1977-H1N1 : die Pandemie, die aus dem Impfstoff kam

1977-78 wurde die Erde von einer Pandemie heimgesucht, einer Pandemie mit seltsamer Systematik: 

  • H1N1- Influenza, der Auslöser der spanischen Grippe, die 1918/19 so viele Millionen Tote gefordert hatte, ist wieder aufgetaucht.
  • H1N1- Influenza war zuletzt Mitte der 1950 Jahren gefunden worden. Danach ist H1N1 verschwunden, bis eben 1977.
  • 1977 hat die Pandemie im Norden Chinas begonnen. Weil die Russen die ersten waren, die der WHO den “neuen” Stamm der H1N1-Influenza gemeldet haben, erhielt die Influenza zum Dank den Namen: Russian Flu – Russische Grippe.

Das Erscheinungsbild der Russischen Grippe war seltsam:

  • Nur Personen unter 26 Jahren sind erkrankt;
  • Die Sterblichkeit lag unter 5 Personen pro 100.000 Einwohner, noch unter der Sterblichkeit in einer normalen Grippe-Saison (die liegt bei ca. 6 Toten pro 100.000 Bevölkerung);
  • Das Virus war nicht neu, tatsächlich haben erste Analysen gezeigt, dass das Genom von 1977-H1N1 nahezu identisch war mit Genomen aus den Jahren 1950 und 1951 aus Rom, Tientsin und Albany, die in Laboren aufbewahrt worden waren. Es war, als wäre das Virus in der Zeit eingefroren gewesen, sei nicht mutiert und habe 27 Jahre gewartet, um sich wieder in alter Frische und vor allem unmutiert, auf die Menschheit und dann nur auf Personen, die nicht älter als 26 Jahre waren, zu stürzen.

  • Dass nur Personen zum Opfer von 1977-H1N1 wurden, die 26 Jahre alt oder jünger waren, findet vor diesem Hintergrund eine leichte Erklärung. Alle anderen hatten eine hohe Wahrscheinlichkeit aus den 1950 Jahren eine t-Zellen Immunität gegen H1N1 in die 1970er Jahre mitgenommen zu haben, waren enstprechend unempfänglich für das Virus.


Ein Virus, das 27 Jahre weitgehend unmutiert überdauert, kann nur dann eines natürlichen Ursprungs sein, wenn man annimmt, dass

  • es sich in der Zwischenzeit unter Tieren aufgehalten hat, unter denen Influenza-Viren sich schnell verbreiten, aber  nicht mutieren;
  • es im wahrsten Sinne des Wortes eingefroren war, im Permafrost von Sibirien oder sonstwo;

Beide Erklärungen sind schon deshalb falsch, weil keine zu erklären vermag, dass 1977-H1N1 an drei Stellen im Norden von China mehr oder minder gleichzeitig aufgetaucht ist. Vor diesem Hintergrund haben Michelle Rozo und Gigi Kwik Gronvall unter Zuhilfenahme von Genom-Datenbanken, die zwischenzeitlich verfügbar sind, versucht, die wahrscheinlichste Herkunft von 1977- H1N1, das keines natürlichen Ursprungs sein kann, zu klären.

Als erstes fällt dem Misstrauischen von Welt ein Biolabor als Ursprung des neuen-alten Virus ein. Damit verbindet sich die Frage, wurde das Virus absichtlich freigesetzt oder ist sein Entweichen ein Unfall.

Absicht?

  • In den 1970er Jahren haben in der Sowjetunion, einem der Länder, in dem 1977-H1N1 zuerst aufgetaucht ist, tausende Wissenschaftler an der Entwicklung biologischer Kampfstoffe wie aerosolem Anthrax oder Tularämie gearbeitet.
  • Der Ausbruch von 1977-H1N1 hat Militärakademien in den USA und Großbritannien außer Gefecht gesetzt und zu einer Krise der Verteidigungsfähigkeit beider Länder geführt.
  • Dennoch: Dass 1977-H1N1 aus russischer Produktion stammt, ist unwahrscheinlich.

Unfall?

  • Die Theorie, dass 1977-H1N1 Ergebnis eines Unfalls in einem Biolabor war, ist weit verbreitet. Die Sicherheitsvorkehrungen waren in den 1970 Jahren nicht mit heutigen Sicherheitsvorkehrungen vergleichbar. Die unabsichtliche Freisetzung von Pathogenen durch Biolabore war nicht so selten, wie man sich das gewünscht hätte. 
  • Im Rahmen der Debatte um Gain of Function Forschung, bei der die Lethalität oder die Übertragbarkeit von Viren im Labor verbessert wird, um – wie es heißt – neue Erkenntnisse zu gewinnen, wird regelmäßig auf die Pandemie von 1977 hingewiesen und argumentiert, dass diese Pandemie Ergebnis eines aus einem Labor entwichenen Pathogens gewesen sein müsse. Indes passt die Tatsache, das 1977-H1N1 ungefährlicher war als der ursprüngliche Stamm von H1N1 nicht zu dieser Argumentation, ist die Verbesserung von Übertragbarkeit und Lethalität doch das Ziel von Gain-of-Function Forschung, nicht deren Verschlechterung.
  • Ein weiteres Argument, das für den Laborursprung und das Entweichen von 1977-H1N1 angeführt wird, ist die schnell bemerkte Tatsache, dass das Virus bei höheren Temperaturen nicht mehr übertragen werden konnte. Es war temperaturanfällig, ein eindeutiger Hinweis darauf, dass 1977-H1N1 ein von Menschen manipuliertes Virus ist.

Indes spricht der Hinweis nicht für einen Unfall, der dazu geführt hat, das 1977-H1N1 aus einem Labor entwichen ist. Die Temperaturabhängigkeit und die weitgehende Harmlosigkeit des Virus spricht für eine andere Quelle: Einen Impfstoff. “Temperature sensitivity generally occurs only after a series of laboratory manipulations, typical in generation of LAIVs [Live Attenuated Influenza Virus], and used as a biological marker of attenuation” (Rozo & Gronval 2015: 2).



In den 1970er Jahren wurde intensiv mit Lebend-Impfstoffen experimentiert, also mit Impfstoffen, die eine abgeschwächte Version des Virus tragen, gegen das sie schützen sollen. Allein zwischen 1962 und 1973 wurden rund 40.000 Kinder in der Sowjetunion im Rahmen von Klinischen Trials mit einem Lebend-Impfstoff geimpft. Es gibt darüber hinaus Belege dafür, dass in der Sowjetunion große Mengen eines Lebend-Impfstoffes gegen Influenza produziert wurden, und dies zu einer Zeit, zu der der Impfstoff, der eigentlich vor Grippe schützen sollte, sehr häufig zu eben dieser Grippe geführt hat. Angesichts der 1977 grassierenden Schweine-Grippe kann man auch davon ausgehen, dass Labore in ihren Beständen gesucht haben, um eine Grundlage für einen Impfstoff gegen H1N1-swine flu zu haben. 1977 ist eines der Jahre, in denen befürchtet wurde, dass die Schweinegrippe zu einer Pandemie unter Menschen führen könne und eines der Jahre, in denen es keine entsprechende Pandemie gegeben hat.

Dass die Pandemie von 1977-H1N1 Ergebnis von Massenimpfungen war, hat der damalige Direktor der Chinesischen Akademie der Medizin, C.M. Chu bestätigt. Er schreibt, dass “the introduction of the 1977 virus [was] the result of vaccine trials in the Far East involving the challenge of several military recruits with live H1N1 virus”.

Die Pandemie der Jahre 1977 und 1978 war somit mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ergebnis eines Impfstoffes, der bewirkt hat, was er eigentlich verhindern sollte. Seit den 1970er Jahren hat sich die Technologie zur Erstellung von Impfstoffen natürlich verbessert. Dessen ungeachtet gibt es auch heute noch eine lange Reihe der Unfälle mit Impfstoffen. Die adversen Effekte des Impfstoffes waren der Tatsache geschuldet, dass es sich um einen Impfstoff handelt, der auf einer relativ neuen Technik basierte, so wie die Vektor Viren Technologie, auf der der Frontrunner der Impfstoff-Hoffnung gegen SARS-CoV-2 AZD1222 von Astra-Zeneca und der University of Oxford basiert, eine neue Technologie ist.


Rozo, Michelle & Gronvall, Gigi Kwik (2015). The Reemergent 1977 H1N1 Strain and the Gain-of-Function Debate. mBio 6(4): 1-6.


 

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