Harnwegsinfektionen bekämpfen und vorbeugen mit D-Mannose und/oder Wacholder-Extrakt

Vielleicht hat sich der eine Leser oder die andere Leserin schon gefragt, wie lange es dauern würde, bis wir in unserer Serie über pflanzliche Heilmittel auf Möglichketen der Vorbeugung oder Bekämpfung von Harnwegsinfektionen zu sprechen kommen würden, denn

„Unkomplizierte Harnwegsinfektionen (HWI) gehören zu den häufigsten Infektionen im ambulanten Bereich. Sie sind nach den Atemwegsinfekten der häufigste Grund für Antibiotikaverschreibungen. Zu den unkomplizierten HWI zählen die akute unkomplizierte Zystitis [Blasenentzündung] … und die akute unkomplizierte Pyelonephritis [Nierenbeckenentzündung] … Das Resistenzniveau von Erregern unkomplizierter HWI hat sich in letzter Zeit signifikant erhöht“,

so schrieben Wagenlehner et al. bereits im Jahr 2011, und an diesem Befund scheint sich seitdem nicht viel geändert zu haben. So halten Kranz et al. (2020: 1480) in einem im Jahr 2020 veröffentlichten Text fest, dass „Harnwegsinfektionen (HWI) […] sowohl im ambulaten als auch im stationären Bereich zu den häufigsten bakteriellen Infektionen in Deutschland [zählen]“, aber tatsächlich existieren überraschenderweise keine aktuellen öffentlichen Statistiken über die Häufigkeit von Harnwegsinfektionen (und schon gar nicht nach Geschlecht, Alter, Komorbiditäten, Ursachen …), – beim Robert Koch Institut findet man in der Rubrik „Gesundheit A-Z“ u.a. Einträge für „Aktivität“, „Alleinerziehende“ und „Doping“, aber keine Einträge für „Blasenentzündung“, „Harnwegsinfektion“ oder „Zystitis“. (Auch unter der Rubrik „Frauengesundheit“ findet man keine Hinweise auf Harnwegsinfektionen, obwohl Frauen von ihnen deutlich häufiger betroffen sind als Männer, besonders junge, sexuell aktive Frauen und Frauen in der Menopause.) Daher mussten Kranz et al. in ihrem Text auf Versichertendaten der Barmer GEK Krankenkasse aus dem Jahr 2012 zurückgreifen, die u.a. zeigten, dass in diesem Jahr bei 8,7 Prozent aller weiblichen dort Versicherten ab 12 Jahren die Diagnose einer akuten Zystitis … gestellt wurde.

Auch sogenannte chronisch rezidivierende bzw. phasenweise wiederkehrende Harnwegsinfektionen, die dreimal, viermal  oder noch häufiger in einem Jahr auftreten, sind keine Seltenheit: Vahlensieck et al. haben ihre Inzidenz im Jahr 2015 mit einem bis fünf Prozent bei Frauen angegeben, womit sie bei Frauen „… eine sehr häufige Erkrankung dar[stellen]“ (Vahrensieck et al. 2015).

Ein relativ aktueller Indikator für die Verbreitung von Harnwegsinfektionen stammt aus der Verbrauchs- und Medienanalyse (VuMA), die gezeigt hat, dass es

„[i]m Jahr […] in der deutschsprachigen Bevölkerung [Deutschlands] ab 14 Jahre rund 250.000 Personen [gab], die 1- bis 2-mal im Monat Mittel gegen Harnwegsinfektionen verwendeten“ (zitiert nach statista).

Sucht man bei amazon.de in der Rubrik „Drogerie und Körperpflege“ nach „Harnwegsinfekt Medikament“, dann produziert die Suche 137 Ergebnisse. Es scheint also eine hohe Nachfrage nach Produkten zu geben, die Harnwegsinfektionen bekämpfen, lindern oder ihnen vorbeugen. Und auf dem Buchmarkt gibt es Ratgeber, wie z.B. denjenigen von Theresia Niedermeier, die mehr oder weniger wertvolle Tips dazu geben, wie man akuten oder chronischen Harnwegsinfektionen mit natürlichen Mitteln vorbeugen oder sie behandeln kann.

Damit ist der Verzicht auf die Einnahme von Antibiotika impliziert, die bei Harnwegsinfektionen in der Vergangenheit routinemäßig ärztlich verschrieben wurden, weil Harnwegsinfektionen in den bei weitem meisten Fällen bakteriellen Ursprungs sind und dabei in der großen Mehrheit der Fälle von dem gramnegativen Bakterium Escherichia coli (E. coli) verursacht sind (Fazly Bazzaz et al. 2021: Seite 1 von 13: Magistro 2023: 2549), selten jedoch von Pilzen oder Viren (Olin et al. 2015: 721). Antibiotika sind aufgrund der zunehmenden Entstehung von antibiotika-resistenten Bakterien jedoch weit weniger bzw. weit weniger häufig wirksam bei der Behandlung bakterieller Infektionen als sie es in der Vergangenheit waren (Magistro 2023: 2547), so dass Alternativen zur Behandlung von Harnwegsinfektionen (und anderen bakteriell verursachten Infektionskrankheiten) dringend notwendig sind.

Die Tips, die zur Vorbeugung von Harnwegsinfektionen gemeinhin gegeben werden, beziehen sich auf die Einhaltung bestimmter hygienischer Standards, die Gesunderhaltung der Darmflora durch die Einnahme eines Probiotikums, die Sicherstellung einer angemessenen Versorgung mit den Vitaminen C, A und D sowie mit den Mineralien Zink, Selen und Kupfer, und dies alles leistet tatsächlich einen wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung (oder ggf. Gesundung) des Harntraktes (Fazly Bazzaz et al. 2021 erklären die Gründe hierfür und benennen die entsprechenden wissenschaftlichen Studien). Wer jedoch gegen eine chronisch rezividierende Harnwegsinfektion zu kämpfen hat oder gegen eine akute Harnwegsinfektion, benötigt gewöhnlich über diese Maßnahmen hinausgehende (Ab-/)Hilfe.

Bei einer relativ leichten akuten Harnwegsinfektion oder Episode im Rahmen einer chronisch rezidivierenden Harnwegsinfektion oder dann, wenn die ersten Anzeichen einer (drohenden) Harnwegsinfektion zu spüren sind, wird häufig empfohlen, sich – zusätzlich zu den oben genannten Maßnahmen – einer Kur durch Einnahme von D-Mannose zu unterziehen. Auch, wenn diese Empfehlung gewöhnlich ohne die Angabe entsprechender wissenschaftlicher Belege für die Wirksamkeit gegeben wird, wäre es falsch, zu meinen, dass D-Mannose nur ein Hausmittel von fragwürdigem Status sei, denn tatsächlich sind die Wirkung und die Wirkungsweise von D-Mannose auf die Harnwege wissenschaftlich erforscht und belegt.

D-Mannose ist ein Einfachzucker, der natürlicherweise vom Körper aus Glukose produziert wird. Er kommt in den Körperzellen und in einigen Lebensmitteln vor:

“At least 90% of ingested D‑mannose is absorbed in the upper part of the intestine. Its peculiarity is that despite it being a simple molecule, this sugar is not metabolized by the organism. Consequently, it is not stored in the liver or other organs, but it is excreted unconverted into the urine via the kidneys. About 60 min after ingestion, it arrives unchanged in the urinary tract. D‑mannose also has no effect on human metabolism after long‑term use …” (Parazzini et al. 2022: 2).
„Mindestens 90 % der mit der Nahrung aufgenommenen D-Mannose wird im oberen Teil des Darms absorbiert. Die Besonderheit ist, dass dieser Zucker, obwohl er ein einfaches Molekül ist, vom Organismus nicht verstoffwechselt wird. Folglich wird er nicht in der Leber oder anderen Organen gespeichert, sondern wird über die Nieren unumgewandelt mit dem Urin ausgeschieden. Etwa 60 Minuten nach der Einnahme gelangt er unverändert in den Harnwegen an. D-Mannose hat auch keine Auswirkungen auf den menschlichen Stoffwechsel nach langfristiger Einnahme …“ (Parazzini et al. 2022: 2).

D-Mannose wirkt gegen von E. coli verursachte Harnwegsinfektionen, weil E. coli-Bakterien im Urin an D-Mannose anbinden statt an die Blasenwand (s. hierzu Scaglione et al. 2021) und mit dem Zucker im Urin ausgeschieden werden. Das reduziert die Menge der E. coli-Bakterien, die an die Blasenwand anbinden können erheblich: In-vivo- und in-vitro-Studien haben gezeigt, dass verschiedene Derivate des Zuckers die Belastung der Harnwege und der Blase mit E. coli-Bakterien um das 2,4-fache senken (Klein et al. 2010). Wellens et al. (2008) haben festgestellt, dass D-Mannose darüber hinaus der Entstehung eines Biofilms entgegenwirkt, der es Bakterien erleichtert, sich auszubreiten und (bis dahin) gesunde Zellen zu infiltrieren.

D-Mannose hat sich nicht nur zur Vorbeugung gegen Episoden im Rahmen chronisch rezidivierenden Harnwegsinfektionen bewährt (Lenger et al. 2020; de Nunzio et al. 2021), sondern hilft auch bei der Bekämpfung der Symptome einer akuten Harnwegs- oder Blaseninfektion. Das jedenfalls hat die systematische Übersicht von Parazzini et al. (2022) über sieben Querschnittsstudien, Kohortenstudien, Fall-Kontroll-Studien oder klinische Studien ergeben, deren Probanden Frauen mit Symptomen einer Harnwegsinfektion oder Blasenentzündung waren, die D-Mannose – allein oder zusammen mit anderen Mitteln wie Preiselbeer- oder Granatapfel-Extrakt – einnahmen (Parazzini et al. 2022: ):

“The results of this evaluation suggest that, in women with symptoms of UTI/cystitis, treatment with D‑mannose alone or in association with other compounds is useful for lowering the intensity of symptoms both in the short and middle‑term for all typical symptoms, except hematuria” (Parazzini et al. 2022: 9).
„Die Ergebnisse dieser Evaluation deuten darauf hin, dass bei Frauen mit Symptomen einer Harnwegsinfektion/ Blasenentzündung eine Behandlung mit D-Mannose allein oder in Verbindung mit anderen Wirkstoffen sowohl kurz- als auch mittelfristig die Intensität der Symptome bei allen typischen Symptomen, mit Ausnahme der Hämaturie [Blut im Urin], verringern kann“ (Parazzini et al. 2022: 9).

Die Autoren weisen darauf hin, dass die Anzahl der betrachteten Studien und die Anzahl der Probanden in diesen Studien gering ist, dass die meisten dieser Studien in Italien durchgeführt worden waren, dass nur englischsprachige Publikationen berücksichtigt worden waren u.a.m. und man deshalb vorsichtig dabei sein müsse, diese Ergebnisse zu verallgemeinern (Parazzini et al. 2022: 9). Aber sie bemerken auch, dass

“… from a biological point of view, our findings have a rationale, …”(Parazzini et al. 2022: 9),

d.h.

„… vom biologischen Standpunkt aus betrachtet sind unsere Ergebnisse begründet, …“ (Parazzini et al. 2022: 9),

nämlich aufgrund des oben berichteten Bindungsmechanismus, so dass es keinen vernünftigen Grund dafür gibt, zu bezweifeln, dass die Einnahme von D-Mannose die Symptome einer akuten Harnwegsinfektion oder Blasenentzündung nur in den betrachteten Studien und nicht allgemein bzw. in den meisten Fällen lindern kann.

“In conclusion, despite the limitations, consistent results among all studies give strong support to the general findings. Although the biological and clinical explanations of our results are not entirely clear, observational studies and clinical trials consistently suggest that D‑mannose may be useful in the treatment of UTI/cystitis symptoms. Its non‑pharmacological, non‑metabolic, non‑bacteriostatic or bactericidal, but biome‑ chanical mechanism of action, and the fact that it does not affect antibiotic resistance may support the use of D‑mannose in the treatment of UTI/cystitis” (Parazzini et al. 2022: 9).
“Zusammenfassend lässt sich sagen, dass trotz der Einschränkungen die Ergebnisse aller Studien übereinstimmen und die allgemeinen Erkenntnisse stark unterstützen. Obwohl die biologischen und klinischen Erklärungen für unsere Ergebnisse nicht ganz klar sind, deuten Beobachtungsstudien und klinische Versuche durchweg darauf hin, dass D-Mannose bei der Behandlung von Harnwegsinfektionen/Zystitis[Blasenentzündungs]-Symptomen nützlich sein kann. Sein nicht pharmakologischer, nicht metabolischer, nicht bakteriostatischer oder bakterizider, sondern biomechanischer Wirkmechanismus und die Tatsache, dass er die Antibiotikaresistenz nicht beeinflusst, können die Verwendung von D-Mannose bei der Behandlung von Harnwegsinfektionen/Zystitis unterstützen“ (Parazzini et al. 2022: 9).

Liebe Leser,

Texte wie dieser sind nicht nur einmalig und nur bei uns zu finden, sie sind besonders akribisch recherchiert und entsprechend mit viel Aufwand verbunden, deshalb haben wir in der Redaktion darüber diskutiert, ob wir die entsprechenden Texte hinter einer Bezahlschranke anbieten sollten.

Wie Sie sehen, haben wir uns gegen eine Bezahlschranke entschieden.

Wir werden auch weiterhin unser Beiträge frei zur Verfügung stellen, weil wir wollen, dass unsere Texte von Nutzen für möglichst viele Leser sind, und weil wir darauf vertrauen, dass unsere Leser unsere einmaligen Angebote zu schätzen wissen und uns deshalb im angemessenen Ausmaß unterstützen werden, und in der Hoffnung, dass wir diese Serie, für die wir Mitarbeiter tagelang freistellen müssen, weiterführen können.

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Die Einnahme von D-Mannose bei akuten Harnwegsinfektionen oder Blasenentzündung ebenso wie bei chronisch rezidivierenden Harnwegsinfektionen kann also grundsätzlich empfohlen werden: sie ist wirksam, ungefährlich auch über einen längeren Zeitraum, führt nicht zu einer Erhöhung des Blutzuckerspiegels, führt nicht zur Entwicklung von Resistenz gegen Antibiotika und kann gleichzeitig mit Antibiotika erfolgen bzw. erhöht den Erfolg einer gleichzeitigen Behandlung mit Antibiotika (Kuzmenko et al. 2019; Marchiori & Zanello 2017), sofern Letztere für notwendig oder sinnvoll erachtet wird.

Harnwegsinfektionen werden traditionell durch mittel pflanzlicher Herkunft bekämpft, oft in Form von Extrakten aus Teilen einer Pflanze oder der ganzen Pflanze, aber nicht immer, wie z.B. im Fall von Preiselbeersaft, der oft empfohlen wird, um Harnwegsinfektionen entgegenzuwirken, aber als alleiniges Mittel oft nicht ausreicht, um akute Harnwegsinfektionen oder Episoden im Rahmen von chronisch rezidivierenden Harnwegsinfektionen zu bekämpfen. Preiselbeersaft oder – besser – Preiselbeerextrakt in Kapselform kann aber dazu beitragen, Harnwegsinfektionen vorzubeugen (Di Martino et al. 2006; Howell et al. 2005; LaPlante et al. 2012). Schachtelhalm, Brenn-Nessel, Meerrettich, die Kanadische Orangenwurzel (auch als Goldsiegelwurz oder kanadischer Gelbwurz bekannt), sind weitere traditionell gegen Harnwegsinfektionen verwendete Pflanzen. Über die Befunde aus wissenschaftlicher Forschung zur Wirksamkeit dieser Pflanzen gegen Harnwegsinfektionen (in der einen oder anderen Form auf die ein oder andere Weise) geben Fazly Bazzaz et al. (2021) Aufschluss. Wer möchte, kann ein Kombinationspräparat probieren, z.B. eines wie das nebenstehend abgebildetet, in dem D-Mannose, Preiselbeer-Extrakt und Vitamin C enthalten sind.

Eine Pflanze, die in Europa traditionell Verwendung gegen eine Reihe von Erkranlungen oder Beschwerden gefunden hat, ist der Gemeine Wacholder (juniperus communis), und einigen gilt der Gemeine Wacholder oder genauer: ein alkoholisches Extrakt aus den Beeren der Pflanze als Königsweg bei der Bekämpfung von Harnwegsinfektionen durch pflanzliche Medizin. So schreibt Stephen Harrod Buhner, einer der weltweit führenden Experten für angewandte Pflanzenmedizin und Autor einer Reihe von entsprechenden Büchern (der leider im Dezember 2022 im Alter von siebzig Jahren verstorben ist), über den Gemeinen Wacholder:

“If you have a resistant UTI [urinary tract infection], this is the one plant you want to be sure to use for it” (Buhner 2012: 187),

d.h.

„Wenn Sie eine resistente UTI [Harnwegsinfektion] haben, ist dies die Pflanze, die Sie unbedingt dafür verwenden sollten“ (Buhner 2012: 187).

Tatsächlich haben sowohl die Blätter als auch die Beeren, aber besonders die Beeren, des Gemeinen Wacholders antimikrobielle Eigenschaften, d.h. sie sind gegen Mikroorganismen wirksam, und zwar sowohl gegen eine ganze Reihe von Bakterien, darunter Staphylococcus aureus, Enterobacter cloace, Klebsiella pneumoniae, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumanii, Listeria monocytogenes, Escherichia coli und Listeria monocytogenes als auch – aber mit weniger starkem Effekt – gegen verschiedene Arten von Candida-Pilzen sowie das Herpes-Simplex-Typ-1-Virus (Demir 2021: 149; Gonçalves et al. 2022: 13-14, Table 2; Minami et al. 2003; Pepeljnjak et al. 2006; Sati & Joshi 2010). Der Gemeine Wacholder, vor allem seine Beeren, wirkt harntreibend, ohne dabei den Elektrolytgehalt in der Blutbahn zu reduzieren, und ist im Stande, Harnsteine (zumindest in in vitro-Studien) aufzulösen (Gonçalves et al. 2022: 42). Extrakte aus Beeren des Gemeinen Wacholder wirken außerden gegen oxidativen Stress (Elmastaş et al. 2006), der für die Entstehung von Krankheiten, darunter Krebs und alle möglichen Arten von Entzündungen, also auch Entzündungen der Harnwege oder der Blase, eine wichtige Rolle zu spielen scheint (Allameh & Salamzadeh 2016: 79).

Unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass es an randomisierten, kontrollierten Studien am Menschen mangelt, die die Effekte des Gemeinen Wacholders oder seiner Bestandteile auf Harnwegsinfektionen prüfen, und darauf, dass wir keine Mediziner sind und keinerlei Verantwortung für irgendeine Art von Selbst-Medikamentierung übernehmen können, empfehlen wir jedem – ausgenommen Schwangeren, Diabetikern und Menschen mit Nierenschaden oder Personen mit anderen Vorerkrankungen wie z.B. neurologischen –, der unter Harnwegsinfektionen und besonders chronisch rezidivierenden Harnwegsinfektionen leidet, sich – am besten in Absprache mit dem Arzt oder Heilpraktiker – einer mindestens mehrtägigen (besser: mehrwöchigen) Kur mit einem alkoholischen Extrakt auf Beeren des Gemeinen Wacholder zu unterziehen.

In der Literatur begegnet man ab und zu dem Verdacht, dass der Gemeine Wacholder bzw. Auszüge aus seinen Blättern oder Beeren aufgrund seiner ätherischen Öle die Nieren schädigt, und wer Probleme mit seinen Nieren oder nur noch eine Niere o.ä. hat, dem sei zur Vorsicht bei der Verwendung von Wacholder geraten. Grundsätzlich gilt jedoch:

“There is a long-held belief in botanical medicine circles that juniper volatile oil contains nephrotoxic compounds, particularly hydrocarbon terpenoids such as pinenes. However, animal studies clearly show this is only true at extraordinarily high doses, far beyond the typical therapeutic realm … Two separate reviews of published literature on juniper nephrotoxicity both conclude there are no verifiable modern reports of renal injury from therapeutic use of juniper, that older reports of this likely resulted from misidentification or adulteration of juniper oil with either turpentine or Juniperus sabina (savin) oil, and that older reports may also have confused proteinuria caused by renal inflammation due to underlying disease with damage caused by juniper … At present there is no substantiation of the supposed nephrotoxicity or abortifacient properties of juniper available in peer-reviewed literature” (Yarnell 2002: 289).
„In pflanzenheilkundlichen Kreisen herrscht seit Langem die Überzeugung, dass das ätherische Wacholderöl nephrotoxische [nierenschädigende] Verbindungen enthält, insbesondere Kohlenwasserstoff-Terpenoide wie die Pinenes. Tierstudien zeigen jedoch eindeutig, dass dies nur bei außerordentlich hohen Dosen der Fall ist, die weit über den typischen therapeutischen Bereich hinausgehen … Zwei getrennte Übersichten der veröffentlichten Literatur über die Nephrotoxizität von Wacholder kommen beide zu dem Schluss, dass es keine nachprüfbaren modernen Berichte über Nierenschäden durch die therapeutische Verwendung von Wacholder gibt, dass ältere Berichte darüber wahrscheinlich auf eine Verwechslung oder Verfälschung von Wacholderöl mit Terpentin- oder Juniperus sabina (Savin)-Öl zurückzuführen sind und dass in älteren Berichten möglicherweise auch eine Proteinurie, die durch eine Nierenentzündung aufgrund einer Grunderkrankung verursacht wurde, mit einer durch Wacholder verursachten Schädigung verwechselt wurde … Derzeit gibt es in der Fachliteratur keine Belege für die angebliche Nephrotoxizität oder die abtreibenden Eigenschaften von Wacholder” (Yarnell 2002: 289).

Zu diesem Thema äußert sich auch der Assessment Report on Juniperus communis L., aetheroleum” der European Medicines Agency (EMA) bzw. Europäischen Arzneimittel-Agentur vom 25. November 2010, insbesondere auf den Seiten 14 bis 16.

Der oben bereits zitierte Stephen Harrod Buhner hält aufgrund seiner langjährigen praktischen Erfahrungen fest:

“I have used this plant [juniper] for over two decades and have never seen any problems. The phytomedicalist Kerry Bone and others have tracked back the emergence of this belief; it began in the latter part of the nineteenth century, apparently from the administration of large doses of the essential oil to animals … I no longer consider the herb contraindicated in kidney disease, nor do I feel that kidney irritation can occur from normal use. The only side effect I have ever seen from use was a mild diarrhea when the essential oil (15 drops in 1 ounce of olive oil) was used in the treatment of an ear infection …” (Buhner 2012: 182).
„Ich verwende diese Pflanze [Wacholder] seit mehr als zwei Jahrzehnten und habe nie irgendwelche Probleme gesehen. Der Phytomediziner Kerry Bone und andere haben die Entstehung dieses Glaubens zurückverfolgt; er begann in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, offenbar durch die Verabreichung großer Dosen des ätherischen Öls an Tiere … Ich halte das Kraut bei Nierenerkrankungen nicht mehr für kontraindiziert und glaube auch nicht, dass es bei normalem Gebrauch zu Nierenreizungen kommen kann. Die einzige Nebenwirkung, die ich jemals bei der Verwendung gesehen habe, war ein leichter Durchfall, wenn das ätherische Öl (15 Tropfen in 1 Unze Olivenöl) bei der Behandlung einer Ohrenentzündung verwendet wurde …” (Buhner 2012: 182).

Halten wir also fest: Schwangeren sei von der Verwendung von Wacholder auf jeden Fall abgeraten, Nierengeschädigten, Diabetikern und Personen mit anderen Vorerkrankungen, wie z.B. neurologischen, sei zur Vorsicht geraten und noch mehr als allen anderen dazu, Wacholder in Absprache mit einem Mediziner oder Heilpraktiker zu benutzen. Ebenfalls abgeraten sei davon, selbst Extrakte aus Bestandteilen des Gemeinen Wacholders zwecks Selbstmedikamentierung zuzubereiten, weil die Wirkung der Pflanze u.a. davon abhängt, wo sie wächst, und die Dosierung in kommerziellen Wacholder-Extrakten standardisiert ist, während es schwierig sein kann, die entsprechende Dosierung in selbst zubereiteten Extrakten zu erzielen. Der verantwortliche Umgang mit Wacholder-Extrakten kann hiervon abgesehen jedem empfohlen werden, der unter Harnwegsinfektionen leidet. Aufgrund ihrer antimikrobiellen Wirkung, gepaart mit seiner harntreibenden Wirkung, können sie als eine Art Desinfektionsmittel für die Nieren, die Harnwege und die Blase angesehen werden.


Literatur

Allameh, Zahra, & Salamzadeh, Jamshid, 2016: Use of Antioxidants in Urinary Tract Infection. Journal of Research in Pharmacy Practice 5(2): 79-85.

Buhner, Stephen Harrod, 2012: Herbal Antibiotics: Natural Alternatives for Treating Drug-Resistant Bacteria. North Adams: Storey Publishing.

Demir, Hülya, 2021: Antimicrobial Activities of Juniper Berries (Juniperus Communis), Bottle Brust (Equisetum Arvense), Star Anise (Illicium Verum) and Uvez (Cormus Domestica), S. 131-156 in: Bozdoğan, Ali Musa, Bozdoğan, Nigar Yarpuz, Özrenk, Koray, & Uçak, Ali Beyhan (Hrsg.): Research and Reviews in Agriculture, Forestry, and Aquaculture Sciences – I (September 2021). Ankara: Gece Publishing. https://www.gecekitapligi.com/Webkontrol/uploads/Fck/agriculture1.pdf#page=137

Di Martino, Patrick, Agniel, Remy, Kallend, David, et al., 2006: Reduction of Escherichia coli Adherence to Uroepithelial Bladder Cells after Consumption of Cranberry Juice: a Double-blind Randomized Placebo-controlled Cross-over Trial. World Journal of Urology 24(1): 21-27

Elmastaş, Mahfuz, Gülçin, Ilhami, Beydemir, Šükrü, et al., 2006: A Study on the In Vitro antioxidant Activity of Juniper (Juniperus communis L.) Fruit Extracts. Analytical Letters 39(1): 47-65

Fazly Bazzaz, Bibi S., Darvishi Fork, Sareh, Ahmadi, Reza, & Khameneh, Bahman, 2021: Deep Insights into Urinary Tract Infections and Effective Natural Remedies. African Journal of Urology 27(6). https://doi.org/10.1186/s12301-020-00111-z

Gonçalves, Ana C., Flores-Félix, José David, Couthino, Paula, et al., 2022: Biomedical Activities: A Review on Recent Trends. International Journal of Molecular Sciences 23(6): 3197. doi: 10.3390/ijms23063197

Howell, Amy B., Reed, Jess D., Krueger, Christian G., et al. 2005: A-type Cranberry Proanthocyanidins and Uropathogenic Bacterial Anti-adhesion Activity. Phytochemistry 66(18): 2281-91

Kuzmenko, A. V., Kuzmenko, V. V., & Gyaurgiev, T. A., 2019: Efficacy of Combined Antibacterial-Prebiotic Therapy in Combination with D-mannose in Women with Uncomplicated Lower Urinary Tract Infection. Urologiia 6 (2019): 38-43.

Klein, Tobias, Abgottspon, Daniela, Wittwer, Matthias, et al., 2010: FimH Antagonists for the Oral Treatment of Urinary Tract Infections: From Design and Synthesis to in Vitro and in Vivo Evaluation. Journal of Medicinal Chemistry 53(24): 8627–8641

Kranz, Jennifer, Wagenlehner, Florian M. E., & Schneidewind, Laila, 2020: Komplizierte Harnwegsinfektionen. Der Urologe 59: 1480-1485

LaPlante, Kerry L., Sarkisian, Simon A., Woodmansee, Suzanne, et al., 2012: Effects of Cranberry Extracts on Growth and Biofilm Production of Escherichia coli and Staphylococcus Species. Phytotherapy Research 26(9): 1371-1374.

Lenger, Stacy M., Bradley, Megan S., Thomas, Debbie A., et al., 2020: D-mannose vs Other Agents for Recurrent Urinary Tract Infection Prevention in Adult Women: a Systematic Review and Meta-analysis. American Journal of Obstetrics and Gynecology 223(2): 265.e1-265.e13. doi:10.1016/j.ajog.2020.05.048

Magistro, Giuseppe, 2023: Resistenzentwicklung uropathogener Erreger, S. 2547-2555 in: Michel, Maurice Stephan, Thüroff, Joachim, Janetschek, Günter, & Wirth, Manfred P. (Hrsg.): Die Urologie. (Springer Reference Medizin.) Berlin: Springer

Marchiori, Debora, & Zanello, Pierpaolo, 2017: Efficacy of N-acetylcysteine, D-mannose and Morinda Citrifolia to Treat Recurrent Cystitis in Breast Cancer Survivals. In Vivo 31(5): 931-936.

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de Nunzio C, Bartoletti R, Tubaro A, Simonato A and Ficarra V: Role of D‑mannose in the prevention of recurrent uncomplicated cystitis: State of the art and future perspectives. Antibiotics (Basel) 10: 373, 2021.

Parazzini, Fabio, Ricci, Elena, Fedele, Francesco, et al., 2022: Systematic Review of the Effect of D-mannose With or Without Other Drugs in the Treatment of Symptoms of Urinary Tract Infections/Cystitis (Review). Biomedical Reports 17(2): 69. doi: 10.3892/br.2022.1552.

Pepljnjak, Stjepan, Kosalec, Ivan, Kaloderea, Zdenka, & Blazević, Nikola, 2006: Antimicrobial Activity of Juniper Berry Essential Oil (Juniperus communis L., Cupressaceae). Acta Pharmaceutica 55(4): 417-422.

Sati, S. C. & Joshi, Savita, 2010: Antibacterial Potential of Leaf Extracts of Juniperus Communis L. from Kumaun Himalaya. African Journal of Microbiology Research 4(12): 1291-1294.

Scaglione Francesco, Musazzi, Umberto M., & Minghetti, Paola, 2021: Considerations on D‑mannose Mechanism of Action and Consequent Classification of Marketed Healthcare Products. Frontiers in Pharmacology 12: 636377. doi: 10.3389/fphar.2021.636377

Wellens, Adinda, Garofalo, Corinne,Nguye, Hien, et al., 2008: Intervening with Urinary Tract Infections Using Anti-Adhesives Based on the Crystal Structure of the FimH– Oligomannose-3 Complex. PLoS ONE 3(4): e2040. doi:10.1371/journal.pone.0002040

Yarnell, Eric, 2002: Botanical Medicines for the Urinary Tract. World Journal of Urology 20(5): 285–293.




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