Gleichstellung ist, wenn Männer nicht vorkommen

Den folgenden Kommentar zum Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung hat Walter Hollstein freundlicher Weise zur Veröffentlichung auf science files zur Verfügung gestellt. Der Kommentar bringt auf den Punkt, was der Bericht offen betreibt: Gleichstellung ist für die Bundesregierung dann erreicht, wenn Männer nicht mehr oder nur noch am Rande vorkommen. Insofern lässt sich der Gleichstellungsbericht in eine Reihe mit dem Behindertenbericht und der Pressemitteilung des DJI stellen die ich im Beitrag “Beredtes Schweigen im Genderwald” besprochen habe. Während der Gleichstellungsbericht, Männer aktiv ausblenden, besteht die Strategie in den beiden zuletzt genannten Publikationen darin, Männer (Jungen) dann, wenn sie Nachteile haben, mit Frauen (Mädchen) gleichzustellen und keine Differenzierung nach Geschlecht vorzunehmen.

Walter Hollstein: Realität Frau, Phantom Mann

Ein Kommentar zu:

NEUE WEGE – GLEICHE CHANCEN. GLEICHSTELLUNG VON FRAUEN UND MÄNNERN IM LEBENSVERLAUF – Gutachten der Sachverständigenkommission an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für den ersten Gleichstellungebericht der Bundesregierung.

Am 11. November 2005 beschloss die neue Koalition von CDU, CSU und FDP, in jeder Legislaturperiode eine Dokumentation zur Gleichstellung von Frauen und Männer vorzulegen. Soeben ist der erste Bericht erschienen – verfasst von der Fraunhofer-Gesellschaft in einer überaus verquasten Sprache. Der Ansatz der Studie allerdings ist vielversprechend: Statt isolierte Einzeldaten zu erheben, hat die Berichtskommission Lebensläufe analysiert und Problemlagen damit einerseits über einen längeren Zeitrahmen verfolgt und andererseits an Schnittstellen von Existenzen festgemacht. Allerdings hat sie dabei wohl übersehen, dass sich unsere Gesellschaft aus zwei Geschlechtern zusammensetzt. Männer kommen im vorliegenden Bericht nur nominell vor; sie werden immer wieder leerformelhaft erwähnt, bleiben aber Phantom. Anders die Frauen. Was die Bundesregierung als Gleichstellungsbericht ausgibt, ist letztendlich ein Frauenreport.

Zum Beispiel das Kapitel über Arbeit – immerhin für Männer nach wie vor die wichtigste Quelle ihrer Identität. Die mehr als 6o Seiten behandeln ausschließlich das Thema „Frauen auf dem Arbeitsmarkt“ und die damit verbundenen Probleme: „begrenztes Berufswahlspektrum, Karrierehindernisse, tradierte Rollenverständnisse, Schwierigkeiten der Integration von Familie und Beruf sowie Hürden beim beruflichen Wiedereinstieg nach familienbedingten Erwerbsunterbrechungen“. Kein kritisches Wort darüber, dass sich Mädchen trotz aller Fördermaßnahmen immer wieder für konventionelle Frauenberufe entscheiden. Kein Wort darüber, dass der traditionelle männliche Arbeitsmarkt in den letzten beiden Jahrzehnten zusammengebrochen ist, dass Millionen von Männern sich umschulen lassen mussten und dass inzwischen signifikant mehr Männer als Frauen arbeitslos werden.

Wen wundert‘s, dass die Kommission dann auch nur Empfehlungen für eine effizientere Gleichstellungspolitik weiß, die exklusiv Frauen betreffen: Förderung, Geschlechterquote für Aufsichtsräte, Aufhebung der Lohndifferenz u.a.

Von daher sei ein kurzer Blick auf die Realität gestattet: Die Emanzipationsverlierer sind heute Jungen und Männer. Die Entwicklung der Wirtschaft tendiert seit geraumer Zeit in Richtung des „weiblichen“ Dienstleistungsgewerbes. In den USA spricht man mittlerweile nicht mehr von Rezession, sondern von „He-cession“; die gegenwärtige Wirtschaftskrise ist die Krise der Männer. Armut, Krankheit, Süchte, Gewalttätigkeit, Vandalismus, sozialer Abstieg und gesellschaftliche Perspektivlosigkeit nehmen bei Jungen und Männern dramatisch zu. Das hat z.B. eindrücklich das „Berlin-Institut für Bevölkerung“ in seiner Studie „Not am Mann“ beschrieben. Die SINUS-Studie über 2ojährige Frauen und Männer – immerhin ebenfalls von Regierungsseite 2007 in Auftrag gegeben – konstatiert, dass junge Männer heute „geplagt (sind) von einer fundamentalen Unsicherheit“.

Doch wie sollte ein Bericht solches zur Kenntnis nehmen, in dem Männer auch nur am Rande agieren: 2 Männer gegenüber 6 Frauen in der Kommission, 1 Mann gegenüber 5 Frauen in der „Geschäftsstelle Gleichstellungsbericht“ und 7 Männer gegenüber 24 Frauen bei den Expertisen. Manchmal sind auch Nebensächlichkeiten verräterisch: Auf den Fotos im Bericht prangen 41 Frauen, aber nur 7 Männer. So lässt sich Gleichstellung auch verstehen.

Walter Hollstein
Professor für politische Soziologie von 1971-2006 in Berlin;
Autor des Buches “Was vom Manne übrig blieb”

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