Öffentlich-rechtliche Desinformation zum Tode von Daniel Kahneman
Die ARD-Tagesschau hat heute einen Nachruf auf den verstorbenen Sozialpsychologen Daniel Kahneman veröffentlicht. Sie hätte es besser gelassen:
Kahneman, so steht hier zu lesen “wies nach, dass Menschen entgegen der traditionellen Ansätze nicht völlig rational und eigennützig entscheiden”. Da ist sie, die in Deutschland bei vielen anzutreffende Aversion gegen Rationalität und Eigennutz, die sie natürlich nur aus Eigennutz entwickelt haben, aber das ist ein anderes Thema.
Niemand, kein uns bekannter Ökonom, Soziologe, Philosoph, Sozialwissenschaftler aus welchem Fach auch immer, hat JEMALS behauptet, dass Menschen vollkommen rational agieren würden. Im Gegenteil, wer ein willkürliches Buch eines Philosophen, in dem es um menschliches Handeln geht, zur Hand nimmt, wird schnell feststellen, dass die Unterscheidung zwischen Rationalität und Emotion/Affekt bei allen zu finden ist. Kaum ein Mensch außerhalb der Redaktion der ARD-tagesschau ist so blöd zu denken, es gäbe andere, die denken würden, Menschen agierten ausschließlich rational.
Schon deshalb nicht, weil es eine weitverbreitete Unterscheidung zwischen dem, was Max Weber die objektive Richtigkeitsrationalität und subjektive Zweckrationalität genannt hat, gibt. Erstere ist das, was man in einer Situation hätte tun müssen, um das beste Ergebnis zu erreichen. Zweiteres ist das, was man getan hat. Beides mag übereinstimmen, in vielen Fällen stimmt es aber nicht überein, weil Menschen keine rundum informierten Handlungsentscheidungen treffen können. Es gibt immer Aspekte, die demjenigen, der sich in einer Situation entscheiden muss, nicht bekannt sind. Zuweilen sind diese Lücken so relevant, dass die letztliche Entscheidung von einem besser informierten Beobachter als nicht rational angesehen werden muss.
Das sind aber zwei Paar Schuhe.
In der traditionellen Ökonomie hat man sich – insbesondere mit dem Aufkommen der Spieltheorie, in der es letztlich um OPTIMALE Handlungsentscheidungen geht, mit der objektiven Richtigkeitsrationalität befasst, um das Verhalten von Akteuren vor diesem Hintergrund in MODELLEN modellieren zu können. Tversky und Kahneman haben zunächst für Furore gesorgt, weil sie gezeigt haben, dass die Abweichung zwischen dem Idealzustand objektiver Richtigkeitsrationalität und den Entscheidungen, die Akteure in Verfolgung von Zweckrationalität treffen, so groß ist, dass sich die Frage stellt, ob eine Modellierung entlang der idealistischen Annahmen, wie sie ökonomischen Modellen zugrunde liegen, überhaupt sinnvoll ist.
In den Worten der beiden:
„The modern theory of decision making under risk emerged from a logical analysis of games of chance rather than from a psychological analysis of risk and value. The theory was conceived as a normative model of an idealized decision maker, not as a description of the behavior of real people. … We argue that the deviation of actual behavior from the normative model are too widespread to be ignored, too systemic to be dismissed as random error, and too fundamental to be accommodated by relaxing the normative system“ (Tverky & Kahnemann 1986: S251-S252).
Tversky, Amos & Kahneman, Daniel, 1986: Rational Choice and the Framing of Decisions. Journal of Business 59 (4): S251-S.278.
Die Abweichung vom Idealmodell des vollinformierten Akteures, der seinen Nutzen maximieren will, haben Tversky und Kahneman anhand von vier Brüchen mit den Vorhersagen des Modells deutlich gemacht, also anhand von vier Bereichen, in denen tatsächliches Verhalten so weit vom Idealverhalten abweicht, dass es fraglich ist, ob man mit idealtypischen Modellen, die NIE dazu gedacht waren, menschliches Verhalten zu erklären oder vorherzusagen, sondern dazu, Annahmen über zugrundliegende Mechanismen zu testen und aus der Abweichung zum realen Verhalten Schlüsse zu ziehen, überhaupt noch eine Erkenntnis erzielen kann. Die vier Bereiche waren:
- Unabhängigkeit (Luce & Krantz 1971), Ausschluss-Bedingung (Tversky & Kahnemann 1986) oder Ersatz-Bedingung (von Neumann & Morgenstern 1944);
- Transitivität;
- Dominanz;
- Invarianz;
Luce, R. Duncan, & Krantz, David H. 1971: Conditional Expected Utility. Econometrica 39: 253-271.
Von Neumann, John & Morgenstern, Oskar, 1944: Theories of Games and Economic Behavior. Princeton: Princeton University Press.
Alle vier Bereiche beschreiben Forderungen an einen Handelnden, die er erfüllen muss, um den Annahmen, auf denen das klassische ökonomische Modell basiert, gerecht zu werden.
Das Prinzip der Unabhängigkeit besagt, dass die Wahl zwischen zwei Alternativen A und B auf Situationen beschränkt bleibt, in denen sie ein unterschiedliches Ergebnis zeitigen, dessen ungeachtet die Präferenz für A aber auch für Situationen gilt, in denen das Ergebnis für beide Alternativen „0“ ist.
Transitivität bezieht sich auf die Präferenzen für Alternativen und bezeichnet die eindeutige und unabhängige Zuweisung eines Werts zu einer Alternative. Dabei gilt, wenn für den Wert v gilt, dass Av > Bv und Bv > Cv, dass auch gelten muss, dass Av > Cv,, wobei A, B und C die Alternativen bezeichnen.
Dominanz bezeichnet die Tatsache, dass bei zwei gegebenen Alternativen, A und B, wenn A in einer Situation besser ist als B und in allen anderen Situationen A und B gleich gut sind, A gewählt wird.
Invarianz: Wie das Wort schon sagt, geht das normative Modell der Spieltheorie davon aus, dass die Wahl für eine Alternative unabhängig ist von der Art und Weise, in der die Alternative präsentiert wird: Zwei unterschiedliche Beschreibungen derselben Handlungsalternativen sollen demnach zur selben Wahl führen.
Menschen verstoßen in ihren Handlungen häufig gegen eines oder mehrere dieser Prinzipien und handeln aus Sicht der objektiven Richtigkeitsrationalität nicht korrekt. Indes handeln Menschen deshalb nicht IRRATIONAL. Denn Handlungsentscheidungen finden GRUNDSÄTZLICH unter Unsicherheit statt, schon weil das Ergebnis einer Handlungsentscheidung nicht VORHERSEHBAR ist. Die Abweichung, die Tversky und Kahneman aufgezeigt haben, hat also nichts mit nicht rationalem Handeln zu tun, sondern damit, dass die Informationen, auf die zweckrationale Akteure ihre Entscheidungen bauen, in aller Regel nicht ausreichend sind, um die Entscheidung zu treffen, die aus Sicht objektiver Richtigkeitsrationalität korrekt wäre. Sie optimieren entsprechend nicht richtig, handeln aber, nichtsdestotrotz RATIONAL.
Die Frage, warum Menschen Handlungsentscheidungen treffen, die man als suboptimal gemessen am idealen Ausgang ansehen kann oder muss, hat Tversky und Kahneman zu dem geführt, was sie Heuristik und Voreingenommenheit (bias) genannt haben. Denkgewohnheiten, die systematisch dazu führen, dass die tatsächliche Entscheidung von der, die man auf Basis objektiver Richtigkeitsrationalität getroffen hätte, abweicht.
Hier kommt nun das ins Spiel, was im Beitrag der ARD so verloren herumsteht:
“Kahneman und der Psychologe Amos Tversky entwickelten gemeinsam die sogenannte Prospect Theory, mit der sie die Wirtschaftswissenschaften enorm beeinflussten. Darin analysierten die Wissenschaftler das Verhalten in Risiko-Situationen. Sie wiesen nach, dass Menschen stärker von drohenden Verlusten als von potenziellen Gewinnen beeinflusst werden.”
Tveryky und Kahnemann haben das natürlich nicht nachgewiesen. Sie haben Tendenzen aufgezeigt, die dazu führen, dass es immer Menschen geben wird, die sich in bestimmten Situationen anders entscheiden werden als man es auf Basis der objektiven Richtigkeitsrationalität vorhergesagt hätte. Tversky und Kahnemann sind empirisch tätige Sozialpsychologen. Ihre Ergebnisse sind durchweg von dem geprägt, was jeder empirisch Tätige zur Genüge kennt: Verteilungen, die von erwarteten Verteilungen mehr oder minder stark abweichen, aber nie so stark, dass alle Probanden von der Abweichung umfasst sind. Deshalb werden empirisch tätige Wissenschaftler nie das Wort “BEWEIS” in den Mund nehmen. Nur Leute, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, werden Formulierungen wie “wiesen nach” wählen.
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Risikoaversion, die der unbekannte Autor des ARD-Bullshit-Textes aus unbekannten Gründen herausgegriffen hat, ist eine Determinante, die für Abweichungen individueller Handlungsentscheidungen von objektiver Richtigkeitsrationalität verantwortlich ist. Was es damit auf sich hat, zeigt das folgende, klassische Beispiel, mit dem Risikoaversion gemessen wurde.
Eine Epidemie ist ausgebrochen. Ein Impfstoff, der in aller Eile entwickelt wurde, verspricht, die Zahl der Opfer zu reduzieren. Vor diesem Hintergrund sollen sich die Probanden für oder gegen den Einsatz des Impfstoffs entscheiden, wobei zwei Frames vorgegeben sind, ein Mortalitätsframe und ein Überlebensframe. Beide unterscheiden sich lediglich in der Art der Formulierung voneinander. Im ersten Fall sterben 75% der Geimpften, im zweiten Fall überleben 25%. Wie sich herausstellt, wird die Entscheidung, den Impfstoff einzusetzen, häufiger im Überlebens- als im Mortalitätsframe getroffen (erschreckend aktuell dieses Beispiel aus den 1970er Jahren …).
Tversky und Kahneman haben die Logik hinter ihrem Ergebnis in eine Theorie verpackt, die sie „Prospect Theory“ genannt haben, und wie folgt beschreiben:
„Prospect theory distinguishes two phases in the choice process: a phase of framing and editing, followed by a phase of evaluation. The first phase consists of a preliminary analysis of the decision problem, which frames the effective acts, contingencies and outcomes. Framing is controlled by the manner in which the choice problem is presented, as well as by norms, habits and expectancies of the decision maker”.
Die Art und Weise, wie ein Entscheidungsproblem, das in VERHALTEN resultieren soll, präsentiert wird, geframed ist, trifft auf Normen, auf Erfahrungen, Verhaltensweisen, Routinen, auf Wissen, Präferenzen und allerlei sonstige Dinge, die Kahneman und Tversky später als Heuristiken bezeichnet haben. Heuristiken stellen Shortcuts dar, derer sich Menschen in Entscheidungssituationen bedienen, um den Entscheidungsprozess kurz zu halten, den Ressourceneinsatz, also Zeit, Gehirnschmalz, Beobachtung usw. zu minimieren.
Im Hinblick auf Handlungspräferenzen greifen Tversky und Kahneman auf eine lange Reihe von Forschungsergebnissen zurück, die zeigen, dass Menschen im groben in risikofreudige (risk seeking) und Risiko vermeidende (risk avoiding) Menschen unterteilt werden können. Diejenigen, die Risiko suchen, sind seltener als diejenigen, die auf Nummer sicher gehen. Das erklärt den Unterschied im oben beschriebenen Experiment, denn der Mortalitätsframe korreliert mit Risiko, während der Überlebensframe auf Sicherheit rekurriert.
Was man von dem angeblichen Nachweis, dass Menschen “stärker von drohenden Verlusten als von potenziellen Gewinnen beeinflusst werden” zu halten hat, ist offenkundig. Mehr Probanden haben sich für den Überlebensframe, der mit “Sicherheit” assoziiert ist, entschieden, ziehen also den potentiellen Gewinn dem drohenden Verlust vor.
Einmal mehr schreiben die ARDler ideologischen Bullshit.
Noch ein Fall von DESINFORMATION für Nancy Faeser.
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Man kann im Zusammenhang mit der Diskussion um die Rationalität von Handlungsentscheidungen (nicht unbedingt: Handlungen!) nicht häufig genug betonen, dass dieselbe, also die Rationalität von Handlungsentscheidungen, keineswegs allein durch inhaltliche Erwägungen bestimmt werden kann, sondern auch – und manche würden sagen: vor allem – durch die Erwägung der Frage, ob eine inhaltliche Erwägung der Vor- und Nachteile der verschiedenen Handlungsmöglichkeiten als solchen in einer bestimmten Situation überhaupt rational bzw. vernünftig ist.
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Ein Beispiel: Wir wollen heute abend nicht kochen und einigen uns darauf, Essen aus einem “take away” zu bestellen. Wieviel Zeit mit der Frage nach der Art des Essens und dem speziellen “take away”, von dem wir bestellen wollen, zu verbringen, ist vernünftig? Wenn Leute immer wieder auf Essen aus einer bestimmten Küche oder von einem bestimmten “take away” zurückkommen, dann mag das irgendwann langweilig sein, aber es ist durchaus vernünftig: Sie wissen, dass sie in der Vergangenheit damit zufrieden waren und sparen jede Menge Zeit (Suchkosten, Abstimmungskosten…), wenn sie einfach das Essen oder denjenigen “take away” wählen, der sich in der Vergangenheit bereits als zufriedenstellend erwiesen hat. Das ist eine vernünftige Handlungsentscheidung, auch, wenn es in der Realität möglich und vielleicht sogar wahrscheinlich ist, dass das vorher gewählte Essen/der vorher gewählte “take away” nicht der Beste gewesen ist, was immer auch “der Beste” bedeuten mag: der Beste in Sachen Geschmack des Essens, der Beste bezüglich des Preis-Leistungsverhältnisses, der Beste in Sachen Nähe zum Wohnort, also hinsichtlich des zeitlichen Aufwandes, den das Essen-Besorgen in Anspruch nehmen wird … Und wieviel Zeit mit der Frage nach der Zusammenstellung eines Menus für die Gäste einer Hochzeitsfeier aufzuwenden, ist vernünftig? …
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Eben! Was in der realen Welt für verschiedene Menschen in verschiedenen Entscheidungssituationen vernünftig ist, kann sehr unterschiedlich, aber gleichermaßen vernünftig sein. Was Kahneman, Tversky und viele andere, die auf diesem Feld gearbeitet haben, umgetrieben hat, war nicht die Frage “Ist das rational?” oder “Verhalten sich ‘die’ Menschen rational?”, sondern “Wie gut passen Modelle mit diesen oder jenen Annahmen über das Treffen von Handlungsentscheidungen zum beobachtbaren Entscheidungsverhalten von Menschen in diesen oder jenen Situationen?” Sicher, es mag einige dünkelhafte Modellierer gegeben haben, die sich tatsächlich eingebildet haben, ihre Modelle würden “die” Rationalität abbilden und Leute, die sich abweichend vom Modell verhalten, würden sich irrational verhalten, aber allen anderen, normalen, Forscher haben wohl gewusst, dass Modelle mit dem Anspruch, “die” rationale Entscheidung, die beste Entscheidung in einer gegebenen Situation abzubilden, nur normative Modelle sein können. Normative Modelle können einem als Richtschnur für das eigene Entscheiden dienen – oder nicht, wenn man gute Gründe hat, ihre Annahmen zu bezweifeln oder in einer bestimmten Situation bestimmte Faktoren im Modell anders zu gewichten. Aber sie sind keine, sagen wir: Götter aus Blech mit einem “Hirn”, das auf der Basis einer Reihe von aufeinanderbezogenen Größen funktioniert, die die Welt und alles Wichtige auf dieser Welt umfassen.
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Jeder vernünftige (!) Menschen weiß das. Kahneman hat das sicher auch gewusst, dies aber m.E. oft nicht hinreichend deutlich gemacht, vor allem in seinen populären Büchern (die er oft mit Ko-Autoren verfasst hat) wie zuletzt: “Noise”, zusammen mit Olivier Sibony und Cas Sunstein, dem Möchtegern-Ober-“nudger”, verfasst. In diesem Buch werden sozialpolitische Fragen wie die Gleichheit oder Ungleichheit von Entscheidungen, im juristischen System mit dem Vorhandensein von “noise” in Verbindung bringt, das trivialerweise einfach die – angemessen oder nicht angemessene; darüber kann man unterschiedlicher Auffassung sein – Berücksichtigung von konkreten Umständen bezeichnet, und mit nicht näher begründeten “errors”. Weltanschauliche Fragen können nicht mit Verweis auf “die” Rationalität beantwortet werden, und tatsächlich kommt das Wort “rational” (außer im Klappentext) im Buch auch nur sehr selten vor, vielleicht sogar nur einmal (auf Seite 18) (ich bin jetzt hierüber nicht ganz sicher).
P.S. Wen’s interessiert: Das Buch “Noise” ist von entsprechend geneigter Seite hochzujubeln versucht worden, aber es ist m.E. tatsächlich ein miserables Buch aus dem Genre “Pseudowissenschaft für Möchtegern-Aber-Könnennicht-Intellektuelle”. Die Entscheidung, es zu lesen, muss m.E. als eine höchst irrationale gewertet werden: es ist Zeiverschwendung.
Das Aufsehen, das Kahneman und Tversky erregt haben, hat m.E. wesentlich damit zu tun, daß sie den Theorien der selbstverliebten “klassischen” Wirtschaftswissenschaftler eine fundierte alternative Beschreibung entgegengestellt haben. Bis dahin hatte man sich u.A. aus der Physik komplizierte mathematische Beschreibungen abgeschaut, von denen die Autoren wohl noch wußten, daß die Voraussetzung für ihre korrekte Anwendung nicht gegeben sind und nicht sein können. So eine Kenntnis verliert sich dann aber schnell bei den Adepten, die sich dann für schöne Spielereien auf ihrer Basis “Nobel”-Preise verleihen.
Eine bis heute verwendete Voraussetzung ist z.B., daß wesentliche Größen nach Art einer Gaußkurve verteilt sind (Standardnormalverteilung), obwohl in der Realität die Ränder deutlich mehr beitragen, als sie sollten. Das nennt man dann “fat tails” – und kümmert sich nur noch beiläufig darum, obwohl dort oft das Eigentliche passiert.
Eine wesentlich bessere Beschreibung ist von B. Mandelbrot entwickelt worden (wer kennt noch die “Apfelmännchen”?), leider ist die Mathematik dahinter für die üblichen Anwendungen zu komplex. So nimmt man halt weiter Modelle, die zwar falsch sind, sich aber leicht rechnen lassen.
Ebenfalls wesentlich ist bei den Standarmodellen eben auch die Annahme, daß alle beteiligten Akteure alle notwendigen Informationen haben und objektiv rational handeln. Das ist natürlich ebenfalls immer schon falsch gewesen – hier gibt es als bekannten Gegenpol die “Börsenerklärer” mit ihren Trend- und Auffanglinien etc.
Dies ist von Kahneman auf eine solide empirische Basis gestellt worden, weshalb ihm dann (zähneknirschend? 😉 der “Preis der schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften in Gedenken an A. Nobel” verliehen wurde.
Das hindert aber niemanden, dennoch die “exakten” mathematischen Modelle weiterzuverwenden, insbesondere werden sie von der Aufsicht eifrig weiter gepflegt (Europäische Bankenaufsicht, Federal Reserve etc.)
Na, Herr Klein, es ist gemein vom Tagesschauredakteur einen kompetenten Kurzüberblick über Kahnemans Schaffen zu verlangen. Wahrscheinlich hat er das kürzeste Streichholz gezogen?
Die Stärke von Kahnemans und Tverskys Arbeiten beruht für mich auch in ihrer Nachvollziehbarkeit im Alltag, wenn man das tägliche Geschehen (anderer) einfach nur reflektierend beobachtet. Da passt viel zusammen.
Davon abgesehen: Ist die Definition des Unabhängigkeitsprinzips nicht streng genommen Schwachsinn? Es gilt nur A oder B wenn verschieden, aber auch (nur) A wenn A und B gleich sind?