The Day After: Tag der Deutschen Einheit
Vor „nationaler Besoffenheit“, hat Oskar Lafontaine einst gewarnt, die Genossen, auf ihrem Bundesparteitag im Dezember 1989 in Berlin. Nationale Besoffenheit war für Lafontaine, der damals noch diskutierte Anschluss der DDR-Ruine an die BRD. „Historischer Schwachsinn“, so hat er weitergeschimpft, historischer Schwachsinn sei es zu glauben, ein vereintes Deutschland könne Mitglied der NATO sein.
Lafontaine mag viele Qualitäten haben, die Gabe eines begründeten und vorausschauenden Urteils scheint nicht darunter zu sein.
Dass der Tag der Deutschen Einheit nunmehr zum 28. Mal als Feiertag im Kalender steht, das hat seine Ursache in der Volkskammerwahl vom 18. März 1990 in der damals noch vorhandenen DDR. 24 Parteien haben sich um 400 Mandate beworben, 93,4% der Wahlberechtigten haben ihr Wahlrecht ausgeübt, und zur Überraschung von allen Beobachtern (Politikwissenschaftler und Umfrageforscher haben sich schon damals durch Vorhersagen, die vollkommen daneben liegen, ausgezeichnet) hat die Allianz für Deutschland das Rennen gemacht.
Erinnern sie sich noch an Lothar de Maiziére, dessen Reden weniger Zungenschlag als Lispeln ausgezeichnet haben?
Wem sagt der Name Hans-Wilhelm Ebeling noch etwas, Thomaskirchen-Pfarrer aus Leipzig und Spitzenkandidat der Deutschen Sozialen Union?
Wer erinnert sich an Wolfgang Schnur, Vertrauensanwalt der Evangelischen Kirche der DDR, anwaltlicher Beistand vieler Oppositioneller, Spitzenkandidat des Demokratischen Aufbruchs und außerdem Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi, wie sich kurz vor der Volkskammerwahl herausgestellt hat?
Sie alle sind in der Versenkung verschwunden, bilden dort eine Gemeinschaft mit Ibrahim Böhme.
Wer nur ist Ibrahim Böhme?
Suchen Sie in den Stasi-Akten nach Ibrahim Böhme, dem inoffiziellen Mitarbeiter auf der Bezahlliste von Erich Mielke. Außerdem war Ibrahim Böhme noch Spitzenkandidat der SPD bei der Volkskammerwahl 1990.
Die Liste derer, die 1990 zur Wahl angetreten sind, ließe sich endlos fortsetzen und mit wenigen Ausnahmen kennt man sie nicht mehr. Unter den Ausnahmen finden sich:
Vera Lengsfeld, damals noch als Vera Wollenberger Mitglied und nach der Volkskammerwahl gewählte Abgeordnete der Partei der Grünen; Matthias Platzeck, für die SPD in der Volkskammer und bis 2013 Ministerpräsident von Brandenburg; Wolfgang Thierse, damals so unerträglich in seiner pastoralen SPD-Manier wie heute; Gregor Gysi, SED, dann PDS, dann Linke, die sozialistisch-kommunistische Kontinuität unter den Linken; Joachim Gauck, vielversprechend im Neuen Forum gestartet, bei Bündnis90/Grüne geendet; Hans Modrow, PDS, letzter Vorsitzender des DDR-Ministerrats und anschließend über den Bundestag an das Europaparlament durchgereicht; Jens Reich, der es vom Bürgerrechtler bis zum Kandidaten bei der Bundespräsidentenwahl von 1994 gebracht hat, wo er sich Roman Herzog geschlagen geben musste.
Zu den dem Vergessenen anheim Gefallenen gehören Peter Michael Diestel, CDU, einst ein Senkrechtstarter, heute ein Rechtsanwalt, Rüdiger Fikentscher, SPD, Günter Hielscher, LDP, Thomas Klein, Vereinigte Linke, Bernhard Opitz, DFP (Deutsche Forumpartei), Gerd Staegemann, Zahnmediziner und einer von zwei Abgeordneten der National-Demokratischen Partei Deutschlands in der DDR-Volkskammer. Die NDPD war, was viele nicht mehr wissen, eine Blockpartei deren Abgeordnete im Konzert mit der SED die Pauke bedienen durften.
Sie alle sind Geschichte, ebenso wie es Geschichte ist, dass die Volkskammerwahl auch eine Abstimmung darüber war, ob die DDR der BRD beitreten soll oder nicht. Diese Frage war nach der Wahl entschieden. Die Allianz für Deutschland aus CDU, DA und DSU erreichte 48% der Stimmen und 192 der 400 Mandate, SPD und Liberale traten in die Regierung de Maiziére ein. Artikel 23 des Grundgesetzes, der den Anschluss der DDR an die BRD ermöglichte, wurde in Kraft gesetzt, die DDR war nach dem 2. Oktober 1990 Geschichte.
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