Allein unter Jungen: (geheime) Feldforschung für den Jungenbeirat

Lange hat sich das BMFSFJ bemüht, den dort gegründeten Jungenbeirat geheim zu halten. Bis heute hat das BMFSFJ nur bestätigt, dass sich im Jungenbeirat  sechs Personen befinden, deren Auswahl und Aufgabe jedoch weiterhin der höchsten Stufe der Geheimhaltung unterliegt. Anfragen, die sich danach erkundigen, was die sechs Personen als besonders geeignet für die Erfüllung eines nicht näher genannten, weil geheimen Forschungsauftrags macht, Fragen danach, wieso ausgerechnet diese sechs Personen ausgewählt wurden, bleiben bislang und wohl auch in Zukunft “top secret” und entsprechend unbeantwortet. Und so muss sich die Öffentlichkeit bislang damit begnügen, dass sie Steuergelder in Höhe von rund 350.000 Euro ausgibt, um Aktivitäten, die irgendwie von den folgenden sechs Personen ausgehen, zu finanzieren:

  1. Dr. Michael Meuser, Professor für Soziologie der Geschlechterverhältnisse, Universität Dortmund;
  2. Dr. Marc Calmbach, Direktor des Sinus Instituts, Heidelberg;
  3. Dr. Ahmed Toprak, Professor für Erziehungswissenschaften an der FH Dortmund;
  4. Marc Melcher, zertifizierter Genderpädagoge und Jungenarbeiter;
  5. Dr. Winfried Kösters, freier Journalist und Publizist;
  6. Dr. Klaudia Schultheis, Professor für Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstand;
  7. Zum Jungenbeirat gehören auch noch sechs Jungen, deren Namen aber ebenso geheim gehalten werden, wie die Gründe für ihre Auswahl.

Der Häufung von “Geschlecht (Gender)” und “Pädagogik (Erziehungswissenschaft)” nach zu urteilen, scheint der geheime Forschungsauftrag des Jungenbeirats etwas mit “Gender” und “Pädagogik” zu tun zu haben. Viel mehr in Erfahrung zu bringen, ist auch der Fraktion der Linken im Bundestag nicht gelungen, die im Rahmen einer Kleinen Anfrage, deren Antwort durch die Bundesregierung man nur findet, wenn man das Aktenzeichen kennt oder durch die Fraktion der Linken entsprechend informiert wird (ich danke meinem entsprechenden Informanten), ein paar verschlüsselte Sätze aus dem Bundesministerium für alle außer Männer erhalten hat. Darunter:

“Die Jugenlichen im Beirat [sechs an der Zahl, der Namen aus Datenschutzgründen top secret sind] sollen diesem [dem Beirat] ihre eigene Lebensrealität näher bringen, authentisch die Vielfalt unterschiedlicher Lebenswirklichkeiten von Jungen heute einbringen… Die Arbeit des Beirats ist so konzipiert, dass er das Umfeld und den Alltag der Jungen direkt miterlebt”.

Ganz offensichtlich will das BMFSFJ in seiner Antwort nicht ausplaudern, dass eine ethnographische Feldforschung im Gange ist, dass es dem Beirat gelungen ist, Vertrauenspersonen bzw. Informanten in die Gruppe der Jungen einzuschleusen und dass man hofft, aus dem ethnographischen Miterleben dieser Informanten, Aufschlüsse darüber gewinnen zu können, wie Jungen leben, was sie so den ganzen Tag lang machen, wie sie sich kleiden, was sie essen, wo sie schlafen, wie sie untereinander und miteinander kommunizieren, über welche Themen sie reden und vor allem: Was sie von der Genderpolitik und den entsprechenden Umerziehungsversuchen der Bundesregierung halten, denen sie unterzogen werden.

Angesicht der delikaten Aufgabe, die die Informanten des Jungenbeirats unter ständiger Gefahr der Entdeckung ausführen, bitte ich die Leser dieses blogs, die folgenden Auszüge aus dem Feldjournal eines Informanten des Jungenbeirats, das mir zugespielt wurde, nicht weiterzuerzählen, denn wir wollen den Informanten ja nicht gefährden oder gar entlarven und damit dem Jungenbeirat die Möglichkeit nehmen, etwas über Jungen in Erfahrung zu bringen.

Das Feldjournal ist als Ich-Erzählung geschrieben, vermutlich, um es den Mitgliedern des Jungenbeirats zu ermöglichen, hautnah die Erlebnisse ihres Informanten “unter Jungen” mitzuerleben und reflexiv und vor allem nachhaltig zu verarbeiten, was sie selbst nie erleben werden. Ich habe aus dem ausführlichen Feldjournal, das mehrere 100 Seiten füllt, Stellen ausgewählt, von denen ich denke, dass sie den größten Einblick in das geben, was Informanten des Jungenbeirats “allein unter Jungen” so passieren kann. Das Feldjournal ist ein beeindruckendes Dokument der Fremd- und Verlassenheit, die einer erfahren kann, der  sich in einer staatsfeministisch geprägten Gesellschaft “allein unter Jungen” traut.

Allein unter Jungen

Es beginnt, damit, dass der Informant seine Feldarbeit aufnimmt:

“Der Augenblick, den ersten Kontakt aufzunehmen, war gekommen, Ms [Name aus Gründen der Geheimhaltung nicht preis gegeben] Rat folgend, besorgte ich ein bißchen Bier und Tabak, und dann machten wir uns auf den Weg nach K. [Ort aus Gründen der Geheimhaltung nicht preis gegeben].

Die erste Kontaktaufnahme verlief zufriedenstellend. Bei M. handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Streetworker, den der Jungenbeirat natürlich auch hätte befragen können, aber dann hätte das Sinus-Institut keine Feldforschung finanziert bekommen, und der Jungenbeirat hätte keine 350.000 Euro gekostet, und das geht natürlich nicht.

Der Informant, N.N., hat nach kurzer Zeit bereits eine Routine in seinem Leben unter Jungen:

“So zog ich denn jeden Tag los, mit meinem Tabak und meinen Notizbüchern bewaffnet, und machte mich in einem Anfall sinnloser Betriebsamkeit daran, F. [top secret] abzuschreiten, E. [top secret] zu überschlagen und Z. [top secret] zu zählen.”

Der Bericht über die erreichte Routine zeigt bereits erste Spuren der Ernüchterung, gar der Verzweiflung. N.N. scheint den Sinn seiner Feldarbeit bereits in diesem frühen Stadium zu hinterfragen. Das hat natürlich erhebliche Auswirkungen darauf, welchen Sinn, außer dem Sinus-Institut einen Auftrag zukommen zu lassen, man dem Jungenbeirat zuschreiben kann. Aber folgen wir N.N. weiter in seinen täglichen Erfahrungen “allein unter Jungen”.

“Das Mittagessen bestand aus irgendeiner Art Hartbackenem, dazu vielleicht Schokolade, Erdnußbutter, Reis. Danach ging mein Assistent weg …. und ich verzog mich für eine Stunde auf mein steinhartes Bett, um Briefe zu schreiben, zu schlafen oder mir über meine verzweifelte finanzielle Situation den Kopf zu zerbrechen.”

Es ist ein Skandal, dass von den 350.000 Euro, die das Projekt “Jungenbeirat” kostet, offensichtlich nicht ausreichend Mittel für die grundlegende Feldarbeit zur Verfügung gestellt wurden, von der man fast denken könnte, dass sie unter Jungen in einer Strafvollzugsanstalt erfolgt, wäre die Beschreibung der Nahrung nicht gar so erschreckend.

Auf den ersten rund 80 Seiten seines Feldjournals erzählt N.N.  wenig über Jungen. Er ist mehr mit den Schwierigkeiten beschäftigt, die er damit hat, unter Jungen zurecht zu kommen. Erst auf Seite 83 seines Feldjournals berichtet N.N. eine verwertbare Erfahrung, die auch für die Männerbewegung von erheblicher Bedeutung ist. Die Erfahrung findet an einem Ort statt, den N.N. als Badeplatz bezeichnet, dessen weitere Beschreibung jedoch mehr an ein Schwimmbad erinnert, wenngleich es kein öffentliches Schwimmbad sein kann, denn es finden sich nur Jungen zum Baden ein (Mädchen ist, wie N.N. feststellt, der Zutritt nicht erlaubt), und alle Männer sind nackt:

“Sofern wir nicht anderweitig beschäftigt waren, kamen M. [N.N.s Assistent] und ich die meisten Tage hierher, und in dieser den Jungen vorbehaltenen Umgebung fingen die Jungen erstmals an, mit mir über ihre Religion und ihre Glaubensvorstellungen zu reden. Da unverkennbar war, dass sie allesamt nach der für die D. [aus Gründen der Geheimhaltung abgekürzt] typischen Manier beschnitten waren, während bei mir die Beschneidung fehlte, wandte sich die Unterhaltung spontan diesem Thema zu, das für die … D. die bleibende Bedeutung einer fixen Idee hatte”.

Die Vorgehensweise des Jungenbeirats, einen Informanten unter Jungen einzuschleusen, um überhaupt Informationen über das Leben von Jungen zu erhalten, wird implizit durch die Schwierigkeiten gerechtfertigt, die N.N. hat, sich in der Sprache der Jungen, mit diesen zu unterhalten:

“Es vergingen Monate, ehe ich das Gefühl hatte, irgendwelche Fortschritte im Sprechen gemacht zu haben, und insgeheim war ich überzeugt, ich würde heimfahren müssen, ohne das mindeste gelernt und begriffen zu haben.”

Diese pessimistische Einschätzung von N.N., die glücklicherweise nicht voll eingetroffen ist, denn sonst wäre der Jungenbeirat so gänzlich ohne Kenntnis über das Leben unter und von Jungen geblieben und das wiederum hätte angesichts seiner Benennung “Jungenbeirat” nun wirklich dumm ausgesehen, wird nur wenige Seiten später durch eine (oder die) relevante Information darüber, was Jungen nun wirlich bewegt und was sie tun, relativiert:

“Oft saßen A. und A. [zwei Jungen, deren Namen aus Gründen der Geheimhaltung nicht genannt werden] in der Bar und warteten mit der ganzen unsinnigen Aufregung werdender Väter auf ihr Gehalt. Es gab immer gewaltige Debatten darüber, wie die Einkommenssteuer berechnet wurde. Ich stellte mit Interesse fest, dass L. [Tätigkeit ist geheim] im k. P. [Ort aus Gründen der Geheimhaltung geheim gehalten] fast dasselbe Gehalt bezogen wie ich im b. L. [Ort aus denselben Gründen geheim gehalten]. Außerdem bekamen Sie Freikarten für den inländischen Flugverkehr, die sie meistens auf dem Schwarzmarkt verkauften, vorausgesetzt, sie wurden von den zuständigen Beamten nicht darum betrogen”.

Traumatische Tropen

Und so kann der Jungenbeirat am Ende doch noch ein paar Erkenntnisse über Jungen sammeln: Sie sitzen in Bars, warten auf ihren Lohn, sind besorgt über die Steuer, müssen sich wegen der Steuer ein Zubrot verdienen und wie so oft im Leben, werden sie von Beamten benutzt [Ich vermute, dass “betrogen” dem Frust von N.N. geschuldet ist, er aber eigentlich “benutzt” meint, benutzt im Sinne von: als Forschungsobjekt oder Objekt, an dem man sein Engagement beweisen kann oder an dem man sich bereichern kann, herhalten müssen oder missbraucht werden].

Der Feldbericht von N.N. gleitet an dieser Stelle in allgemeine Betrachtungen über den Sinn und Unsinn von Feldforschung ab und endet mit einer ernüchternden Einschätzung über den Sinn und Zweck derselben. Es wird spannend sein zu sehen, welche tiefen Einsichten und Erkenntnisse der Jungenbeirat in seinem Abschlussbericht aus den Erfahrungen von N.N. gewonnen hat und wie er die Einsicht in die Welt von Jungen, die einer gesammelt hat, der sich mehrere Monate allein unter Jungen befunden hat, verarbeitet. Vermutlich wird der Jungenbeirat folgern, dass noch mehr (Feld-)Forschung notwendig ist, um weitere Erkenntnisse über das Leben von Jungen zu gewinnen, und vermutlich wird die zusätzliche Forschung wieder von Sinus durchgeführt, vielleicht unter Mitarbeit von Emnid, denn wo es für ein Umfrageinstitut reicht, da reicht es auch für zwei.

Wir werden auf Sciencefiles berichten.

Disclaimer:

Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen der im Text genutzten Zitate mit Stellen im von Nigel Barley verfassten Buch “Traumatische Tropen” sind nicht zufällig, sondern beabsichtigt. Ich empfehle den interessierten Lesern vor allem die Seiten: 59, 71, 81, 85 und 93.

Barley, Nigel (1993). Traumatische Tropen. Notizen aus meiner Lehmhütte. Stuttgart: Klett-Cotta.

Bildnachweis:
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