Fußball-Nationalmannschaft ist schuld an häuslicher Gewalt: Es geht immer noch dümmer
Wer über die letzten Wochen gedacht hat, dass unsinnige Untersuchungen vor allem von Wissenschaftlern in Deutschland vorgenommen werden, der muss seine Meinung zumindest modifizieren, denn unsinnige Untersuchungen weisen zwar eine gewisse Klumpung in Deutschland auf, sind aber nicht auf Deutschland begrenzt. Dies zeigt eine Studie von Stuart Kirby, Brian Francis und Rosalie O’Flaherty, die demnächst im Journal of Research in Crime and Delinquency veröffentlicht werden wird (derzeit nur Online first verfügbar).
Die Studie behauptet einen Zusammenhang zwischen “domestic violence” oder “domestic abuse”, also zwischen häuslicher Gewalt und der Übertragung von Länderspielen der Nationalmannschaft. Untersucht haben die Autoren diesen Zusammenhang auf der Basis von Spielen der englischen Nationalmannschaft während der Fussballweltmeisterschaften in den Jahren 2002, 2006 und 2010 und für Lancashire. Aber natürlich bleibt die Studie hier nicht stehen, vielmehr beanspruchen die Autoren, einen nicht nur in England geltenden Zusammenhang aufgedeckt zu haben und sie entwickeln schon einmal munter Vorschläge, um den Zusammenhang, der für sie so feststeht, zu beseitigen, Vorschläge wie: Alkoholkonsum einschränken, häusliche Gewalt-Sozialarbeiter herumschicken, kritische “flash points” reduzieren und manches mehr.
Es sind Studien wie diese, die einem wünschen lassen, empirische Sozialforscher würden ihre Statistikprogramme und ihre Methoden hüten, wie einst die Maurer im Mittelalter, die sich Freimaurer nannten, ihre Kenntnisse in Statik, Architektur und Baukunst gehütet haben.
Aber es hilft nichts zu jammern, Statistikprogramme sind auf Tastaturdruck jedem, der denkt, er sei fähig, eine Tastatur zu bedienen, zugänglich. Entsprechend muss man sich mit den Folgen dieser Tastaturdrücke auseinandersetzen, Folgen wie der Studie von Kirby, Francis und O’Flaherty.
Gleich vorweg: Es gibt keinerlei theoretische Fundierung. Eine aus einer Theorie abgeleitete Annahme dazu, warum das Betrachten eines Länderspiels der englischen Nationalmannschaft dazu führen soll, dass die Häufigkeit von häuslicher Gewalt zunimmt, ist schlicht nicht vorhanden, und das ist kein Wunder, ich wüsste auch nicht, wie man mit noch so viel Phantasie einen entsprechenden Zusammenhang theoretisch argumentieren sollte. Anstelle der Theorie gibt es die übliche Ideologie, die Ideologie vom bösen und gewalttätigen Mann, die in ihrer Plumpheit wohl eine besondere Anziehungskraft auf einfache Gemüter ausübt und sich in Sätzen niederschlägt, wie den folgenden:
“Football is full of aggressive intent, about winners and losers, territorial, space-occupying domination, and where loyalty and commitment to the side are prized values.” (4) Und natürlich muss auch klar sein, wo das Problem der aggressiven Absicht seinen Ursprung hat: “soccer … has experienced a long cultural association with both violence and masculinity” (3).
Wir haben es also mit Genderforschung zu tun, die von Personen mit einem Mittelschichtshintergrund betrieben wird, die sich wiederum auf die Unterschicht und deren vermeintlich inadäquate Reaktion auf eine Übertragung eines Spiels der Fussballnationalmannschaft stürzen. Betrachten wir statt dessen doch einmal die inadäquaten methodischen Kenntnisse, die besagte Wissenschaftler, deren in Falten gelegte Stirn man bildlich vor sich sehen kann, zur Schau stellen.
Kirby, Francis und O’Flaherty gerieren sich als “kritisch” und stellen auf Seite 5 ihres Beitrages fest, dass die beiden Begriffe “domestic abuse” und “domestic violence” häufig miteinander verwirrt werden. Während sich Letzteres nämlich auf gewalttätige häusliche Auseinandersetzungen bezieht, ist Ersteres der weitere Begriff, der auch psychische Gewalt umfasst. Damit ist der kritische Gehalt des Beitrages erschöpfend dargelegt und der Legitimationscharakter dieser Übung in “Kritik” wird schnell daran deutlich, dass diese “Kritik” die Autoren nicht daran hindert, im weiteren Verlauf ihres Beitrags beide Begriffe wild durcheinander zu werfen. Als Resultat hat man als Leser keine Chance herauszufinden, was die Autoren nun als abhängige Variable genutzt haben, domestic abuse oder domestic violence.
Damit komme ich zur Messung von “domestic abuse” oder “domestic violence”. Was davon auch immer gemessen wurde, wurde als der Polizei in Lancashire angezeigter Vorfall häuslicher Gewalt gemessen. Die Autoren messen also nicht tatsächliche häusliche Gewalt, sondern angezeigte häusliche Gewalt. Das ist ein erheblicher Unterschied vor allem in einem öffentlichen Klima, in dem Frauen – und natürlich messen die Autoren nur durch Frauen angezeigte häusliche Gewalt – mit der entsprechenden Anzeige dafür Sorge tragen können, dass sie einen Partner, dessen sie vielleicht überdrüssig geworden sind, elegant und mit Hilfe der Staatsgewalt loswerden. Das glauben Sie nicht? Machen Sie den Selbstversuch: Wenn Sie den Begriff häusliche Gewalt hören, welches Geschlecht ordnen Sie dann dem Täter, welches dem Opfer zu? Und diese Zuordnung nehmen sie vor, obwohl Männer wie Frauen mit Händen und Füßen bewehrte Individuen sind, die sich für einen entsprechenden gewalttätigen EInsatz nutzen lassen. Es gibt also keinen tatsächlichen, aber viele kulturelle und ideologische Gründe anzunehmen, häusliche Gewalt gehe ausschließlich oder mehrheitlich von Männern aus, obwohl bereits der gesunde Menschenverstand die Annahme nahelegt, dass häusliche Gewalt, da wo es sie gibt, von beiden Geschlechtern zu gleichen Anteilen ausgeht.
Die abhängige Variable “häusliche Gewalt”, welche Ausprägung auch immer, sie haben mag (violence oder abuse), wird dann mit Übertragungen von Spielen der englischen Nationalmannschaft in Verbindung gebracht und selbstverständlich ergibt sich ein Zusammenhang, und zwar für den Tag der Übertragung und den Tag danach. Spielt die englische Nationalmannschaft, dann erhöht sich die Zahl der der Polizei gemeldeten Fälle angeblicher häuslicher Gewalt von 58,2 auf 79,3. Auch am Tag nach der Übertragung ist die Anzahl gemeldeter häuslicher Gewalt mit 70,2 noch höher als an spielfreien Tagen. Das zeigt für die Autoren klar: Spiele der Fussballnationalmannschaft erhöhen die häusliche Gewalt. Für unideologische Betrachter zeigt dies allerdings, dass die Übertragung von Spielen der Nationalmannschaft nichts mit der Anzeige häuslicher Gewalt zu tun hat.
Ich frage mich regelmäßig, welche geistige Enge man bewohnen muss, wenn es einem gelingt, die Welt auf nur zwei Variablen zu reduzieren: Mann und Gewalt, Mann und Fussball, Fussball und Gewalt. Und genauso regelmäßig frage ich mich, was Personen wie Kirby, die doch Wissenschaftler sein wollen, sagen würden, wenn ein anderer “Wissenschaftler” feststellen würde, dass es eine Korrelation zwischen Personen, die unter dem Sternzeichen des Schützen oder des Wassermanns geboren wurden, mit geistiger Demenz gibt, insbesondere dann, wenn die Geburt zwischen 12 Uhr nachts und 2 Uhr morgens stattfand und ein Hund zwischen 1.15 Uhr und 1.30 Uhr gebellt hat. Es dürfte Kirby und seinen Mitautoren sehr schwer fallen zu erklären, was die eigene Studie von diesem Unsinn unterscheidet, vor allem werden sie ein Problem damit haben, dass Demenz eine intersubjektiv klar determinierbare Qualität ist, während berichtete häusliche Gewalt zunächst einmal eine subjektive Behauptung ist, deren Richtigkeit noch zu klären ist.
In Deutschland verschwinden rund 60% der Tatverdächtigen, die in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasst wurden, während des Gangs durch die Instanzen. Staatsanwälte verfolgen vermeintliche Straftaten, die als solche noch von der Polizei erfasst wurden, nicht weiter, weil sich keinerlei Indizien für eine Straftat finden lassen, weil der Fall, den die Polizei als ihr berichtet verzeichnet hat, offensichtlich eine Falschmeldung oder ein Falscheintrag war, viele berichteten Fälle erweisen sich als Fehlklassifikation und und und. Dieser Schwund von berichteten Straftaten, der darauf hinweist, dass das, was der Polizei berichtet wird, keinen Überblick darüber, wie häufig bestimmte Straftaten tatsächlich sind, erlaubt, interessiert Forscher wie Kirby nicht. Sie verfolgen eine ideologische Agenda und haben das Bedürfnis, gegen das “Männliche” in der Gesellschaft vorzugehen.
Interessanter Weise haben sich Mittelschichtsmänner wie Feministen dabei Attribute als Feind ausgesucht, die aus ihrer Sicht den Unterschichtsmännern zugeordnet werden müssen: Muskeln, Wettbewerb, Kräftemessen, all das, was eine männliche Kultur ausmacht und all das, was die Leistungsfähigkeit derjenigen, die diese Attribute beklagen, vermutlich übersteigt. Dass sie die Defizite, die sie bei sich feststellen, nach außen projezieren, ist dabei ärgerlich, dass sie wissenschaftliche Zeitschriften dafür missbrauchen, ist noch ärgerlicher, dass die Herausgeber der entsprechenden wissenschaftlichen Zeitschriften dies zulassen, ist am ärgerlichsten, denn sie haben eine besondere Verpflichtung sich gegen die Verwillkürlichung von Wissenschaft und ihre Dienstbarmachung für Zwecke der Kontrolle und der eigenen Bereicherung zu wenden.
Kirby, Stuart, Francis, Brian & O’Flaherty, Rosalie (2013). Can the FIFA World Cup Football (Soccer) Tournament Be Associated with an Increase in Domestic Abuse? Journal of Crime and Delinquency (online first) doi: 10.1177/0022427813494843
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Ich stimme ja grundsätzlich Ihrer Position zu, diese Untersuchung in Frage zu stellen und halte die Aussagekraft dieser Studie auch nicht für erwähnenswert. Wiederum halte ich Ihre Art und Weise der Argumentation ebensowenig sachlich, wenn Sie schreiben:
“Gleich vorweg: Es gibt keinerlei theoretische Fundierung. Eine aus einer Theorie abgeleitete Annahme dazu, warum das Betrachten eines Länderspiels der englischen Nationalmannschaft dazu führen soll, dass die Häufigkeit von häuslicher Gewalt zunimmt, ist schlicht nicht vorhanden, und das ist kein Wunder, ich wüsste auch nicht, wie man mit noch so viel Phantasie einen entsprechenden Zusammenhang theoretisch argumentieren sollte.”
Meiner Meinung nach Bedarf es nicht viel Phantasie, sich einen englischen (!) (Ehe)mann vorzustellen, der bei einem (schlechten) Spiel seiner Nationalmannschaft gereizter als normal ist, möglicherweise auch mehr Alkohol als sonst konsumiert. Gerade im Fußball verrückten England ist die Identifikation mit der eigenen Mannschaft stark ausgeprägt, auf jeden Fall überdurchschnittlich im europäischen Mittel. Das allein reicht meiner Phantasie, einen Zusammenhang zwischen oben erwähnten Fußballspielen und häuslicher Gewalt herzustellen.
Ich bin kein Wissenschaftler, und ich habe auch nicht studiert. Daher kann es sein, dass ich Ihre Argumentation falsch verstanden habe. Ich will auch gar nicht behaupten, dass Ihre Gesamtaussage falsch ist, aber ich bin der Meinung, dass der oben zitierte Absatz so nicht stehen bleiben sollte. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass Sie ein Dogma mit einem anderen Dogma bekämpfen, indem Sie eine Verallgemeinerung mit der umgedrehten Verallgemeinerung ins Lächerliche zu ziehen versuchen.
Ich hoffe, dass Kritik an der Kritik hier erlaubt und erwünscht ist.
Das ist genau das Problem, es geht um Wissenschaft, nicht um Phantasie. Ich kann mir auch viel vorstellen, aber sich etwas vorstellen, hat nichts mit Wissenschaft zu tun. Und außerdem verläuft die Vorstellung der meisten innerhalb der Bahnen, die vorgegeben sind oder warum denken Sie an englische Ehemänner, die trinken und nicht an englische Ehefrauen?
Übrigens merkt man, dass Sie Engländer nicht kennen. Die meisten Engländer sind gereizt, wenn ihr Team verliert, die Nationalmannschaft interessiert hier eher peripher. Daran merkt man auch, dass die, die Studie erstellt haben, nicht wissen, worüber sie schreiben.
Die “Phantasie” habe ich aus Ihrem Artikel zitiert, daher beziehe ich mich darauf. Ob Zahlen die eine oder andere Meinung belegen können, spielt für mich hier auch eine untergeordnete Rolle. Ich kritisiere ausschließlich formal Ihre Aussage, dass ein Zusammenhang zwischen den Fußballspielen und häuslicher Gewalt nicht sein kann, weil Sie sich das nicht vorstellen können. Ich kann mir das sehr wohl vorstellen, auch mit wenig Phantasie. Wenn wir jetzt darüber abstimmen, erscheint mir das nicht sehr wissenschaftlich.
Ich habe nicht gesagt, dass ein solcher Zusammenhang nicht sein kann, sondern dass ich mir keine Theorie denken kann, aus der man einen solchen Zusammenhang ableiten könnte. Aber ich bin natürlich für Vorschläge offen. Wenn Sie eine Theorie kennen, die einen Zusammenhang zwischen den Spielen der Fussballnationalmannschaft und häuslicher Gewalt vorhersagt, so dass man ihn prüfen kann, nur zu. Und nochmal: Ihre Vorstellung hat überhaupt nichts mit Wissenschaft zu tun und darum geht es uns auf diesem blog, um Wissenschaft, denn die kritisierte Studie will wissenschaftlich sein und kommt doch nicht über Vorstellungswelten hinaus. Ich kann schon nachvollziehen, warum Sie sich das vorstellen können, halte diese Form des sich vorstellen könnens, aber nicht für tragfähig, das mag so sein, es mag auch nicht so sein. Es hilft schlicht nicht weiter, so lange es nicht theoretisch fundiert und empirisch geprüft ist. Ich kann mir auch vorstellen, das bei Vollmond weniger Kuchen anbrennen. Der Mehrwert dieser Vorstellung ist nicht sonderlich groß und eine Theorie des Vollmond-Kuchen-Zusammenhangs gibt es auch nicht…Aber mit Sicherheit gibt es Leute, die sich vorstellen können, warum ein derat abstruser Zusammenhang bestehen sollte (vielleicht liegt es an Beteigeuze…)
Vielen Dank für Ihre Klarstellung, die mich beruhigt. Offensichtlich lag der Fehler bei mir, den Terminus “aus einer Theorie abgeleitete Annahme” richtig zu verstehen. Auch vielen Dank dafür, dass Sie einem wissenschaftlichen Laien wie mir etwas Nachhilfe gegeben haben.
Ich weiß nicht recht, welche Ansprüche die Sozialwissenschaften an Theorien stellen.
In meiner Wissenschaft ist eine Theorie “Menge aller wahren Sätze eines Axiomensystems”. 😉
Aber ich versuche mich mal an dem gegebenen Beispiel:
1) An Tagen, an welchen die Nationalmanschaft spielt, schauen mehr Menschen Fußball als an anderen Tagen
2) Beim Schauen von Fußball konsumieren Menschen im Schnitt mehr Alkohol als bei anderen Tätigkeiten
3) aus 1+2: An Tagen, an welchen die Nationalmanschft spielt, wird mehr Alkohol konsumiert
4) Alkoholkonsum erhöht temporär die Gewaltbereitschaft
5) Bei erhöhter Gewaltbereitschaft werden mehr Gewaltstraftaten verübt
6) Eine Steigerung der Gewaltstraftaten insgesamt bewirkt auch eine (anteilige?) Steigerung der häuslichen Gewalt, welche eine Teilmenge aller Gewaltstraftaten darstellt
7) aus 4+5+6: An Tagen, an denen der Alkoholkonsum erhöht ist, werden mehr häuslicher Gewalt Straftaten verübt
8) aus 3+7: An Tagen, an welchen die Nationalmanschft spielt, werden mehr häuslicher Gewalt Straftaten verübt
9) Wenn die Zahl der Gewaltstraftaten im häuslichen Umfeld an einem Tag höher ist als an anderen Tagen, werden an diesem Tag und dem darauffolgenden (Verzögertes Anzeigeverhalten) Tag mehr derartige Straftaten angezeigt
10) aus 8+9) An Tagen, an welchen die Nationalmanschft spielt und am darauffolgenden Tag werden mehr Anzeigen im Bereich häuslicher Gewalt gestellt
Wenn ich nun 10) widerlegen könnte, dann wäre eine der Prämissen unzutreffend.
Wenn ich 10) tatsächlich beobachten kann, folgt damit jedoch natürlich nicht, dass alle obenstehenden Prämissen zutreffend sind, oder dass die Beobachtung monokausal… usw….
Genügte dies den Anforderungen gemäß Ihres wissenschaftlichen Programms?
Nur vom Drüberfliegen:
In ihrer Axiomatik fehlt die Prämisse, dass die Anzeige häuslicher Gewalt mit der tatsächlich verübten häuslichen Gewalt identisch ist. Abgesehen davon fehlt der Link zwischen Alkohol und Gewalt. Ich kenne viele “Trinker”, die redselig und gemütlich werden, aber nicht gewalttätig. Also was vermittelt dazwischen? Und bei allen Ihren Annahmen handelt es sich seinerseits um Hypothesen, die geprüft werden müssten, also ist es wirklich so, dass an Tagen, an denen die Nationalmannschaft spielt, mehr Alkohol konsumiert wird (von wem, dem Seher oder dem nicht-Seher?)… usw usf.
Dass die Anzeige häuslicher Gewalt mit der tatsächlich verübten häuslichen Gewalt identisch ist benötigt man denke ich hier nicht – Prämisse 9 erschlägt das denke ich.
Die aufgestellten Prämissen sind natürlich leicht angreifbar. Ich selbst würde die obenstehende Argumentation auch nicht vertreten. Die Frage war mehr, ob etwas in dieser Art (entsprechend ausgebaut, so dass es für eine Publikation geeignet wäre, welche Forscher ja für gewöhnlich nicht in einer Mittagspause zusammenkleistern) Ihren Ansprüchen an theoretischer Fundierung einer Forschungsfrage genügen würde.
Eine Argumentation in obiger Form als Abfolge von Prämissen und Konklusionen darzustellen, ermöglicht es für gewöhnlich jedem Narren die Schwachstellen der Argumentation zu erkennen. Bei den meisten Argumentationen werden die Prämissen deshalb gerade nicht offengelegt und müssen erraten werden, was regelmäßig zu ziellosen Strohmann-Diskussionen führt, in denen Prämissen der Gegenseite angegriffen werden, welche die Gegenseite nie so formulieren würde. Leider verzichten beide Seiten aber darauf, ihre Prämissen anzugeben. Sie kennen sie vielleicht nicht mal wirklich (so laufen die meisten politischen talkshows ab…).
Um eines Ihrer Lieblingsthemen aufzugreifen: Man hört immer wieder Argumente wie “Frauen sind in den Aufsichtsräten unterrepräsentiert, deshalb sollte der Staat Quoten einführen”.
Da fehlt aber eine Prämisse, um das abgebrochene “Argument” wirklich zu einem solchen zu machen.
Eine mögliche Prämisse, die zu der Konklusion “Staat muss Quoten einführen” führen könnte wäre: “Der Staat sollte in allen Bereichen jeglicher Form von Unterrepräsentation eines Geschlechtes durch Quotenregelungen begegnen”. (Nach Humes Gesetz muss es eine Sollens-Prämisse sein).
Diese Prämisse ist offensichtlich leicht anzugreifen und wird von Kritikern der Frauenquote dann (implizit) gerne verwendet um Gegen-“Argumente” wie: “Dann bräuchten wir auch eine Quote im Straßenbau” (Reductio ad absurdum, da die Gegenpartei dem natürlich nicht zustimmen wird) oder so anzuführen. Worauf dann entgegenet wird “Nein, das ist etwas ganz anders, weil…” usf.: Also im Grunde eine Rechtfertigung, warum die der Frauenquoten-Argumentation zugrundeliegende Prämisse eben nicht die angeführte unsinnige Prämisse ist.
Derlei Diskussionen wären regelmäßig deutlich einfacher und sinnvoller, wenn die Akteure einfach ihre Prämissen offenlegen würden. Wie komme ich denn von “Frauen unterrepräsentiert” zu “Frauenqoute”? Wo ist die Argumentation?