PISA 2012 : Bildungsdreikampf, Journalisten, Funktionäre und dummes Geschwätz
Der rund alle vier Jahre stattfindende Bildungsdreikampf, mit dem die OECD nicht nur einer Vielzahl von Bildungsforschern ein Auskommen verschafft, sondern auch unter ihren Mitgliedsstaaten zu einer Atmosphäre führt, die man fast mit der Atmosphäre bei der Weltmeisterschaft im Eisstockschießen vergleichen kann, dieser neue Bildungsdreikampf für nunmehr 2012, er ist endlich veröffentlicht. Die Mathematik-, Naturwissenschafts- und Leseverständnisleistungen der Schüler sind wieder gemessen, und geben Ideologen aller Art eine Gelegenheit, sich und ihre Verdienste entweder zu feiern oder die immer noch bestehenden Missstände anzumahnen. Der OECD-Bildungsdreikampf bietet vielfältige Gelegenheit, um sich als BildungsEXPERTE zu outen oder auch eben nicht…
Wir haben einen kleinen Streifzug durch die Stellungsnahmen zu PISA-2012 vorgenommen und wollen unseren Lesern die Ergebnisse nicht vorenthalten.
PISA-2012, so verkündet das BMBF, habe gezeigt: “Schulische Bildung in Deutschland [sei] besser und gerechter”. Wir wollen das für den Moment so stehen lassen, auch wenn ein “als” fehlt, denn man hätte ja schon gerne gewusst im Vergleich womit, die schulische Bildung in Deutschland besser und gerechter ist, im Vergleich zu China, im Vergleich zu früher, im Vergleich zu den schlimmsten Befürchtungen? Aber, wie gesagt, lassen wir das für den Moment.
Der vermutlich Bildungsexperte von T-Online, der sich bei näherer Betrachtung als Bildungsexperte von dpa herausstellt, weiß hingegen, dass Deutschland im “Pisa-Test 2012” erneut nur Mittelmaß ist.
Der Focus weiß auch warum Deutschland nur Mittelmaß ist, nein, das ist nicht richtig, nicht der Focus, nein Josef Kraus, der “Lehrerchef” weiß, warum Deutschland nur Mittelmaß ist, denn: “Wir haben mehr Migranten, also schneiden wir international auch schlechter ab als Finnland oder Korea”. Komischerweise hat Kanada deutlich mehr Migranten als Deutschland und ist dennoch besser, vielleicht liegt das ja an den kanadischen Lehrern, die es besser als ihre deutschen Kollegen schaffen, Kinder, deren Eltern oder Großeltern nach Kanada migriert sind, in der Landessprache, Mathematik und in Naturwissenschaft zu unterrichten.
Die ZEIT ist wieder einmal exklusiv unterrichtet und berichtet, dass deutsche Schüler im “Leistungsranking nach oben” klettern. Da will die Ostseezeitung nicht zurück stehen und titelt: “PISA 2012: Deutschland holt mächtig auf“.
Dagegen hat die FAZ eine einmalige Entwicklung geortet, quasi einen deutschen Sonderweg, der das deutsche Bildungswesen einzig macht: “Deutschland zeigt einmalige Entwicklung” titelt die FAZ und bleibt jede Erklärung dafür, was denn nun die einmalige Entwicklung ist, schuldig. Jedenfalls sind die schlechtesten unter den Schülern besser geworden, so weiß man bei der FAZ und die soziale Herkunft ist nicht mehr ganz so entscheidend, wie sie es noch in PISA-2000 war, so heißt es in fast wortgleicher Übernahme des Textes der Pressemeldung des BMBF. Dumm nur, dass die Schüler, die 2012 getestet wurden, nicht die Schüler sind, die 2000 getestet wurden, was Aussagen dahingehend, dass die schlechtesten Schüler besser geworden sind, relativiert. Richtiger wäre es zu sagen, dass die schlechtesten Schüler in 2012 nicht so schlecht waren, wie die schlechtesten Schüler in 2000, was der Aussage allerdings viel von ihrem beruhigenden Charakter nimmt.
Das Medienecho, das die PISA-2012 Ergebnisse gefunden haben, ist demnach divers, aber Diversität ist ja bekanntlich gut und warum soll Diversität bei Fakten haltmachen, denn es ist eben alles eine Frage der Darstellung – oder? Deshalb hat man sich im BMBF entschieden, die PISA-2012 Ergebnisse mit denen aus dem Jahr 2000 zu vergleichen und nicht mit denen, aus dem Jahr 2009, der Verbesserung der Ergebnisse willen. Hätte man die Ergebnisse von PISA-2012 für Deutschland mit den Ergebnissen von PISA-2009 verglichen, es hätte sich keine Verbesserung ergeben, da ist 2000 schon die bessere Vergleichsgrundlage – oder? Und der PISA-Durchschnitt, der PISA-Durchschnitt ist immer dann ein guter Indikator, wenn man nicht sagen will, dass man im Mittelfeld liegt. Also sagt man, man liege “signifikant” über dem Durchschnitt der OECD und suggeriert damit, dass die 20 Punkte (Mathematik), 12 Punkte (Lesen) bzw. 23 Punkte (Naturwissenschaft) die Deutschland über dem jeweiligen Durchschnitt liegt, eine ganz besonders erfreuliche Leistung sind.
Richtet man sich jedoch am oberen Ende der Skala aus, an den Schülern aus Shanghai, die in allen drei Bereichen führend sind, dann zeigen sich Abstände von 86 Punkten (Mathematik), 48 Punkten (Lesen) und 51 Punkten (Naturwissenschaft), und die Welt sieht anders aus. Überhaupt zeigt sich das PISA-Ergebnis in einem ganz anderen Licht, wenn man den Abstand deutscher Schüler vom Spitzenreiter und für PISA-2012 und PISA-2009 betrachtet, den Abstand von Schülern in Shanghai in beiden Fällen. Rechnet man den Abstand in Prozentwerte um, dann gibt er zudem Auskunft darüber, wie weit deutsche Schüler hinter den Spitzenreitern herhinken.
Wie man schön sehen kann, ist der Abstand deutscher Schüler zu den Spitzenreitern aus Shanghai nicht kleiner geworden, wenn man die beiden letzten PISA-Studien zur Grundlage nimmt, sondern gewachsen bzw. relativ gleichgeblieben. Deutsche Schüler haben im Vergleich zu Schülern in Shanghai im Hinblick auf Leseverständnis und Kenntnisse in Naturwissenschaft einen Leistungsrückstand von rund 10%, im Hinblick auf ihre Leistungen in Mathematik weisen sie einen im Vergleich der beiden Jahren wachsenden Leistungsrückstand von 16% in 2012 auf. Aber natürlich sind deutsche Schüler über dem OECD Durchschnitt… in 2012.
Am besten hat uns jedoch die Stellungnahme von Ilka Hoffmann gefallen, der wir ja auch schon ein Post auf ScienceFiles gewidmet haben. Sie ist zwischenzeitlich von der GEW zur “Schulexpertin der GEW” ernannt worden (wie immer gilt, dass der jeweilige Expertenstatus durch die Vergleichsbasis bestimmt wird, und im Vergleich zu anderen GEW-Funktionären mag Ilka Hoffmann tatsächlich Schulexpertin sein), und sie weiß folgendes zu PISA zu sagen:
„Nicht Wettbewerb und ein schlanker Staat verbessern die Schulleistungen, sondern konsequente Investitionen in gute Bildung für alle, und zwar besonders für benachteiligte Schülerinnen und Schüler. Die frühe Selektion und die hohe Sitzenbleiberquote haben sich erneut als Bremsklötze für die Umsetzung des Rechts auf Bildung erwiesen“.
Eigentlich ist das ein Aspirant auf den Unsinn der Woche. Der erste Teil, also der ideologische Teil, der gegen Wettbewerb unter Schulen, der vor allem die GEW und ihre Funktionäre bzw. deren Einkommen schädigen würde, gerichtet ist, ist so falsch und so verquer, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Wenn Forschung etwas regelmäßig zeigt, dann dass Bildungswettbewerb das Leistungsnievau generell hebt und vor allem Kindern aus den Schichten, die man in Deutschland bildungsfern nennt, zu Gute kommt, also den von Hoffmann kurzerhand als benachteiligt Bezeichneten.
Und dass das Sitzenbleiben sich hinderlich auf den Schulerfolg auswirkt, ist die bildungsgewerkschaftliche Erkenntnis des Jahrzehnts. Ab jetzt geht es aufwärts mit der GEW, schon weil auch die Kausalität endlich klar ist: Sitzenbleiben behindert das Recht auf Bildung, das bei Ilka Hoffmann offensichtlich zu einem Recht auf eine gute Note und schulische Versetzung geworden ist. Man liest oft Sachen und denkt, dümmer geht es nimmer. Dies ist so ein Fall.
Speziell zu Frau Hoffmann, die offensichtlich noch in der sozialistischen Utopie lebt und denkt, Sozialismus sei auch in China der Weg zum Erfolg, hier noch ein paar Informationen zum überaus erfolgreichen Schulsystem in Shanghai:
In the past 15 to 20 years, the government has encouraged the establishment of private schools under the proviso that they will meet the same standards as public schools. Private schools had traditionally been attended primarily by the children of migrant workers because the jurisdictions to which they migrated were not obligated to provide them with any government services, so private schools catered to an underprivileged population. The government now hopes that by allowing private schools of a different sort – namely, elite schools with high admissions standards and presumably high tuition – they will encourage innovation in the fields of science, technology and education.
Shanghai schools have taken advantage of the opportunity they now have to take part in choosing materials. Schools can adopt materials provided to them by the ministry or they can now identify other teaching materials they would like to use, although these still require ministry approval before classroom implementation. Greater local control over school funding, too, has made a big difference in this region. Shanghai has grouped schools into clusters and partnerships to more easily share resources and administration, and has poured capital into improving the facilities of the majority of their schools, as well as working to distribute funding more equitably than in other parts of China.
“At the school level, teachers are encouraged to develop their own lesson plans, and schools also have increasing freedom in adopting extracurricular subjects and teaching materials. Principals have some degree of control over staffing, and can set class sizes and teacher assignments.”
For members of the public who want specific performance indicators, they have access to school examination results. Because so much of Chinese educational success is based on these results, it is extremely easy for the public to determine which schools are successful and which are not; all are accountable in this way. Schools at all levels are informally ranked, and parents often choose which school their children attend.
Wie sich zeigt, ist das Geheimnis des Erfolgs der Schulen in Shanghai eine Mischung aus Wettbewerb zwischen Schulen und Transparenz der schulischen Ausbildung, die es Eltern jederzeit erlaubt, die beste Schule für ihre Kinder zu finden – anders als in Deutschland, wo schulische Daten von den Kultusministern der Ländern sorgfältig gehütet werden und nur Eingeweihten zugänglich sind.Es tut uns nicht leid, dass wir diesen Einbruch der Realität in die ideologische Welt von GEW und deren Schulexpertin zu verantworten haben, und wir können uns abschließend auch nicht den Hinweis verkneifen, dass der Erfolg des Schulsystems in Shanghai gänzlich ohne Gewerkschaft auskommt, vielleicht nur deshalb möglich ist.
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Wenn ich so über das System in Shanghai lese kommt mir lediglich der Gedanke wie man es in Deutschland verhunzen würde. Unter Privatschulen versteht man hier gemeinhin sowas wie Waldorfschulen und die machen eine Menge, aber Vermittlung von fundiertem Wissen oder wissenschaftlichem Arbeiten gehört ganz sicher nicht dazu.
Richtig. “Privatschule” allein ist noch keine Gewähr dafür, dass die Schule auch gut ist.
Voraussetzung ist: Konkurenz. Konkurrenz aber heißt: Zahlende Kunden (Eltern) sind bereit, Geld dafür auszugeben, dass ihre Kinder auf eine BESSERE Schule gehen. Was aber BESSER ist, ist eine Frage der geltenden Maßstäbe – wenn in D Waldorf-Maßstäbe gelten, zahlen die Eltern also für BESSERE Waldorf-Qualität.
Andernorts, in Shanghai z.B., wird was anderes unter “Qualität” verstandes und dieses andere bezahlt.
Zahlende Eltern wären nichtmal nötig, Man könnte viel einfacher durch Konkurenz den Unterricht verbessern. Wenn Schüler bei schlechtem Unterricht aufstehen und in die Parallelklasse gehen könnten und Lehrer mit zu wenig Schülern entlassen werden. Viele Probleme mit Lehrern wären dann erledigt.
Eine Frage zur Erhebung der Daten:
Wie kann man Deutschland messen, wenn wir x verschiedene Bildungssysteme haben und damit meine ich nicht nur die Bundesländer sondern eben auch die Privaten. Auf der anderen Seite wird dann doch nach den Bundesländern differenziert. Hier ist mir allerdings nicht klar ob da auch zwischen den privaten bundesweit bzw. landesweit unterschieden wird. Was ist eigentlich mit dem Vergleich zwichen den Städten und ländlichen Gebieten. Shanghai als Beispiel ist ja schon fast eine eigene Nation.
Ich gebe zu ein wenig Sekt intus zu haben, aber die Frage ist ernst gemeint. Ich blicke einfach nicht mehr durch bei den ganzen Vergleichen zwischen was auch immer.
Nicht nur der Wettbewerb von Schulen, sondern der Wettbewerb von Schülern untereinander wird unterbunden. Durch subjektive Benotung und weibliche Überbewertung wird besonders männlichen Schülern der Anreiz genommen sich anzustrengen. Wozu auch? Die Femininisierung der Lehrpläne trägt ihr Übriges dazu bei, denen, die eine gute Ausbildung dringend brauchen genau diese zu verwehren. Nicht, dass ich Mädchen eine fundierte Ausbildung verweigern möchte. Es ist aber eine Tatsache, dass Frauen es allgemein leichter haben auch ohne höheres Ausbildungsniveau über die Runden zu kommen. Staatliche Frauenförder- und Alimentierungsmaßnahmen verhindern zumeist eine soziale Abwärtsspirale. Männer sind darauf angewiesen sich im Leben durchboxen können zu müssen, besonders wenn sie nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurden. Die Konsequenzen der mangelhaften Bildung in Deutschland sind Schulbagänger, die nicht ins harte Berufsleben integrierbar sind, da ihnen schon die einfachsten Voraussetzungen dafür fehlen. Das macht sich in Deutschland speziell in der Schwerindustrie bemerkbar. Da fehlt es massiv an Nachwuchs. Der Mangel an naturwissenschaftlichen Zusammenhängen ist enorm und es nicht die Aufgabe der Unternehmen diesen Mangel zu beheben. Die Industrie lebt davon auf einem gewissen Bildungsniveau aufzubauen und dieses für ihre Belange zu spezialisieren. Unser Schulsystem aber produziert verweichlichte Analphabeten, die schon bei der geringsten Belastung zusammenbrechen und oftmals nicht in der Lage sind selbst Aufgaben ohne nennenswerte Herausforderungen zu bewältigen. Das betrifft leider alle beruflichen Felder. Es gibt begrüßenswerte Ausnahmen. Diese sind aber, ob ihrer geringen Anzahl, nicht ausreichend, den sich anbahnenden Notstand zu verhindern.