Irreparabler Schaden für die Demokratie: Merkel-Deutschland im DDR-Autoritarismus [Neue Studie]

Seit dem 25. März 2020, dem Tag, an dem der Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite ausgerufen hat, also einen Ausnahmezustand verkündet hat, wird Deutschland am Bundestag vorbei von einer Art Zentralkomittee oder einer Art Politbüro regiert, das in der Verfassung nicht vorgesehen ist, und in dem Computerspiele spielende Ministerpräsidenten der Länder mit der Bundesregierung kungeln. Damit ist eine Form des Ausnahmezustandes geschaffen, wie es sie seit der Weimarer Republik in einem demokratischen Deutschland nicht gegeben hat. Wie Deutschland, so haben die Regierungen unzähliger Länder, die von sich behaupten, sie seien demokratisch verfasst, die Gelegenheit genutzt, um einen Ausnahmezustand zu erkären und sich Vollmachten erteilen zu lassen (oder zu nehmen), die es ihnen erlauben, am Parlament vorbei zu regieren, sich als Exekutive neue Gewalten anzueignen, die auf Kosten von Legislative und Judikative gehen.

Der Griff nach mehr Macht, den Regierungen aller Herren Länder durchgeführt haben, ist nichts Neues in der Geschichte. Ausnahmezustände werden häufig nach Naturkatastrophen ausgerufen, um die Bevölkerung zu schützen, wie es gewöhnlich heißt. Ebenso nicht ungewöhnlich ist es, dass die Regierungen, die die jeweilige Gelegenheit genutzt haben, um ihre Machtkompetenz zu erweitern, die zugewonnene Entscheidungsmacht nicht wieder abgeben, sondern behalten. Und ganz normal ist es, dass Regierungen, die den Ausnahmezustand ausgerufen haben, mit diesem Akt alles schlimmer machen: Ist eine Naturkatastrophe der Anlass, dann führt der Ausnahmezustand zu mehr Opfern als notwendig, ist der Schutz vor terroristischen Anschlägen der Anlass, um einen Ausnahmezustand zu verhängen, dann steigt die Anzahl terroristischer Anschläge regelmäßig an, nachdem Regierungen mit Generalvollmachten ausgestattet wurden, um eigentlich das zu verhindern, was dann regelmäßig eintritt.



Die beschriebenen Zusammenhänge sind Ergebnisse, zu denen Christian Bjornskov und Stefan Voigt (2020) in ihren Studien gelangt sind, Studien, die in der bewährten Tradition von Public Choice stehen, Studien, die auf der Prämisse basieren, dass Regierungen ein Eigeninteresse haben, dass sie, wenn möglich, ihre Machfülle erweitern, sich auf Kosten anderer Institutionen mit Macht bereichern wollen, dass sie nicht das “Beste für ihre Bevölkerung” im Auge haben (müssen), dass sie, in den Worten von Bjornskov und Voigt ihren eigenen Nutzen im Auge haben und dass dieser eigene Nutzen nicht unbedingt das sein muss, was auch der Bevölkerung nutzt.

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In einer Zeit, in der die Naivität Kapriolen schlägt und täglich behauptet wird, Regierungen seien nur am Wohl ihrer Bevölkerung interessiert (was man wohl derzeit daran sieht, dass private Unternehmen mutwillig zerstört werden), ist es wohltuend, eine Studie zu finden, in der ein realistischer Blick auf das, was Regierung, Exekutive in demokratischen Systemen sein soll, jenes Vehikel, das in demokratischen Systemen an die Kandarre einer rigiden juritischen Kontrolle gelegt ist (eine Kontrolle, die die Parteien in Deutschland seit Jahren dadurch unterlaufen, dass sie das Verfassungsgericht mit Parteimarionetten vollstopfen) und das an die Überwachung durch ein Parlament gebunden ist, dem die alleinige Gesetzgebungsvollmacht obliegt (Ein Mechanismus, den die Bundesregierung durch das Infektionsschutzgesetz definitiv ausgehebelt hat, weshalb man das Infektionsschutzgesetz durchaus als ein Ermächtigungsgesetz ansehen kann).

Mit der Erweiterung der Kompetenzen von Regierungen, die im Rahmen der Erklärung eines “medizinischen Ausnahmezustands” einhergehen, geht regelmäßig die Einschränkung von Grundrechten und von bürgerlichen Freiheiten einher, d.h. einst demokratische Regierungen werden zu autokratischen Herrschern, die am Parlament vorbei, weitgehend unbehellig von der Justiz und auf dem Rücken der Bürger durchsetzen können, was ihnen durchzusetzen dünkt.

Aber natürlich ist der Ausnahmezustand NUR ein medizinischer Ausnahmezustand, der deshalb ausgerufen wurde, weil die Regierung sich so große Sorgen um die Gesundheit der Bevölkerung macht, um die Pandemie einzudämmen, um Leben zu retten. Und natürlich wird, sobald alles Leben gerettet, alle Pandemie eingedämmt und alle Sorgen um die Gesundheit der Bevölkerung geschwunden sind, der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt und der Ausnahmezustand beendet.

Wirklich?

Bjornkov und Voigt (2018) haben für vergangene Ausnahmezustände, 137 Länder haben zwischen 1985 und 2014 einen Ausnahmezustand erklärt, gezeigt, dass die Rückgabe der genommenen Rechte, die Re-balancierung des politischen Systems, dessen Machtverteilung zu Gunsten der Regierung aus dem Gleichgewicht geraten ist, gemeinhin nicht stattgefunden hat. Regierungen hängen an der Machtfülle, die sie erheischt haben, sie sind lieber autokratisch, denn demokratisch.

Und deshalb sollte uns die folgende Abbildung Bange machen:

99 von 193 Länder dieser Erde haben die Gunst der Stunde genutzt und zwischem Ende Februar 2020 und dem 10. April 2020 einen Ausnahmezustand wegen SARS-CoV-2 erklärt. Abbildungen wie diese stellen denjenigen, der sie erklären will, vor eine zentrale Frage, denn man kann die Tatsache, dass es eine konzertierte Aktion der Erklärung eines Ausnahmezustands gegeben hat, einerseits als einen Effekt der Isomorphie zu erklären versuchen, annehmen, dass Regierungen der betreffenden Länder angesichts der vermeintlich neuartigen Gefahr, die SARS-CoV-2 dargestellt hat, voneinander kopiert haben und im Nachbarland geschaut haben, wie mit dem “Neuen” umgegangen wird. Erklärt das Nachbarland einen Ausnahmezustand, dann erklärt auch die beobachtende Regierung einen Ausnahmezustand.

Solche Erklärungsversuche tragen in der Regel ein Stück weit, so weit, bis man zu einem Land kommt, dessen Regierung, obwohl mit der selben unbekannten Gefahr durch SARS-CoV-2 konfrontiert, nicht nachahmt, was im Nachbarland geschieht, keinen Ausnahmezustand erklärt. Der naheliegende Erklärungsversuch für derartige abweichende Beobachtungen sind ideologische Unterschiede. Abermals trägt dieser Erklärungsversuch nur soweit, bis  man zu der Erkenntnis gelangt, dass es für die Frage des Ausnahmezustandes scheinbar keinen Unterschied macht, ob eine konservative Regierung am Ruder ist (Italien oder das UK) oder eine linke Regierung (Deutschland, Spanien, Portugal). Was bleibt ist die Annahme, dass die Regierungen die Gunst der Stunde genutzt haben, um entweder ihre Machtfülle auf Kosten von Parlamenten und Bürgern zu erweitern oder weil es einen zentralen Plan gibt, dem sich die entsprechenden Länder veschrieben haben und der eben diesen Ausnahmezustand vorsieht.

Warum haben Länder einen Ausnahmezustand ausgerufen? Das ist die zentrale Frage, die Bjornskov und Voigt interessiert, und der sie mit einer Vielzah von Daten zu Leibe rücken, Daten, wie die täglichen Fallzahlen mit SARS-CoV-2 Infizierter, mit COVID-19 Verstorbener, mit denen es möglich ist, zu entscheiden, ob die Regierung aus Sorge um die Gesundheit ihrer Bevölkerung gehandelt hat, Daten, wie die Kosten, die mit der Erklärung eines Ausnahmezustandes verbunden sind, die Kosten für eine Regierung, die Bjornskov und Voigt als Anzahl der Akteure operationalisieren, die der Erklärung eines Ausnahmezustandes zustimmen müssen, je mehr Akteure zustimmen müssen, also neben einem Parlament etwa noch ein Präsident oder ein Gerichtshof, desto höher die Kosten für eine Regierung. Der Nutzen für eine Regierung besteht in den Rechten, die sie sich mit der Erklärung eines Ausnahmezustandes aneignen kann, etwa die Einschränkung von Freiheitsrechten, die Durchsetzung von Maßnahmen, ohne dass ein Parlament zustimmen oder ein Gericht dagegen vorgehen kann. Dieser Nutzen – so eine Annahme von Bjornskov und Voigt, ist in demokratischen Staaten höher als in autokratischen Staaten, denn die Regierung letzterer Staaten hat bereits Rechte, die die demokratische Regierung durch den Ausnahmezustand sich erst aneignen will, demokratische Regierungen haben somit einen höheren Anreiz, einen Ausnahmezustand durchzusetzen. Schließlich kontrollieren die beiden Autoren für die Länder in ihrem Sample (158 an der Zahl, darunter 96 demokratische Staaten) nach der Bedeutung des Rechtssystems und nach wirtschaftlichen Indikatoren. Die Ergebnisse ihrer Logit-Analyse, also ihres nicht-linearen Modells, mit dem die Wahrscheinlichkeit der jeweiligen Ausprägung einer dichtomen Variable (wurde ein Ausnahmezustand ausgerufen oder nicht) vorhergesagt wird, sind eindeutig:

  • Die Schwere der Pandemie, also die Anzahl positiv auf SARS-CoV-2 Getesteter oder an COVID-19 Verstorbener spielt überhaupt keine Rolle, d.h. offenkundig geht es beim Ausrufen eines Ausnahmezustands nicht darum, Menschenleben zu retten oder die Pandemie in den Griff zu bekommen. Ein Ausnahmezustand ist dazu nicht notwendig.
  • Wirtschafliche Erwägungen spielen keine Rolle;
  • Die Kosten, die einer Regierung entstehen, wenn ein Ausnahmezustand ausgerufen wird, also die Anzahl der institutionellen Akteure, die zustimmen müssen, hat keinerlei Effekt auf die Frage, ob ein Ausnahmezustand ausgerufen wird oder nicht.
  • Die Variable, die den größten Beitrag zur Erklärung eines Ausnahmezustands leistet, das ist der Zugewinn an Macht, an Entscheidungskompetenz für die Regierung, die nunmehr vorhandene Möglichkeit, Freiheitsrechte, Bürgerrechte allgemein einzuschränken und andere Institutionen, mit denen normalerweise die Gewalten geteilt werden müssen, auszuschalten.

Ein Ergebnis, das einem die Kälte über den Rücken treibt, denn es zeigt, worum es im Rahmen der vermeintlichen Pandemie vielen Regierungen wohl wirklich gegangen sein könnte, die Gelegenheit zu nutzen, um demokratische Kontrolle zu beseitigen, Freiheitsrechte einzuschränken und unkontrollierte Entscheidungsmacht zu akkumulieren, um ein autoritäres System an die Stelle eines demokratischen zu setzen. Entsprechend schreiben Bjornskov und Voigt:

“Summing up, it seems safe to conclude that this time is not different. As under previous natural disasters, democratic and autocratic governments alike have behaved like power-maximizers during the corona pandemic. We find that the discretionary power they gain during emergencies is the main determinant of whether they declared a state of emergency, while the severity of the epidemic is irrelevant. We also observe that the same governments are likely to misuse these powers against journalists and the media. The danger, as under previous disasters, is that some of the measures now implemented are likely to outlast the current pandemic and weaken the rule of law and democracies for many years to come. In fact, in many countries the ultimate victim of the corona virus may be the separation of powers and freedom of expression.

Ein Indikator dafür, dass die Transformation von einem demokratischen zu einem autoritären System beabsichtigt ist und dauerhaft sein soll, besteht für die Autoren darin, dass die Gelegenheit von Regierungen genutzt wurde, um Gesetze durchzusetzen, die Meinungsfreiheit unter dem Vorwand beseitigen, vor Hate Speech schützen zu wollen. Am 30. März 2021 wurde im Bundesgesetzblatt das im Bundestag durchgewunkene “Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und der Hasskriminalität” veröffentlicht. Es verschärft das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das 2017 bereits in Kraft getreten ist und macht Meinungsfreiheit in Deutschland zum seltenen Gut.

Merkel-Deutschland ist auf dem Weg zurück in das autoritäre System der DDR, wenn es nicht längst dort angekommen ist.


Bjornskov, Christian & Voigt Stefan (2018). Why Do Governments Call a State of Emergency? On the Determinants of Using Emergency Constitution. European Journal of Political Economy 54(1): 110-123.

Bjornskov, Christian & Voigt, Stefan (2020a). You Don’t Always Get What You’d Expect – On Some Unexpected Effects of Constitutional Emergency Provisions. SSRN

Bjornskov, Christian & Voigt, Stefan (2020). This Time is Different? – On the Use of Emergency Measures During the Corona Pandemic. University of Hamburg: ILE Working Series No. 36.


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