Was würden Sie denken, wenn Sie erfahren würden, dass die Mafia die Rechtsanwaltskammer in Deutschland finanziert, um beim Bundesministerium für Justiz für die Abschaffung des Paragraphen 129 StGB, der die Bildung krimineller Vereinigungen unter Strafe stellt, zu werben?
Was würden Sie sagen, wenn sie erführen, dass die Produzenten mit Antibiotika kontaminierter Milch den Hartmannbund dafür bezahlen, dass er die Unbedenklichkeit von Milch, die mit Antibiotika belastet ist, erklärt und beim Bundesgesundheitsministerium dafür wirbt, dass die Grenzwerte für Antibiotika in Milch abgeschafft werden?
Was würden Ihnen dazu einfallen, wenn die Bundesregierung Mittel zur Verfügung stellt, die von Nicht-Regierungsorganisationen abgerufen werden können, um damit öffentlich Druck auf die Bundesregierung auszuüben, doch den Anteil von Frauen in den Führungsetagen von Unternehmen zu erhöhen?
Alle Beispiele, die ich hier gegeben habe, stellen Manipulationsversuche dar, deren Ziel darin besteht, die Öffentlichkeit über die wahren Hintergründe einer geplanten Veränderung, sei es bei Gesetzen, sei es bei Politiken im Dunkeln zu lassen. Was jetzt kommt, stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten.
So langsam gehen mir die Superlative aus, wenn ich versuche zu beschreiben, was für ein institutionelles und undemokratisches Ungetüm sich in Brüssel entwickelt hat. Und das Ausmaß der Manipulationsversuche, mit denen die EU-Kommission versucht, populär und in ihrer politischen Arbeit als legitim zu erscheinen, hätte vermutlich selbst einen Joseph Goebbels vor Neid erblassen lassen. Wie gesagt, ich ringe nach Superlativen, die dem Brüsseler Morast sprachlich gerecht werden. Wahrscheinlich ist es am besten Christopher Snowdon zu Wort kommen zu lassen, um an dem Punkt anzukommen, an dem dann auch die Leser dieses Post sprachlos sein werden.
Wie immer, wenn Bürokraten etwas verkünden, folgt der Haushaltsposten auf dem Fuss. Entsprechend hat die EU im Zeitraum von 2007-2013 rund 215 Millionen Euro, die von steuerzahlenden Bürgern bereitgestellt werden, für den Dialog mit den Bürgern vorgesehen. In den Folgejahren (2014-2020) sollen es gar 229 Millionen Euro sein, um das Gespräch mit dem Bürger zu finanzieren. Nun verstehen Bürger wie sie und ich unter einem Gespräch mit uns vermutlich alle eine Form von Kommunikation, an der Sie und ich beteiligt sind und in dem wir unsere Vorstellungen von und unsere Kritik an europäischer Politik äußern können.
Nicht so bei der EU-Kommission. Bei der EU-Kommission bedeutet ein Dialog mit dem Bürger nicht, dass Bürgern Gelegenheit gegeben werden soll, Kritik und von der Brüsseler Linie abweichende Vorstellungen kund zu tun. Nein, bei der EU-Kommission zielt der Dialog mit den Bürgern darauf, “to get citizens more actively involved in achieving the Union’s objectives” (European Commission, 2001, S.15). Dialog mit der EU-Kommission meint demnach, die EU-Kommission sagt, was richtig ist, und wir haben das zu verstehen. Dies ist zum einen nicht unbedingt das, was man sich unter einem Dialog vorstellt, zum anderen setzt es immer noch voraus, dass mit uns gesprochen wird. Und wenn man mit Bürgern spricht, dann kann es vorkommen, dass Bürger einem sagen, was sie von bestimmten Versuchen, sie gönnerhaft zu bevormunden, halten. Entsprechend hat es die EU-Kommission mit Freude gesehen (und vermutlich auch ein wenig oder auch viel nachgeholfen), dass sich eine Unzahl von vermeintlich unabhängigen Nichtregierungsorganisationen oder Nichtprofit-Organisationen eigens gegründet haben, um das gute Wort aus Brüssel zu verkünden und dabei mitzuhelfen, dass öffentlich der Eindruck entsteht, Brüssel würde einen Dialog mit den Bürgern führen.
Tatsächlich führt die EU-Kommission einen Dialog mit Nichtregierungsorganisationen, die eigens zum Zweck des zivilen Dialogs mit der EU-Kommission gegründet wurden und die es nicht gäbe, würden sie nicht von der EU-Kommission finanziert. Anders formuliert: Die EU-Kommission unterhält eine große Anzahl von Claqueuren, die eigens dazu gegründet wurden, die EU-Politik scheinbar mit einer demokratischen Legitimation zu versorgen, da sich die entsprechenden Organisationen anmaßen, für die Bürger Europas zu sprechen.
Die Satelliten der EU-Kommission melden sich, wenig verwunderlich, zu Wort, wenn der Haushalt der EU reduziert werden soll, was eine Einschränkung der Macht der EU-Kommission nach sich ziehen würde. Die Satelliten werden von der EU-Kommission instrumentalisiert, um in den Mitgliedsstaaten für EU-Politiken Lobbyarbeit zu machen, z.B. für die Einführung einer Frauenquote in den Vorständen von Unternehmen, z.B. für eine Fettsteuer, z.B. für einen Mindestpreis für Alkohol und vieles mehr. Die Satelliten der EU-Kommission sind entsprechend in dreierlei Weise nützlich:
- Sie gaukeln der Öffentlichkeit vor, es gäbe eine Bewegung, eine Nichtregierungsorganisation, die unabhängig von der EU-Kommission ist und die selben Ziele verfolgt, wie die EU-Kommission. Tatsächlich sind die Nichtregierungsorganisationen fast vollständig von der EU-Kommission abhängig und werden entsprechend dafür bezahlt, die politischen Ziele der EU-Kommission zu propagieren.
- Sie können von der EU-Kommission genutzt werden, um Versuche, die Macht der EU-Kommission durch eine Kürzung der Haushaltsmittel zu vermindern, abzuwehren, indem ein vielstimmiger Chor der Entrüstung angestimmt wird, der die schrecklichen Folgen der entsprechenden Kürzung intoniert.
- Sie können genutzt werden, um nationale Regierungen, die sich gegen die Politik der EU stellen, im eigenen Land durch vermeintlich unabhängige Nichtregierungsorganisationen, die jedoch auf der Gehaltsliste der EU-Kommission stehen, unter Druck zu setzen.
Snowdon, Christopher (2013). Euro Puppets. The European Commission’s Remaking of Civil Society. London: Institute of Economic Affairs, IEA Discussion Paper No. 45.