„Das pragmatische Einwanderungsland“: Friedrich-Ebert-Stiftung verbreitet Junk

Rainer Faus und Simon Storks haben für die Friedrich-Ebert-Stiftung – und damit auf Kosten der Steuerzahler – eine Studie erstellt, eine quantitative Studie: Am Ende waren es 3000 Befragte, die die „wahlberechtigte Bevölkerung Deutschlands“ repräsentieren sollen: „Um Repräsentativität zu gewährleisten, wurden die Daten nach amtlicher Statistik gewichtet“, so steht zu lesen.

 

Unkenntnis Teil 1

Repräsentativität ist das Ergebnis, von dem man hofft, dass es sich als Folge einer zufälligen Auswahl von Personen einstellt. Dabei muss jede Person in der Grundgesamtheit, hier also jeder deutsche Wahlberechtigte, was dann wohl Personen von 18 Jahren bis zum Erreichen der Demenz sind (die sich bei manchen schon früher einstellen soll), dieselbe Chance haben, in die Auswahl zu gelangen. Repräsentativität ist somit eine Eigenschaft einer Stichprobe, die durch eine zufällige Auswahl erreicht werden soll. Wenn nach der Auswahl „nach amtlicher Statistik gewichtet“ werden muss, um „Repräsentativität zu gewährleisten“, dann heißt das, die Auswahl war nicht repräsentativ, was wiederum bedeutet, dass das Auswahlverfahren nicht sichergestellt haben kann, dass jede Person in der Grundgesamtheit, dieselbe Chance hatte, in die Stichprobe zu gelangen. Damit ist die Stichprobe nicht repräsentativ, und eine Repräsentativität kann auch nicht nachträglich hergestellt werden. Auch nicht von Faus und Storks von der „pollytix strategic research gmbh“.

Was von der FES als Ergebnis berichtet wird, ist somit nicht repräsentativ, und es gibt auch nicht wieder was „die Deutschen über Migration denken“.

 

Unkenntnis Teil 2

Ein ehernes Gesetz der empirischen Sozialforschung lautet: Es muss sichergestellt werden, dass die Befragten auch auf das Antworten, wonach die Befrager zu fragen glauben, kurz: Es muss eine Übereinstimmung darüber zwischen Frager und Befragtem bestehen, wonach befragt wird.

Faus und Storks fragen wahlweise nach Flüchtlingen und bezeichnen dieselben als Geflüchtete, beides ist aber nicht äquivalent. Sie wollen Einstellungen zu Migration messen, sprechen aber von Einwanderung. Migration umfasst Zu- und Abwanderungen. Sie legen Befragten eine Reihe sehr allgemein formulierter Aussagen vor, in denen von Einwanderung die Rede ist, aber nicht klar ist, welche Form von Einwanderung gemeint ist, was die Befragten unter Einwanderung verstehen, an welchen Einwanderer sie denken. Entsprechend wertlos sind die Antworten.

Wenn z.B. 53% der Befragten der Aussage „Deutschland sollte Einwanderung als Chance begreifen“ zustimmen oder sehr zustimmen (sofern sie das tun, wozu wir noch kommen), dann stellt sich die Frage, WAS soll „Deutschland (wer?) als Chance begreifen? Was wird von den Befragten als „Einwanderung“ verstanden: Sind Bürgerkriegsflüchtlinge Einwanderung? Ist der Arbeitskollege aus Spanien, der in Deutschland lebt, „Einwanderung“? Sind die Russlanddeutschen, die in die Nachbarschaft gezogen sind, Einwanderung? Je nachdem, an welche Personengruppe ein Befragter bei „Einwanderung“ denkt, hat seine Antwort einen ganz anderen Gehalt. Was uns zum Gehalt der Aussage: „Deutschland sollte Einwanderung als Chance begreifen“ bringt.

Damit misst man schlichtweg überhaupt nichts. Nicht nur, weil nicht klar ist, was die Befragten unter Einwanderung verstehen, auch, weil die Aussage vollkommener Quatsch ist. Deutschland ist kein Akteur und kann entsprechend nichts begreifen. Was er als Chance der Einwanderung ansehen will, die Deutschland begreifen soll, ist jedem Befragten selbst überlassen, kurz: Die Frager interessieren sich überhaupt nicht dafür, was sie fragen und die Befragten antworten auf irgend etwas, das ihnen gerade in den Sinn kommt. Das ist keine Sozialforschung, das ist Junk, aber die Herren der „pollytix strategic research gmbh“ werden diese Kritik sicher als Chance begreifen, es beim nächsten Mal besser zu machen.

Nun muss man nicht unbedingt annehmen, dass die Befrager im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung nicht kundig genug sind, um sinnvolle Forschung zu betreiben. Vielleicht war es gar nicht ihre Absicht, sinnvolle Forschung zu betreiben. Unter Linken, die es mit Diskursen haben, ist das Konzept des Fluid oder Empty Signifier bekannt. Damit sind Begriffe gemeint, die man in den Raum werfen und von anderen füllen lassen kann, je nach affektiver Grundausrichtung positiv oder negativ. Derjenige, der den Begriff in den Ring geworfen hat, der kann dann aus den Vorstellungen, die ihn erreichen, aussuchen, was ihm passt, etwa so:

„Einwanderung als Chance für Deutschland: Die Deutschen sind grundsätzlich offen für Zuwanderung. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung sieht Einwanderung sogar als Chance. Nur eine Minderheit lehnt Zuwanderung nahezu kategorisch ab. Besonders groß ist die Offenheit für eine Einwanderung, die dem Fachkräftemangel entgegenwirken soll (63 Prozent). Die Hälfte der Deutschen glaubt schließlich, dass Einwanderung unser Land nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich und kulturell bereichert. Aus alldem lässt sich schließen: Dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, wird als Tatsache anerkannt.“

Das schreiben Faus und Storks in der Zusammenfassung ihrer Ergebnisse, also jenem Teil der Studie, über den der normale Journalist in der Regel nicht hinausliest. Wir haben intensiv nach der Frage gesucht, die Befragten die Möglichkeit gibt, „Zuwanderung kategorisch abzulehnen“. Wir haben sie nicht gefunden. Das mag daran liegen, dass sie nicht gestellt wurde, schon weil überhaupt nicht nach Zuwanderung gefragt wurde, sondern wahlweise nach Flüchtlingen, nach Einwanderung, nach ausländischen Arbeitskräften und generell Ausländern.

Ob sich Faus und Storks in der Diversität ihrer Begriffe verfangen haben oder die Diversität nutzen wollen, um Ergebnisse so zu verbiegen, dass sie ihrer Ideologie genügen, mag dahingestellt bleiben, Tatsache ist, dass sie nicht nach „Offenheit für eine Einwanderung, die dem Fachkräftemangel entgegenwirken soll“ fragen, sondern nach Zustimmung zu der Aussage: „Deutschland braucht ausländische Arbeitskräfte, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken“. Das ist etwas völlig anderes und hat mit Einwanderung zunächst gar nichts zu tun. Überhaupt scheinen die Autoren ihre eigenen Ergebnisse nach Lust und Laune zu verändern. So behaupten sie, „[d]ie Hälfte der Deutschen glaubt schließlich, dass Einwanderung unser Land nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich und kulturell bereichert“. Um diese Aussage aufstellen zu können, benötigten Faus und Storks repräsentative Daten, die sie, nach eigener Aussage nicht haben, denn sie mussten gewichten und davon abgesehen fragen sie überhaupt nicht danach, ob Einwanderung „unser Land“ wirtschaftlich bereichert. Die Aussage, deren Travestie sie hier besprechen, lautet: „Einwanderer bereichern das kulturelle und soziale Leben in Deutschland“. Von einer wirtschaftlichen Bereicherung ist somit keine Rede und danach, ob die Befragten Deutschland als „unser Land“ ansehen, also eine Trennung in Wir und Die, wie die Autoren vornehmen, auch nicht.

Angesichts des Auftraggebers dieser „Studie“, muss man nicht davon ausgehen, dass diese Fehler zufällig, aus Unkenntnis resultieren, man kann auch Absicht hinter dieser Missinterpretation der eigenen Daten sehen, z.B. deshalb:

Die Befragten sollen ihre Antworten alle auf einer Skala von 0 bis 10, also von stimme überhaupt nicht zu (0) bis stimme voll und ganz zu (10) einordnen, wobei ihnen elf Skalenpunkte zur Abstufung ihrer Antworten zur Verfügung stehen. Die Skala, deren Skalenniveau man als metrisch ansehen kann, wird von den Autoren dann zwangs-ordinalisiert, indem sie die Skala in fünf Kategorien wie folgt zusammenfassen:

  • Stimme überhaupt nicht zu: Werte 0 und 1
  • Stimme eher nicht zu: Werte 2, 3 und 4
  • Neutral: Wert 5
  • Stimme eher zu: Werte 6, 7 und 8
  • Stimme voll und ganz zu: Werte 9 und 10

Nachdem wir uns darüber gewundert haben, warum man eine Skala einsetzt, wenn man die Absicht hat, die Daten ordinal zu interpretieren, haben wir uns gefragt, was der neutrale Wert zwischen „stimme eher zu“ und „stimme eher nicht zu“ sein soll: Stimme doch eher nicht zu und doch eher zu? Stimme weder eher zu noch eher nicht zu? Stimme weder voll und ganz zu noch überhaupt nicht? Wenn man diesen Unsinn gerade verdaut hat, fällt der Blick auf die beiden Skalenendpunkte, die eine vollständige Zustimmung bzw. Ablehnung messen sollen. Der Unsinn wird hier endemisch. Denn man kann nicht nur etwas voll und ganz zustimmen oder nur etwas überhaupt nicht zustimmen. Eine korrekte Kodierung, wenn man schon eine Skala zusammenstutzen will, hätte die beiden Extremwerte 0 und 10 als „stimme überhaupt nicht zu“ und „stimme voll und ganz zu“ kodiert. Dass es nicht passiert ist, weist auf das Bedürfnis hin, die Fallzahl in den Extremgruppen zu erhöhen, die Aussage der Daten also zu verfälschen.

Kurz: Die Messung ist Junk.

Und von hier könnte man dann mit der Formulierung der Aussagen weitermachen. Oben haben wir schon gezeigt, dass man mit leeren Formulierungen wie „Deutschland sollte Einwanderung als Chance begreifen“ überhaupt nichts messen kann. Hier kann man ergänzen, dass die Aussage, „Deutschland braucht ausländische Arbeitskräfte, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken“, natürlich suggestiv ist, weil sie die Existenz eines Fachkräftemangels voraussetzt. Abermals wird heiße Luft gemessen.

Und so könnten wir weitermachen:

„Einwanderer bereichern das kulturelle und soziale Leben in Deutschland“, lautet eine Aussage.

Das kulturelle Leben ist nicht mit dem sozialen Leben identisch. Beide Stimuli sind in der Aussage enthalten. Auf welchen Stimuli haben die Befragten geantwortet? Ihre Schätzung ist so gut wie unsere, wir wissen es alle nicht. Die Aussage ist Junk. Sie misst nichts.

In der „Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung findet sich so ziemlich jeder Fehler, vor dem Studenten der Empirischen Sozialforschung gewarnt werden, damit sie ihn nicht machen. Entweder Faus und Storks haben nie empirische Sozialforschung erlernt oder die entsprechende Warnung ist nie erfolgt oder sie war umsonst. Was meinen Sie auf einer Skala von 0 bis 10 von stimme eher nicht zu bis stimme voll und ganz zu?

Das Kernstück der „Studie“ ist „die Konstruktion der Einstellungsgruppen“. Drei Einstellungsgruppen haben die Künstler im Auftrag der FES erstellt: National Orientierte, Bewegliche Mitte und Weltoffen Orientierte. Die Wertung steckt bereits in der Bezeichnung. Abermals eine der Todsünden, an denen man diejenigen erkennt, die von empirischer Sozialforschung keine Ahnung haben.

Die drei Gruppen basieren wieder auf einer Skala von 0 bis 10 (stimme überhaupt nicht zu, voll und ganz zu) für die folgenden Aussagen:

  • Deutschland und die anderen EU-Länder sollten wieder mehr Entscheidungen alleine treffen dürfen.
  • Die Mitgliedschaft in der EU bringt Deutschland mehr Vorteile als Nachteile.
  • Statt auf das große Ganze zu schauen, wird sich in Deutschland zu viel um Minderheiten gekümmert.
  • Durch die vielen Ausländer fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land.

Was man mit diesen Junk-Aussagen misst, das wissen wir nicht, aber sicher keine „national Orientierten“ und mit großer Sicherheit auch keine „weltoffen Orientierten“ und schon gar keine bewegliche Mitte, denn: Nach Weltoffenheit wird nicht gefragt und die Autoren werden doch nicht im Ernst behaupten wollen, die EU stehe für Weltoffenheit? Eine Supra-Nationale Organisation wie die EU, die vornehmlich dafür steht, die eigenen Märkte vor der Konkurrenz aus Afrika und Asien abzuriegeln, hat mit Weltoffenheit soviel zu tun, wie der Mars mit den blühenden Landschaften, von denen Helmut Kohl einst geschwärmt hat. Die vier Aussagen lassen auch keinerlei Aussage zu Nationalismus zu, es sei denn, ein (Un-)wohlsein, wie das mit der letzten Aussage gemessene, wird zum Nationalismus erklärt und jeder, der die EU nicht anhimmelt, zum Nationalisten gestempelt. Eine solche Verengung der Perspektive müssten wir dann jedoch als Befragungstotalitarismus ansehen, als Versuch, Befragten Dinge in den Mund zu legen, die sie nie gesagt haben, schon weil es Leute geben soll, die es schön finden, sich aufgrund der vielen Ausländer wie ein Fremder im eigenen Land vorzukommen. Aber daran haben die Autoren sicher nicht gedacht. Ansonsten findet sich wieder der Versuch, durch unbestimmte Begriffe, z.B: Minderheiten, die Befragten im Unklaren darüber zu belassen, was eigentlich gefragt wird. Es wird suggeriert, nationale Eigenständigkeit sei ein Gnadenakt, der sich darin ausdrückt, dass Ländern erlaubt werde, wieder mehr Entscheidungen selbst zu treffen. Die einzige Frage, mit der man etwas messen kann, fragt nach den Vor- und Nachteilen einer EU-Mitgliedschaft. Wie man von der Frage nach den Vor- und Nachteilen der EU-Mitgliedschaft zur bewegten Mitte kommen will? Keine Ahnung.

Womit wir bei Faus und Storks sind, die entweder keine Ahnung von empirischer Sozialforschung haben oder bewusst vage Aussagen, „empty signifiers“ unter die Befragten bringen, um die Antworten dann in dem Sinne interpretieren zu können, wie es der politischen Ideologie des Auftraggebers entspricht, z.B. wenn von einer grundsätzlichen Offenheit für Zuwanderung der Deutschen gesprochen wird, obwohl die grundsätzliche Einstellung der Befragten zu Zuwanderung nirgends erfragt wurde.

Die Studie ist Junk, übelster Junk.

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