, die SARS-CoV-2 nicht ausgesetzt waren, auf das Virus in einer Weise reagiert, die der Reaktion des Immunsystems entspricht, die Menschen zeigen, die eine Erkrankung mit COVID-19 überstanden haben. Ihr Ergebnis ist ermutigend.
Zunächst zur Frage, welche Proteine des RNA-Virus SARS-CoV-2 das menschliche Immunsystem angreift. Von besonderer Bedeutung sind hier die sogenannten M, N, S und E Proteine. M(embrane), E(nvelope), S(pike) bilden eine äußere Membran, eine Hülle, die eigentliche RNA des Virus ist innerhalb dieser Hülle im N(ucleocapsid)-Protein verpackt.
Um einen wirkungsvollen Impfstoff zu entwickeln, ist es notwendig zu wissen, welche Proteine ein menschliches Immunsystem, das COVID-19 erfolgreich bekämpft hat, angreift. Die Ergebnisse von Grifoni et al. (2020), die auf Basis von Blutproben, die 20 Probanden entnommen wurden, die von COVID-19 genesen sind, 6 moderat bis schwer Erkrankte und 14 leicht Erkrankte, zeigen nun, dass vor allem CD4 t-Zellen die Proteine S, M und N angreifen. S, dass Spike Protein, ist für rund 50% der t- Zellen der Angriffspunkt, was Sinn macht, denn SARS-CoV-2 infiltriert über sein Spike Protein menschliche Zellen.
Die folgende Abbildung zeigt im oberen Teil die Aufschlüsselung des Genoms von SARS-CoV-2, darunter die Angriffspunkte für CD4 und CD8 t-Zellen, jeweils zunächst für Probanden, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren, dann für Probanden, die keinen Kontakt mit SARS-CoV-2 hatten. Die Zahlen in den Kreisen (rechts) geben den Anteil der SARS-CoV-2-Proteine an, die von t-Zellen erkannt werden.
Das Spannende der Forschung von Grifoni et al. (2020) neben der konkreten Darstellung der Antwort des Immunsystems auf SARS-CoV-2 für Patienten, die eine Erkrankung an COVID-19 überstanden haben, besteht nun darin, dass sie für Personen, die keinerlei Kontakt zu SARS-CoV-2 hatten, was die Autoren dadurch sicherstellen, dass sie auf Blutproben aus den Jahren 2015-2018 zurückgreifen, als SARS-CoV-2 noch nicht unter uns weilte, teilweise eine ähnliche Reaktion des Immunsystems auf den unbekannten Erreger finden, wie sie ihn bei denen gefunden haben, die eine Erkrankung an COVID-19 überstanden haben: “CD4* T cell responses were detected in 40%-60% of unexposed individuals”.
Dieses Ergebnis legt die Hypothese nahe, dass die Immunsysteme derjenigen, die eine “informierte” Reaktion auf SARS-CoV-2 zeigen, aus einer vorausgehenden Infektion mit einem anderen Coronavirus, am wahrscheinlichsten einem der genannten Grippeviren, gelernt haben. Diese Hypothese muss natürlich geprüft werden, denn bislang ist sie nur Spekulation. Erst wenn Probanden vor und nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 und einer Erkrankung an COVID-19 untersucht werden können, kann hier Gewissheit gewonnen werden Indes geben Ergebnisse, die im Zusammenhang mit H1N1pmd09 (Schweinegrippe) gewonnen wurden, Hoffnung. Dass die erwartete Pandemie mit Schweinegrippe weitgehend ausgeblieben ist, liegt wohl nicht zuletzt daran, dass in einem großen Teil der Bevölkerung eine Kreuzimmunität aufgrund vorheriger Grippe-Erkrankungen vorgelegen hat.
Die Forschung zu SARS-CoV-2 bleibt spannend.
CD4 und CD8 t-Zellen korrelieren im Sample der Autoren mit IgG, also Immunoglobin G, dem nach Vireninfektionen häufigsten Antikörper, so viel nur zur Vollständigkeit.
Grifoni, Alba, Weiskopf, Daniela & Ramirez, Sydney I. et al. (2020). Targets of T Cell Responses to SARS-CoV-2 Coronavirus in Humans with COVID-19 Disease and Unexposed Individuals. Cell 181: 1489-1501.

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Do some people have protection against the coronavirus?
By Dr. Sanjay Gupta and Andrea Kane, CNN
Ein kürzlich in der Zeitschrift Nature Reviews Immunology veröffentlichter zusammenfassender Artikel zeigt eine verlockende Möglichkeit auf:
„…Ein Grossteil der Bevölkerung scheint über Immunzellen zu verfügen, die in der Lage sind, Teile des SARS-CoV-2-Virus zu erkennen, und die ihnen möglicherweise einen Vorsprung im Kampf gegen eine Infektion verschaffen. Einige Menschen verfügen möglicherweise über einen unbekannten Grad an Schutz:
„…”Was wir herausgefunden haben, ist, dass Menschen, die noch nie SARS Cov2 ausgesetzt waren, … etwa die Hälfte der Menschen eine gewisse T-Zell-Reaktivität aufwiesen”, sagte Mitautor Alessandro Sette vom Zentrum für Infektionskrankheiten und Impfstoffforschung am La Jolla-Institut für Immunologie gegenüber CNN.
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Es sind T-Zellen wie jene, die auf das SARS-CoV-2-Virus reagierten, die Sette und sein Co-Autor Shane Crotty – ganz zufällig – im Blut von Menschen entdeckten, die mehrere Jahre vor Beginn dieser Pandemie gesammelt wurden.
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Sie führten ein Experiment mit dem Blut von Covid-19-Rekonvaleszenten durch. Da sie eine “Negativkontrolle” zum Vergleich mit dem Genesungsblut benötigten, nahmen sie Blutproben von gesunden Menschen, die zwischen 2015 und 2018 in San Diego gesammelt worden waren.
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“Es gab keine Möglichkeit, dass diese Menschen SARS-CoV2 ausgesetzt gewesen wären. Und als wir diese … durchführten, stellte sich heraus, dass die Negativkontrolle nicht so negativ war: Etwa die Hälfte der Menschen war reaktiv”, erklärte Sette.
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Dies zeigte also, dass Menschen, die dieses Virus noch nie gesehen haben, eine gewisse T-Zell-Reaktivität gegen das Virus haben.
Diese Arbeit wurde Ende Juni in der Zeitschrift Cell veröffentlicht.
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Sette und Crotty stellen in ihrem aktuellen zusammenfassenden Artikel fest, dass sie nicht die Einzigen sind, die dies gesehen haben. “Das wurde jetzt auf verschiedenen Kontinenten, in verschiedenen Labors, mit verschiedenen Techniken bestätigt, was eines der Kennzeichen ist, wenn man anfängt, wirklich zu glauben, dass etwas wissenschaftlich gut fundiert ist, weil es unabhängig voneinander durch verschiedene Studien und verschiedene Labors gefunden wurde”, sagte Sette…“
https://edition.cnn.com/2020/08/02/health/gupta-coronavirus-t-cell-cross-reactivity-immunity-wellness/index.html
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Original-Arbeit:
https://www.nature.com/articles/s41577-020-0389-z
Warum hat man das nicht schon im Februar geklärt?
Wieviele sind denn Kreuzimmun in der Realität und nicht im Reagenzglas?
Man müsste den realen Schutzfaktor der Gesamtpopulation ermitteln.
@Martin Schneider: Wieso hätten sie da korrekt handeln sollen? Von der Grenzschließung, über die Maskenfrage bis hin pathologischen Untersuchungen haben sie quasi alles falsch gemacht in der Sache. Da wäre ein Test auf Kreuzimmunitäten ziemlich aufgefallen.
Elitenpolitisch gesehen müsste das Ergebnis der Studie hinsichtlich der Hypothese negativ ausfallen. Schaumamal, was rauskommt.
Das ist ein spannendes Thema. Ich erinnere mich, daß der britische Forscher Karl Friston eine in diese Richtung gehende Hypothese geäußert hatte (‚immunological “dark matter”‘, etwa im Guardian berichtet), um den stark unterschiedlichen Verlauf der Pandemie im UK und in Deutschland zu erklären. Das würde auch die Bewertung der verschiedenen Gegenmaßnahmen in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen.
Das haben Anders Tegnell und Johan Giesecke im Frühling bereits klipp und klar gesagt. Auch der Schweizerische Virologe Beda M. Stadler, der in der Weltwoche und auf achgut und im podcast indubio publizierte. CO-19 gehört zur SARS-Familie, das wusste man schon sehr früh, also war zu erwarten, dass es auch eine Teilimmunisierung durch andere SARS-Viren bereits gegeben hatte. Die Experten oben sagen, das sei ganz normal. – Das Gegenteil wäre erstaunlich gewesen!
Ich sehe das auch so. Man muss sich nur fragen, wieso so viele Menschen positiv getestet werden, ohne dass sie krank werden, mal von der Güte des Testes abgesehen. Ich als Laie bin der Meinung, dass diese Menschen schon einmal mit irgendeinem Corona in Berührung gekommen sein müssen. Es gibt wenig wirklich Erkrankte und wenig Tote bezüglich der Gesamtbevölkerung.
Folgende Studie der Uni Tübingen, die bereits Mitte Juni publiziert wurde, kommt zu einem ganz ähnlichen Ergebnis. (“SARS-CoV-2 T-cell epitopes define heterologous and COVID-19-induced T-cell recognition”.)
https://www.researchsquare.com/article/rs-35331/v1
Hier zeigten 81 % der nie zuvor gegenüber SARS-CoV-2 exponierten Proben eine T-Zell-Antwort.
Vielleicht ist der deutsche Mensch wirklich immun Herr Klein.