Newspeak: Wenn aus Asylbewerbern Schutzsuchende werden

Man staunt nicht schlecht, wenn man – wieder einmal – versucht, das statistische Durcheinander das Bundesamt geworden ist und nunmehr alles tut, um die online verfügbaren Daten unauffindbar zu machen, Statistiken zu Asylbewerbern, die nicht das Asylbewerberleistungsgesetz betreffen, zu finden und feststellen muss, dass es nur noch Statistiken zu „Schutzsuchenden“ gibt.

Die neueste Statistik der Schutzsuchenden für das Jahr 2016, von der nicht bekannt ist, ob es die erste ihrer Art ist, weil entgegen sonstigen Gepflogenheiten beim Statistischen Bundesamt keine Verweise auf ältere Veröffentlichungen vorhanden sind und eine entsprechende Suche durch den Ergebnismüll, den die Suchfunktion des Statistischen Bundesamts generiert, nach 20 Ergebnisseiten á 10 Einträge frustriert wird, unterscheidet penibel nach Schutzsuchenden mit offenem Schutzstatus, Schutzsuchenden mit anerkanntem Schutzstatus und Schutzsuchenden mit abgelehntem Schutzstatus.

Schutzsuchende selbst werden beim Statistischen Bundesamt definiert als „Ausländer, die sich unter Berufung auf humanitäre Gründe in Deutschland aufhalten. Die Begründung für ihren Aufenthalt wird hierbei aus ihrem Aufenthaltsstatus im Ausländerzentralregister abgeleitet“.

Im Gegensatz zum Statistischen Bundesamt kennt das Aufenthaltsgesetz in seinem § 25, in dem der Aufenthalt aus humanitären Gründen geregelt ist, keine Schutzsuchenden. Dafür finden sich Asylbewerber, so genannte Genfer Konventionsflüchtlinge, Personen, die subsidiären Schutz genießen, weil sie in ihrem Heimatland von Todesstrafe, Folter oder in anderer Weise ernsthaft an Leben und Gesundheit bedroht werden (AsylGesetz § 4 Absatz 1). Die genannten Gruppen finden sich auch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das bislang noch nicht in Bundesamt für Schutzsuchende umbenannt wurde. Die drei Kategorien der Flüchtlinge (Art 16a GG und Gender Konvention), von Flüchtlingen, die subsidiären Schutz genießen und Flüchtlingen, die humanitären Schutz genießen, d.h. denen z.B. ein Aufenthalt aus politischen Erwägungen nach § 22 Aufenthaltsgesetz gewährt wird:

„1 Einem Ausländer kann für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. 2 Eine Aufenthaltserlaubnis ist zu erteilen, wenn das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Aufnahme erklärt hat.“

Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären oder subsidiären Gründen spielen kaum eine Rolle. Rund 1 – 2% der gewährten Aufenthaltserlaubnisse sind diesen beiden Kategorien zuzuordnen. Der Rest verteilt sich auf Asylbewerber, die anerkannt wurden.

Der Unterschied zwischen Asylbewerbern und Flüchtlingen, denen aus subsidiären und humanitären Gründen ein Aufenthaltsrecht eingeräumt wird, ist nicht unerheblich, denn letzteren wird nur deshalb ein subsidiär oder humanitär begründeter Aufenthalt gewährt, weil ihnen eine Anerkennung als Asylbewerber versagt geblieben ist oder bleiben würde, wenn sie sich darum bemühten.

Zwischen einem Asylbewerber und einem Schutzsuchenden besteht somit ein großer Unterschied, so dass man sich fragt, warum das Statistische Bundesamt in einem Streich, der an Orwells Newspeak erinnert, alle zusammen mauschelt und als Schutzsuchende bezeichnet?

Die Antwort liegt nahe: Wie bei Orwell, so dient auch dem Statistischen Bundesamt Newspeak als Mittel der Manipulation. Denn die Assoziationen, die sich mit den Begriffen „Schutzssuchende“ und „Asylbewerber“ verbinden, sind Grund verschieden. Der Begriff Schutzsuchende ist eine Form der Infantilisierung und ein Appell an die guten Menschen, ihre überlegene Position zu benutzen, um denen, die reinen Herzens und auf der Flucht vor großer Gefahr, Schutz suchen, zur Rettung zu eilen. Dagegen ist der Begriff des Asylbewerbers ein Rechtsbegriff, der deutlich macht, dass es eine erwachsene und eigenverantwortliche Person gibt, die einen Status beansprucht, von dem sie denkt, dass sie die dazu notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Während ein Asylbewerber die Prüfung eines Anspruches nachsucht, gibt sich ein Schutzsuchender vollständig in die Obhut seines Beschützers. Beider Beziehung ist nicht mehr durch Rechtssätze begründet, sondern durch die Willkür des Beschützers, der Schutz ganz unabhängig von allgemeingültigen Kriterien gewährt. Dies mag zwar die Flüchtlingspolitik von Merkel beschreiben, verhält sich aber diametral zu den Ausländergesetzen, die nach wie vor der Prüfung eines Anspruches auf Asyl und nicht der Gewährung von Schutz gewidmet sind. Auch Verwaltungsrichter sind immer noch mit Asylanträgen und nicht mit Anträgen auf Schutzgewährung konfrontiert.

Weil die Realität vollständig von der Sprachregelung abweicht, die man im Statistischen Bundesamt gefunden hat oder zu finden gezwungen wurde (das Statistische Bundesamt untersteht dem Innenministerium), gibt es keine andere Erklärung für diese Newspeak als den Versuch, die Bevölkerung zu manipulieren und in den Glauben zu lullen, die Frage, ob Flüchtlinge in Deutschland bleiben könnten, beziehe sich darauf, ob es gute Menschen gibt, die ihnen Schutz gewähren und auf diese Weise die Realität zu verschleiern, die nach wie vor vorsieht, dass ein Antrag auf Asyl gestellt, geprüft und entschieden werden muss. Und natürlich vermittelt die Infantilisierung „Schutzsuchende“ das Bild des Schutzbefohlenen, der sich nicht selbst gegen die Monster wehren kann, denen er ausgeliefert wäre, würde nicht der deutsche Supermann an seine Seite eilen, um ihn gegen die böse Welt zu verteidigen. Eine schlimmere Form der Entindividualisierung und Objektivierung von Flüchtlingen ist uns nicht vorstellbar.

Aber wir sind auch keine linken Gutmenschen.

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