Bildung und politische Beteiligung in korrupten/defekten Demokratien

Der Zusammenhang zwischen Bildung und politischem Interesse und politischem Engagement ist einer der ältesten Zusammenhänge, die die Politikwissenschaft identifiziert hat. Lange Zeit schien er auch einer der stabilsten Zusammenhänge in der Politikwissenschaft zu sein: Seit mehr als fünfzig Jahren haben Studien immer wieder gezeigt,

  • dass höher Gebildete ein größeres Wissen um politische Sachverhalte als vergleichsweise niedriger Gebildete haben,
  • dass sie ein größeres Interesse an Politik haben
  • dass sie eher davon überzeugt sind, dass sie durch Wahlen Politik beeinflussen können,
  • dass sie häufiger wählen gehen,
  • dass sie häufiger an Parteiveranstaltungen teilnehmen,
  • dass sie häufiger an Abgeordnete schreiben und
  • dass sie sich häufiger in politischen Kampagnen engagieren, u.a. in Form von Spenden, und kandidieren häufiger um ein politisches Amt auf der lokalen Ebene

(s. z.B. die Literatur, die Kam & Palmer 2008: 612 nennen; Carreri & Payson 2020; Gulzar 2021; Hillygus 2005; Mayer 2011; Sondheimer & Green 2010; Willeck & Mendelberg 2022).

Seit der Jahrtausendwende ist eine ganze Reihe von Studien erschienen, die den Allgemeinheitsgrad dieses Zusammenhangs festzustellen versuchen, d.h. daraufhin testen, inwieweit er von bestimmten Bedingungen abhängt wie z.B. der Art der erworbenen Bildung (s. z.B. Persson 2012; van de Werfhorst 2017). Oder Studien stellen die Frage, ob es formale Bildung als solche ist, die politische Partizipation befördert, oder ob formale Bildung im Zusammenhang mit politischer Partizipation eine so genannte Proxy-Variable ist, d.h. einen Näherungswert darstellt, durch den etwas abgebildet wird, das sich sozusagen hinter höherer Bildung verbirgt oder mit ihr einhergeht (s. z.B. Berinsky & Lenz 2011; Kam & Palmer 2008).

Wenn man davon ausgeht, dass Bildung eine Proxy-Variable für ein größeres Interesse an Politik ist oder für bessere Kenntnisse politischer Institutionen und ihrer Funktionsweisen steht oder für eine größere Fähigkeit zum kritischen Denken (oder all dies zusammen), dann liegt es nahe zu vermuten, dass der positive Zusammenhang zwischen Bildung und politischer Partizipation auch dann besteht, wenn man die genannten Größen direkt und unabhängig von formaler Bildung betrachtet oder statt oder neben formaler Bildung nicht-formale Bildung betrachtet. Seltsamerweise gibt es kaum Studien, in denen dies getan wurde. Dementsprechend hat Kuenzi (2006: 1) festgehalten:

„The relationship between nonformal education (NFE) and democracy has not been subject to empirical examination”,

und sie hat dies zum Anlass genommen, in ihrer Studie die Frage zu beantworten

„What is the impact of NFE on political participation?” (Kuenzi 2006: 2).

Um eine Antwort geben zu können, hat sie ihre Studie im Senegal durchgeführt, also in einem Land, in dem nicht-formale Bildung, insbesondere in Form von Alphabetisierungskursen für Erwachsene, die von nicht-staatlichen Organisationen oder Gruppen angeboten wird, relativ weit verbreitet ist bzw. vor zwanzig oder dreißig Jahren war (Kuenzi 2006: 6; 8-9). Die Studie basiert auf Interviewdaten von 1.484 Senegalesen im Alter von über 18 Jahren aus ländlichen Gebieten in fünf verschiedenen Regionen des Landes, in denen nicht-formale Bildungsprogramme häufig angeboten wurden (Kuenzi 2006: 10). 48% dieser Personen hatten an keinem nicht-formalen Bildungsprogramm teilgenommen und bildeten die Kontrollgruppe (Kuenzi 2006: 11). Es zeigte sich erstens, dass beide, nicht-formale Bildung und formale Bildung (gemessen an absolvierten SchuljahrenI), die Häufigkeit mit der Personen am öffentlichen Gemeindeleben partizipierten (u.a. in Form des Sprechens bei öffentlichen Veranstaltungen und des Innehabens einer leitenden Funktionen in einer örtlichen Organisation) erhöhten, aber der Effekt nicht-formaler Bildung war deutlich stärker als der Effekt formaler Bildung (Kuenzi 2006: 14). Auch auf die Wahrscheinlichkeit, wählen zu gehen, hatten beide, formale und informale Bildung, einen positiven Effekt, aber der Effekt informaler Bildung war auf einem deutlich höheren Niveau statistisch signifikant (Kuenzi 2006: 17). Nicht-formale Bildung, aber nicht formale Bildung, erhöhte außerdem die Wahrscheinlichkeit, dass Personen öffentliche Angestellte mit Bezug auf ein Gemeindeproblem oder ein persönliches Problem kontaktierten (Kuenzi 2006: 15-16). Kuenzi hat in ihren statistischen Modellen Interaktionseffekte zwischen formaler und nicht-formaler Bildung berücksichtigt, und interessanterweise waren sie statistisch nicht signifikant und hatten nur einen sehr geringen Effekt. Kuenzi fasst zusammen:

„The results of this study indicate that NFE has a positive effect on civic participation. In fact, the effects of NFE on civic participation are stronger than those of formal education in rural Senegal” (Kuenzi 2006: 21).

Kann dies daran gelegen haben, dass in den nicht-formalen Bildungskursen spezifische Aspekte der Bürgerkunde behandelt wurden? Nein. Bei den Kursen handelte es sich um Alphabetisierungskurse. Darüber hinaus hat die Mehrzahl der Studien, die den Effekt von Bürgerkunde („civil education“), wie sie Kindern und Jugendlichen in der Schule in westlichen Ländern vermittelt wird, oder den Effekt im schulischen Kontext erfolgter politischer Partizipation auf spätere politische Partizipation untersuchten, keinen oder nur einen teilweise positiven Effekt feststellen können (so z.B. Grobshäuser & Weißeno 2021; Manning & Edwards 2014; Weinschenk & Dawes 2021). Manning und Edwards (2014a: 1) vermuten, dass dieses negative Ergebnis einem

„mechanistic approach to policy and a naive motion that ‚knowledge will result in action‘“ geschuldet ist,

aber es ist auch möglich, dass dies mit der (mangelnden) Qualität des Unterrichts in Bürgerkunde (oder wie auch immer das Fach in verschiedenen Curriculi bezeichnet sein sollte) zu tun hat, die die Form einer Indoktrination annehmen kann oder von Schülern so wahrgenommen werden kann, so dass der Unterricht Reaktanz erzeugt. Ebenso es ist möglich, dass für politische Partizipation andere Dinge ausschlaggebend sind, als diejenigen, die in Bürgerkunde gelehrt werden, z.B. kritisches Denken oder allgemein logisches Denken. Insofern könnte formale Bildung u.U. negativ auf politische Partizipation wirken.

Ausgehend von der Annahme, dass formale (oder nicht-formale) Bildung eine Proxy-Variable für ein größeres Interesse an Politik ist oder für bessere Kenntnisse politischer Institutionen und ihrer Funktionsweisen steht oder für eine größere Fähigkeit zum kritischen Denken, kann man eine weitere Erwartung ableiten, nämlich die, dass sich der Zusammenhang zwischen Bildung und politischer Partizipation auf unterschiedliche Weise darstellt, je nachdem, wie die politischen Verhältnisse sind.

In Staaten, in denen eine funktionierende Demokratie herrscht, sollten (vergleichsweise) höher Gebildete z.B. um ihre Möglichkeit, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, wissen. Sie sollten Vertrauen darein haben, dass die staatlichen Einrichtungen die Aufgaben, für die sie eingerichtet wurden, wahrnehmen, und dass sich Personen in politischen Ämtern gegenüber feedback aus der Bevölkerung responsiv zeigen. Auf dieser Basis sollten sie u.a. häufiger zur Wahl gehen, sich häufiger an politischen Kampagnen beteiligen oder in der Parteipolitik engagieren oder sich häufiger selbst um öffentliche oder explizit politische Ämter bewerben.

Aber was bedeutet höhere Bildung mit Bezug auf politische Partizipation in Staaten mit, sagen wir: demokratischen Defiziten, also z.B. in sogenannten defekten Demokratien (Merkel 2004) oder speziell in Staaten mit Wahlautoritarismus („electoral authoritarianism“), die durch Regime charakterisiert sind, in denen die Illusion einer Mehrparteien-Demokratie auf der lokalen und nationalen Ebene gepflegt wird, Wahlen aber de facto – in Abwesenheit politischer Oppostion in der Parteienlandschaft – ihrer Funktion, die sie in Demokratien haben, beraubt sind (s. hierzu z.B. Tlemcani 2007)? In Staaten mit Wahlautoritarismus ist es mehr oder weniger gleichgültig, wen man wählt, denn die Politik, die nach der Wahl gemacht werden wird, ist in jedem Fall weitgehend dieselbe wie die, die vor der Wahl gemacht wurde, unabhängig davon, wie sich die Mehrheitsverhältnisse im Parteienvergleich darstellen.

Wenn (vergleichsweise) höhere Bildung u.a. eine größere Informiertheit über die herrschenden politischen Zustände bedeutet, dann ist es plausibel z.B. anzunehmen, dass Höhergebildete in wahlautoritaristischen Regimen die relative Sinnlosigkeit politischer Partizipation, z.B. in Form des Wählen-Gehens durchschauen und deshalb weniger häufig zur Wahl gehen als Niedrigergebildete:

„If education increases critical capacities, political awareness and support for democracy, educated citizens [in electoral authoritarian regimes] may believe that participation is futile or falsely legitimizes autocrats” (Croke et al. 2016: 579).

Und genau dies stellen Croke et al. (2016) in ihrer Studie, die sie in Zimbabwe durchgeführt haben, fest:

„… we find that in Zimbabwe, education substantially and significantly reduces levels of political participation” (Croke et al. 2016: 589).

Ist etwas Vergleichbares in westlichen Staaten, die gewöhnlich als liberale Demokratien angesehen werden, möglich? Verschiedene Autoren vermuten, dass dies möglich ist, und zwar dann, wenn in einem demokratischen System die Qualität der Regierung oder der Institutionen niedrig ist bzw. Regierung oder Institutionen korrupt sind. Dabei ist „Korruption“ zu verstehen als

„… abuse (or misuse) of public office for private gain. This includes public officials being involved in bribery …, but also things like patronage and nepotism …” (Agerberg 2019: 373).

Korruption ist in allen ihren Erscheinungsformen

„… a form of disempowerment of the electorate, where the corrupt use their control over resources to achieve gains at the expense of the majority of citizens“ (Agerberg 2019: 374; Hervorhebung im Original).

Mattias Agerberg, von dem diese beiden Zitate stammen, hat im Jahr 2019 eine Studie veröffentlicht, in der er auf der Basis von Individualdaten und landesbezogenen Daten aus dem International Social Survey Program (ISSP) aus 31 Demokratien die Frage untersucht:

„… how do highly educated, well-informed, and critical citizens react to a political system with low-quality institutions; a system with high levels of corruption?“ (Agerberg 2019: 369).

Diesbezüglich vermutet Agerberg, dass Korruption den positiven Zusammenhang zwischen Bildung und institutionalisierter politischer Partizipation schwächt, aber nicht den Zusammenhang zwischen Bildung und nicht-institutionalisierter politischer Partizipation (Agerberg 2019: 377).

Der Grund hierfür ist, dass Bürger und besonders höher Gebildete, die besser über Politik informiert sind bzw. den Zustand der Insitutionen besser einschätzen können, in einer korrupten Demokratie das Vertauen in die Regierung bzw. die Institutionen verlieren und sich deshalb nicht mehr oder weniger auf den institutionell vorgesehenen Wegen politisch engagieren, also z.B. nicht mehr wählen gehen oder sich seltener (als in nicht-korrupten Demokratien) in politischen Parteien engagieren. Aber gleichzeitig haben sie nach wie vor das Leitbild einer nicht-korrupten Demokratie vor Augen und betrachten sich selbst als potente politische Akteure, die durch eigenes Tätigwerden darauf hinwirken können, dass der Korruption Einhalt geboten wird und ihr politisches System sich wieder mehr einer demokratischen Funktionsweise annähert. Weil sie in die bestehenden Institutionen aber kaum mehr Vertrauen haben oder gar kein Vertrauen mehr haben, werden sie auf neue bzw. andere Weise politisch tätig als sie dies in einer funktionierenden Demokratie tun würden, d.h. sie beschreiten seltener insitutionalisierte, letztlich systemstabilisierende oder systemlegitimierende Wege und häufiger das System herausfordernde Wege.

In seiner Studie berücksichtigt Agerberg als nicht-institutionalisierte Formen politischer Partizipation

  • das Unterzeichnen von Petitionen,
  • den Boykott bestimmter Produkte,
  • die Teilnahme an einer Demonstation,
  • den Besuch eines politikbezogenen Treffens,
  • das Spenden von Geld für einen sozialen oder politischen Zweck,
  • die Kontaktierung der Medien (z.B. in Form des Leserbrief-Verfassens) und
  • den Ausdruck der eigenen Auffassung im Internet (Agerberg 2019: 379).

Als Indikator für insitutionalisierte politische Partizipation benutzt er die Frage danach, ob jemand bei den letzten Wahlen zum nationalen Parlament gewählt hat oder nicht (Agerberg 2019: 378)

Als Maß für Bildung benutzt Agerberg die Anzahl der Jahre, in denen man die Schule besucht hat, und zur Messung von Korruption benutzt er zwei Indikatoren, nämlich die im ISSP-Fragebogen enthaltene Frage, wie weit nach Auffassung der Befragten Korruption im öffentlichen Dienst ihres Landes verbreitet ist, und einen Indikator aus dem Datensatz des V-dem-Institutes, der die Einschätzung von „Experten“ mit Bezug auf das Ausmaß der Korruption in einzelnen Ländern abbildet (Agerberg 2019: 380).

Das Ergebnis, das Agerberg erzielt, bestätigt seine Vermutungen:

„This suggests that while individuals with higher education still perceive themselves as politically competent in a context with high corruption …, they show substantively lower confidence in formal institutions compared to highly educated individuals in a low-corruption setting” (Agerberg 2019: 385).

Und

“… corruption is negatively associated with the probability of voting both for the individual-level measure … and for the country-level measure (Agerberg 2019: 386; 389)

aus dem Datensatz des V-dem-Institutes.

„At the same time, corruption does not seem to have the same negative effect on NIPP [non-institutionalized political participation]. Furthermore, the effect of education is stronger for individuals who perceive corruption levels to be high … Taken together, this suggests that individuals with higher education put more emphasis on non-institutionalized participation when corruption is high” (Agerberg 2019: 389; Hervorhenung im Original).

Zusammenfassend hält Agerberg fest:

“This suggests that the highly educated are a special group of political actors in a high-corruption context; a well-informed group with positive beliefs about their own political ability, but with low expectation of the responsiveness of political institutions and the workings of democracy” (Agerberg 2019: 391).

In korrupten Demokratien sind es also gerade höher Gebildete, die nicht-insitutionalisierte Wege der politischen Partizipation beschreiten, also sich z.B. an Demonstationen beteiligen (oder sie organisieren) oder sich zu gemeinsamen Spaziergängen einfinden oder ihre Auffassungen mit Bezug auf die Politik oder bestimmte Politiken in Form von Leserbriefen oder im Internet, vielleicht auf eigenen blogs, mitteilen.

Agerberg nimmt in seiner Studie keine Analysen für einzelne Länder vor, so dass man die Frage stellen könnte, ob z.B. Deutschland gar nicht zu den korrupten Demokratien im Sinn des Korruptionsmaßes von Agerberg zu zählen ist. Gemäß der Daten des v-dem-Insitutes belegt Deutschland einen Platz relativ weit oben in der Rangfolge der liberalen Demokratien und gilt als vergleichsweise wenig von Korruption beeinträchtigt, aber die diesbezüglichen Einschätzungen der Bürger des Landes, also vieler Experten für das Land, in dem sie leben, scheinen verlässlicher – und relevanter, denn ihre Wahrnehmungen und ihre Aktivitäten sind es, die die Qualtität von Regierung oder Institutionen beeinflussen können, nicht diejenigen einiger weniger speziell angefragter Personen, die zu „Experten“ erklärt werden.

Und wenn man die Einschätzungen der Bürger mit Bezug auf Korruption in Deutschland betrachtet, so sieht die Lage bedrückend aus. Befragungsdaten aus dem COSMO-Projekt  zeigen, dass im August 2021 auf die Frage „Was würden Sie sagen, wie viele Politiker … und Wissenschaftler … versuchen, möglichst viel für sich selbst herauszuholen?“ 27 Prozent der Befraten meinten, dass das für „so gut wie alle“ gelte, und 45 Prozent der Befragten meinten, dass das für „die meisten“ der Politiker gelte. 19 Prozent waren der Meinung, dass das für „etwa die Hälfte“ der Politker gelte. Nur eine kleine Minderheit meinte, dass das auf „nur wenige“ oder „so gut wie keine“ Politiker zutreffe. Die Wissenschaftler schnitten im Vergleich zu den Politikern besser ab, aber keineswegs befriedigend: Eine deutliche Mehrheit meinte, dass mindestens die Hälfte der Wissenschaftler „möglichst viel für sich selbst herausholen“ möchte.

Eine Befragung von Forsa im Auftrag von RTL Deutschland die kurz vor Weihnachten 2021 durchgeführt wurde, hat das folgende Bild ergeben:

Die Mehrheit der in der Abbildung berücksichtigten Institutionen bringt es gerade auf eine knappe Mehrheit derer, die ihr (großes?) Vertrauen aussprechen, und alle, außer der Europäischen Union, zu der ohnehin nur 38 Prozent der Befragten (großes?) Vertrauen haben, haben einen Vertrauensverlust im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen müssen. Deutschland als funktionierende Demokratie einzustufen, wenn gerade einmal knapp ein Viertel der Befragten – und Forsa legt Wert darauf, „repräsentative“ Daten bereitzustellen – politischen Parteien (großes?) Vertrauen ausspricht, ist zumindest irritierend. Vielmehr bilden diese Ergebnisse das ab, das Merkel und Lührmann als „defekte Demokratie“ bezeichnen:

“In established democracies, illiberal or ‘semi-loyal’ actors who are not fully committed to the norms and institutions within democracies that constrain the executive and enforce civil liberties and the rule of law within democracy are more common. Though they might not attack the electoral regime as such, they often try to dismantle the liberal dimensions of the democratic regime. Often they do not follow a strategic masterplan, but the sum of their decisions and their style of governance leads to defective democracies, that is, those with increasingly illiberal characteristics. However, if the illiberal virus [!] persists long enough, it transforms the liberal dimension, polarizes the political space, and may affect the institutional core of democracies as well. This results in a further step from a liberal democratic towards an autocratic regime. In fact, opinion surveys and polls suggest that citizens’ trust in core democratic institutions such as parliaments and governments has declined in many western societies. Fewer citizens in established democracies trust those institutions they can vote for (parties, parliaments, governments) than those institutions that they cannot vote for, such as the military, judiciary, bureaucracy … Further, the COVID-19 pandemic has fostered a technocratic turn when most of the executives in democracies used executive decrees and emergency rules” (Merkel & Lührmann 2021: 870; Hervorhebungen d.d.A.).

Unter Zugrundelegung der in diesem Zitat genannten Kriterien und angesichts der Auffassung eines großen Teils der Bevölkerung, wie sie in Befragungsdaten zum Ausdruck kommt, muss Deutschland als eine defekte bzw. korrupte Demokratie betrachtet werden. In einer defekten/korrupten Demokratie vertrauen die Bürger den Inhabern wichtiger öffentlicher Ämter oder Politikern im Allgemeinen nicht, (u.a.?) weil Poltiker nach ihrer Auffassung oder Erfahrung versuchen, „möglichst viel für sich selbst herauszuholen“. Und wenn man dies mit den Forschungsergebnissen von Agerberg zusammen betrachtet, dann ergibt sich eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass höher Gebildete zunehmend Kritik am Zustand der Demokratie in Deutschland auf nicht-institutionalisierte Arten und Weisen ausdrücken. Personen, die sich so betätigen, pauschal als uninformiert, als ideologisch – und immer „rechts“ – verblendet o.ä. darzustellen, steht im Gegensatz zu den vorliegenden Befunden und geht (einmal mehr) „against the science“, d.h. gegen die Wissenschaft.


Literatur:

Agerberg, Mattias, 2019: The Curse of Knowledge? Education, Corruption, and Politics. Political Behavior 41(2): 369-399.

Berinsky, Adam J., & Lenz, Gabriel S., 2011: Education and Political Participation: Exploring the Causal Link. Political Behavior 33(3): 357-373.

Carreri Maria, & Payson, Julia, 2020: The Unequal Effects of Political Selection: Evidence from U.S. Mayors and City Managers. SSRN Journal. doi: 10.2139/ssrn.3745662.

Croke, Kevin, Grossman, Guy, Larreguy, Horacio A., & Marshall, John, 2016: Deliberate Disengagement: How Education Can Decrease Political Participation in Electoral Authoritarian Regimes. The American Political Science Review 110(3): 579-600.

Grobshäuser, Natalie, & Weißeno, Georg, 2021: Does Political Participation in Adolescence Promote Knowledge Acquisition and Active Citizenship? Education, Citizenship and Social Justice 16(2): 150-164.

Gulzar, Saad, 2021: Who Enters Politics and Why? The Annual Review of Political Science 24: 253-275.

Hillygus, D. Sunshine, 2005: The Missing Link: Exploring the Relationship Between Higher Education and Political Behavior. Political Behavior 27(1): 25-47.

Kam, Cindy D., & Palmer, Carl L., 2008: Reconsiderung the Effects of Education on Political Participation. The Journal of Politics 70(3): 612-631.

Kuenzi, Michelle T., 2006: Nonformal Education, Political Participation, and Democracy: Findings from Senegal. Political Behavior 28(1): 1-31.

Manning, Nathan, & Edwards, Kathy, 2014: Does Civic Education for Young People Increase Political Participation? A Systematic Review. Educational Review 66(1): 22-45.

Manning, Nathan, & Edwards, Kathy, 2014a: Why Has Civic Education Failed to Increase Young People’s Political Participation? Sociological Research Online19(1): 1-12. doi: 10.5153/sro.3206.

Mayer, Alexander K., 2011: Does Education Increase Political Parrticipation? The Journal of Politics 73(3): 633-645.

Merkel, Wolfgang, 2004: Embedded and Defective Democracies. Democratization 11(5): 33-58.

Merkel, Wolfgang, & Lührmann, Anna, 2021: Resilience of Democracies: Responses to Illiberal and Authoritarian Challenges. Democratization 28(5): 869-884.

Persson, Mikael, 2012: Does Type of Education Affect Political Participation? Results from a Survey of Swedish Adolescents. Scandinavian Political Studies 35(3): 198-221.

Sondheimer, Rachel M., & Green, Donald P., 2010: Using Experiments to Estimate the Effects of Education on Voter Turnout. American Journal of Political Science 54(1): 174-189.

Tlemcani, Rachid, 2007: Electoral Authoritarianism.

van de Werfhorst, Herman G., 2017: Vocational and Academic Education and Political Engagement: The Importance of the Educational Institutional Structure. Comparative Education Review 61(1): 111-140.

Weinschenk, Aaron C., & Dawes, Christopher T., 2021: Civic Education in High School and Voter Turnout in Adulthood. British Journal of Political Science, 1-5. doi: 10.1017/S0007123420000435.

Willeck, Claire, & Mendelberg, Tali, 2022: Education and Political Participation. The Annual Review of Political Science 25(1). https://doi.org/10.1146/annurev-polisci-051120-014235.



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