Sie finden es in keinem Reiseführer: Dryslwyn.
Eine Burgruine, wie sie malerischer nicht liegen könnte.
Eine, die sich im Besitz von Cadw befindet.
Cadw ist Teil der Waliser Regierung.
Die Waliser Regierung wird von Labour geführt.
Und deshalb funktioniert herzlich wenig, was mit Cadw zusammenhängt.
Die Leute dort schaffen es nicht einmal, Mitgliedsausweise auszustellen.
Viele der von Cadw verwalteten Burgen, Schlösser oder sonstigen Ruinen, befinden sich in einem beklagenswerten Zustand. Die Informationen, die man vor Ort an vielen der Cadw-Attraktionen findet, befinden sich entweder auf Hinweisschildern, die mittlerweile so verwittert sind, dass man sie nicht mehr oder nur noch teilweise lesen kann, oder sie fehlen gleich ganz.
Und wenn man nach weitergehenden Informationen zu z.B. Dryslwyn, einer zentralen Burg in der Geschichte von Wales sucht, dann wird man bei Cadw mit dem Hinweis abspeist, dass die Burg 1287 Ort einer Belagerung war, englische Truppen haben den Aufstand von Rhys ap Maredudd in Dryslwyn beendet.
Sie sehen: Die Engländer sind die bösen.
Das ist alles, was die Leute bei Cadw zu interessieren scheint.
Was Sie im folgenden Post bei uns lesen, gibt es in der Zusammenstellung nur hier. Dr. habil. Heike Diefenbach hat viel Zeit investiert, um aus den unterschiedlichsten Quellen, das wenige zusammenzutragen, was es zu Dryslwyn verlässlich zu sagen gibt.
Okay.
Machen wir uns auf die Reise.
Und vom Parkplatz ist es nur ein paar Schritte nach hier:
Das malerische Castell y Dryslwyn oder englisch: Dryslwyn Castle liegt in Carmarthenshire, Wales, zwischen Llandeilo in 8 km Entfernung und Carmarthen, der Hauptstadt von Carmarthenhsire, in 14 km Entfernung von von Dryslwyn Castle.
„Dryslwyn Castle nimmt nicht nur einen Ort großer Zuneigung in den Herzen und Traditionen der Waliser ein, sondern auch einen majestätischen Hügel über dem Tywi-Tal. Der Ort ist für immer mit den Prinzen [‚princes‘] von Deheubarth, dem Königreich im Südwesten von Wales, verbunden“,
Es stimmt: Dryslwyn Castle wurde auf einem allein stehenden Hügel erbaut, der den (nach wie vor) mändernden Fluß Tywi und sein Überschwemmungsgebiet überschaut, das von wilden Gänsen, Möwen und einer ganzen Reihe anderer Vögel bevölkert wird.
Überschwemmungsgebiet des Flusses Tywi unterhalb von Dryslwyn Castle
Der Hügel erhebt sich nur 50 Meter über dem Fluß, aber die Tatsache, dass der Hügel alleine steht und sich abrupt erhebt, läßt ihn tatsächlich „majestätisch“ („majestic“) erscheinen. Die Burg ist gegen die Südseite und teilweise gegen Norden und Westen durch die steilen Hänge des Hügels geschützt; nur die nordöstliche Seite des Hügels ermöglicht einen relativ bequemen Zugang zur Burg.
Südseite der Burg
Es stimmt auch, dass Dryslwyn Castle von einem Prinzen von Deheubarth erbaut wurde, wobei die „Prinzen“ einem Adelsgeschlecht entstammten, das über einen großen Teil von Wales, genau: Süd- und Westwales, regierte. Diese Region bzw. das „Reich“ von Deheubarth, entstand im Jahr 920, als Hywel Dda, d.h. Hywel, der Gute, Sohn von Prinz Cadell von Seisyllwg (seinerseits ein kleines „Reich“ im südwestlichen Wales), dieses „Reich“, also Seisyllwg, mit anderen Gebieten, inklusive dem „Reich“ Dyfed im Süden von Wales, vereinigte (https://www.historyfiles.co.uk/KingListsBritain/CymruCeredigion.htm).
Die Normannen eroberten Deheubarth im Jahr 1093. Die walisischen Herrscher über die Region durften lediglich die Autorität über Cantref Mawr („der große Cantref“) und Ystrad Tywi (das Flußtal des Flusses Tywi) behalten. Von hier aus wiedererstand das ehemalige Königreich Deheubarth im 12. Jahrhundert (aber nur für kurze Zeit).
Dryslwyn Castle wurde in den 1220er-Jahren erbaut, wahrscheinlich von Rhys Gryg, einem Sohn von Rhys ap Gruffydd, der seinerseits besser bekannt ist als der „Lord Rhys“ (der übrigens in der Kathedrale von St. David begraben ist). In diese Zeit fällt die früheste Bauphase der aus Kalkstein erbauten Burg. Sie umfasste einen runden Bergfried mit angrenzendem Tor, einem Rundturm und einer großen Halle sowie einigen anderen Gebäuden.
Ruinen des Rundturms von Dryslwyn Castle
Nach dem Tod von Rhys Gryg im Jahr 1233 fiel die Burg an seinen Sohn Maredudd ap Rhys, der einige Um- und Anbauten vornahm. U.a. baute er eine zweite Halle im rechten Winkel zum Original. Später im 12. Jahrhundert wurde an der Südseite der Burg ein Turm errichtet, der eine Kapelle und eine Reihe von Wohnräumen umfasst, die den Raum zwischen der großen Halle und der Südmauer der Burg füllten.
Blick in die große Halle von Dryslwyn Castle mit Resten des Kamins; im Vordergrund ist ein Überrest des zugehörigen Schornsteins zu sehen
Ruinen des Südturms, der die Kapelle enthielt
Licht für die Räume im Südflügel der Burg gaben große Fenster mit Blick auf den Fluss Tywi; man kann sie heute noch sehen.
Fenster in der südlichen Wand der Burg; Überreste der großen Halle im Vordergrund
Im Jahr 1271 starb Maredudd ap Rhys auf Dryslwyn Castle, und sechs Jahre später fiel König Edward I. in Wales ein, ein Akt der den sogenannten Ersten Krieg für die Walisische Unabhängigkeit einläutete. Zu dieser Zeit war der Sohn von Maredudd ap Rhys, Rhys ap Maredudd, mit Llywelyn ap Gruffyd, dem Prinzen des nordwalisischen „Reiches“ von Gynedd verbündet, der sich vorgenommen hatte, die Engländer aus Wales zu vertreiben. Der Verbund hielt jedoch nicht lange, und Rhys ap Maredudd fand eine Einigung mit Edward I. Im Gegenzug konnte er seine Ländereien und Burgen erhalten. Zu dieser Zeit hatte sich an der Nordseite der Burg, außerhalb der Burgmauern, eine kleine Siedlung entwickelt.
Noch im Jahr 1281 gestattete Edward I. Rhys ap Maredudd, einmal im Jahr einen vier Tage währenden Jahrmarkt abzuhalten, aber im selben Jahr brachen Streitigkeiten zwischen Rhys ap Maredudd und Edward I. aus, wahrscheinlich, weil Rhys ap Maredudd unzufrieden damit war, was ihm die Aufkündigung des Verbundes mit Llywelyn ap Gruffyd von englischer Seite eingebracht hatte, und Dryslwyn Castle wurde von mehr als 11.000 Soldaten unter dem Kommando von Edmund, dem Earl of Cornwall, dem Cousin des Königs, unter Einsatz von Belagerungsmaschienen angegriffen. Es war eine heftige Auseinandersetzung, die am 5. September 1287 damit endete, dass die Verteidiger der Burg aufgaben. Rhys ap Maredudd konnte fliehen, wurde aber im Jahr 1291 gefangen genommen und in York wegen Verrates vor Gericht gestellt und exekutiert. Von da an blieb die Burg für mehr als hundert Jahre in englischen Händen, auch, wenn sie einige Male, darunter im Jahr 1316 während des walisischen Aufstandes, angegriffen wurde. Eine Ära walisischer Selbstverwaltung im Südwesten von Wales ware zuendegegangen. Erst im Jahr 1403, während des walisischen Aufstandes unter Owain Glyndwr, wechselte die Burg wieder in walisische Hände, nur, um einige Jahre später von Soldaten König Henrys IV. wiedererobert zu werden. Die Burgmauern wurden teilweise abgetragen, und seitdem war die Burg verlassen und verfiel immer mehr ( https://medievalheritage.eu/en/main-page/heritage/wales/dryslwyn-castle/). Die Siedlung blieb allerdings erhalten. Um das Jahr 1304 soll die Siedlung 50 bis 55 Häuser und eine geschätzte Bevölkerung von 250-275 Menschen umfasst haben. Auch im Jahr 1357 wurde die Siedlung noch in einem Schriftstück erwähnt, aber in den 1360-er-Jahren kehrte die Pest nach Westwales zurück, und bis zum Jahr 1444 war die Siedlung anscheinend schon verlassen (Dyfed Archaeological Trust 2021: 2).
Was heute noch von der Burganlage zu sehen ist, wurde im Rahmen von Ausgrabungen in den Jahren 1980 bis 1995 wieder ans Licht der Welt gebracht und ist nur ein kleiner Teil der einst großen Burg: Nur die Südwest-Ecke und die südliche Mauer der Burg sind geblieben.
Man erreicht die Burg heutzutage über einen Aufgang an der Westseite des Hügels, der sich dann nach Osten wendet und zum äußeren Torhaus heraufführt.
Dryslwyn Castle: Aufgang zur Burg
Dryslwyn Castle: Blick zurück auf den Tywi vom Aufgang zur Burg aus gesehen
Ist der Besucher dort angkommen, erwartet ihn überflüssigerweise ein Schild mit der Aufschrift „Castle“ just vor der Silhouette der Burg; nach unserer Erfahrung gehören Wegweiser in Wales im Allgemeinen nicht unbedingt zur hilfreichen Sorte ….
Geht man nicht auf die Südmauer der Burgruine zu, sondern geradeaus, so kommt man an einem Fragment des mittleren Tores vorbei, das sich in der Landschaft ausnimmt wie ein „standing stone“ bzw. Megalith, von denen es in Wales noch eine ganze Reihe gibt.
Dryslwyn Castle: Fragment des mittleren Tores
Wenn man ihn passiert, fällt der Blick durch Ruinen hindurch hinunter ins Tywi-Tal und man fühlt sich, als würde man einen Blick in eine andere Welt tun.
Und tatsächlich fühlt sich Dryslwyn wie ein besonderer Platz an, besonders am späten Nachmittag, wenn die niedrig stehende Sonne silbern auf dem Wasser des Tywi tanzt – an dem man zum Poeten oder Maler werden könnte.
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