Charismatische Führer, also die Führer, deren Augen z.B. Albert Speer verhext haben, die Führer, denen die Massen zu Füßen liegen und lagen, Führer, die weniger durch das, was sie sagen, sondern durch die Art, wie sie es sagen, begeistern, Führer, eben die durch Zuschreibung ihrer Jünger in eine Gänsehaut generierende Wolke gepackt werden, sie haben nicht nur ihre Anhänger begeistert, sondern auch Wissenschaftler interessiert.
Einer der ersten, der versucht hat, die charismatische Führung und den entsprechenden Führer konzeptionell zu fassen, war Max Weber. Getan hat er dies unter dem Stichwort der Herrschaft, denn charismatische Führer üben Herrschaft über ihre willigen Anbeter aus, eben weil ihnen Charisma zu geschrieben wird.
” C h a r i s m a t i s c h e H e r r s c h a f t, kraft affektiver Hingabe an die Person des Herrn und ihre Gnadengaben (Charisma), insbesondere: magische Fähigkeiten, Offenbarungen oder Heldentum, Macht des Geistes und der Rede. Das ewig Neue, Außerwerktägliche, Niedagewesene und die emotionale Hingenommenheit dadurch sind hier Quellen persönlicher Hingebung. Reinste Typen sind die Herrschaft des Propheten, des Kriegshelden, des großen Demagogen. Der Herrschaftsverband ist die Vergemeinschaftung in der Gemeinde oder Gefolgschaft. Der Typus des Befehlenden ist der F ü h r e r. Der Typus des Gehorchenden ist der J ü n g e r.” (Weber, 1988: 481-482).
Charisma basiert für Max Weber auf affektiver Hingabe an die Person des Charismatischen, der wiederum das Charisma auch verdienen muss, aufgrund einer eigenen Leistung, aufgrund von Witz, Kriegskunst oder sonstiger Fähigkeiten (magische Fähigkeiten sind heute eher out, Offenbarung als Grundlage von Charisma nicht, wie man an der Begeisterung, die – wer auch immer gerade Papst ist – auslösen kann, sieht.).
Dass wir zur Zeit nicht im Zeitalter der charismatischen (weltlichen) Führer leben, kann man wohl gefahrlos feststellen. Der Friedensnobelheld Obama, der vom Lieblingskind der Linken, zum Antichrist und Fetisch eines neuen Antiamerikanismus geworden ist, kann hier ebenso als Beispiel dienen, wie der Toughman aus Russland, der bestenfalls die Gilde der Schwimmer begeistern kann, die auch bei minus einem Grad noch in der Nordsee schwimmen.
Kurz: Es besteht ein akuter Mangel an charismatischen Führern. An ihre Stelle sind bürokratische Verwalter getreten, die Utopie und Leistung, die das Charisma eines Führers begründet haben, durch Verwaltung, Sachzwänge und formale Bildungsabschlüsse ersetzt haben.
Wir backen kleinere Brötchen, auch in der Forschung.
Nicht mehr die Erforschung von charismatischen Führern ist, mangels Forschungsgegenstand, für Wissenschaftler interessant, sondern die Frage, was Charisma überhaupt ausmacht. Entsprechend haben William van Hippel und Sean Murphy, beide an der University of Queensland in Australien beschäftigt, sich die Frage gestellt, was denn Charisma bzw. die Zuweisung von Charisma durch Dritte ausmacht.
Eine solche Fragestellung hat zur Konsequenz, dass man Charisma quasi verwässern und zur jedem zugänglichen Eigenschaft, die in mehr oder weniger hohem Ausmaß vorhanden ist, machen muss. Im Fall von van Hippel und Murphy hat das dazu geführt, dass sie die Freunde ihrer 417 Probanden gebeten haben, letztere im Hinblick auf ihr “Charisma” zu bewerten.
Die Bewertung des Charisma, so die Annahme von van Hippel und Murphy, sie hat etwas mit der Intelligenz und mit der geistigen Geschwindigkeit der so Bewerteten zu tun. Entsprechend haben sie die Intelligenz ihrer Probanden getestet und gemessen, wie schnell sie in der Lage waren, einfache Aufgaben des Allgemeinwissens zu lösen, Aufgaben wie: “Benennen Sie einen Edelstein”. 30 entsprechende Aufgaben wurden gestellt und die Zeit gemessen, die die Probanden benötigt haben, um die Fragen zu beantworten.
Und dann wurde geprüft, was das zugewiesene Charisma beeinflusst. Es war nicht so sehr die Intelligenz der Probanden, die einen Einfluss auf das ihnen zugewiesene Charisma hatte, als ihre geistige Geschwindigkeit. Charisma, so das Ergebnis, hat mehr mit vorlauter Schlagfertigkeit und rudimentärer Allgemeinbildung zu tun als mit Intelligenz als solcher und der Fähigkeit, schwierige Aufgaben zu lösen.
Wir backen, wie gesagt, kleine Brötchen heutzutage, in dieser Welt, in der manche auf der Suche nach Personen sind, denen sie ihre Führung anvertrauen können, und die damit verbundene “affektive Hingabe” an den Führer, sie beruht nicht auf dessen überwältigender Intelligenz, sondern auf seiner großen Klappe.
So könnte man die Ergebnisse von van Hippel und Murphy pointiert zusammenfassen und damit gleich erklären, warum Wissenschaftler (also Wissenschaftler nicht Ideologen, die auf Lehrstühlen posieren) selten bis gar nicht in Führungsämtern von Staaten zu finden sind. Sie sind vorhersehbar nicht schlagfertig genug, weil sie gewohnt sind, selbst einfache Frage genau zu durchdenken und zu intelligent, um eine große Klappe zu riskieren.
Wer die Ergebnisse von van Hippel und Murphy nachrechen will, die Daten stehen im Open Science Framework bereit.
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Danke
p.s. Bitte verzeihen Sie mir dass ich versucht habe ihren Stil des Ausdrucks zu kopieren – ich mag ihn so sehr.
Ich kann Ihnen sagen, warum Ihr Verein seinen allseits unbeliebten Präsidenten immer wieder von neuem in sein Amt wählt: Wo sich die Mehrheit der einfachen Mitglieder nicht zutraut oder auch mangels eigener Konzepte nicht gewillt ist, die Tätigkeit eines Vereines in führender Stellung zu gestalten, da spielen sich die präpotenten Dummschwätzer in den Vordergrund (oder werden durch die allgemein vorherrschende Passivität, Konzeptlosigkeit und Feigheit in den Vordergrund gespült), d.h. solche Zeitgenossen, die im Brustton der Überzeugung den größten Unsinn von sich geben und dadurch den Anschein erwecken, zu wissen, was Sache sei und wo es längs gehe! Und diese dummdreisten Bürokraten verstehen sich hervorragend darauf, sachliche Kritik an ihren Äußerungen und Handlungen durch persönliche Angruiffe auf den Kritiker niederzubügeln. Und wer möchte schon als “Nörgler” oder “Spalter” hingestellt und zum allgemeinen Abschuß freigegeben werden?
Das sind ja wohl Leute, denen man ein gewisses Charisma nicht absprechen kann.
Abgesehen davon, dass ich diese Podiumsdisskussion sowohl inhaltlich interessant als auch sehr unterhaltsam fand, finde ich es persönlich schwierig, das in Übereinstimmung mit dem im Blogpost Geagten zu bringen.
*grübel* (Julian Assange mit Bart macht deutlich mehr Eindruck als ohne IMHO) *imbartkratz*
Gibt es denn überhaupt eine wissenschaftliche Definition, was Charisma überhaupt ist?
Wenn ja, wie würden Sie diese 3 Personen auf der nach oben offenen Klein-Diefenbach-Skala bewerten?
LG waldbaer
;o)
P.S. Jaja, das haben Sie ja schon geschrieben: "Mer waas es ned". Tatsache aber ist, das Charisma funktioniert.
Ich möchte mal die These in den Raum stellen, dass Charisma die Fähigkeit ist, Ideen so zu verbreiten, zu kommunizieren, dass sie auch verstanden werden.
Frei nach Richard Dawkins: Die Fähigkeit, _funktionsfähige_ Meme in die Welt zu setzen.
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Tauge wirklich zu gar nichts, weder als Führer noch als Jünger. Was kann ich bloß “dagegen” machen. Reagiere allerdings etwas allergisch auf Große Klappen zu was macht mich das? Einem Kritiker von Charismatikern?
Vieelicht weiß “Nonkonformist” die Antwort?
Danke für den erhellenden Beitrag. Er erklärt mir, der ich so lang darüber gegrübelt habe, warum mein Vereinspräsident, welcher ein Idiot ist – wenngleich Dipl.-Ing. , aber das schliesst sich ja nicht gegenseitig aus – warum dieser Vereinspräsident Vereinspräsident ist. Und Idiot. Und ihn eigentlich kaum ein Vereinsmitglied leiden kann aber dennoch seit gefühlten Jahrzehnten weiterhin fast jedes Vereinsmitglied – welches ihn eigentlich nicht leiden kann – wiederwählt: Ne grosse Klappe und die ist schnell und laut.
Danke
p.s. Bitte verzeihen Sie mir dass ich versucht habe ihren Stil des Ausdrucks zu kopieren – ich mag ihn so sehr.
Ich kann Ihnen sagen, warum Ihr Verein seinen allseits unbeliebten Präsidenten immer wieder von neuem in sein Amt wählt: Wo sich die Mehrheit der einfachen Mitglieder nicht zutraut oder auch mangels eigener Konzepte nicht gewillt ist, die Tätigkeit eines Vereines in führender Stellung zu gestalten, da spielen sich die präpotenten Dummschwätzer in den Vordergrund (oder werden durch die allgemein vorherrschende Passivität, Konzeptlosigkeit und Feigheit in den Vordergrund gespült), d.h. solche Zeitgenossen, die im Brustton der Überzeugung den größten Unsinn von sich geben und dadurch den Anschein erwecken, zu wissen, was Sache sei und wo es längs gehe! Und diese dummdreisten Bürokraten verstehen sich hervorragend darauf, sachliche Kritik an ihren Äußerungen und Handlungen durch persönliche Angruiffe auf den Kritiker niederzubügeln. Und wer möchte schon als “Nörgler” oder “Spalter” hingestellt und zum allgemeinen Abschuß freigegeben werden?
Ok, nehmen wir hier mal ein konkretes Beispiel:
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Europe is Kaput. Long live Europe! – Slavoj Žižek, Yanis Varoufakis and Julian Assange – full event
https://www.youtube.com/watch?v=yjxAArOkoA0
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Das sind ja wohl Leute, denen man ein gewisses Charisma nicht absprechen kann.
Abgesehen davon, dass ich diese Podiumsdisskussion sowohl inhaltlich interessant als auch sehr unterhaltsam fand, finde ich es persönlich schwierig, das in Übereinstimmung mit dem im Blogpost Geagten zu bringen.
*grübel* (Julian Assange mit Bart macht deutlich mehr Eindruck als ohne IMHO) *imbartkratz*
Gibt es denn überhaupt eine wissenschaftliche Definition, was Charisma überhaupt ist?
Wenn ja, wie würden Sie diese 3 Personen auf der nach oben offenen Klein-Diefenbach-Skala bewerten?
LG waldbaer
;o)
P.S. Jaja, das haben Sie ja schon geschrieben: "Mer waas es ned". Tatsache aber ist, das Charisma funktioniert.
Ich möchte mal die These in den Raum stellen, dass Charisma die Fähigkeit ist, Ideen so zu verbreiten, zu kommunizieren, dass sie auch verstanden werden.
Frei nach Richard Dawkins: Die Fähigkeit, _funktionsfähige_ Meme in die Welt zu setzen.