Die Diktatur der EU Politkommissare – State communism here we come

Einst gab es in den Sozialwissenschaften eine Diskussion über die fehlende demokratische Legitimation in der EU, bekannt unter dem Begriff “democratic deficit”. Mit der Zeit und der normativen Kraft des Faktischen hat sich diese Diskussion in eine “Governance”-Diskussion verwandelt, deren Ziel nicht mehr darin besteht, die demokratische Legitimation z.B. der EU-Kommission zu hinterfragen bzw. die fehlende Legitimation darzustellen, sondern darin, die beste  “supra-nationale” Regierungsform zusammen zu basteln (Sandholtz & Stone Sweet, 1998). Das demokratische Defizit ist Schnee von gestern, die EU-Kommission und die in Europa versammelten Polit-Kommissare wissen davon nichts (mehr).

Bereits im Jahre 1977 hat Joseph W. McGuire vor den Folgen einer staatlichen Politik gewarnt, die die Freiheit von Unternehmen und somit die Freiheit von Unternehmen in immer mehr Regularien erstickt und sie einer dubiosen Gleichheitsphantasie opfert:

„Freedom of enterprise is threatened by the primacy of egalitarian sentiments principally because the capatalistic marketplace is designed deliberately to create inequalities – to make some companies and some individuals winners and other losers. One of the most important freedoms that businessmen have is that which enables their companies to succeed (or fail) as a result of their own activities within a competitive framework. … The egalitarian legislation of recent years, however, has gone far beyond the simple reinforcement of competition. It has focused upon pricing policies, the size of companies, the amount of profit that may be earned, personnel practices, working conditions, consumer relationships and the like. Many of these regulations … have tended to reduce income and power differentials between companies. But a free enterprise economy thrives on such differences. It is antithetical to egalitarianism, and the only way egalitarianism can fully emerge is at the expense of free enterprise. Business can become more egalitarian only if it continues to surrender its freedom. The continued loss of freedom of enterprise, therefore, is one of the costs that will have to borne by business (and by society) in order to attain greater equality.” (McGuire, 1977, S.28-29).

Im Jahre 1983 haben DiMaggio und Powell die von Max Weber begonnene Bürokratieforschung mit einem mittlerweile legendären Aufsatz weitergeführt: Bürokratisierung, von Max Weber gefürchtet, aber als einziges Mittel zu einer effizienten und rationalen Allokation von Ressourcen angesehen, hat für DiMaggio und Powell nicht mehr den Zweck, das Funktionieren des Wirtschaftssystems effektiver und rationaler zu gestalten. Im Gegenteil: die Bürokratisierung dient ausschließlich der Legitimierung symbolischer oder kultureller Vorstellungen. Nicht die Effektivität der Allokation von Ressourcen ist das Ziel der “modernen” Bürokratisierung, sondern die Legitimation des Aufbaus immer neuer bürokratischer Strukturen. Organisationen wie Greenpeace, UNICEF, Human Rights Watch, Organisationen, die für Gender Diversity, Umweltschutz, Freiwilligendienst, das kulturelle Erbe, Arbeitsschutz und was auch immer werben und Lobby-Arbeit betreiben, benötigen bürokratische Strukturen, um ihre “Sache” mit Legitimation zu versorgen. Denn, erst was kodifiziert ist, gilt in der modernen Welt als vorhanden.

Als ein besonders geeignetes Vehikel zur Legitimation der eigenen Ansprüche haben sich Forderungen zur “gesellschaftlichen Verantwortung” herausgestellt, die an Unternehmen gerichtet werden. Mit der Gewohnheit, wirtschaftlichen Aufschwung als Leistung politischer Steuerung anzusehen und wirtschaftliche Krisen vor der Tür von z.B. Banken abzuladen und dem leicht daraus ableitbaren Ruf nach “mehr Regulation” hat sich die Corporate Social Responsibility (CSR) geradezu als Normalität, als etwas, was man von Unternehmen fordern darf, ja muss, eingeschlichen. Verwunderte Reaktionen wie die von Philip Booth sind die Ausnahme im Meer der begeisterten CSR-Trittbrettfahrer:

„The raison d’etre of a business is to put something into society by being a business. The provision of cheap and plentiful food in good condition; the development and supply of computers with ever greater functionality; the provision of a cup of cappuccino that does not involve the buyer having to go through the expensive and laborious process of buying the machinery and making the coffee himself are all activities that put something into society. Why is it that business are caricatured as ‘taking out of society’ when they behave as businesses but ‘putting something into society’ when they spend money on community projects and the like?” Booth (2009), S.2.

Die im nicht demokratisch legitimierten Raum frei flottierende EU-Kommission hat, ganz wie McGuire dies 1977 bereits beschrieben hat und mit den Mitteln erzwungener Gleichheit (coercive isomorphism), die DiMaggio und Powell als Triebfeder hinter der immer größer werdenden Eintönigkeit politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Landschaften ausmachen, CSR als das Mittel ausgemacht, mit dem der Euro-Kommunismus durchgesetzt werden kann. Dies wird besonders deutlich, wenn man die neue CSR-Strategie betrachtet, die die EU-Kommission gerade für sich beschlossen hat.

Das markanteste an dieser neuen Strategie ist die Veränderung der Definition dessen, was unter Coporate Social Responsibility verstanden werden soll. Noch 2001 war die EU-Kommission der Ansicht, CSR sei ein deskriptiver Begriff, der die Anstrengungen von Unternehmen, soziale und ökologische Aspekte zu berücksichtigen, umfasse. Das ist 2011 anders. Denn: Mittlerweile hat die EU-Kommission das Potential von CSR, die Möglichkeiten entdeckt, über CSR Zwang zur Vereinheitlichung, zum Kommunismus (Harmonisierung lautet der euphemistische Begriff der EU-Kommmission)  auszuüben und sich dabei gleichzeitig ein Vehikel zu schaffen, das es erlaubt, unter nahezu jedem denkbaren Vorwand in die Leitung von Unternehmen einzugreifen.

Die neue Definition von CSR ist normativ und schreibt die Verantwortung von Unternehmen, für das zu, was man in der Ökonomie die Externalitäten ihrer Tätigkeit nennt, bei der EU aber etwas ausladender als “Auswirkungen auf die Gesellschaft” umschreibt. Warum die weite Formulierung, wo es doch eine enge Formulierung gibt, die z.B. Unternehmen bereits für ihre Emissionen zahlen lässt? Ein Blick auf Seite 7 des Strategiepapiers der EU zeigt warum. Hier wird der Umfang von CSR beschrieben:

“CSR at least covers human rights, labour and employment practices (such as training, gender equality and employee health and well-being), environmental issues (such as biodiversity, climate change, resource efficiency, life-cycle assessment and pollution prevention), and combating bribery and corruption. Community involvement and development, the integration of disabled persons, and consumer interests, including privacy, are also part of the CSR agenda. The promotion of social and environmental responsibility through the supply-chain, and the disclosure of non-financial information are recognized as important cross-cutting issues.”

Was den Politkommissaren hier offensichtlich vorschwebt, ist eine Art Ermächtigungsgesetz, das es der Brüsseler Bürokratie erlaubt, in alle Belange der Unternehmen einzugreifen. Dies wird deutlich, wenn man die Aufzählung dessen, was CSR umfasst, genauer betrachtet: Wenn Unternehmen A z.B. geringere Löhne als das vergleichbare Unternehmen B zahlt, dann ist das ein Verstoß gegen die Prinzipien des CSR-Arbeitsrechts. Wenn Unternehmen A eine aggressive Werbekampagne durchführt, um von Unternehmen B Marktanteile zu ergattern, was letztlich dazu führen kann, dass bei Unternehmen B Arbeitsplätze gestrichen werden, dann ist das ein Verstoß gegen die CSR-Prinzipien und zu ahnden. Wenn Unternehmen A sich weigert, 40% Frauen in seinen Aufsichtsrat zu integrieren, weil das Unternehmen ein im Bergbau tätiges Unternehmen ist, das zu 90% männliche Angestellte beschäftigt, dann ist dies ein Verstoß gegen die CSR-Prinzipien der EU-Kommission. Wenn ein Unternehmen in den Abbau von oil sand/tar sand investieren will, was mit  einer Belastung bzw. Verschmutzung der Umwelt einhergeht, dann ist das ein Verstoß gegen die CSR-Prinzipien der EU. All die Verstöße verlangen natürlich nach einem Eingreifen der EU-Kommission, denn, wie wurde CSR noch einmal formuliert, als Verantwortung von Unternehmen für die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die Gesellschaft.

Wie wird der Eingriff aussehen? Um dies vorherzusehen, muss man kein Prophet sein. Die von McGuire bereits 1977 beklagte Gleichmachung wird über zunehmenden Druck zur Isomorphie (oder schlicht: durch Gleichschaltung) dazu führen, dass Unternehmen sich immer ähnlicher werden, mit der Ähnlichkeit wird der Wettbewerb verschwinden und das, was Unternehmen auszeichnet: der Mut zum Entrepreneurship, wie dies Josef Schumpeter genannt hat, also der Mut, etwas zu probieren, dessen Folgen noch nicht abschätzbar sind. Dies wird verschwinden, denn wenn etwas Auswirkungen auf die Gesellschaft haben sollte, die der EU-Kommission nicht gefallen, dann führte der Mut zu Straf(en)zahlungen verhängt von den Politkommissaren in der EU. In mehr ökonomischer Sprache formuliert, verbreitet die EU-Kommission derzeit negative Anreize für diejenigen, die mit neuen Ideen etwas bewegen wollen und positive Anreize für diejenigen, die sich in die Brüsseler Einheitsfront der den Politikkommissaren wohlgefälligen Unternehmen einreihen. Der Weg führt in den Kommunismus und entsprechend weg von Wohlstand und Zufriedenheit. Am Ende steht die kommunistische Vereinigung europäischer Staaten, und somit ein weiterer Anreiz, den faschistoiden Umtrieben in Kontinentaleuropa beizeiten den Rücken zu kehren.

P.S.

In vergangenen Posts habe ich regelmäßig von Sozialismus geschrieben. Der Beitrag von Dr. habil. Heike Diefenbach über das Patriarchat und die Beschreibung der Verwebung von Engels’ urkommunistischen Phantasien mit dem heutigen Staatsfeminismus hat mir dahingehend jedoch die Augen geöffnet und mir gezeigt, dass es zu harmlos ist, “nur” von Sozialismus zu schreiben, da im Begriff Kommunismus das faschistoide Element dieses linken -ismus deutlicher wird.

Literatur:
DiMaggio, Paul J. & Powell, Walter W. (1983). The Iron Cage Revisited: Institutional Isomorphism and Collective Rationality in Organizational Fields. American Sociological Review 48(2): 147-160.

McGuire, Joseph W. (1977). The ‘New’ Egalitarianism and Managerial Practice. Californian Management Review 19(3): 21-29.

Sandholtz, Wayne & Stone Sweet, Alec (1998). European Integration and Supranational Governance. Oxford: Oxford University Press.

Bildnachweis:
Georgia Notes
crw flags

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