Was hätte Immanuel Kant wohl zu den Corona-Maßnahmen gesagt? Otfried Höffe im Interview auf dem Argumentorik-Kanal
… und da wir hier bei Sciencefiles gerade bei Immanuel Kant und Otfried Höffe waren:
Am 27. August 2021 hat Wlad auf seinem Argumentorik-Kanal auf YouTube ein Interview mit Otfried Höffe veröffentlicht, in dem er Höffe danach fragt, was nach seinem, d.h. Otfried Höffes, Verständnis Immanuel Kant vermutlich zu den Corona-Maßnahmen gesagt hätte.
Diese Frage wird im Interview ab etwa der 14. Minute behandelt, aber ich würde jedem empfehlen, sich das Interview in seiner gesamten Länge von knapp 28 Minuten anzusehen/-hören, weil Höffe in ihm die wichtigsten Grundlagen zum Verständnis von Kants Moralphilosophie skizziert.
Mir persönlich sind in diesem interessanten und unterhaltsamen Interview zwei Dinge aufgefallen, die mich überrascht haben und die ich deshalb hier kurz anmerken will:
Erstens finde ich es erstaunlich und bedenklich, wie sehr das öffentliche Klima in Deutschland von der Angst vor deutlichen Worten und/oder persönlichen Bewertungen geprägt sein muss, wenn beide, Interviewer und Interviewter, an verschiedenen Stellen, an denen sie sich lediglich kritisch äußern oder eine eigene Einordnung vornehmen oder sogar nur die Einordnung von jemand anderem wiedergeben, meinen, die eigenen Bemerkungen oder die Anderer als “polemisch” bezeichnen zu müssen. Kritik ist nicht an sich “polemisch”, und eine negative Bewertung einer Sache ist ebenfalls nicht an sich “polemisch”.
Beispiel: die Bezeichnung von Schopenhauers Begriff der “Hegelei” als “polemisch”; der Begriff “Hegelei” mag für auf politische Korrektheit gewöhnte Ohren irgendwie unfreundlich klingen, aber er verweist auf den empirisch beobachtbaren wirren und teilweise sinnfreien Schreib- und Denkstil Hegels, der als Merkmal philosophischer Abhandlungen schwerlich anders als einigermaßen nachteilig und in dieser Hinsicht negativ und jedenfalls negativer als ein klarer Schreibstil, in dem Gehaltvolles mitgeteilt wird, zu bewerten ist; was also soll an dem Begriff “Hegelei” “polemisch” sein? Nicht jeder Schreibstil ist gleichermaßen gut dazu geeignet, Lesern bestimmte Inhalte in bestimmten Feldern zu vermitteln. Wenn “polemisch” “unsachlich” bedeutet (wie auch der Duden meint), dann ist der Begriff “Hegelei” nicht polemisch; vielmehr er ist dem sehr “eigenen” Schreib- und Denkstil Hegels, also der in Frage stehenden Sache, angemessen, wie jeder erfahren kann, der sich die Lektüre Hegels zumuten mag.
Zweitens war ich etwas erstaunt darüber, dass Höffe bei seiner Beschreibung dessen, was seiner Meinung nach Kant wohl zu den Corona-Maßnahmen gesagt hätte, neben dem wichtigen Verweis auf den Wert der Freiheit hauptsächlich unter Bezug auf situative, empirische Umstände argumentiert, die nach meinem Verständnis von Kant für ihn, also Kant, bei der Bewertung der Corona-Maßnahmen keine entscheidende Rolle gespielt hätten. (Ich habe an einer Stelle in meinem vorhergehenden Text über Kant bzw. das sogenannte “Instrumentalisierungsverbot” meinerseits kurz darüber spekuliert, was aus Kantscher Sicht wohl zu einer Impfpflicht bzw. zur Erpressung zur Impfung zu sagen wäre.)
Aber dies nur als “food for thought”, und vielleicht zur Anregung einer Diskussion. Ich hoffe, Sie werden das Interview anregend finden; viel Spaß damit!
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Spontan fällt mir ein, was nach Aussage meines Vaters (Jg.1887) Kant angeblich gesagt haben soll:
“Hypochondrische Dünste ziehen durch den Menschen: Steigen sie nach oben, so ist es eine heilige Eingebung, ziehen sie nach unten, so ist es ein Furz.” q.e.d.
Gut erinnert. In seiner philosophischen Satire “Träume eines Geistersehers” zitiert Kant Samuel Butler: “Der scharfsichtige Hudibras hätte uns allein das Räthsel auflösen können, denn nach seiner Meinung: wenn ein hypochondrischer Wind in den Eingeweiden tobt, so kommt es darauf an, welche Richtung er nimmt, geht er abwärts, so wird daraus ein F-, steigt er aber aufwärts, so ist es eine Erscheinung oder eine heilige Eingebung.”
Heute würde er vermutlich das daraus zitieren:
“DOubtless the pleasure is as great Of being cheated, as to cheat. As lookers-on feel most delight, That least perceive a Juglers slight; And still the less they understand, The more th’ admire his slight of hand.” Merkel-Bewunderer können dies auf Bhakdi-Verehrer beziehen und umgekehrt.
Kant war nicht unbedingt dafür bekannt, Menschen besonders zu schätzen, oder gar zu mögen. Er hätte ganz sicher passende Worte gefunden.
Wer mit Lebenserfahrung (und Charakter) mag schon “Menschen”, also Menschen im Allgemeinen? Sowas behaupten nur Geschäftsleute, also auch Politiker, oder halt Brigitte Büscher vom Plasbergteam. Stand jedenfalls mal in ihrer Selbstbeschreibung auf der hart-aber-fair-Seite^^
Ich habe das Video noch nicht gesehen, aber beim Lesen gestutzt, ob des despektierlichen Gebrauchs des Wortes Polemik. Für mich ist das ein positiv notierter Begriff: Streitrede!
Wenn man nicht um die Wahrheit streiten will, worum dann?
Nietzsche ist Philosophie gewordene Polemik und Ressentiment in großem aphoristischen Geist.
Der Irrtum liegt wohl eher da, daß man meint, daß die, die trockenen Wortes sind, auch automatisch etwas Substanzielles zu sagen hätten… So wie die große Führerin?!
Aber ich höre mir das Gespräch mit Gottfried Höffe noch an, obwohl ich ihn sehr schätze und genau weiß, wie klein und verkehrt er sich im Merkel Sozialismus machen muss, um nicht geschlachtet zu werden.
Die großen Geister Deutschlands werden lernen müssen, sich vor dem Verlassen des Hauses Galoschen aus Sarkasmus, Ironie und Zynismus über das Schuhwerk zu werfen, um nicht im Denunziantenfäces der linken Machthaber ihre Würde zu verlieren!
… stimmt, “Polemik” war ursprünglich eine Bezeichnung für die Kunst der Streitrede und insofern positiv konnotiert.
Aber leider ist der heutige Sprachgebrauch ein gänzlich anderer. Heute ist der Begriff m.E. ein Kampfbegriff, der irgendwie disqualifizieren oder einschränken soll, was gesagt wurde.
Auch der Duden meint, “polemisch” bedeute “aggressiv, angriffslustig, bissig, feindselig” und “als Polemik gemeint” (?!), scharf, unsachlich”.
Die Reihung dieser Begriffe, die miteinander teilweise gar nichts zu tun haben, wie z.B. “scharf” und “unsachlich” oder “bissig” und “feindselig”, zeigt m.E. schon, dass “polemisch” nur noch als Kampfbegriff benutzt wird.
Aber leider – so wird der Begriff “polemisch” heute in der Tat benutzt.
Ist ja dann nicht falsch, wenn ich dann über diesen Begriff und das Weltbild, das hinter seinem Missbrauch steht,-in Streit gerate! Und es dürften auch nicht die Falschen sein, die dabei ihr Fett abkriegen!
mit gutem Gruß PF
“Die großen Geister Deutschlands ……”
Wo finde ich sie ?
Ok, ich geb auf, -Sie sind mir als Polemiker überlegen!
Ist halt der Zeitgeist, da muss man sich für Kritik entschuldigen, etwa als polemisch. Ist nur ne Frage der Zeit, daß Kritik wieder mit dem garstigen Wort “zersetzend” belegt wird. Ich seh da generell wieder Analogien. Der neue Feind ist Corona, es geht wieder um Volkskörperschutz und Impfstoffkritik is Wehrkraftzersetzung. Und im sog. “Klimaschutz” wird dann vieles, was man im Namen von corona schon andressiert hat, verstetigt.
Ist die Handlung bzw. der Wunsch, alle Kinder zu impfen, eine Handlung, die jeder Mensch für moralisch vertretbar hält? Erst wenn dies der Fall wäre, würde es sich um einen kategorischen Imperativ handeln. Da dies bei weitem nicht der Fall ist, verweisen die meisten Auf Empfehlungen, Meinungen und Thesen einiger weniger, aber wenige sprechen sich öffentlich dafür aus und machen dies als Ihre Meinung kenntlich.
@Vitaminese
Das ist ein großes Missverständnis! Für Kant ist es gerade keine Frage der Meinung der Mehrheit, ob eine Handlung(smaxime) dem kategorischen Imperativ entspricht oder nicht.
Und der kategorische Imperativ seinerseits ist immer nur er selbst. Er lautet wie in meinem vorhergehenden Artikel beschrieben:
„… handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“ (Kant 1906[1785]: 44).
Er ist also ein FORMALER Satz, der ein Kriterium vorgibt, anhand dessen man Handlung(smaximen) auf ihre Moralität prüfen kann.
Verständlicher und besser nachvollziehbar halte ich das Sprichwort: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Und über allem stehen, moralisch gesehen, die Zehn Gebote.
Auch Karl R. Popper findet Hegels Schreibe & Denke nicht so toll und verständlich.
@Klaus
ich musste lachen, als ich das las:
Sie haben vollkommen recht: Popper fand Hegels “Schreibe und Denke” auch “… nicht so toll und verständlich”.
Das ist eine klassisches britisches understatement! 🙂
Popper hat sehr deutliche Worte für die Hegelei gefunden, Worte, die Leute mit Angst, sich unbeliebt zu machen, vielleicht “polemisch” nennen würden ….
Was/Wem helfen eigentlich ‘Humanität’ und ‘Moral’ noch, wenn sie dann, wenn es wirklich darauf ankommt, vom rasend gemachten Impf-Mob und eifernden Bütteln einfach überwältigt werden ?
“Weh denen, die dem Ewigblinden
Des Lichtes Himmelsfackel leihn!
Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden
Und äschert Städt’ und Länder ein.” (Schiller, Die Glocke)
“Die Toleranz, welche man oft an großen Männern bemerkt und preiset, ist wohl immer das Kind der größten Menschenverachtung:denn erst, wenn ein großer Geist von dieser ganz durchdrungen ist, hört er auf, die Menschen für seines Gleichen zu halten und diesem entsprechende Forderungen an sie zu machen. Dann freilich ist er gegen sie so tolerant, wie wir alle gegen die Tiere, denen wir ihre Unvernunft und Bestialität nicht weiter vorwerfen.” (Arthur Schopenhauer, Neue Paralipomena, §357)
Lieber Erinnerung, wo wir letztens von Misanthropie sprachen und Sie mich milde zurechtwiesen…-vielleicht zu Recht, als Konzept bin ich von Misanthropie auch nicht überzeugt. Eigentlich handelt es sich ja um eine Notabwehr! Mit Ihrem Schopenhauerzitat hier illustrieren Sie das ja sehr deutlich. Allerdings bleibt die Frage, was Toleranz noch sei als ein schaumschlägerisches Windspiel derer aus der Moralistenecke, wenn nichts mehr zu ertragen wäre!
Es gibt 1000 Gründe, etwas so zu belassen, wie es ist; aber nur einen, der wirklich etwas verändert: Du hältst es nicht mehr aus !
„Die Toleranz ist nicht grenzenlos. Sie findet ihre Grenze, vielleicht ihre einzige Grenze, in der etwaigen Intoleranz des anderen.“ ―Helmut Schmidt
Ich habe jetzt übrigens den Interviewbeitrag gehört und muss mich bei Höffe entschuldigen! Er wird doch recht deutlich in seiner Kritik der Coronahysterie, der irrationalen Maßnahmen. In seiner Kritik der fehlenden kritischen Pressearbeit in der Masse (MSM), der fehlenden Oppositionsarbeit (wobei er leider die echte/einzige Opposition AfD nicht einmal erwähnt). Höffe argumentiert dies an Kant entlang alles sehr vernunftgemäß und auf Freiheit hin.
Hätten die sogen. Eliten noch einen Rest an Bildung, sie müßten für so eine Ansprache erreichbar sein. Sie sind es nicht, da sie nicht nur ungebildet sind wie Merkel-Roth beispielhaft zeigen, sondern sie sind korrupt in ihrer Blase inkrustiert (Merkel-Spahn-Lauterbach) und intellektuell moralisch längst erstickt.
Ich finde Höffe sogar um etliches deutlicher als Agamben in seinem Manifest, das hier vor 1 Woche vorgestellt wurde.
Wenn man Höffes substanzielle Aussagen hier hört, dann möchte man an Schaumschläger wie Sloterdijk die Frage stellen, warum sie meinen, jenseits der Redegewandheit, mit echten Philosophen in denselben Ring steigen zu können! Denn Philosophie hat immer als Maßstab ein Interesse an Realität!
Was hätte Nietzsche wohl dazu gesagt? Und allgemein zum heutigen Gutmenschentum? Aber was Höffe sagt sehe ich mir noch an. Ich meine ich habe ein Büchlein zur Gerechtigkeit von ihm. Aber der Inhalt ist mir jetzt nicht gewärtig.
Nietzsche schreibt, nichts würde sich mehr rächen wie der Verlust des Gehörs für die innere Stimme.
Schöner Satz, gerade in dieser Zeit! Im Grunde war Nietzsche Theologe im besten Sinn.
Zu dem heutigen „Gutmenschentum“ hat er sich auch geäußert: “Tatsache: die Unterdrückten, die Niedrigen, die ganze große Menge von Sklaven und Halbsklaven wollen zur Macht.
Erste Stufe: sie machen sich frei – sie lösen sich aus, imaginär zunächst, sie erkennen sich untereinander an, sie setzen sich durch.
Zweite Stufe: sie treten in Kampf, sie wollen Anerkennung, gleiche Rechte, »Gerechtigkeit«.
Dritte Stufe: sie wollen die Vorrechte (– sie ziehen die Vertreter der Macht zu sich hinüber).
Vierte Stufe: sie wollen die Macht allein, und sie haben sie…”
Im Artikel oben heißt es:
“… dass Höffe bei seiner Beschreibung dessen, was seiner Meinung nach Kant wohl zu den Corona-Maßnahmen gesagt hätte, … hauptsächlich unter Bezug auf situative, empirische Umstände argumentiert, die nach meinem Verständnis von Kant für ihn, also Kant, bei der Bewertung der Corona-Maßnahmen keine entscheidende Rolle gespielt hätten.”
So habe ich das früher auch gelernt. Ein wichtiger Punkt bei Kant scheint zu sein: Über empirische Fragen kann ich mich prinzipiell irren. Darum darf meine Meinung über empirische Umstände keine (entscheidende) Rolle spielen bei meinen moralischen Entscheidungen und Bewertungen. Kurz: Moral hat unabhängig zu sein von empirischen Belangen. Sehr verkürzt natürlich in meinem Kommentar.