Ein Fall für die Psychiatrie? Verfassungrichterin sieht überall Geschlecht

Die wahnhaften Störungen (paranoiden Störungen) zählen zu den faszinierendsten und erschreckendsten Erscheinungsformen der Psychopathologie. Es gibt bei einer paranoiden Störung nur ein typisches Symptom: einen anhaltenden Wahn. Ein Wahn ist eine Überzeugung, an der starr festgehalten wird. Trotz gegenteiliger Information über ihren Inhalt und Mangel an sozialer Unterstützung für ihre Realitätsangemessenheit hat sie sich festgesetzt” (Zimbardo, 1995, S.626)”

Stellen Sie sich vor, sie laufen durch die Welt und sehen überall nur Geschlecht, nein, nicht Geschlecht, Gender (Gender ist nämlich konstruiert und Geschlecht ist nicht konstruiuert, oder so). Sie werden morgen von einem Wecker geweckt. Typisch männlich hegemonialer Wecker (der Wecker!), der keinen Widerspruch duldet und klingelt, bis man ihm den Garaus macht. Angenehme Emotionalität vermittelt dagegen die Zahnbürste, ein Gefühl von Reinheit und Sauberkeit, ebenso wie die Wäsche, bei der nur der Kragen stört, kein Wunder, den der Kragen ist ja auch männlich. Das Frühstück zeigt weitere gerndertypische Verhaltensweisen, der Kaffee ist natürlich wieder zu heiß, der tägliche Anschlag auf ihren Gaumen. Die Butter ist streichzart, die Käsescheibe ein Beispiel domestizierter Männlichkeit, und der Orangensaft ist wie immer zu sauer. Und dann treten Sie hinaus in die vergenderte Außenwelt, die Welt voller Fremder, Anderer, Andersgeschlechtlicher, die Welt in der Geschlecht, nein Gender, die grundlegende Kategorie ist, die Brille, durch die wir die Welt betrachten, wie Verfassungsrichterin Susanne Baer vermutlich aus eigener Erfahrung zu berichten weiß.

Danisch_FrauenquoteWenn Sie bislang gedacht haben, ich scherze und schreibe hier eine Glosse: Weit gefehlt! Alles hier ist toternst, so ernst, dass es in den Gewerkschafts-Blättern für deutsche und internationale Politik abgedruckt wurde und so ernst, dass Susanne Baer, deren Weg zur Verfassungsrichterin von Hardmut Danisch so detailgetreu nachgezeichnet wurde, die Verfassung ändern will. Denn, falls sie es noch nicht gewusst haben, die Verfassung ist männlich.
Um die Tragweite dieser Enthüllung bessser verdauen zu können, hier das weibliche Mitglied des Bundesverfassungsgerichts, die Richterin Susanne Baer, im Original:

Ansonsten bezieht sich das Grundgesetz … weithin nur auf Männer, denn es ist expiizit männlich formuliert: ‘Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt.’ … ‘Jeder hat das Recht, seine Meinung (…)’ … ‘jedermann hat das Recht’ zur Petition. Sprachlich eindeutig auf Männer bezogene Formulierungen finden sich auch im staatsorganisationsrechtlichen Teil der Verfassung: die Einwohner (Art. 29), die Staatsbürger (Art. 33), die Vertreter des ganzen Volkes (Art. 38)…”

Ist das manisch? Da sage noch einer, Verfassungsrichter, nein, Verfassungsrichterinnen müssen Deutsch können. Ich fange am besten mit dem Indefinitpronomen (unbestimmte Fürworte) an: Jeder. Jeder bezieht sich auf eine Gesamtmenge und hebt einzelne Bestandteile hervor (was “jeder” von “alle” unterscheidet). Für Frau Baer ist “jeder” nun kein Indefinitpronomen, sondern männlich, nicht etwa baergrammatikalischen Geschlechts männlich, nein, biologischen Geschlechts männlich, denn nach Ansicht von Frau Baer meint “jeder” nur Männer. Wenn ich also schreibe: Jeder Verfassungsrichter, der nicht in der Lage ist, zwischen einem grammatikalischen und einem biologischen Geschlecht zu unterscheiden, ist zu entlassen, dann fühlt sich Frau Baer nicht angesprochen, denn nach ihrer Vorstellung ist sie kein Verfassungsrichter, sondern eine Verfassungsrichterin. Um sie los zu werden, müsste man also jeder Verfassungsrichterin, die kein Deutsch kann, den Stuhl vor die Tür stellen. Nein, jetzt hat sich doch das ‘jeder’ glatt im Dativ eingeschlichen. Im Dativ werden wir Susanne Baer also nicht los, da hilft nur der Akkusativ. Mehr als Akkusativ werden wir in der Welt von Baer auch nicht haben, jedenfalls dann nicht, wenn wir ihrer Geschlechtsmanie gerecht werden wollen (Genitiv geht auch noch, wie ich sehe)., In jedem Fall ist die Deklination von Indefinitpronomen, die das Pronomen ein männliches grammatikalisches Geschlecht annehmen sieht, verboten: Wer Baer loswerden will, braucht Akkusativ.

Nun zu den Einwohnern, den Staatsbürger, bei denen die Verfassunsrichterin Baer den weiblichen Anhang vermisst. Deshalb weiß Baer, die Einwohner sind so männlich wie die Ameisen, die Kartoffeln, die Besserverdiener oder die Katholiken. Bei den betreffenden Kollektivbegriffen ist es wie bei den Indefinitpronomen, sie bezeichnen eine Menge, die Menge der Einwohner, der Katholiken, der Kartoffeln. Über die Zugehörigkeit zur entsprechenden Menge entscheidet das Kriterium “Kartoffel”, “Einwohner von X” oder “Religionszugehörigkeit: katholisch”, aber nicht das Geschlecht, auch wenn sich Frau Baer in ihrer Gendermanie das gar so sehr wünscht.

Angesichts dieser Verballhornung der deutschen Sprache, die uns weit hinter die Gebrüder Grimm zurückwirft, kann man eigentlich nur hoffen, dass irgend jemand (noch so ein Indefintivpronomen, dieses Mal im Nominativ und für Frau Baer vermutlich nicht weiblich genug) die Texte von Frau Baer Korrektur liest, jedenfalls dann, wenn irgend jemand verhindern will, dass sich das Bundesverfassungsgericht lächerlich macht; so lächerlich wie Frau Baer, die in ihrem Beitrag zu den “Blättern für nationale und internationale Politik” die folgenden Sätze veröffentlicht:

‘Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt.’ Nicht nur sprachlich bezieht sich dieser Satz auf Männer. Auch faktisch war und ist die freie Entfaltung der Persönlichkeit vergeschlechtlicht. Das zweite Rechtssubjekt, der Bürger als Grundrechtsträger, als Mann, hatte historisch völlig andere Entfaltungsmöglichkeiten als die Frau…”

Es ist dies eine doch massive Verallgemeinerung, was etwas überraschend ist, da Baer in ihrem Text (zu Beginn des Textes und nach einigen Seiten des Fabulierens ist das offensichtlich vergessen) vor einer “stereotype[n] Reduktion auf das Geschlecht” auf “die Frauen” gewarnt hat (Männer darf man offensichtlich stereotypisieren). Davon weiß Frau Baer ein paar Seiten weiter und gemäß dem Motto, was kümmert mich mein Geschwätz von vor zwei Seiten, nichts mehr. Und erst einmal in Fahrt beglückt sie ihre Leser gleich mit weiteren Einsichten, die einem die Haare zu Berge stehen lassen.

language_is_key“Die Würde des Menschen ist unantastbar. Da steht der Mensch im Mittelpunkt, endlich und gegen die Schrecken nationalsozialistischer Herrschaft mit ihrem völkischen Rassismus [So jetzt haben wir das Dritte Reich endlich auch unter. Das ist immer gut, wenn man Punkte für sich machen will, die affektiv und nicht inhaltlich sind… Bei manchen klappt’s.]. Das ist ein entscheidender Schritt in der großen Geschichte der Moderne, des Rechtsstaats, des Konstitutionalismus mit der Bindung an die Grundrechte. Doch muss auch dieses Fundament kritisch reflektiert werden. Historische Untersuchungen zeigen sehr deutlich, dass ‘Würde’ ein durchaus geschlechtsspezifisches Konzept ist: die Würde des Mannes, die schnell zur errungenen Ehre wird, ist dann ganz verschieden von der Würde der Frau, die schnell zu Tugend, Sittsamkeit und Scham muitiert.”

Wir lernen, dass manche Abstrakta empirisch unterschiedlich gefüllt werden können. Wir lernen, dass diese Unterschiede Frau Baer nicht passen, weil sie offensichtlich mit Sittsamkeit und Tugend und mit Scham ein Problem hat und mit Ehre vermutlich auch. Vor allem aber hat sie ein Problem mit Individualität und damit, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Dinge in ihrem Leben wichtig und richtig und würdevoll finden. Frau Baer träumt offensichtlich von einer gleichgeschalteten Welt, vom umfassenden Sozialismus, in dem es keine Unterschiede mehr gibt, in der sich die Intersektionalität, wie das in Genderkreisen heißt, aufgelöst hat, in der sich also keine sozialen Unterschiede mehr finden.

Ich finde diese Idee in genau einem Punkt ansprechend, verspricht sie doch eine Möglichkeit, Genderisten wie Frau Baer loszuwerden. Nun, da wir wissen, dass das Amt des Verfassungsrichters für weibliche Richter nicht mit Würde, sondern mit Scham und Tugend verbunden ist, und Frau Baer davon nichts hält, wäre es doch sinnvoll, das entsprechende Amt ganz ohne Scham abzuschaffen – oder? Das wäre auch ein Beitrag, um die sozialen Verwerfungen in der Gesellschaft, wie sie durch Intersektionalität entstehen, also dadurch, dass Frau Baer für ihren Unsinn fürstlich entlohnt wird, während Karl X täglich bei der Müllabfuhr Schwerstarbeit verrichtet und nur einen Bruchteil dessen verdient, was Frau Baer für die Bereitstellung von Unsinn als Mitglied des Bundesverfassungsgerichts erhält, zu beseitigen.

bearOder setzen wir Richterinnen wie Frau Baer auf Wasser und Brot bis sie gelernt haben, die deutsche Sprache zu bedienen. Aber das wird wohl nicht gehen, und deshalb wird Frau Baer auch weiter versuchen, uns einen Baeren aufzubinden, und weiterhin werden wir lesen müssen, dass Frau Baer auf den ersten Seiten ihrer Beiträge z.B. gegen die Versorgerehe ins Feld zieht, um gegen Ende ihrer Beiträge zu enthüllen, dass sie eigentlich nichts gegen das Arrangement einzuwenden hat, das Frauen zu Hause bleiben und Kinder aufziehen sieht, während Männer das Geld verdienen. Das einzige, was Frau Baer daran stört ist, dass die “Care”-Arbeit der Frauen, die zuhause bleiben [wozu sie übrigens niemand gezwungen hat] nicht bezahlt wird: “Erziehungsarbeit, Pflegearbeit, Beziehungsarbeit, Hausarbeit, also das gesamte Spektrum der Reproduktionsarbeit”. Wie gut Frau Baer sich vermutlich bei dieser Forderung fühlt und wie schlecht sie sich fühlen würde, würde man von ihr verlangen, dass sie ihrer Haushaltshilfe ein Gehalt zahlt, das nicht in unmittelbarer Nähe zum Mindestlohn rangiert, also z.B. 30 Euro pro Stunde, ist jedermanns “guess”. Ich meine dennoch, wenn man die Beseitigung der Intersektionalität der Gesellschaft, der sozialen Ungleichheit auf seine Fahnen geschrieben hat, dann sollte eine angemessene Bezahlung der eigenen Haushaltshilfe doch möglich sein, oder?

Aber natürlich wird Frau Baer nichts von ihrem Gehalt abzwacken, um die sozialen Unterschiede in Deutschland, von denen sie so gut lebt, zu beseitigen. Darum geht es ihr auch nicht. Sie will nichts in der Empirie ändern, sondern ihre fixen Ideen durchsetzen und damit wäre ich wieder bei der Definition angekommen, die diesen post eingeleitet hat. Und so bleibt nur zu fragen, was Genderisten als nächstes entwürdigen wollen. Lehrer will kein anständiger Mensch mehr werden, Politiker wollte ein anständiger Mensch sowieso nur widerstrebend werden und Verfassungsrichter will nun auch niemand mehr werden, der noch alle fünf Sinne beisammen hat. Insofern – um einmal Dr. habil. Heike Diefenbach zu zitieren – hat Frau Baer nicht nur Frauen, sondern uns allen einen Baerendienst erwiesen.

P.S.

Ich danke Arne Hoffmann dafür, mich auf den Unsinn von Verfassungsrichterin Baer aufmerksam gemacht zu haben. Arne hat das Thema in seinem Blog auch schon behandelt.

Frau Baer und der von Ihr verbreitete Unsinn hat auch Hadmut Danisch zu einem post inspiriert: Über die Lächerlichkeit des Bundesverfassungsgerichts

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