Hochschulmarketing: Wolkenkuckucksheim herbeireden

Manche (?) Themen aus der Betriebswirtschaft zeichnen sich durch eine gewisse Diskrepanz zwischen dem Wortwohlklang, der z.B. in Arbeiten zu Marketing und Management entfaltet wird, und dem, was sich in der Realität niederschlägt, aus.

dreamworldEinmal davon abgesehen, dass viele Texte, die im Bereich des Human Resource Management produziert werden, bestenfalls einen Einblick in die Auseinandersetzung des Verfassers mit jenem unbekannten, teils gefährlichen, regelmäßig faulen und immer falsch motivierten Wesen, dem Arbeitnehmer zu geben im Stande sind, fragen wir uns regelmäßig, wann z.B. die Freundlichkeitsoffensive, die in Lehrbüchern und Texten zum Kundenmanagement (oder Customer Relationship Management) oder sonstigen wolkigen Werken, die dem Ungeübten erklären, wie er mit dem anderen unbekannten Wesen der BWL-Literatur, dem Kunden, umzugehen hat, in der Wirklichkeit ankommt, wann also Kunden mit netten, informierten und freundlichen Gegenüber konfrontiert werden.

Und natürlich fragen wir uns, wann die professionelle Führung von Unternehmen, wie sie in der entsprechenden Literatur gepredigt wird und wie sie mit dem Neuen Steuerungsmodell angeblich in Verwaltungen Einzug gehalten haben soll, dazu führt, dass man zu normalen Zeiten den zuständigen Sachbearbeiter ans Telefon bekommen kann und nicht erfahren muss, dass er gerade in Elternzeit, im Urlaub oder nur von 9 bis 12 Uhr am Arbeitsort anzutreffen ist.

Wie auch immer, es gibt eine gewisse Diskrepanz zwischen dem, was in betriebswirtschaftlicher Literatur daher fabuliert wird und dem, was in der Realität zu finden ist. Und diese Diskrepanz, die findet sich auch beim Hochschulmarketing.

Hochschulmarketing wird seit einigen Jahrzehnten beschworen und definiert, nämlich z.B. als “Übertragung des Marketingverständnisses vom Profit-Bereich auf den Non-Profit-Bereich” (Meffert & Müller-Böling, 2007: 1-2). Warum auch nicht. Diese Übertragung ist angeblich notwendig, weil Hochschulen immer mehr mit einander konkurrieren: weil sie um Studenten, um “kluge Köpfe” und um finanzielle Mittel konkurrieren.

Und natürlich darf auch die Bedarfspredigt nicht fehlen, die sich in so vielen Arbeiten bei den Verlagen, die in Wiesbaden erscheinen und mittlerweile alle Springer gehören, findet: Also: Die Globalisierung und der zunehmende Wettbewerb und der Bologna-Prozess und die geringer werdende öffentliche Förderung und die Notwendigkeit, Kapital von Dritten einzuwerben, und die Konkurrenz von Hochschulen aus dem Ausland und nicht zuletzt, die vielen Rankings, die Hochschulen vergleichbar machen (angeblich), das alles hat die Folge, dass wir jetzt Hochschulmarketing brauchen.

Wozu? Damit die Kapazitäten an Hochschulen auch ausgelastet werden, wie z.B. Reckenfelderbäumer und Kim (2006: 193) schreiben, die offensichtlich noch nie einen hoffnungslos überfüllten Vorlesungs- oder Seminarraum an einer deutschen Hochschule gesehen haben.

Aber die demographische Entwicklung ist natürlich nicht von der Hand zu weisen und vielleicht will Hochschulmarketing ja vorbeugen, für die Zeit, wenn der Bevölkerungsschwund einsetzt und die entstehenden Lücken mit ausländischen Studenten füllen. Und dann muss man sich natürlich von seiner besten Seite zeigen, durch Hochschulmarketing – sofern es eine beste Seite gibt.

hochschulmarketingHochschulen bieten Lehre und sie bieten Forschungsergebnisse als Dienstleistungen bzw. Produkte an. Die Qualität beider steht und fällt mit dem Angebot, das Professoren und Dozenten bereitstellen. Will man als Hochschule erfolgreich sein, dann hilft es ungemein, wenn man auf ein hervorragendes Lehrangebot und herausragende Forschungsergebnisse verweisen kann. Dazu – wiederum – benötigt man die entsprechenden wissenschaftlichen Angestellten, und die kommen nur, wenn das Angebot an der Hochschule im Hinblick auf Bezahlung und Arbeitsmöglichkeiten ihren Vorstellungen entspricht.

Kurz: Alles steht und fällt mit den Verhältnissen an einer Hochschule, mit den Professoren und Dozenten, mit dem Lehrangebot, mit der technischen und finanziellen Ausstattung, mit der Qualität der Lehre uvm. was für Lehre und Forschung von Wichtigkeit ist. Irgendwie setzt Hochschulmarketing das alles voraus, denn es macht keinen Sinn, für eine Hochschul-Klitsche mit überfüllten Hörsälen, schlechter Lehre, desinteressierten Dozenten, baufälligen Gebäuden, bei denen es z.B. durch das Dach regnet, zu werben, deren Ausstattung nicht einmal die Volkshochschule in Wanne-Eickel geschenkt übernehmen würde.

Und vielleicht ist dies ja der Grund dafür, dass in Deutschland Marketing so beliebt ist, denn man kann sich im Marketing Wolkenkuckucksheime bauen und blühende Landschaften vorstellen, wo man, bei Hinsehen, die triste Wirklichkeit des von der Wand fallenden Putzes zur Kenntnis nehmen muss.

Man kann Universitäten zu Stätten von Exzellenz und Spitzenforschung erklären, die sich bestenfalls dadurch hervortun, dass sie Zentren für Genderforschung unterhalten, deren Daseinszweck letztlich darin besteht, die Beschäftigten von der Straße zu holen und durchzufüttern.

Man kann Hochschulen zu Elite-Universitäten erklären, an denen ganze Fachbereiche noch kein Wort nach draußen haben dringen lassen, das auch nur den Anschein erweckt hätte, hier spräche eine Elite oder hier sprächen Experten für was auch immer und, last but not least, kann man Hochschulen zu Stätten der Bildung stilisieren, an denen Studenten Wissen vermittelt wird, obwohl alles, was ihnen vermittelt wird, weder mit Wissen noch mit Bildung etwas zu tun hat und krude als Ideologie bezeichnet werden muss.

hochschulmarketing2Das also ist der Reiz des Marketings im Allgemeinen und des Hochschulmarketings im Besonderen: Man kann sich wegträumen und in Worten einen Zustand beschreiben, den es in der Realität nicht gibt, ganz in der Tradition derer, die an die Wirkung von Beschwörungsformeln glauben. Wenn man nur lange genug Exzellenz, Elite und Bildung beschwört, dann kommt Exzellenz, Elite und Bildung ganz von selbst, mit einem Puff und ganz viel Rauch.

Deshalb brauchen wir Hochschulmarketing!


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