Hasskriminalität: Ein neu geschaffenes Etikett für alte Delinquenz
Daten.
Daten bringen Leben in Diskussionen.
Nicht, dass das immer so gewünscht ist.
Manche hassen Daten regelrecht.
Das hat damit zu tun, dass man sich trefflich selbst bereichern kann, wenn man seine Dienste im Kampf gegen ein begriffliches Phänomen, eine Black Box der Gefährlichkeit anbietet, eine Black Box, die von Daten nur allzu häufig zerstört wird.
Die Diskussion über “Hasskriminalität” ist eine solche Diskussion.
Sie wird weitgehend über einen Begriff geführt, von dem manche noch eine ungefähre Vorstellung haben, was er umfasst. Von dem aber so gut wie niemand weiß, wer “ihn” begeht. Die besonders einfach gestrickten Gemüter behelfen sich hier mit der Illusion, dass Hasskriminalität von Rechten begangen wird, während Linke natürlich Engel im entsprechenden Wolkenkuckucksheim sind.
Wir haben vor, ein wenig Leben in die Diskussion über Hasskriminalität zu bringen, und zwar mit Daten über diejenigen, die Hasskriminalität begehen.
Solche Daten gibt es nach unserer Kenntnis nicht für Deutschland.
Aber es gibt sie für die USA.
Dort kann man drei Arten von Hate Crimes begehen: (1) gegen Personen, (2) gegen Objekte und (3) gegen die Gesellschaft.
Was Hasskriminalität ist, erklären wir gemeinhin mit den folgenden Beispielen:
A klaut B das Smartphone = Diebstahl
A klaut B das Smartphone, weil B schwul ist = Hasskriminalität gegen Personen
A tritt gegen das Auto von B = Sachbeschädigung
A tritt gegen das Auto von B, weil B ein Proud Boy ist = Hasskriminalität gegen Objekte
A sprengt sich auf einer belebten Straße in die Luft = Terrorismus
A sprengt sich in einer Kirche in die Luft, weil er als Muslim Christen nicht mag = Hasskriminalität gegen die Gesellschaft
Wer begeht diese Hasskriminalität?
Eine erste Näherung findet sich beim FBI:
Von 6.266 im Jahr 2018 erfassten Tätern waren
- 53.6% weiß
- 24.0% schwarz
- 12.9% “race unknown”
62% der US-Amerikaner sind weiß, 12,6% schwarz. Schwarze sind damit unter denen, die Hasskriminalität begehen, über-, Weiße unterepräsentiert.
Viel interessanter als diese Zusammenstellung der Daten ist die Zusammenstellung, die sich in der BIAS Incidents and Actor Study Datenbank der University of Maryland findet. Dort sind 966 Fälle von Tätern, die für Hasskriminalität verurteilt wurden, erfasst, die meisten davon für rassistisch motivierte Hasskriminalität.
Spannend wird es bei Variablen, die man als Persönlichkeitsmerkmale beschreiben kann:
- Die Täter sind eher jung, im Median 27 Jahre alt;
- Rund 16% haben eine Geschichte mit psychischer Erkrankung;
- Rund 70% haben die Schule mit Realschulabschluss oder weniger verlassen;
- Rund 8% sind Angehörige des Militärs;
- Rund 41% konnten bislang nicht auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen;
- Rund 67% haben eine Vorstrafe;
- Rund 23% sind drogensüchtig;
- Rund 36% saßen bereits im Gefängnis;
Die Variablen beschreiben eine eng umrissene Subgruppe der Bevölkerung. Stellt man nun in Rechnung, dass die Zuordnung einer Straftat, z.B. einer Körperverletzung zur Kategorie der “Hasskriminalität” dadurch erfolgt, dass eine entsprechende Motivation vorhanden war, die in der Regel sprachlich, z.B. durch “racial slur”, also verächtliche Aussagen über die Herkunft des Gegenüber, zum Ausdruck gebracht wurde, dann fällt uns, als alten Kriminologen die Tradition der Erforschung delinquenter Subkulturen ein, die, in der Regel aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen bestehen, die eine eigene Sprache kultivieren und sich mit Straftaten von ihrer Umgebung abgrenzen. Und das Verhalten, das sie an den Tag legen, es ist gelernt. Edwin K. Sutherland hat in den 1940er Jahren seine Theorie der differentiellen Assoziation in neun Hypothesen vorgelegt. Eine Theorie, die bis heute eine der besten Theorien zur Erklärung delinquenten Verhaltens ist und die folgenden Hypothesen umfasst:
All criminal behavior is learned.
Kriminelles Verhalten ist erlernt.Criminal behavior is learned through interactions with others via a process of communication.
Kriminelles Verhalten wird in der Interaktion mit anderen und durch Kommunikation erlernt.Most learning about criminal behavior happens in intimate personal groups and relationships.
Kriminelles Verhalten wird in seiner Mehrzahl in intimen persönlichen Gruppen und Beziehungen erlernt.The process of learning criminal behavior may include learning about techniques to carry out the behavior as well as the motives and rationalizations that would justify criminal activity and the attitudes necessary to orient an individual towards such activity.
Das Erlernen kriminellen Verhaltens umfasst die Techniken, die notwendig sind, um kriminelles Verhalten auszuführen, die Motive und Rationalisierungen, um die kriminelle Aktivität zu rechtfertigen sowie die Einstellung, die notwendig ist, um in kriminellem Verhalten überhaupt mögliches Verhalten zu sehen.The direction of motives and drives towards criminal behavior is learned through the interpretation of legal codes in one’s geographical area as favorable or unfavorable.
Die Richtung, mit der Motive und Anreize für bzw. zu kriminelles/m Verhalten erlernt werden, wird über die Interpretation von Rechtsregeln als wünschenswert oder nicht wünschenswert im eigenen geographischen Wohngebiet erlernt.When the number of favorable interpretations that support violating the law outweigh the unfavorable interpretations that don’t, an individual will choose to become a criminal.
Wenn die Anzahl der Interpretationen, die den Rechtsbruch als wünschenswertes Verhalten ausweisen, die Anzahl der Interpretation, die den Rechtsbruch als nicht wünschenswertes Verhalten ausweisen, übersteigt, wird ein Individuum sich entscheiden, ein Krimineller zu werden.All differential associations aren’t equal. They can vary in frequency, intensity, priority, and duration.
Differenzielle Assoziationen sind nicht gleichverteilt. Sie variieren in Häufigkeit, Intensität, Bedeutung und Dauer.The process of learning criminal behaviors through interactions with others relies on the same mechanisms that are used in learning about any other behavior.
Das Erlernen kriminellen Verhaltens basiert auf den selben Mechanismen, auf denen Lernen im Allgemeinen basiert.Criminal behavior could be an expression of generalized needs and values, but they don’t explain the behavior because non-criminal behavior expresses the same needs and values.
Zwar könnte kriminelles Verhalten als Ausdruck allgemeiner Bedürfnisse und Werte angesehen werden, aber das würde nicht erkären, warum nicht-kriminelles Verhalten auf denselben Befürfnissen und Werten basiert.
Was Sutherland hier entwirft ist das Gerüst einer Theorie, die Personen, die sich kriminell verhalten, eine von der sie umgebenden Gesellschaft distinkte Lerngeschichte, distinkte Lerninhalte, distinkte Ausdruckformen und Verhaltenskodizees zuweist. Die oben präsentierten Daten zeigen, dass unter denen, die wegen Hasskriminalität in den USA verurteilt werden, viele vorbestrafte Personen sind und viele, die bereits in Gefägnissen gesessen haben. Das spricht eindeutig dafür, dass Hasskriminalität eine artifizielle Schöpfung der Mittelklasse ist, die diese Schöpfung nun denen überstülpt, die einem anderen Verhaltens- und vor allem Sprachkodex folgen. Man kann davon ausgehen, dass in kriminellen Subkulturen andere Sprachstandards herrschen als im Bundestag, kann man?, nun: andere Sprachstandards als z.B. im Leben einer bürgerlichen Familie. Begriffe, die Gewalt zum Ausdruck bringen, rüde Bezeichnungen, Beleidigungen werden in den Sprachstandards krimineller Subkulturen eine andere Normalität haben als in einer bürgerlichen Familie. Und die entsprechenden Sprachkonventionen kommen natürlich dann, wenn eine Auseinandersetzung geführt wird, zum Einsatz, um das Gegenüber nicht nur körperlich, sondern auch sprachlich zu verprügeln. Der Stellenwert dieser sprachlichen Untermalung der Körperverletzung ist für die Täter vermutlich nur Begleitmusik. Für die kontrollierende und etikettierende Mittelschicht ist sie das nicht. Für sie, wird aus der gebrochenen Nase von B, die bislang nur eine Körperverletzung war, ein Hassverbrechen, wenn die gebrochene Nase mit einem white motherfucker einhergeht. Wie so oft, oktroyieren Angehörige der Mittelschicht Angehörigen einer anderen Schicht ihre Normalitätsvorstellungen auf und etikettieren sie zu einer neuen Art von Kriminellen, ohne dass diesem neuen Label in der Realität eine Qualität innewohnen würde, die die normale Körperverletzung von der Körperverletzung, die als Hasskriminalität zählt, unterscheiden würde. Diese Form der Etikettierung ist nicht neu. Tatsächlich haben Edwin M. Lemert und andere diese Theorie bereits in den 1950er Jahren formuliert. Das Bemühen der prekären Mittelschicht, die vor allem auf halben oder befristeten Stellen an Hochschulen zu finden ist, sich von anderen Schichten, die man unter sich verortet, abzusetzen, hat diese Labeling Theory in Vergessenheit geraten lassen.
Wir wollen sie wieder zum Leben erwecken, denn sie scheint einen Erklärungsbeitrag zu dem zu leisten, was gerade passiert.
Und natürlich sind Angehörige der Schichten, die von prekären Mittelschichtlern etikettiert werden, lernfähig. Werden Sie Opfer einer Straftat, dann wissen sie, dass die Bedeutung des eigenen Opferstatus dadurch angehoben wird, dass man behauptet, der Täter habe einem aus rassistischen oder sexistischen oder religiösen Motiven bedroht.
Kurz: Wir sehen die ersten Indizien dafür, dass Hasskriminalität nichts anderes ist als ein von der akademisierten Mittelschicht erfundener Begriff, der Angehörigen anderer Schichten aufoktroyiert wird, und zwar um sich von ihnen differenzieren zu können. Denn man selbst ist natürlich LGBTusw oder anarcha feminist oder was auch immer, in jedem Fall woke und besser.
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Generell ist die Kategorie „Politisch motivierte Kriminalität“ nach meinem Eindruck eher schwammig. Darunter fallen laut BKA unter anderem Straftaten, „wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie … gegen eine Person wegen ihrer/ihres zugeschriebenen oder tatsächlichen politischen Haltung, Einstellung und/oder Engagements gerichtet sind bzw. aufgrund von Vorurteilen des Täters bezogen auf Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Weltanschauung, sozialen Status, physische und/oder psychische Behinderung oder Beeinträchtigung, Geschlecht/sexuelle Identität, sexuelle Orientierung oder äußeres Erscheinungsbild begangen werden. Diese Straftaten können sich unmittelbar gegen eine Person oder Personengruppe, eine Institution oder ein Objekt/eine Sache richten, welche(s) seitens des Täters einer der o. g. gesellschaftlichen Gruppen zugerechnet wird (tatsächliche oder zugeschriebene Zugehörigkeit) oder sich im Zusammenhang mit den vorgenannten Vorurteilen des Täters gegen ein beliebiges Ziel richten.“
Zum einen dürfte, vermute ich mal, im Nachhinein nicht immer zu ermitteln sein, warum, aus welchen Motiven heraus so ganz konkret jemand eine Straftat begangen hat. (Nicht immer, zum Teil natürlich schon.) Kann man, wenn kriminelle Akte stattfinden, im Prinzip davon ausgehen, dass der Täter überhaupt 1. alle relevanten Merkmale des Opfers kennt bzw. 2. diese für ihn im Vordergrund stehen?
Zum anderen steht hinter der Kategorisierung die Annahme, dass die oberflächlich betrachtet gleiche Straftat schlimmer ist, wenn sie politisch motiviert ist, als wenn sie nicht politisch motiviert ist. Die Folgen für die Opfer sind aber die gleichen.