Teilzeitarbeit: optimales Mittel für Herrschaft und Kontrolle

Halten Sie eigentlich eine Balance zwischen Work und Life? Der moderne Mensch, wie ihn sich Staatsfeministen träumen, hat seine Work-Life-Balance, ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Leben (Wir lernen: Leben hat nichts mit Arbeit zu tun). Selbstverständlich ist das Gleichgewicht kein individuell gewähltes, sondern ein institutionell vorgegebenes.

Work life balanceAn keinem Punkt der staatsfeministischen Ideologie wird die Einheit zwischen Sozialismus und Staatsfeminismus so deutlich wie in der Work-Life-Balance. Der sozialistische Kampf gegen Kapitalismus, wird im Rahmen der Work-Life-Balance zum sozialistisch-staatsfeministischen Kampf gegen die vorgeblich hegemonial-männlichen Werte von Arbeit und Leistung. Wer mehr als 32 Stunden in der Woche arbeitet, ist hegemonial männlich, opfert sein Leben der Arbeit, suspekt und mit Vorsicht zu betrachten, denn er weicht von der Vorgabe ab, die ihm der Staatsfeminismus im Hinblick auf die richtige Form der Lebensführung, die richtige “Work-Life-Balance” macht.

Teilzeitarbeit passt perfekt in den sozialistischen Traum, den die Mittelschicht träumt: möglichst nichts arbeiten, bei vollem Lohnausgleich. Und Teilzeitarbeit passt perfekt in den staatsfeministischen Traum, den die feministische Mittelschicht träumt und dessen Ziel darin besteht, die Normen von Arbeit und Leistung zunächst als männlich zu deklassieren und dann nach Möglichkeit zu beseitigen. Warum? Arbeit und Leistung sind individuelle Eigenschaften. Sie schaffen Unterschiede und Pluralismus. Beides ist der Nukleus von Unkontrollierbarkeit. Wie soll man Menschen kontrollieren, die ihre Leben nach eigenen Vorstellungen planen und leben? Wie viel einfacher ist es, das Heer von Teilzeitarbeitnehmern und Work-Life-Gebalancten zu kontrollieren, die zur angegebenen Zeit am angegebenen Ort erscheinen, um dort das Vorgegebene (in Work wie in Life) zu tun? Kontrolle über Individuen zu haben, war zu allen Zeiten und an allen Orten das Ziel der Herrschenden, die staatsfeministische Harmonisierung, besser: Gleichschaltung der individuellen Leben ist der beste Weg zu Kontrolle.

AcemogluKontrolle funktioniert und funktionierte immer über die Schaffung von Abhängigkeit. Wer damit beschäftigt ist, Vorgaben gerecht zu werden, sozialen Erwartungen im Hinblick auf die Anzahl von Stunden, die er im Eigenheim verbringt, rechtlichen Erwartungen im Hinblick auf die Erfüllung von Verpflichtungen, wie sie mit den vorgegebenen Lebenswegen einhergehen (vom obligatorischen Kinderarztbesuch bis zum Schulpsychologen), der hat wenig bis gar keine Zeit, um eine Individualität zu entwickeln. Zudem wurde und wird die Bildung, entweder der Zugang oder der Inhalt von Bildung, regelmäßig als Kontrollmittel genutzt. Früher wurden Teile der Bevölkerung von Bildung ausgeschlossen, um sie leichter kontrollieren zu können. Heute funktionieren die Herrschaftsmittel in Schulen etwas subtiler. Niemand wird mehr ausgeschlossen. Heute wird verteilt und indoktriniert. Verteilt werden Kinder, die nicht in die Schablone vom “lieben Schüler” passen, und zwar auf Sonder- und Hauptschulen, deren Abschluss, sofern sie überhaupt einen erreichen, was bei Sonderschulen eher die Ausnahme als die Regel ist, sie zu einem Leben in vergleichsweiser Armut oder in Abhängigkeit von Sozialarbeitern und sonstigen bereitwilligen Helfern befähigt (Es ist ein erheblicher Zynismus, dass Menschen zunächst von Bildung ausgeschlossen werden, ihnen die Möglichkeit genommen wird, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und dass sie dann, wenn ihnen erfolgreich ein eigenverantwortliches Leben verbaut wurde, zum Opfer und zur Einkommensquelle für dieselbe Schicht von Leuten werden, die für ihren Ausschluss verantwortlich sind.). Indokriniert wird über das Curriculum, das genutzt wird, um die staatsfeministische Ideologie als freie demokratische Grundordnung zu verkaufen.

Nach der schulischen Sortierung kommt die berufliche Sortierung. Wie Staatsfeminismus und Sozialismus unisono lehren, ist es schlecht, eigennützig zu sein. Vielmehr hat der Mensch ein soziales Wesen zu sein, denn soziale Wesen, diejenigen, die sich im Idealfall für die Gemeinschaft aufopfern, sind leichter steuer- und kontrollierbar. Das Soziale ist der Fetisch der staatsfeministisch-sozialistischen Gesellschaften, individuelles Streben nach eigenem Nutzen der Feind derselben. Individuen wird Sinn nur über die Einbindung in gesellschaftliche Gruppen gewährt. Sie erhalten Rechte “als Frau”, “als Kind”, “als abhängig Beschäftigter” “als Engagierter im Bundesfreiwilligendienst”, sie werden mit Argusaugen beäugt, wenn sie ihre Individualität einklagen und ein eigenverantwortliches Leben führen wollen, oder gar nach etwas streben, was nicht im Einklang mit der staatsfeministischen Ideologie steht.

Nicht im Einklang mit Staatsfeminismus stehen, wie bereits erwähnt, als männlich deklassierte Normen von Arbeit und Leistung. Wer mehr als 40 Wochenstunden arbeitet, wird als Workoholic beschimpft. Wer sein Leben einer Berufung, einer Profession widmet, hat Glück, wenn er nicht als Volksfeind angesehen wird, und wer sich nicht an der gesellschaftlichen Fortpflanzung, dem eigentlichen Daseinszweck von Individuen im Staatsfeminismus beteiligt, der wird finanziell bestraft und gesellschaftlich geächtet.

PapaundcomputerDie Ideologie von Staatsfeminismus und Sozialismus fließt in Bildung und Arbeit zusammen. Bildung ist gefährlich, weil Individuen, die wissen, auf Ideen kommen, die staatsfeministische und sozialistische Lehren hinterfragen. Arbeit ist gefährlich, weil das aus Arbeit erzielbare Verdienst Unabhängigkeit schafft. Es ist von daher kein Zufall, dass es “der Banker” zum bad boy moderner Gesellschaften geschafft hat. Der Banker ist an seinem Nutzen interessiert. Er arbeitet mehr als 40 Stunden, verdient gut und der Stand der Banker ist männlich dominiert. Beim Banker fließt alles zusammen, was Staatsfeministen hassen und die derzeitige Finanzkrise, als deren Ursache in sozialistischer Eintracht “die Banker” identifiziert werden und nicht etwa sozialistische Programme wie sie z.B. (ausgerechnet) die Bush-Administration in ihrem Bemühen, möglichst viele Amerikaner im eigenen Haus zu installieren, ob sie sich das nun leisten können oder nicht, durchgeführt hat, ist der Kulminationspunkt aller Verwerflichkeit “der Banker”.

Teilzeitarbeit, so meine These, ist das Mittel, der modus operandi, der es dem Staatsfeminismus ermöglicht, seine Kontrolle über die Bevölkerung auszuweiten und zu verfestigen. Teilzeitarbeit dient einerseits dazu, mehr Fleisch für den Staat zu produzieren, denn Teilzeitarbeit ist das Patentrezept, mit dem angeblich Work und Life in Balance gebracht werden kann. Wobei Life hier nicht etwa Freizeit, sondern Fertilität bedeutet. Frauen wollen nämlich alle Kinder, und Teilzeitarbeit macht es möglicht. Aber Teilzeitarbeit ist mehr als Fertilitätsermöglicher. Teilzeitarbeit dient gleichzeitig, um männliche Arbeitsnormen von Leistung und Effizienz zu erodieren, denn auch Männer müssen in Teilzeit arbeiten, wenn sie sich vom staatsfeministischen Generalverdacht hegemonialer und nach Eigennutz strebender Mann zu sein, läutern wollen.

Wer erst einmal Teilzeit arbeitet, wer seine Work-Life-Balance im vorgegebenen Gleichgewicht hat, der kommt nicht mehr auf die Idee, er könne mehr erstreben, als ihm der Staatsfeminismus vorgibt. Er hat nicht mehr die Erlebnisse von “Flow”, wie sie sich am Ende einer Arbeitsstrecke von mehreren Stunden ergeben. Er hat nicht mehr die Erlebnisse von Effizienz und Produktivität, wie sie sich aus einer Verbesserung seiner Fertigkeiten ergeben. Er hat nicht mehr das Gefühl von Selbstwirksamkeit. Und wer Teilzeit arbeitet, bei dem verändern sich zwangsläufig die Arbeitnormen, wie eine Studie aus den Niederlanden zeigt (Wielers & Raven, 2013, S.111): “Our analyses have shown that the growth of part-time work in the Netherlands has contributed to the declining support for the work obligation norm”. Die Arbeit tritt in den Hintergrund, andere Dinge werden wichtig, Dinge, wie die Familie, die sicherstellen, dass die Individuen nicht Unabhängigkeit erreichen, sondern Abhängigkeit, die gemeinhin als Verantwortung ausgegeben wird.

vollzeitbeschaeftigte LehrerTeilzeitarbeit geht also mit einer Erosion von Arbeitsnormen einher und konsequenter Weise leidet die Arbeitsleistung als Folge davon. Hier ergibt sich eine weitere Möglichkeit der Kontrolle, da sich Teilzeitarbeiter nicht mit der selben Hingabe ihrer Arbeit widmen, kann man Teilzeitarbeiter da verstärkt einsetzen, wo eine intensive und form wie inhaltlich nützliche Vermittlung von indivdiuellen Fähigkeiten nicht mehr gewünscht ist: z.B. in Schulen. Die Abbildung zeigt den Anteil von Vollzeitlehrern in den Bundesländern. Er liegt in den meisten Bundesländern deutlich unter 70%. Auf Bundesebene ist der Anteil vollzeitbeschäftigter Lehrer an allgemeinbildenden Schulen zwischen 1992 bis 2001 von 70,6% auf 60,6% gesunken, an Grundschulen ist der entsprechende Anteil von 61,1% auf 53,2% zurückgegangen.

houchen lingwoodDer Anteil der Nebenbeilehrer, der Lehrer, die eine Work-Life-Balance entsprechend der Vorgabe hergestellt haben, ist somit gestiegen, der Anteil der Lehrer, die einen Beruf und eine Berufung “Lehrer” ausüben, entsprechend gesunken und mit ihm, so kann man vermuten, die Qualität dessen, was in Schulen vermittelt wird. Diese Erkenntnis führt zurück zur Kontrolle, denn Kontrolle (und Macht) übt aus, wer andere in vorhersagbare Schemata pressen kann, Harmonisierung nennt das die EU, Gleichschaltung nannte man das früher. Teilzeitarbeit wurde von mir als optimales Mittel zur Ausübung von Kontrolle durch Gleichschaltung dargestellt. Teilzeitarbeit reduziert die individuellen Möglichkeiten zur Abweichung, und sie reduziert die Qualität des Ergebnisses der Arbeit. Beide Effekte laufen in Schulen, den zentralen Orten der Indoktrination zusammen. Immer mehr Teilzeit arbeitende Lehrer bringen Schülern immer weniger Dinge, die Individualität befördern, bei und reduzieren entsprechend die Zahl der Schüler, die ein anderes Leben zu leben wünschen, als im Staatsfeminismus vorgesehen. Ein gutes Beispiel sind hier Übertragungsleistungen. Übertragungsleistungen sind notwendig, damit Schüler Erlerntes auf neue Bereich anwenden und dort in der Lage sind, sich ein eigenes Urteil zu machen, eine eigene Einschätzung zu treffen. Übertragungsleistungen bleiben da auf der Strecke, wo Unterricht nach Vorschrift gemacht wird, wo sich Lehrer nicht als Person einbringen (können, mangels Fähigkeit oder Zeit), wo Schüler nicht gefordert werden, sondern nur vorgefertigten “Stoff” beherrschen sollen. Und wie die PISA-Studien gezeigt haben, sind es gerade Übertragungsleistungen, bei denen deutsche Schüler versagen.

Dies ist die “schöne neue Welt” des Staatsfeminismus, die nicht von ungefähr an die “schöne alte Welt” erinnert, wie sie z.B. in der Sowjetunion und der DDR zu finden war, denn in seinem Kern ist Staatsfeminismus nichts anderes als Sozialismus.

P.S.
Die oben zitierte Studie von Wielers und Raven (2013) ist im vorliegenden Post etwas kurz gekommen, was u.a. daran liegt, dass ich mit der Operationalisierung der abhängigen Variable durch die Autoren erhebliche Probleme habe. Die abhängige Variable “Arbeitsnorm” setzt sich aus vier Items zusammen, von denen zwei auf die Möglichkeiten zielen, die durch “Arbeit” geschaffen werden, während zwei auf eine kollektive Ebene zielen und Arbeit als “Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft” abfragen. Wie die Leser dieses blogs wissen, halten wir bei ScienceFiles nichts von derart kollektiven Vorgaben und im vorliegenden Fall schlägt sich die Tatsache, dass hier individuelle mit kollektiven Items gemischt werden, in einem Cronbach’s Alpha von 0.68 nieder. Ein lausig schlechter Wert, den die Autoren mit “which is about the usual reliability for this scale” (108) abtun [Wie eine derartige Aussage Eingang in eine begutachtete Fachzeitschrift wie die European Sociological Review finden kann, ist mir nicht nachvollziehbar. Vielleicht üben sich die Gutachter ja als Teilzeit-Wissenschaftler]. Ich gehe davon aus, dass man die Reliabilität deutlich verbessern würde, trennte man die individuellen Items von den kollektiven. Aber ich habe nicht die Originaldaten der Autoren zur Verfügung, um diese Annahme, die die Erfahrung nahe legt, zu prüfen und mich entsprechend dazu entschlossen, die Ergebnisse der Autoren nur in der Tendenz und nicht im Einzelnen hier zu präsentieren.

Wielers, Rudi & Raven, Dennis (2013). Part-Time Work and Work Norms in the Netherlands. European Sociological Review 29(1): 105-113.

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