Kultur bestimmt die Preise: Soziologin mit preisverdächtiger Erkenntnis

“Alles wird teurer!”, so hat meine Oma regelmäßig ein Lamento darüber begonnen, dass “alles” immer teurer wird, wobei das Lamento dann darin bestand, das “Alles” auszuführen. Das war vor nunmehr 30 Jahren und wie inflationsich zeigt, ist die Teuerungsrate ein Thema, das nicht erst mit dem TEuro populär geworden ist – ein richtiges Evergreen. Ökonomen erklären den Umstand, dass alles teurer wird, über eine Reihe von Faktoren, darunter die Inflation, die Geldmenge, die Nachfrage und das Angebot, ja gar das Wachstum und bauen ganz elaborierte und zuweilen auch recht redundante Modelle, um die Teuerungsrate und damit die Preise zu erklären bzw. sie zu steuern oder zu beherrschen (bekannt z.B. als das wenig funktionale “inflation targeting” von Zentralbanken).

Seit Jahrzehnten mühen sich Ökonomen mit ihren Modell, suchen sie nach neuen immer komplizierteren Methoden zur Simulation und Vorhersage und … all das ist schlicht nicht notwendig. Das hat Kathrin Leuze, die in Hannover den Lehrstuhl für Bildungssoziologie besetzt, gerade in einem Beitrag, der so kurz ist, dass auch die puristischsten Ökonomen das Fehlen von Zahlen nicht beklagen werden, festgestellt.

Vergesst alles, was ihr über Angebot und Nachfrage gehört habt, so möchte man nach Lektüre dieses preiswürdigen Beitrags rufen, vergesst alles, was mit Geldmenge und Spitzenrefinanzierungssatz zu tun hat, denn: Preise sind das Ergebnis von Kultur!

Diese erstaunliche Erkenntnis hat Frau Leuze beim Blick auf die Geschlechterverteilung bei den Preisen für Arbeitskraft, auch Löhne oder Arbeitsentgelt genannt, ereilt. So sorgten “kulturell verankerte Geschlechtsstereotypen” für eine schlechtere Entlohnung von Frauen. “Reproduktionstätigkeit – wie Hausarbeit, die Erziehung von Kindern oder die Pflege von Älteren”, werde von Frauen gar unentgeltlich geleistet. Fächer wie Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitswissenschaften, würden gesellschaftlich geringer geschätzt und entsprechend schlechter bepreist, so weiß Leuze. Außerdem seien typische Frauenberufe weniger stark tarifvertraglich gebunden und wenn sie das doch seien, dann seien die Tarifverträge nicht geschlechtsneutral, ja dann werde der typische Frauenberuf “Grundschullehrerin” meist geringer entlohnt als der typische Männerberuf “Maschinenbauingenieur”.

Wer nun denkt, aus all dem schlösse Frau Leuze, dass man Frauen dazu bewegen müsse, in die besser entlohnten, anstatt in die geringer entlohnten Professionen zu drängen, der sieht sich getäuscht und als Anhänger kruder und vom Gendermainstream ertränkter ökonomischer Theorie überführt. So etwas kann nur jemand sagen, der an Angebot und Nachfrage glaubt, der denkt, der Preis für Arbeit hänge z.B. von den Fertigkeiten des Anbieters der Arbeitskraft, seinem Humankapital und dem Mehrwert ab, den er mit seiner Arbeit erwirtschafte – typisch ökonomisch eben.  Wer so denkt, der verfehlt das Erkenntnisniveau von Frau Leuze, der hat nicht Teil an ihrer revolutionären Einsicht, dass nicht Nachfrage, Angebot oder anderer ökonomischer Schnickschnack die Preissetzung treibt, sondern Kultur:

Berufsprestige
Ein Blick nach Allensbach hätte der Frau Bildungsforscherin auch nicht geschadet, aber natürlich wäre von ihren abstrusen Ideen danach nichts mehr übrig.

“Die Analyse … unterstützt die These der kulturellen Entwertung von Frauenfächern bzw. -berufen. … Diese kulturelle Abwertung von weiblichen Studienfächern und Berufen erklärt weitere 30% des Gender Pay Gaps fünf Jahre nach dem Studium”. Deshalb ist es notwendig, so Leuze abschließend, dass “weiblich dominierte Studienfächer und Berufe kulturell höher wertgeschätzt und besser entlohnt werden”.

Ich muss hier zunächst ein paar Informationen anfüttern. Die “weiteren 30% des Gender Pay Gaps” sind deshalb “weitere 30%”, weil schon 55% des Gender Pay Gaps dadurch erklärt werden, dass viele Frauen lieber eine Familie gründen und sich um Kinder kümmern, als dass sie arbeiten gehen (deshalb das Plädoyer von Frau Leuze dafür, dass “Reproduktionsarbeit” bezahlt werden soll [Ich finde es ehrlich gesagt ziemlich unmoralisch eine solche Bezahlung einzuführen, die man dann wohl als Prostitutionsentgelt ansehen muss, denn wer “Reproduktionsarbeit”, wenngleich in zumeist verhüteter Form gegen Geld anbietet, gilt landläufig als prostituiert.]. Sodann muss ich die Leser fragen, ob sie eine Ahnung haben, was “weibliche Studienfächer” sind? Das muss eine lustige Universität sein, an der Frau Leuze einen Lehrstuhl, vermutlich einen weiblichen Lehrstuhl, den man durch eine weibliche Tür erreicht, und der vor einem weiblichen Tisch steht, besetzt. Aber lassen wir das.

Die Kultur, so haben wir gelernt, ist also der Grund dafür, dass Professorinnen wie Frau Leuze ein höheres Gehalt erhalten als Frieda W., die in der Putzkolonne beschäftigt ist, die das Büro von Frau Leuze reinigt. Ich für meinen Teil muss zugeben, Frau Leuze hat mich überzeugt. Preise werden durch die Kultur festgesetzt, und deshalb schlage ich vor, wir reduzieren Ihr Gehalt auf das von Frieda W, von der ich zumindest sagen kann, dass sie das Büro von Frau Leuze in einem erkennbar besseren Zustand hinterlässt als sie es vorgefunden hat. Daselbe für die Einsichten und im Hinblick auf die öffentliche Hygiene von Frau Leuze zu sagen, ist leider nicht möglich.

Wirtschaft f DummiesAber die Idee mit der Kultur hat wirklich etwas für sich, schon weil ja auch Kultur nicht so ganz unabhängig von Angebot und Nachfrage ist, wie Frau Leuze anscheinend denkt. Es gibt keine mir bekannte Kultur, die über längere Zeit Ressourcen für Tätigkeiten geopfert hat, die unsinnig, ja schädlich waren, weil sie z.B. den Erkenntnisgewinn behindert haben. Entsprechend wäre es an der Zeit, die kulturelle Geringschätzung für institutionalisierte Sozialwissenschaftler, die Personen wie Frau Leuze zu verantworten haben, auch in die Entlohnung der entsprechenden Personen zu transferieren, also nicht mehr (Junior-(Professorinnengehalt, sondern bestenfalls BAT X.

Ich hatte keine Lust, mich einmal mehr mit dem Unsinn des Gender Pay Gaps auseinander zu setzen. Das habe ich in umfangreicher Form bereits getan, und das Ergebnis ist immer dasselbe: Es gibt kein Gender Pay Gap!

  1. Noch ein gender Mythos in Scherben: Gender Pay Gap = Mama Pay Gap
  2. Ungleichheit ist nicht gleich Diskriminierung: Entideologisierung des Gender Pay Gaps
  3. Gender Pay Gap: Ideologie und Wirklichkeit
  4. Nachtrag zum Gender Pay Gap

Leuze, Kathrin (2013). Trotz Studium weniger Gehalt: Warum Frauen mit Hochschulabschluss weniger verdienen als Männer. HIS-Magazin 2/2013: 7-8.

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