China nutzt die Schwäche des Westens gnadenlos aus: Erst Hongkong, dann Taiwan?

Liest man den Beitrag “China verabschiedet “Sicherheitsgesetz” bei der ARD, dann bekommt man den Eindruck, China habe ein Recht wahrgenommen, das seit Jahrzehnten brach gelegen hat, um in Hongkong  “konterrevolutionäre Proteste […], die zum Ziel hatten, die Regierung zu stürzen oder sie irgendwie zu sabotieren” in Zukunft zu verhindern. Allein diese sprachliche Verpackung, denn es geht nicht um konterrevolutionäre Proteste, sondern um Demonstrationen gegen eine von China über das Parlament in Hongkong betriebene schleichende Übernahme der Stadt, zeigt schon, in welche Richtung die Reise geht.

Das Sicherheitsgesetz, dessen Text bislang unbekannt ist, von dem Teile jedoch geleakt wurden, wird die Situation in Hongkong grundsätzlich verändern, und zwar durch all die Dinge, die die ARD nicht berichtet:

  • Die KPCh wird in China ein Ministerium für Nationale Sicherheit eröffnen, das “Straftaten gegen die nationale Sicherheit” erfassen und bestrafen soll. Was unter “Straftaten gegen die nationale Sicherheit” verstanden wird, unterliegt ausschließlich der Interpretation durch die KPCh. Das Parlament von Hongkong hat hier keine Mitsprache.
  • Die Regierung von Hongkong muss eine eigenen Kommission für Nationale Sicherheit einsetzen, die auf Anweisung von “Beratern”, die die KPCh einsetzt, Straftaten gegen die Nationale Sicherheit verfolgen muss.
  • Die Höchststrafe für Straftaten gegen die Nationale Sicherheit ist eine lebenslängliche Inhaftierung.


Dieser Coup aus Peking verändert die Situation für die Bewohner von Hongkong quasi über Nacht, denn das Gesetz wurde gestern vom Nationalen Volkskongress in Peking verabschiedet und tritt morgen in Kraft. Damit besteht für Kritiker der Chinesischen KPCh wie Joshua Wong und alle, die mit ihm gemeinsam für Demokratie und Freiheit in Hongkong eingetreten ist, akute Gefahr, inhaftiert zu werden, wenn nicht Schlimmeres. Zur Erinnerung, drei Citizen Journalists, mutige Männer, die aus Wuhan das berichtet haben, was die KPCh verschweigen wollte, sind als Folge ihrer Berichterstattung wohl in Polizeigewahrsam genommen worden. Zwei sind bis heute verschwunden. Die Namen, die nicht vergessen werden dürfen:

  • Chen Qiushi
  • Fang Bin
  • Li Zehua

China hat eine lange Tradition bei Verstößen gegen Menschenrechte. Man vergisst das in letzter Zeit gerne, weil die westlichen Politiker, mit zwei Ausnahmen, aus den USA und aus Australien, gute Miene zum bösen Spiel machen, wenn es um China geht. Deshalb: China ist ein Land, das von einer kommunistischen Clique regiert wird. Das kommunistische Regime hat totalitäre Methoden der Überwachung der eigenen Bevölkerung eingeführt und zeigt bei jeder Gelegenheit, dass das “lumpige Individuum”, wie Engels gesagt hat, für die Parteiführung keinen Wert darstellt. Individuelle Grundrechte und Freiheiten gelten in China nichts, und mit dem gerade verabschiedeten Gesetz ist der Nichtgeltungsbereich auf Hongkong erweitert worden, handstreichartig und ohne dass aus westlichen Ländern eine entsprechende Reaktion zu vernehmen ist.

Die EU ist auf Schmusekurs mit der Kommunistischen Partei von China. Die EU-Kommission gefällt sich darin, mit der KPCh virtuelle Konferenzen abzuhalten. Egal, ob die KPCh an der Grenze zu Indien einen Konflikt provoziert und dabei 20 indische Soldaten tötet, egal, ob die KPCh in Regelmäßigkeit die territoriale Integrität von Taiwan in Frage stellt, die westliche Reaktion, mit Ausnahme der aus den USA, ist bemitleidenswert harmlos und jenseits jeden effektiven diplomatischen Mittels.



Die BBC hat in einem Beitrag über das neue Sicherheitsgesetz die Frage gestellt, warum die KPCh genau jetzt dieses Gesetz in Windeseile verabschiedet hat. Die Frage bleibt ohne Antwort. Deshalb ein paar Vorschläge von uns:

  • Aus Sicht der Vertreter eines Regimes, das keine Form von bürgerlicher Unmutsbekundung duldet, müssen Zustände, wie sie derzeit von machtlosen Regierungen in z.B. Washington State, dem Vereinigten Königreich, Frankreich oder Deutschland geduldet werden, als eindeutiges Zeichen der Schwäche gewertet werden.
  • Aus Sicht eines geo-expansiven Funktionärs der KPCh machen westliche Regierungen, vor allem europäische Regierungen derzeit eine traurige Figur. Sie lassen zu, dass Ordnungsorganisationen wie die Polizei in Frage gestellt werden, sie stehen einem Mob von randalierenden Jugendlichen und ewigen Jugendlichen tatenlos gegenüber, sie zeigen keinerlei Entschlossenheit, Ordnung herzustellen.
  • Hinzukommt, dass viele westlichen Staaten ihre Rüstungsausgaben regelmäßig gegen diejenigen verteidigen müssen, die in einem Traumland leben, in dem feindliche Akte von Regimen wie dem in China nicht vorkommen. Man kann sicher sein, dass jeder Bericht über die Ausrüstung der Bundeswehr, die inadäquat, disfunktional oder schlicht uralt ist, in China sorgfältig gelesen, analysiert, abgeheftet, archiviert und befriedigt als Zeichen der Schwäche zur Kenntnis genommen wird.


Kurz: Es ist offensichtlich, dass die Führer der KPCh, allen voran Xi Jinping, der Ansicht sind, sie hätten es mit westlichen Schoßtigern zu tun, von denen viele Worte der Entrüstung und viele Solidaritätsbekundungen mit den Anhängern der Demokratiebewegung in Hongkong kommen werden, aber mit Sicherheit keine Handlungen, keine ernst zu nehmenden Drohungen und schon gar keine Sanktionen. Einzige Ausnahme auch hier: Die USA, die den Sonderstatus von Hongkong beendet haben, wodurch der Finanzplatz “Hongkong” in Zukunft irrelevant zu werden droht.

Was die ARD ihren Leser zudem verschweigt, vorenthält, oder was man bei der ARD schlicht nicht weiß: Die KPCh ist vertragsbrüchig. Im Jahre 1984, genau am 19. Dezember, wurde in Peking zwischen der Volksrepublik China, damals unter Dheng Ziaoping und dem Vereinigten Königreich, Margareth Thatcher war damals Prime Minister, die Gemeinsame Erklärung über Hongkong verabschiedet. In dieser Erklärung wurden die Bedingungen formuliert und per Vertrag als bindend deklariert, unter denen das Vereinigte Königreich Hongkong zum 1. Juli 1997 an China zurückgibt. Die Formel für diesen Vertrag ist das einzige, was man in den letzten Tagen in einigen deutschen Medien lesen kann: Zwei Systeme, ein Staat. Die Formel bringt zum Ausdruck, dass die Rechte, Freiheiten, das politische System in Hongkong auch nach Übergabe an China an westlichen, freiheitlichen Werten und nicht an den totalitären Vorstellungen der KPCh ausgerichtet bleiben.

Mit dem Sicherheitsgesetz, das gerade verabschiedet wurde, ist dieser Vertrag gebrochen, in dem es unter anderem heißt:

By Benh LIEU SONG (Flickr) – Hong Kong Harbour Night 2019, CC BY-SA 4.0

(5) The current social and economic systems in Hong Kong will remain unchanged, and so will the life-style. Rights and freedoms, including those of the person, of speech, of the press, of assembly, of association, of travel, of movement, of correspondence, of strike, of choice of occupation, of academic research and of religious belief will be ensured by law in the Hong Kong Special Administrative Region. Private property, ownership of enterprises, legitimate right of inheritance and foreign investment will be protected by law.

Die Garantie von Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Reisefreiheit, das garantierte Streikrecht, die Forschungsfreiheit und Religionsfreiheit, das alles sind Freiheiten, die unter dem neuen Sicherheitsgesetz vorhersehbar fallen werden. Das vorhersehbar erste Opfer neben den jungen Leuten, die für Freiheit und Demokratie in Hongkong auf die Straße gegangen sind, werden die Mitglieder von Falun Gong sein, einer buddhistischen Variation in Tai Chi, Meditation und Atemübung, die die KPCh 1999 verboten, zur terroristischen Vereinigung erklärt hat und seitdem gnadenlos verfolgt. Wer sich dafür interessiert und die Verstrickungen des internationalen Organhandels in das Verschwinden zahlreicher Falun Gong Mitglieder nachlesen will, der möge nach Falun Gong Organ traffic und China googlen und sich auf das Schlimmste vorbereiten.

“On July 20, 1999, security forces swooped, detaining several thousand leading Falun Gong practitioners. Days later the group was made illegal for “advocating superstition, spreading fallacies, hoodwinking people, inciting and creating disturbances, and jeopardizing social stability.”


Die Grundlage für die gnadenlose Verfolgung der Mitglieder von Falun Gong, von denen Millionen in Konzentrationslagern bei Sklavenarbeit umerzogen werden, und viele einfach verschwunden sind, ist das chinesische Sicherheitsgesetz, dessen Ableger nun von der KPCh in Hongkong in Kraft gesetzt wird. Die Intention, die damit verfolgt wird, ist offenkundig.

Und wie von China vorhergesehen, der Westen schweigt. Europäische Gesellschaften, deren Mitglieder mehr damit beschäftigt sind, die Freiheiten der eigenen Gesellschaft zu missbrauchen, um die eigene Gesellschaft zu bekämpfen, verfügen mit sehr wenigen Ausnahmen weder über die politische Führung noch die notwendige Entschlossenheit, um gegen die erneute Provokation aus China vorzugehen. Jahre der Dekadenz haben ihre Spuren hinterlassen. Wenn Regierungen wie die deutsche, lieber die eigene Armee internationalem Gelächter anheim stellen, als dass sie für deren notwendige Ausrüstung sorgen, dann wird jeder Parteiführer, der einen Machtanspruch erhebt, daraus ableiten, dass das entsprechende Land als globaler player nicht ernst zu nehmen ist.

Im Sog der Pandemie verwirklich China stetig und ohne die Reaktionen im Westen auch nur zur Kenntnis zu nehmen, einen aggressiven und expansiven Kurs. Wer das nächste Opfer Chinas ist, ob Taiwan auf Dauer dem chinesischen Ansturm Stand halten kann, wird davon abhängen, ob westliche Regierungen noch genug Rückgrat zusammentragen können, um eine entschlossene Reaktion zu zeigen und China von weiterer Hegemonie abzuschrecken. Was uns angeht, wir haben unsere Zweifel, dass aus westlichen Ländern viel kommen wird. Die Aktivisten aus Hongkong, über die deutsche Medien voller Stolz berichtet haben, dass sie Merkel um Hilfe gebeten hätten, werden einen deutschen Ausdruck erlernen, der das gesamte Debakel des Westens auf den Punkt bringt: Im Regen stehen lassen.




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