Das große Schweigen: Akademiker in Zeiten postfaktischer Politik
Es ist ein Fakt, dass wir in einer Zeit der postfaktischen Politik bzw. in der Zeit der „post-truth politics“ leben, was mit „postfaktisch“ nicht ganz korrekt, aber als in einer deutschsprachigen Wendung einigermaßen erträglichen Weise, übersetzt ist. Dass wir in einer postfaktischen Zeit leben, findet seinen vielleicht deutlichsten Ausdruck in der Existenz sogenannter Fakten-Checker, die trotz der Abwesenheit göttlicher Allwissenheit und bar einschlägiger Qualifikationen als Autoritäten über die Wahrheit aufgebaut werden sollen, und dies obwohl sie bis heute u.a. im Zusammenhang mit Covid-19 nachweislich Richtiges bzw. Wahres als falsch darstellen und Falsches als richtig oder wahr. Sie bieten damit Politikern eine Grundlage, auf der sie Richtiges bzw. Wahres, das nicht zur von Politikern geschaffenen Erzählung passt, zu diskreditieren oder zensieren versuchen können.
In Zeiten postfaktischer Politik soll als „Wahrheit“ gelten, was offiziell verkündet wird. Wer an der offiziellen Verkündigung Zweifel äußert, wir als Häretiker gebrandmarkt. Während es in einem demokratischen System normal ist, und es geradezu den Kern eines demokratischen Systems ausmacht, dass es Auseinandersetzungen gibt und sie ausgetragen werden, leistet postfaktische Politik dem Totalitarismus insofern Vorschub als der Zweifler oder Kritiker zum Häretiker erklärt wird, der sich der sündhaften Verfehlung gegenüber transzendenten Mächten schuldig macht, denen unter ggf. bewussten Missachtung bloß irdischer Fakten und dem allgemeinen Menschenverstand zugänglichen Argumenten, also blind und widerspruchslos zu folgen ist. Postfaktische Politik ist durch einen sektiererischen und totalitären Charakter gekennzeichnet; in ihr geht es um den Erhalt von Machtpositionen um jeden Preis.
Der Ausdruck „post-truth“, d.h. „postfaktisch“ oder wörtlich, aber im Deutschen wenig elegant: „nach-Wahrheit[s]-“, wurde durch den Dramatiker, Drehbuchautor und Romanautor H Steve Tesich bekannt, der ihn in seinem Artikel mit dem Titel „The Watergate Syndrome: A Government of Lies“ aus dem Jahr 1992 benutzte. Und er hat den engen Zusammenhang zwischen postfaktischer Politik und Totalitarismus klar gesehen; er als schrieb in seinem Artikel:
Für Tesich bedeutete, in einer “post-truth world” zu leben, also in einer Welt zu leben, in der die Wahrheit jeder Bedeutung beraubt worden ist – und dementsprechend als Wahrheit mehr oder weniger Beliebiges konstruiert oder behauptet werden kann. Tesich schrieb seinen Artikel vor dem Hintergrund des Golf-Krieges:
Tesichs Kritik war eine grundsätzliche Kritik an der „Demontage unserer Republik“ durch die Politik bzw. Politiker, die sich der Wahrheit bzw. den Fakten nicht verpflichtet fühlten, sondern Erzählungen zimmerten, die darauf abzielten, Emotionen zu wecken und persönliche Überzeugungen anzusprechen (vgl. Forstenzer 2018: 5), durch die die öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung gelenkt – heute würde man vermutlich sagen. „genudgt“ – werden sollte. Seine Kritik galt der Haltung, nach der der Zweck die Mittel heiligt, auch dann, wenn diese Mittel Lügen, Betrug, Unterschlagung von Fakten u.ä.m. beinhalten (vgl. hierzu Krasni 2020: 2). Tesichs Kritik war also nicht durch politische Parteilichkeit (für die Republikaner oder die Demokraten in den USA) motiviert. Dies wird im folgenden Zitat aus seinem Artikel sehr deutlich:
Man würde vermuten, dass ein Konzept wie „postfaktische Politik“, das auf einer Beobachtung (und Kritik) bestimmter gesellschaftlicher und insbesondere politischer Entwicklungen beruht, von Akademikern als solches erkannt und verstanden wird. Aber dies ist abgesehen von wenigen rühmlichen Ausnahmen nicht der Fall. (Und dass dies so gut wie nicht der Fall ist, kann seinerseits als Indikator dafür gelten, dass Universitäten längst integraler Bestandteil postfaktischer Politik geworden sind.)
Zunächst wurde der Ausdruck „post-truth“ von Akademikern kaum verwendet und wenn, dann nicht mit Bezug auf postfaktische Politik, also nicht in dem Sinn, in dem Tesich den Ausdruck verwendet hat: Sucht man nach Erwähnungen des Ausdrucks „post-truth“ in Google Scholar für den Zeitraum von 1992 bis 2000, so findet man gerade einmal 74 Einträge. Diese Einträge beziehen sich mehrheitlich auf im weiten Sinn erkenntnistheoretische Fragen, u.a. die Möglichkeit der Rekonstruktion von historischen Fakten oder die Frage, nach der die Erkenntnis von Faktizität kulturell geprägt ist.
In den folgenden zehn Jahren, im Zeitraum von 2001 bis 2010, wuchs die Anzahl der Einträge auf immer noch bescheidene 456, und der Begriff wurde immer noch weit überwiegend mit Bezug auf erkenntnistheoretische Fragen (speziell mit Bezug auf das Konzept der „Post-Moderne“) verwendet.
Die Zahl der Einträge stieg im Zeitraum von 2011 bis 2015 auf 933, und es ist in diesem Zeitraum, also etwa 30 Jahre nach Tesichs Artikel, dass der Ausdruck „post-truth“ beginnt, auf Politik bezogen zu werden. So findet man in diesem Zeitraum Einträge wie denjenigen für das Buch von Peter Oborne (2014) mit dem Titel „The Rise of Political Lying“, in dem der Begriff fünfmal vorkommt, und denjenigen für Parmar (2012), der im Zusammenhang mit der „US Presidential Election 2012: Post-truth Politics“, den Ausdruck „post-truth politics“ ebenfalls im Sinn Tesichs verwendet:
Im Jahr 2016 hat sich sowohl die Benutzung des Ausdrucks „post-truth“ als auch die Häufigkeit seiner Verwendung dramatisch verändert: Allein in diesem Jahr ergibt die Google Scholar-Recherche 809 Einträge für „post-truth“ einschließlich Zitationen und 569 unter Ausschluss von Zitationen. Im selben Jahr, im Jahr 2016, wurde der Ausdruck „post-truth“ durch Oxford Dictionaries zum internationalen Wort des Jahres gekürt, und zwar mit der folgenden Begründung:
So z.B. im Tweet vom „Independent“ (rechts), den man bei Oxford Dictionaries meinte, der Begründung für die Wahl von „post-truth“ zum Ausdruck des Jahres 2016 hinzufügen zu müssen, und in dem suggeriert wird, die Wahl von Donald Trump sei Resultat von „post-truth“-Politik, auf die die Leute hereingefallen seien – aufgrund eines veränderten Bewusstseinszustandes bei den „Massen“, wie ihn Orwell vorhergesehen habe.
Und immerhin: Eine Bewusstseinsveränderung mag dem Wahlerfolg von Trump tatsächlich zugrundegelegen haben, und zwar eine dahingehende, dass sich – wie das Bild des „Independent“ demonstriert, sowohl Frauen als auch Schwarze in zunehmendem Maß darüber klar geworden sind, dass sie für die Demokratische Partei lediglich Plantagen darstellen, die von Personen, die sie als ihr Quasi-Eigentum ansehen, bevölkert werden, so dass zum Wahltermin nur die Ernte in Form von Wählerstimmen dieser Personen einzubringen ist.
Zu meinen, dass man Personen mit einem bestimmten Merkmal ideologisch so sehr auf die eigene „gute“ Sache eingeschworen habe, dass diese Personen sozusagen als Wahlleibeigene angesehen werden können, ist jedoch weit über die Demokratische Partei in den USA hinaus verbreitet. So sorgt sich bereits im Jahr 2016 Ruth Cain (2016) darüber, dass sich mit dem Brexit-Votum „akademische Feministen“ (‚academic feminists‘) in der Situation wiederfinden
“… in finding themselves members of a minority holding very different views from and despised by many of those whose interests they have purported to represent”
D.h.
„… dass sie sich als Mitglieder einer Minderheit wiederfinden, die ganz andere Ansichten vertritt als viele derjenigen, deren Interessen zu vertreten sie beanspruchten“.
Mit dem Schrecken über die 2016-Wahl von Donald Trump zum U.S.-Präsidenten und dem Brexit-Votum, das ebenfalls im Jahr 2016 stattgefunden hat, ist jedenfalls das Programm für die akademische Beschäftigung mit „post-truth“-… für die nächsten Jahre festgeschrieben: Postfaktische Politik ist das, was diejenigen tun, die für anderes eintreten oder sich für anderes entscheiden als das, was die ideologische Linke richtig oder gut findet oder als wahr darstellen möchte.
Für das Jahr 2016 ergibt die Google Scholar-Recherche 139 Einträge für „‘post-truth‘ ‚Donald Trump‘“, und für „‘post-truth‘ Brexit“ ergibt sie 145 Einträge. Dass ist einigermaßen erstaunlich, wenn man bedenkt, dass der peer-review-Prozess von Fachzeitschriften häufig viele Monate in Anspruch nimmt, aber erst der bescheidene Anfang der akademischen Beschäftigung mit den eigenen Traumata: Für den gesamten Zeitraum von 2016 bis 2022 ergibt die Recherche 11.700 Einträge für „‘post-truth‘ ‚Donald Trump‘“ und 9.420 Einträgte für „‘post-truth‘ Brexit“. 5.410 Einträge finden sich für alle drei Ausdrücke zusammen, nämlich „‘post-truth‘ ‚Donald Trump‘ Brexit“.
Diese Zahlen bilden keine kurzfristige Reaktion der schockierten linksgerichteten Akademia ab; noch in den Jahren 2021 und 2022, also fünf bzw. sechs Jahre nach der Wahl von Trump zum Präsidenten und dem Brexit-Votum, ergibt die Google Scholar-Recherche nach allen drei Ausdrücken zusammen 963 Einträge für 2021 und 731 Einträge für 2022.
Sucht man dagegen nach „‘post-truth‘ ‚Hunter Biden‘, so findet man für das Jahr 2021 24 Einträge und für das Jahr 2022 21 Einträge, und selbst unter diesen sind solche, die den Skandal um Hunter Bidens Laptop, der klar Implikationen für die Tragbarkeit von Joe Biden als U.S.-Präsident hat, zu minimieren oder zu relativieren versuchen wie z.B. Dowling, Johnson und Ekdale (2022) das tun, um „Right-Wing Podcasts“ zu diskreditieren.
Postfaktische Politik muss gemäß dieser Daten als etwas angesehen werden, was die große Mehrheit der Akademiker nicht als Konzept aufzufassen im Stande oder willens ist; vielmehr bemühen sie es dann und fast nur dann, wenn sie als parteipolitische oder ideologische Propaganda in fachwissenschaftlicher Verkleidung benutzt werden kann.
Wäre das anders, so würde man auch erwarten, dass u.a. der unter der Bezeichnung „Climategate“ bekannt gewordene Betrug mit Bezug auf Daten zur Erwärmung des Klimas auf der Erde im Zusammenhang mit der Inszenierung einer bevorstehenden Katastrophe aufgrund menschengemachten Klimawandels, als ein Paradebeispiel von „post-truth“-Politik bzw. postfaktischer Politik in einer Vielzahl von fachwissenschaftlichen Publikationen vorkommt.
Diese Inszenierung hat immerhin sehr negative Folgen – bis auf Weiteres gipfelnd im Paris Agreement on Climate Change und die Agenda 2030 – für die Lebensqualität von Milliarden von Menschen. „Climategate“ hat im Jahr 2009 stattgefunden; eine Google Scholar-Recherche für „‘post-truth‘ climategate“ für die Jahre 2009 und 2010 – 2010, um der ggf. einer Publikation notwendigen Vorbereitungszeit Rechnung zu tragen – ergibt einen einzigen Eintrag, nämlich für Dear und Jasanoff (2010) , die auf Seite 773 in einer Fußnote (Fußnote Nummer 38) das Folgende über „climategate“ schreiben:
Die Bezeichnung von Absprachen über Datenfälschung in betrügerischer Absicht als „menschliche Dynamik von wissenschaftlicher Kontroverse und Konsens“ gehört zu den zynischsten Varianten der Verharmlosung von Betrug in der Wissenschaft, die ich jemals gehört oder gelesen habe, ganz zu schweigen von dem Versuch von Dear und Jasanoff, Lügen und Betrügen in der Wissenschaft als normal, weil eben einfach von Interessen geleitet, hinzustellen. Das Zitat von Dear und Jasanoff illustriert m.E. auf perfekte Weise die Parodie auf Wissenschaft, die Aktivisten, die es in ihrem Interesse finden, als Wissenschaftler zu erscheinen, zum Besten geben.
Für den gesamten Zeitraum von 2009 bis 2022 ergibt die Google Scholar-Suche nach „‘post-truth‘ climategate“ gerade einmal 171 Einträge, während die Suche nach Climate Change“ für denselben Zeitraum 127.000 Einträge ergibt.
Und das massenhafte Leid, das die Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus, allen voran die Nebenwirkungen der sogenannten Impfungen gegen das Corona-Virus mit mRNA-Spritzmitteln, verursacht haben, ist der Akademia auch kaum einer Erwähnung, geschweige denn: einer Untersuchung, wert. Sucht man – bewusst breit gehalten – nach „postfaktisch+Covid+Wirkungen“, so erhält man für den Zeitraum 2019 bis 2022 224 Einträge. Die Durchsicht der Einträge zeigt, dass z.B. der Text von Thomas Zoglauer (2021) typisch für die Inhalte ist, die in der überwältigende Mehrheit der Einträge behandelt werden. In der Zusammenfassung des Textes von Zoglauer heißt es:
„Der Postfaktualismus bezeichnet einen Zustand, bei dem Wahrheit nicht mehr respektiert wird, Tatsachen nicht anerkannt werden und Menschen zunehmend nach Gefühl und Gruppenzugehörigkeit urteilen. Es werden verschiedene Erscheinungsformen des Postfaktualismus vorgestellt, wie z.B. Fake News, Verschwörungstheorien, Wissenschaftsskeptizismus und Pseudowissenschaften, und deren Folgen aufgezeigt. Postfaktisches Denken führt zur Entstehung von Filterblasen und Echokammern, fördert die Gruppenpolarisierung und stellt eine Gefahr für die Demokratie dar“ (Zoglauer 2021: 1).
Damit ist eigentlich alles gesagt: Davon abgesehen, dass man nicht „postfaktisch denken“ kann, führt Zoglauer die seit Jahren übliche und durch und durch floskelhafte Klage über u.a. „Verschwörungstheorien“ und „Wissenschaftsskeptizismus“, ohne dass Zoglauer an irgendeinem Punkt bemerken würde, dass er die „Pseudowissenschaft“ pflegt, die er beklagt, – aber fälschlich bei Leuten verortet, die nicht wie er auf die Inszenierungen postfaktischer Politik hereingefallen sind. Wäre es anders, hätte er die postfaktische Politik, die die Covid-19-Maßnahmen erst möglich gemacht haben, einer kritischen Untersuchung unterzogen. Bezeichnenderweise spricht Zoglauer auch gar nicht von „postfaktischer Politik“, sondern von „Postfaktualismus“. Es scheint, dass er sich sprachlich an ein Konzept anzuhängen versucht, das er nicht versteht, weil er nicht in Konzepten denken kann , wie Wissenschaftler es tun, sondern nur in Floskeln, die dem Mitglied der Akademia, das Aktivist statt Wissenschaftler ist, porpagandatauglich erscheinen. Nur so scheint mir die Assoziation von „Postfaktualismus“, der einmal „postfaktische Politik“ gewesen ist, mit der Beschimpfung der Bevölkerung, vor allem der kritischen Bevölkerung mit Bezug auf „Verschwörungstheorien“ und „Wissenschaftsskeptizismus“ einigermaßen nachvollziehbar zu sein.
Die Beschäftigung der deutschsprachigen Akademia mit postfaktischer Politik findet auch nachdem weithin bekannt geworden ist, dass die Covid-19-Maßnahmen auf Fehlinformation und Lügen beruhten und enormen Schaden an der Gesundheit der Bevölkerung und der Wirtschaft des Landes angerichtet haben, systematisch nicht statt. Statt dessen werden das ursprüngliche Konzept „postfaktische Politik“ pervertierende Begriffe wie z.B. „Postfaktualismus“ bei Zoglauer (s.o.) oder „postfaktische Verunsicherung“ (Renn 2023) bemüht, um durch den Gebrauch nach wie vor untauglicher und inzwischen nur noch langweiliger Floskeln just die postfaktische Politik zu legitimieren, die sie nicht erkennen können oder die sie sich – als Aktivisten – zu erkennen weigern.
In der wissenschaftlichen Literatur ist ein solches Verhalten als „system justification“, als „System-Rechtfertigung“ bekannt (Jost, Liviatan, van der Toorn et al. 2012). Van der Toorn et al. (2015) haben System-Rechtfertigung als ein Verhalten derer beschrieben, die sich machtlos fühlen, und daher den status quo, den „Autoritäten“ etabliert haben und an dem sie meinen, ohnehin nichts ändern zu können, als „richtig“ oder legitim darstellen. Insofern steht System-Rechtfertigung in einem Zusammenhang mit einer autoritären Persönlichkeit (Lönnqvist, Szabó & Kelemen 2021). Es mag daher sein, dass ein großer Teil der derzeitigen Akademia System-Rechtfertigung aufgrund einer autoritären Persönlichkeitsstruktur betreibt. Owuamalam, Rubin und Spears (2018) haben darauf hingewiesen, dass System-Rechtfertigung auch deshalb betrieben werden kann, weil man sich davon einen Vorteil erhofft. Beides schließt sich nicht gegenseitig aus; unter anti-demokratischen, zum Totalitarismus neigenden politischen Verhältnissen ist es durchaus möglich und wahrscheinlich, dass Personen mit autoritärer Persönlichkeitsstruktur eben aufgrund dieser Persönlichkeitsstruktur Vorteile davon haben, wenn sie System-Rechtfertigung betreiben.
Wie dem auch sei – über postfaktische Politik herrscht ein umfassendes, für Ohren, die gewillt sind, – in diesem Fall: systematisch nichts – zu hören, ein deutlich vernehmbares Schweigen in der Akademia, wenn die postfaktische Politik von Personen und zu Zwecken betrieben wird, denen die überwältigende Mehrheit der Akademia (oft in deutlicher Selbstverortung ausgedrückt) ideologisch nahestehen. Sie haben das Konzept der postfaktischen Politik, wie es Tesich 1992 aufgefasst hat, – sei es mangels Verständnis dafür, was ein Konzept ist, oder bewusst aus niedrigen Motiven – in ein Propagandamittel verwandelt, das für die Wissenschaft von keinerlei Nutzen ist und sich selbst dabei klar als Aktivisten statt als Wissenschaftler zu erkennen gegeben. Es sind ironischerweise dieselben Akademiker, die gerne beklagen, dass das Vertrauen der Menschen in die Institutionen sinkt. Sie selbst schreiben dies zwecks Immunisierung der eigenen Prämissen umstandslos der Einwirkung böser, gewöhnlich von ihnen als populistisch bezeichneter Mächte zu. Aber tatsächlich verlieren Menschen das Vertrauen in Institutionen aufgrund des Gehabens derjenigen, die die Institutionen bestücken: Was soll man z.B. von Akademikern halten, die die Gefahr der „Demontage unserer Republik“ durch postfaktische Politik eben durch eigene postfaktische Publikationspolitik in eine System-Rechtfertigung zu verwandeln versuchen?!
Nach meiner persönlichen Beobachtung scheint allerdings die Anzahl der Akademiker langsam, aber sicher, zuzunehmen, die bereit sind, Konzepte wie z.B. „postfaktische Politik“, „Populismus“ oder „Hyperrealität“ auf Phänomene anzuwenden, die die postfaktische Politik unserer Zeit als sankrosankt und gegen Kritik immun durchsetzen möchte. Ein Beispiel hierfür ist der Artikel von Kostiantyn Yanchenko (2022) über die „Populist Hyperreality“ bzw. „populistische Hyperrealität“, die Volodymyr Zelensky zum Wahlerfolg verholfen hat.
Im schlechtesten Fall sind Beiträge wie diese eine längst überfällige Ergänzung zur bestehenden Literaturlage, die sich durch eine starke ideologische Schlagseite nach links oder durch enorme Bereitschaft zur Andienung an diejenigen in politischer Verantwortung auszeichnet, aus der ideologisch entgegengesetzten Sicht. Im besten Fall sind solche Beiträge Ausdruck der Bereitschaft, Konzepte als eben das, Konzepte, statt als Kampfbegriffe und Propagandamittel, zu benutzen. Hoffen wir, dass Letzeres der Fall ist!
Literatur
Cain, Ruth, 2016: Post-Truth and the ‘Metropolitan Elite’ Feminist: Lessons from Brexit. feminists & law 6(1). https://doi.org/10.22024/UniKent/03/fal.259
Dear, Peter, & Jasanoff, Sheila, 2010: Dismantling Boundaries in Science and Technology Studies. Isis: Journal of the History of Science Society 101(4): 759-774.
Dowling, David O., Johnson, Patrick R., & Ekdale, Brian, 2022: Hijacking Journalism: Legitimacy and Metajournalitic Discourse in Right-Wing Podcasts. Media and Communication 10(3). doi: https://doi.org/10.17645/mac.v10i3.5260.
Forstenzer, Joshua, 2018: Something has Cracked: Post-truth Politics and Richard Rorty’s Postmodernish Bourgeois Liberalism.” Ash Center Occasional Papers Series, Harvard University, Cambridge, MA, 2018.
Jost, John T., Liviatan, Ido, van der Toorn, Jojanneke, et al., 2012: System Justification: A Motivational Process with Implications for Social Conflict, S. 315-327 in: Kals, Elisabeth, & Maes, Jürgen (Hrsg.): Justice and Conflicts: Theoretical and Empirical Contributions. New York: Springer.
Lönnqvist, Jan-Erik, Szabó, Zsolt Peter, & Kelemen, László, 2021: „The New State That We Are Building“: Authoritarianism and System-Justification in an Illiberal Democracy. Frontiers in Psychology, 06 September 2021. https://doi.org./10.3389/fpsyg.2021.703280.
Oborne, Peter, 2014: The Rise of Political Lying. London: Simon & Schuster.
Owuamalam, Chuma Kevin, Rubin, Mark, Spears, Russell, 2018: Revisiting 25 Years of System Motivation Explanation for System Justification from the Perspective of Social Identity Model of System Attitudes. British Journal of Social Psychology 58(2): 362-381.
Parmar, Inderjeet, 2012: US Presidential Election 2012: Post-Truth Politics. Political Insight 3(2): 4-7.
Renn, Ortwin, 2023: Gefühlte Wahrheiten: Orientierung in Zeiten postfaktischer Verunsicherung. Berlin: Barbara Budrich.
Tesich, Steve, 1992: The Watergate Syndrome: A Government of Lies. The Nation 254(1) , January 6/13: 12-14.
Van der Toorn, Jojanneke, Feinberg, Matthew, Jost, John T., et al., 2015: A Sense of Powerlessness Fosters System Justification: Implications for the Legitimation of Authority, Hierarchy, and Government. Political Psychology 36(1): 93-110.
Yanchenko, Kostiantyn, 2022: Making Sense of Populist Hyperreality in the Post-Truth Age: Evidence from Volodymyr Zelensky’s Voters. Mass Communication and Society. DOI: 10.1080/15205436.2022.2105234.
Zoglauer, Thomas, 2021: Phänomenologie des Postfaktischen. In: Konstruierte Wahrheiten. Springer Vieweg, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-34597-6_1.
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Der Begriff “postfaktisch” setzt voraus, dass es eine Welt jenseits der Fakten überhaupt geben könne. Natürlich stammt der Ausdruck von Leuten, die eine “Welt jenseits der Zugehörigkeiten” anstreben”. Sie nutzen das Schlagwort “postfaktisch”, um “rechte” Kritiker zum Schweigen zu bringen, aber sie zweifeln nicht an der Realität des “Postfaktischen”, weil sie glauben, Worte brächten die wirkliche Welt hervor und nicht umgekehrt.
Die Mutter der postfaktischen Politik in Deutschland und damit Meuchelmörderin der Demokratie war Angela Merkel. Ihre “alternativlosen” Entscheidungen, die vermutlich aufgrund von Kompromatakten durch den Deepstate befördert wurden, haben jeden demokratischen Diskussionsprozess quasi im Embryonalstatus abgetrieben. Dazu ihre Tendenzen Vasallen in alle relevanten Positionen des Staates und dieses EU-Gebildes zu setzen, die auch nach ihrem Abgang weiter Merkel- oder WEF- bzw. NWO-Politik betreiben, dürfte in der deutschen Historie beispiellos sein. Schaut man sich nun weiter in der Welt um, kommt man nicht umhin, in vielen Staaten parallele Entwicklungen zu beobachten. In den USA wurde ein ohnehin schon skrupelloser und nun noch mit Demenz geschlagener Präsident installiert. Trudeau ist ein U-Boot, das aufgrund seines Vaternamens Karriere machen konnte. Dazu Macron mit seinem Bankster-Hintergrund und seiner Vorliebe für alte Frauen, der inzwischen abgewählte – hört, hört – Draghi und als neuestes Projekt der verurteilte Straftäter Lula. Wer hier noch an Zufälle glaubt, ist nicht mehr zu retten.
Köstlich auch der Begriff Wissenschaftsskeptizismus. Skepsis und Wissenschaft müssen untrennbar miteinander verbunden sein, um Neues zu entdecken. Genau das Hinterfragen von Thesen macht Wissenschaft aus. In diesem Sinne war Einstein auch ein Wissenschaftsskeptiker und müsste heute an den Pranger gestellt werden, weil er die klassische Physik – zweifellos Wissenschaft, nicht wie manches, was heute darunter gezählt wird – in Frage gestellt hat.
Ja, man meint, Akademiker, die haben doch das Denken gelernt, die müssen doch hinterfragen können. Können sie mehrheitlich eben nicht, besonders Corona hat das auf erschreckende Weise gezeigt (ganz vorne Ärzte und Lehrer). In Wirklichkeit sind es Rudelangehörige, die, haben sie ihre Position erst einmal erreicht, sich in vorgegebene (Denk- und Hierarchie-) Strukturen einpassen und denen es vor allem um Zugehörigkeit und nicht Erkenntnisgewinn geht. Und warum? Wenn sie ausgestoßen werden, sind der schöne Posten und das Prestige weg. Vielen Akademikern ist Prestige sehr wichtig. Das macht sie auf sehr einfache Weise erpreßbar – und in der Regel bemerken sie das nicht einmal. Durch die Akademiker-Werdung sind sie in Wirklichkeit des abweichenden Denkens entwöhnt worden, sind gedanklich nur noch bestrebt, Begründungen für die Narrative zu finden, die ihren Status stützen. Korruption ist ihre Kultur und die prägt ihre Wahrnehmung von Wahrheit. Das gilt natürlich nicht für alle, aber für erschreckend viele, denn viele sind halt auch höchstens Mittelmaß und verzichtbar und haben daher auch Gründe dafür, sich so zu verhalten. In der Blase sind sie sicher, so sicher, daß sie die Blase gar nicht als solche bemerken. Und auch hier gilt natürlich: Bestrafe einen, erziehe hundert, die dann weiterhin braves virtue signalling im Sinne des Rudels betreiben. Und eine Krähe hackt der anderen nicht das Auge aus, Schweigen ist Gold.
Aber was sind “Wissenschaftler” wert, die in ihrem täglichen Tun wissenschaftlichem Denken eklatant zuwiderhandeln?