Fake-Wahl? Wird Bundestagswahl 2017 gefälscht?

Mit der Legitimität von Demokratien verhält es sich so ähnlich, wie mit der Legitimität von Papierschnipseln, die als Geldscheine gehandelt werden: So lange ein unbedingter Glaube an die Legitimität von Demokratien (Papierschnipseln) vorhanden ist, solange kann eine Demokratie als legitime Regierungsform bestehen (so lange können Papierschnipsel als Geldscheine mit aufgedrucktem Wert getauscht werden). Ist der unbedingte Glaube in die Legitimität von Demokratie oder von demokratischen Institutionen erst einmal erschüttern, dann kann dies, wie Almond und Verba bereits 1963 argumentiert haben und Lipset 1981 gezeigt hat, zu einem Vertrauensverlust in die Demokratie und ihre Institutionen führen, die Bürger aktiv nach Alternativen oder Reformen suchen lässt.

Russell Dalton (2007) hat die Frage der Legitimität von Demokratien im Hinblick auf die drei ebenen demokratischer Herrschaft, für ihn die Legitimität der Gesellschaft, des Regimes und der Autorität systematisiert. Legitim ist die Herrschaftsform der Demokratie dann, wenn

    1. dalton-2007auf der Ebene der Gesellschaft Nationalstolz und ein Gefühl nationaler Identität vorhanden sind und beides positiv bewertet wird (Deutschland ist das Land, in dem es sich am besten lebt).
    2. auf der Ebene des Regimes (1) ein fester Kanon demokratischer Werte geteilt wird, der dazu führt, dass die vorhandene Demokratie als beste Regierungsform bewertet wird; (2) Normen politischer Partizipation und politischer Rechte vorhanden sind, die für die Bürger zufriedenstellend sind und (3) den politischen Institutionen, die Herrschaft in demokratischen Systemen ausüben bzw. daran beteiligt sind, mit Vertrauen seitens der Bürger begegnet wird.
    3. auf der Ebene der Autorität die Institutionen, die zur Auswahl der Regierung von Bedeutung sind (in parlamentarischen Regierungssystemen sind das Parteien), von Bürgern unterstützt werden und die Kandidaten, die die entsprechenden Parteien anbieten, weitgehende Zustimmung erhalten.

Der Deutsche Demokratische Versuch ist in fast allen Belangen, die Dalton für die Legitimation einer Demokratie für wichtig hält, defizitär. Es gibt keine Basis für einen gemeinsamen und unhinterfragten Nationalstolz, geschweige denn eine gemeinsame Form nationaler Identität mit dem, wie Linke gerne sagen „Stück Scheiße Deutschland“. Es gibt zunehmende Zweifel daran, dass Demokratie die beste aller möglichen Regierungsformen ist, die Zufriedenheit mit demokratischen Institutionen und Prozessen ist über die letzten Jahre erodiert und das Vertrauen in die politischen Institutionen, die zum Funktionieren einer Demokratie notwendig sind, ist geschwunden. Schließlich zeigen die sinkenden Umfragewerte für die Mainstream-Parteien, dass die Legitimation des derzeitigen politischen Establishments ebenfalls im Schwinden ist.

Und vor diesem Hintergrund findet derzeit eine Debatte über FakeNews statt, d.h. eigentlich findet keine Debatte über FakeNews statt. Vielmehr wird vom politischen Establishment verkündet, dass FakeNews für die Demokratie schädlich sind. Da FakeNews, früher nannte man sie auch Gerüchte, nicht neu sind und in der Vergangenheit z.B. genutzt wurden, um einen Krieg gegen den Irak zu legitimieren, stellt sich die Frage, warum gerade jetzt dem politischen Establishment die FakeNews, die es in der Vergangenheit nicht gestört haben, einfallen.

Die Begründung, die für das plötzliche Interesse an FakeNews gegeben wird, ist mehr als fadenscheinig. Es stehe zu befürchten, dass FakeNews einen Einfluss auf den Ausgang von Wahlen hätten, das Ergebnis von Wahlen irgendwie verzerren würden. Fragt man, wie FakeNews das Ergebnis von Wahlen verzerren können sollen, dann muss man in Rechnung stellen, dass FakeNews erst zum Thema geworden sind, seit das politische Establishment durch den BREXIT und die Wahl von Donald Trump seinen ihren Grundfesten arroganter Selbstverliebtheit erschüttert wurde. Seither laufen die Vertreter des politischen Establishments wie ein Hühnerhaufen, in dem sich das Gerücht verbreitet hat, ein Fuchs sei als Hahn verkleidet, durcheinander und versuchen, FakeNews zu bekämpfen.

Das wiederum ist interessant, denn es gibt keinerlei Beleg dafür, dass FakeNews auch nur entfernt einen Wahlausgang zu beeinflussen im Stande sind. Im Gegenteil gibt es eine Untersuchung aus den USA, die zeigt, dass FakeNews auf die dortige Präsidentschaftswahl keinerlei Einfluss hatten.

Warum also, sind die Mitglieder des politischen Establishments so hysterisch?

Um diese Frage zu beantworten, muss man zuerst eine andere Frage stellen und beantworten: Wie kommt man auf die Idee, FakeNews würden den Ausgang von Wahlen beeinflussen? Auf diese Idee kann man eigentlich nur auf Grundlage von zwei Prämissen kommen:

Entweder, die Mitglieder des politischen Establishments, bei denen es sich oftmals um abgebrochene Studenten und Personen ohne jegliche Berufsausbildung (zuweilen auch erfundene Berufsausbildung), um Personen also, die eine zweifelhafte Qualifikation aufweisen, handelt, halten trotz ihrer eigenen Mängel oder gerade wegen dieser Mängel, die Bürger für vollkommen dumm, so dumm, dass sie FakeNews Glauben schenken würden und sich entsprechend verhalten würden, wobei das entsprechende Verhalten darin zu bestehen scheint, andere als die Berliner Parteien zu wählen.

true powerProblematisch an dieser Prämisse ist die Annahme, dass Bürger FakeNews eher glauben als den Informationen, die das politische Establishment als wahre Informationen unter die Wähler bringen will. Wenn FakeNews den vermeintlich wahren Informationen, die das politische Establishment verteilt, vorgezogen werden, dann ist die De-Legitimation der Demokratie bereits soweit fortgeschritten, dass Wähler dem politischen Establishment überhaupt nichts mehr glauben. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn FakeNews verboten würden. Unter dieser Prämisse kann durch ein Verbot von FakeNews, so es denn möglich wäre, FakeNews zu unterbinden, nichts erreicht werden.

Die zweite Prämisse baut darauf auf, dass es falsche Aussagen und Gerüchte in Wahlkämpfen schon immer gab. Dass Parteien vor Wahlen all das versprechen, woran sie sich nach Wahlen nicht mehr erinnern, ist schon seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der demokratischen Kultur. FakeNews sind nichts Neues. Neu ist die Aufmerksamkeit, die das politische Establishment, das in der Vergangenheit nicht selten Gerüchte und Vermutungen, also FakeNews, zum eigenen Vorteil eingesetzt hat, sich plötzlich der FakeNews angenommen hat, sie geradezu popularisiert. Da es keinerlei Beleg für die Behauptung gibt, dass aktuelle FakeNews, wie sie angeblich z.B. in sozialen Netzwerken verbreitet würden, auch nur irgendeinen Effekt auf Wahlergebnisse hätten, stellt sich die Frage, warum sich das politische Establishment mit einer Nebensächlichkeit abgibt, deren Relevanz für Wahlausgänge noch zu zeigen wäre.

Die Antwort auf diese Frage kann nur lauten, dass Mitglieder des politischen Establishments der Ansicht sein müssen, Kampagnen mit falschen Gerüchten über den politischen Gegner oder Falschaussagen im Hinblick auf die eigenen Ziele hätten in der Vergangenheit Wahlausgänge zu eigenen Gunsten beeinflusst und aus diesem angenommen vergangenen Erfolg nun induktiv fehlschließen, dass dies auch mit anderen FakeNews möglich sein könnte, dieses Mal allerdings nicht zu ihrem Vorteil, sondern zu Ihrem Nachteil.

Welches Ziel verfolgen die Mitglieder des politischen Establishments mit einer Debatte um FakeNews, die sich um die falsifizierte Behauptung rankt, FakeNews würden Wahlausgänge verzerren? Wann gilt ein Wahlausgang als verzerrt. Ist eine Wahl generell dann, wenn die CDU und die SPD keine gemeinsame Mehrheit bilden können, verzerrt und von FakeNews beeinflusst? Ist eine Wahl immer dann verzerrt, wenn die Wähler sich anders entscheiden als das politische Establishment es für richtig hält.

All diese Fragen haben einen gemeinsamen Angelpunkt: Verzerrte Wahlergebnisse und man fragt sich, angesichts der völlig unnötigen Hysterie, die den politischen Hühnerstall im Hinblick auf die Bundestagswahl 2017 erfasst hat und angesichts der Panikattacken auf demokratische Grundrechte, wie sie z.B. die Idee einer Behörde darstellt, die Nachrichten in der Kontrolle des politischen Establishments weitgehend entzogenen sozialen Netzwerken, nicht etwa im öffentlich-rechtlichen, Rundfunk zensieren soll: Wie weit würden die Mitglieder des politischen Establishment gehen, um sicherzustellen, dass ein Wahlergebnis ihren Erwartungen entspricht? Würden sie eine Diskussion über FakeNews vom Zaun brechen, um sich ein Instrument zu schaffen, mit dem es möglich ist, missliebige Wahlausgänge nachträglich zu beseitigen oder den Wahlausgang mittelbar zu fälschen?

Wie steht es in dieser Hinsicht mit der Legitimation des demokratischen Systems in Deutschland und seines politischen Establishments? Wie zerrüttet ist die Vertrauensbasis zwischen Wählern und politischem Establishment?

Fragen wir nicht uns, fragen wir unsere Leser:
Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die Ergebnisse der Bundestagswahl 2017 gefälscht werden?

Wahrscheinlichkeit einer Wahlfälschung

Literatur

Almond, Gabriel A. & Verba, Sidney (1963). The Civic Culture: Political Attitudes and Democracy in Five Nations. Princeton: Princeton University Press.

Dalton, Russell (2007). Democratic Challenges, Democratic Choices: The Erosion in Political Support in Advanced Industrial Democracies. Oxford: Oxford University Press.

Lipset, Seymour Martin (1981). Political Man. Baltimore: Johns Hopkins University Press.

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