Junk-Umfrage der Drogenbeauftragten soll zeigen: “Die Mehrheit ist vernünftig”

Als empirische Sozialforscher, die ihr Handwerk noch von der Pike auf gelernt haben, die mit Kollegen stundenlang über die beste Frageformulierung diskutiert und Pre-Tests benutzt haben, um die eigenen Annahmen darüber, wie Fragen von Befragten verstanden werden, zu prüfen, kommen uns regelmäßig die Tränen, wenn wir das sehen, was derzeit als “empirische Sozialforschung” oder auch “Umfrageforschung” bezeichnet wird.

Wir haben uns deshalb entschieden, neben der Kategorie der Junk-Studie nun auch die Kategorie der Junk-Umfrage zu eröffnen, um darin die Umfragen zu sammeln, bei denen jemand gemeint hat, er könne eben einmal ins Feld gehen, dort ein paar Fragen stellen, anschließend die Ergebnisse verkünden und sich für den produzierten Meinungsumfrage-Junk fürstlich bezahlen lassen.

insa consulereDie erste Junk-Umfrage, mit der wir die neue Kategorie bestücken, kommt aus dem Hause INSA-Consulere, einem Meinungsforschungsinstitut, das die Drogenbeauftrage des Bundes, Marlene Mortler, zu kennen scheint, denn sie hat INSA-Consulere mit einer Umfrage beauftragt. Vielleicht wurde der Prozess des Kennenlernens auch dadurch erleichtet, dass der Geschäftsführer von INSA-Consulere – Hermann Binkert, der diese Position seit dem 15. August 2011 inne hat, zuvor als Staatssekretär in der Thüringer Staatskanzlei gewirkt hat. Damals war Binkert auch noch CDU Mitglied.

Wie dem auch sei, INSA-Consulere hat eine Umfrage durchgeführt, zu der wir folgende Informationen erhalten:

  • Es wurden 2.187 Personen befragt.
  • Der Befragungszeitraum war vom 19. September bis zum 21. September 2015.

Die Menge der Befragten und die Kürze der aufgewandten Zeit verweisen auf eine telefonische Befragung, die aus nur wenigen Fragen bestanden haben kann.

Die Befragung hat Rauchen zum Gegenstand und scheint im Wesentlichen eine Itemskala umfasst zu haben sowie die Fragen nach Alter und Geschlecht der Befragten.

Die Itemskala lässt sich wie folgt rekonstruieren:

Stimmen Sie den folgenden Aussagen eher zu oder nicht zu?

  • Ich rauche Tabak auch wenn Kinder mit im Auto sitzen.
  • Ich kenne die gesundheitlichen Risiken, denen Kinder durch rauchende Erwachsene im Auto ausgesetzt sind.
  • Die Gesundheit lässt sich auch noch im hohen Alter durch regelmäßige Bewegung verbessern.

Als Antwortalternative hatten die Befragten dann offensichtlich die Möglichkeit “stimme zu”, “stimme nicht zu” und “weiß nicht/Keine Angabe” zu nennen.

Herauskommt, dass 89% meinen, sie würden die gesundheitlichen Risiken kennen, denen Kinder durch rauchende Erwachsene im Auto ausgesetzt sind und 4% der Aussage zustimmen, dass sie auch Tabak rauchen, wenn Kinder im Auto sitzen.

Und jetzt kommt Marlene Mortler und interpretiert:

scully facepalm“Die weit überwiegende Mehrheit der Raucher in Deutschland verhält sich heute vorbildlich und schützt nichtrauchende Mitmenschen. Doch rauchen immer noch Einzelne im Beisein von Kindern. In der aktuellen Umfrage gaben dies 4 Prozent der Befragten an. Es ist zu vermuten, dass die Dunkelziffer noch sehr viel höher ist. Insbesondere dann, wenn man weiß, dass in derselben Umfrage 11 Prozent angaben, nicht genügend über die Risiken informiert zu sein. So kann es nicht bleiben.”

Schon im ersten Satz liegt Marlene Mortler falsch, denn davon, dass INSA-Consulere ausschließlich Raucher befragt hat, kann keine Rede sein. Es finden sich keinerlei Anzeichen dafür, dass ausschließlich Raucher befragt wurden, was auch schwierig ist, da es sich um eine telefonische Befragung handelt und man der Telefonnummer nicht entnehmen kann, ob jemand raucht oder nicht raucht.

INSA-Consulere behauptet, eine repräsentative Umfrage durchgeführt zu haben, was, zusammen mit der ungewöhnlich hohen Fallzahl von 2.187 Befragten nur den Schluss zulässt, dass nicht nur Raucher befragt wurden, denn für Raucher sind keine sozialdemographischen Grunddaten verfügbar, die man nutzen könnte, um vermeintliche Repräsentativität zu errechnen.

Folglich hat INSA-Consulere nicht nur Raucher befragt.

Das macht die Antworten, die Marlene Mortler so erregen, unbrauchbar, denn was kommt wohl heraus, wenn man Raucher und Nichtraucher gleichermaßen fragt, ob sie der Aussage zustimmen, “Ich rauche Tabak auch wenn Kinder mit im Auto sitzen”? Es macht irgendwie keinen Sinn, Nichtrauchern diese Frage zu stellen, oder?

Und weil dem so ist, stellt sich die Frage, wer hier wen hinters Licht führen will – Marlene Mortler die Bevölkerung oder INSA-Consulere Marlene Mortler.

Betrachtet man die “detaillierten Ergebnisse”, die für die Studie zur Verfügung stehen, dann finden sich zu den einzelnen Abbildungen regelmäßig 2.187 Befragte als Basis. Entsprechend muss man davon ausgehen, dass Nichtraucher und Raucher in gleicher Weise mit den jeweiligen Fragen belästigt wurden und Marlene Mortler das entsprechend nicht verstanden hat, weil sie von Rauchern spricht, oder man es Marlene Mortler schlicht nicht gesagt hat.

Wie dem auch sei, die Umfrage ist schon als Junk-Umfrage qualifiziert, weil keinerlei Filter genutzt wird, um eine Frage, die nur Raucher betrifft auch nur Rauchern zu stellen (bzw. für den Juristen als Geschäftsführer, hilfsweise: die Umfrage ist schon deshalb Junk, weil an keiner Stelle Angaben dazu zu finden sind, wie viele Raucher sich überhaupt unter den Befragten finden (es müssen mindestens 127 gewesen sein).

Marlene Mortler macht in ihrer Pressemeldung drei Angaben zu Ergebnisse aus der vermeintlichen Szudie von INSA-Consulere, alle drei Angaben sind falsch.

Die Studie umfasst nicht nur Raucher, die 4% sind entsprechend nicht vier Prozent der Raucher, sondern 4% aller Befragten, was notwendiger Weise bedeutet, dass 4% der Befragten aber mehr als 4% der befragten Raucher im Auto rauchen wenn Kinder mitfahren.

insa consulere leereSchließlich sind es nicht 11%, die der Aussage “Ich kenne die gesundheitlichen Risiken, denen Kinder durch rauchende Erwachsene im Auto ausgesetzt sind” nicht zustimmen, sondern 7%. Dass Mortler aus 7% 11% macht und Befragten, die der zitierten Aussage nicht zustimmen, unterstellt, sie seien “nicht genügend über die Risiken informiert”, kann nur auf die Dunkelziffer zurückzuführen sein, die es logisch und normal denkenden Menschen unmöglich macht, vermeintliche Gedankengänge von Politikern wie Mortler nachzuvollziehen. Wenn Marlene Mortler demnächst im Bundestag am Rednerpult steht und einem Einwurf aus den Reihen der Opposition nicht zustimmt, dann bedeutet das also nicht, dass Mortler nicht zustimmt, sondern dass sie nicht genügend informiert ist, um auf den Einwurf zu reagieren.

Kurz: Der Junk-Umfrage folgt eine Junk-Pressemeldung, die voller Fehler steckt und in der Marlene Mortler entsprechend Junk erzählt.

Dass die Mehrheit vernünftig ist, wie es in der Überschrift zu dieser Pressemeldung heißt, kann entsprechend nur auf die allgemeine Bevölkerung abzüglich all derer, die mit der Pressemeldung und der Umfrage befasst waren, bezogen sein.

INSA-Consulere will auf seiner Seite den Eindruck vermitteln, es handle sich dabei um ein weitverzweigtes Unternehmen mit den Sparten:

http://www.insa-meinungstrend.de/
http://www.50plus-studie.de/
http://www.insa-online.de/

Indes, keine der Seiten ist aktiv bzw. vorhanden, für alle Seiten ergibt sich die selbe Fehlermeldung, die Nutzern von Parallels Plesk Panel bestens vertraut sein dürfte:

Insa non consulere

Letztlich geht es bei derartigen Umfragen nicht darum, Ergebnisse zu erzielen, sondern darum, Legitimation für zukünftige Ausgaben zu beschaffen, mit denen z.B. eine Kampagne gegen das Rauchen im Auto oder das Verbot des Rauchens im Auto legitimiert werden soll. Es macht also nichts, dass die Ergebnisse aus einer Junk-Umfrage stammen und Mortler den Junk-Ergebnissen durch eine Junk-Interpretation weitere Gewalt antut. Die Junk-Umfrage ist vielmehr Teil eines sich selbst erhaltenden Systems, das der Finanzierung und dem Unterhalt von Nutznießer-Netzwerken aus Steuermitteln dient.

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