„Mehr Jugenliche tragen Messer“ – Wie die ZEIT ihre Leser veralbert (oder betrügt?)
Eine der Unsitten, die immer mehr um sich greifen, ist die Veröffentlichung von angeblichen Ergebnissen aus angeblichen Studien in Zeitungen bevor die entsprechenden Ergebnisse den Steuerzahlern, die sie finanziert haben oder der wissenschaftlichen Öffentlichkeit, die die Qualität der Studie und der Ergebnisse beurteilen kann, vorgelegt wurden.
Man kann dies als eine Form von „pre-emptive Strike (Erstschlag)“ sehen: Der Junk, den man Lesern als „Ergebnisse“ verkaufen will, soll verkauft werden, bevor es Dritten möglich ist, den Junk als solchen zu entlarven.
Und so müssen die Leser der ZEIT einen beispiellos schlechten Text einer Frida Thurm, deren Qualifikation sicher nicht in der Berichterstattung über empirische Studien liegt, über sich ergeben lassen.
„Jeder dritte männliche Jugendliche in Niedersachsen trug 2017 ein Messer bei sich – einige nur manchmal, andere regelmäßig, aber insgesamt deutlich mehr als in den Jahren zuvor. Das geht aus den Daten einer bisher unveröffentlichten repräsentativen Befragung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen hervor, die ZEIT ONLINE vorliegen“.
Dass ZEIT ONLINE die Daten der – wie könnte es auch ander sein: “repräsentativen Befragung” vorliegen, ändert nichts daran, dass Thurm unfähig ist, das Vorliegende zu lesen und zu verstehen. Bei den Daten handelt es sich um die Dritte Folge des sogenannten Niedersachsensurveys, in dessen Rahmen das Kriminoligische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) Schüler von neunten Klassen in Niedersachsen befragt (siehe unten). Diese Information enthält Thurm ihren Lesern vor, vermutlich, um eine Prüfung dessen, was sie von sich gibt, zu verhindern.
In der Überschrift spricht sie von „[m]ehr Jugendliche[n], die Messer tragen. Auch in der Unterüberschrift ist noch von „Jugendlichen“, die Rede, die wieder öfter Messer tragen. Aus den Jugendlichen sind in der zitierten Passage „männliche Jugendliche in Niedersachsen“ geworden. Ein Absatz weiter ist von „männlichen Neuntklässlern in Niedersachsen“ die Rede.
Das ist ein gutes Beispiel für Journalisten, die keine Ahnung haben, wovon sie eigentlich berichten. Tatsächlich handelt es sich bei den Daten um die dritte Welle des so genannten „Niedersachsensurveys“, für den Schüler der neunten Klassen in Niedersachsen befragt werden.
Schüler der neunten Klasse sind nicht „die Jugendlichen“, sie sind nicht „die Jugendlichen in Niedersachsen“, sie sind nicht einmal die männlichen Jugendlichen in Niedersachsen. Sie sind Neuntklässler. Nicht mehr und nicht weniger.
Ob Thurm unfähig ist oder die ZEIT Leser bewusst darüber belügen will, wer überhaupt befragt wurde, ist eine Frage, die man dem Chefredakteur der ZEIT stellen sollte.
Der Junk, der hier Text geworden ist, geht weiter. Wir haben die dünnen Informationen, die auf mehreren Textseiten verbreitet werden, zusammengetragen. Hier sind sie:
„Jeder dritte männliche Jugendliche in Niedersachsen trug 2017 ein Messer“, schreibt Thurm.
Das ist falsch. Befragt wurden, wie gesagt, nicht die Jugendlichen, sondern Schüler der neunten Klassen in Niedersachsen.
„Demnach stieg die Zahl der männlichen Neuntklässler, die angaben zumindest selten ein Messer bei sich zu tragen, von gut 27 Prozent im Jahr 2013 auf gut 32 Prozent im Jahr 2017.“
Auch diese Aussage ist so nicht richtig. Die Schüler der neunten Klassen werden gefragt: „Wie häufig trägst du folgende Gegenstände bei dir, wenn du a) in die Schule gehst und b) in deiner Freizeit nach draußen gehst?“ Gefragt wird nach Messer, Schlagring, Schlagstock und Tränengas. Die Schüler konnten für die vier Waffen angeben, das sie sie nie, selten, manchmal, häufig oder immer bei sich tragen. Aus diesen fünf Optionen haben die Forscher des KFN-Niedersachsen zwei Kategorien gemacht: selten und häufig. Warum man fünf Optionen vorgibt, wenn man ohnehin vorhat, sie zusammenzufassen? Das ist der übliche Trick um aus Wenig mehr zu machen.
„Die 2017 in Niedersachsen durchgeführte Befragung ergibt auch: Männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund tragen eigenen Angaben zufolge weiterhin seltener als andere männliche Jugendliche ein Messer bei sich (29,4% versus 33,7 Prozent).“
Im Fragetext oben, wird nach dem Tragen eines Messers in der a) Schule und b) Freizeit unterschieden. Bislang hat Thurm Ergebnisse für Schule und Freizeit berichtet. Plötzlich berichtet sie nur noch Ergebnisse für „Freizeit“, ohne dies jedoch ihren Lesern mitzuteilen. Warum wird schnell klar, wenn man in die Ergebnisse aus den Jahren 2013 und 2015 blickt. Tatsächlich sagt ein größerer Anteil von niedersächsischen Neuntklässlern mit Migrationshintergrund als deutsche niedersächsische Neuntklässler, er führe in Freizeit und Schule ein Messer mit: Der Anteil von Neuntklässlern mit Migrationshintergrund, die ein Messer in Freizeit und Schule mitführen, ist von 21,9% (2013) auf 25,8% (2015) gestiegen, der Anteil der deutschen Neuntklässler in Niedersachsen mit 24,1% (2013) und 24,3% (2015) fast gleich geblieben.
Wir finden hier eine Art der Manipulation, der dadurch, dass Daten berichtet werden, die nicht öffentlich sind, Vorschub geleistet wird, und die als Betrug gelten muss.
Es gibt Daten zu:
- Neuntklässlern in Niedersachsen, die gefragt werden, ob sie in a) Schule oder b) Freizeit ein Messer tragen;
- Männlichen und weiblichen Neuntklässlern in Niedersachsen, die gefragt werden, ob sie in a) Schule oder b) Freizeit ein Messer tragen;
- Männlichen und weiblichen Neuntklässlern in Niedersachsen mit und ohne Migrationshintergrund, die gefragt werden, ob sie in a) Schule oder b) Freizeit ein Messer tragen;
Thurm belästigt ihre Leser wohl ausschließlich mit den Daten, die ihr ideologisch in den Kram passen.
- Zunächst wird behauptet, es gebe Daten für alle Jugendlichen, wohl um eine Messerpanik zu begründen.
- Dann werden Daten nur für männliche Jugendliche berichtet, um den Fokus auf männliche Jugendliche zu verengen, wobei kein Unterschied zwischen dem Tragen eines Messer in Schule oder Freizeit gemacht wird.
- Dann wird behauptet, dass männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund „weiterhin seltener als andere männliche Jugendliche ein Messer bei sich tragen“ (29,4% versus 33,7%). Ein Blick in den Bericht des KFN für die Jahre 2013 und 2015 zeigt, dass es sich hier um die männlichen Neuntklässler handelt, die in der FREIZEIT ein Messer bei sich tragen. Warum hier die Daten für die Schule nicht berücksichtigt wurden, ist eine Frage, die wir nicht beantworten können, weil der Bericht nicht veröffentlicht ist.
In jedem Fall können wir auf Grundlage der Daten aus den Jahren 2013 und 2015 sagen, dass der Anteil von niedersächsischen Neuntklässlern mit Migrationshintergrund, die in Schule ODER Freizeit ein Messer bei sich tragen, mit 25,8% im Jahr 2015 höher war als der entsprechende Anteil für deutsche Neuntklässler aus Niedersachsen (24,3%). Dies liegt an der Gruppe, die nur nebenbei von Thurm behandelt wird:
„Der Anteil der weiblichen Jugendlichen, die angeben, ein Messer zu tragen, stieg ebenfalls, aber auf deutlich geringerem Niveau: von gut sechs Prozent in 2013 auf gut neun Prozent im Jahr 2017.“ [Eine Steigerung um 50% ist nach unserem Dafürhalten erheblich, aber sei’s drum.]
Nunmehr macht Thurm keine Unterscheidung mehr nach Migrationshintergrund. Warum? Und warum werden die Daten für 2015, die ebenfalls vorhanden sind, generell unterschlagen? Nur zur Vollständigkeit. „Anteil der weiblichen Jugendlichen“ ist natürlich Blödsinn. Befragt wurden weibliche Neuntklässler in Niedersachsen. Es soll Jugendliche auch noch in z.B. sechsten, siebten, zehnten, elften Klassen geben, ja selbst außerhalb von Schulen sollen sie schon gesichtet worden sein. Ganz zu schweigen von den Jugendlichen, die es in Bayern, Sachsen, ja selbst in Berlin geben soll. Abermals stellt sich die Frage: Ist das Unfähigkeit oder ideologisch begründete Boshaftigkeit?
Die Frage muss auch an die vermeintlichen Forscher des KFN gestellt werden, die die entsprechenden Ergebnisse (2015 und 2013) nicht ausweisen. Aus den Ergebnissen, die sie ausweisen, kann man jedoch schließen, dass der Anteil der weiblichen niedersächsischen Neuntklässler mit Migrationshintergrund, die in Freizeit oder Schule ein Messer bei sich tragen höher, deutlich höher sein muss als der Anteil der deutschen weiblichen niedersächsischen Neuntklässler.
Warum dieser ganze Zinnober in der ZEIT veranstaltet wird, wird gegen Ende des Textes deutlich. Dort kommt Dirk Baier, der jahrelange Adjutant von Christian Pfeiffer wiederholt zu Wort. Er ist einer derjenigen, die die unveröffentlichte Forschung, die ZEIT Online vorab vorliegt, obwohl sie von niedersächsischen Steuerzahlern finanziert wurde, durchgeführt und zu verantworten haben. Zunächst besteht Baiers Beitrag zum Beitrag darin, einen Widerspruch zu formulieren. „Die Forscher“, wer auch immer sie sein mögen, so schreibt Thurm, hätten herausgefunden, dass sich der „Anteil der Taten mit Messer“ seit 2013 nicht verändert habe. Wenige Zeilen weiter zitiert Thurm, zu deren Fähigkeiten auch das logische Denken offensichtlich nicht gehört, nämlichen Baier mit den Worten:
„Man müsse darüber sprechen, warum es offenbar wieder eine größere Akzeptanz von Gewalt und aggressiver Selbstdurchsetzung im Alltag der Jugendlichen gibt“. Satter kann man einen Widerspruch kaum formulieren und weil das noch nicht reicht, steht ein paar Zeilen vor dieser Aussage: „Wer ein Messer trägt, setzt es noch lange nicht ein“. Eben!
Wir haben somit innerhalb weniger Zeilen die Erkenntnis, dass Messertragen nicht Messereinsetzen ist, dass Taten unter Verwendung von Messern nach Ansicht der „Forscher“ nicht zugenommen haben und dass es offenbar wieder eine größere Akzeptanz von Gewalt und aggressiver Selbstdurchsetzung im Alltag der Schüler gibt“.
Warum, so fragt man sich, wurde dieses bemerkenswerte Beispiel journalistischer Unfähigkeit geschrieben. Die Verengung, die systematischen Auslassungen und Unterschlagungen, die wir hier aufgezeigt haben, die ausnahmslos zu Lasten von (deutschen) männlichen Neuntklässlern gehen, sie lassen es bereits vermuten.
Dirk Baier darf auf der Grundlage der wenigen Daten, die er in der kleinen Gruppe der niedersächsischen Neuntklässler gesammelt hat, wild und vor allem ohne Rücksicht auf Datenbeschränkungen, Fragen von wissenschaftlicher Lauterkeit oder gar Ethik spekulieren:
„Sinnvoll sei auch eine Auseinandersetzung mit Männlichkeitsnormen, die etwa propagierten, dass Konflikte mit Gewalt gelöst werden können“.
Gewalt ist nämlich männlich in der kleinen Welt von Dirk Baier. Konflikte mit Gewalt zu lösen, ist eine Männlichkeitsnorm. Entsprechend muss man schließen, dass Dirk Baier, da er das, was er für Männlichkeitsnormen hält, problematisiert, selbst eher dem, was er für Weiblichkeitsnormen hält, anhängt, die dann wohl gewaltfreies Liebhaben predigen müssen.
Nun, es mag Dirk Baier überraschen: Gewalt ist eine sehr gute Möglichkeit, Konflikte zu lösen. Ohne Gewalt hätten die Alliierten das Dritte Reich sicher nicht bezwingen können. Wir zweifeln, dass eine Liebhab-Offensive mit Blumensträußen und Freudengesängen dazu geführt hätte, Hitler nach seinem Überfall auf Polen, Frankreich und die Sowjetunion oder den Luftkrieg gegen das Vereinigte Königreich zu befrieden.
Wenn Konflikte also nachweislich mit Gewalt gelöst werden können, dann hat Baier Unsinn erzählt. Dass er Unsinn erzählt hat, wird auch ein paar Zeilen weiter deutlich. Dort wird er mit den Worten zitiert: „Daran kann man sich ja festhalten: Ich bin ein Mann, ich bin stark, ich kann mich durchsetzen“.
Tatsächlich ist es nach wie vor so, dass durchschnittliche Unterschiede im Körperbau von Männern und Frauen dazu führen, dass Erstere eher mit Tätigkeiten assoziiert werden, zu deren Ausführung Stärke erforderlich ist. Mit Durchsetzungsvermögen hat dies nur bedingt etwas zu tun, was schon die alten Philosophen gewusst haben, denn wer körperlich unterlegen ist, der kann sich mit List, Tücke oder Waffen einen Vorteil verschaffen. Oder: Wo der durchschnittliche Mann zuschlagen kann, um sich durchzusetzen, benötigt die durchschnittliche Frau ein Hilfsmittel, z.B. ein Messer.
Deshalb hat das Tragen von Messern nichts mit einer Männlichkeitsnorm oder einem sonstigen Unfug zu tun, den sich Baier gerne einzubilden scheint. Wenn man überhaupt das Konzept von Norm hier strapazieren will, dann muss man eine Messertragens-Norm konstatieren und sich fragen, woher diese Norm kommen könnte.
Messer sind ein Werkzeug. Sie erleichtern die Nahrungsaufnahme. Sie können als Statusobjekt eingesetzt werden. Sie können getragen werden, um sich vor Übergriffen zu schützen. Sie können als Waffe gegen andere verwendet werden.
Was für Baier so klar: Wer eine Messer trägt, der tut dies, um sich als Mann zu fühlen, stark zu sein, sich durchzusetzen, beschreibt nur einen Teil, einen sehr kleinen Teil der Welt.
Ein solche enge Sicht auf die Welt findet man bei Ideologen durchgängig. Sie sind wie versessen, dass ihre Sicht der Welt die einzig mögliche ist. Dass ein Neuntklässler ein Messer mitführt, um zu prahlen, um sich selbst zu schützen oder weil es zu seiner Ausrüstung als Pfadfinder gehört, das kommt Baier offenkundig nicht in den Sinn. So wenig wie ihm in den Sinn kommt, dass 9% der Messerträger weibliche Neuntklässler sind, weibliche Messerträger, von denen Baier annehmen muss, dass sie die Männlichkeitsnormen der Konfliktlösung durch Gewalt auf ein Messer verengt und übernommen haben. Absurder und dümmer geht es nimmer.
Wir weit man derartige assoziative Phantasiegebilde treiben kann, das wissen wir nicht, aber angesichts von Texten, wie sie in der ZEIT veröffentlicht werden, muss man annehmen, dass sie im Wahnsinn enden.
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Es gibt Leute, die in der Gegenwart leben, es gibt Gestrige, ewig Gestrige, Vorgestrige, ewig Vorgestrige – und dann gibt es noch Leute wie Frau Thurm und Herrn Baier, die offensichtlich die literarischen Werke von Marion Zimmer Bradley für philosophische Werke über die menschliche Natur halten oder schlicht über ihre kindlichen Phantasien, Dornröschen oder König Artus zu sein, nicht hinweggekommen sind.
Seitdem schwafeln sie von “männlichen Normen” oder “weiblichen Normen”, wobei es “männliche Normen” schon deshalb nicht geben kann, weil es im Deutschen “DIE” Norm heißt, Normen also immer weiblich sind. Und ob es derzeit in Europa Männlichkeitsnormen und Weiblichkeitsnormen gibt, ist eine m.E. wenig relevante, aber in jedem Fall rein empirische Frage. Behaupten kann man die Existenz derselben jedenfalls nicht einfach. M.W. sind Männlichkeitsnormen in Europa spätestens mit dem Ausgang des Neolithikums bzw. den “cattle raids” der Kelten den Heldentod gestorben. Okay, in der Literatur wird das “heroic age” auch mit der griechischen Mythologie in Verbindung gebracht. Aber egal, denn das ist genau der Punkt: in jedem Fall sind “Männlichkeitsnormen” und das “heroic” age eine MYTHOLOGISCHE Kategorie. Inwieweit sie historisch ist, müsste man, wie gesagt, empirisch prüfen, so gut es geht (und falls es einen aus unerfindlichen Gründen ernsthaft interessiert).
Was solche Vorstellungen in der europäischen Gegenwart verloren haben, lässt sich leicht beantworten, wenn man die Phantasieprodukte von nicht mehr so ganz taufrischen Leuten wie Baier und – ich bin mir ziemlich sicher – auch Thurm betrachtet. Mit der sozialistischen Ideologie der phantastischen Marke “Engels” und der damit verbundenen holden Opferweiblichkeit (die Engels ebenfalls mit der Entwicklung des Ackerbaus, also dem Neolithikum, in Verbindung bringt, sie aber in seiner naja, sagen wir: relativen geistigen Umnachtung, als REALITÄT behauptet,) ausgestattet, schwafeln die ewig Vor-Vorgestrigen munter über Normen, die anscheinend niemand außer ihnen selbst hat, und sei es nur im Photo-Negativ alter Tage: SIE glauben ganz fest an die Existenz von Männlichkeits- und Weiblichkeitsnormen im aktuellen Mitteleuropa, und SIE finden das, woran sie so gerne glauben möchten, ganz schlimm, oder genauer: die Männlichkeitsnormen finden sie ganz schlimm, während die von ihnen erfundenen Weiblichkeitsnormen alles Reine, Gute und Liebe, wenn auch gleichermaßen: Einfältige, (fingiert) Hilflose, Dümmliche etc., abbilden.
Und anstatt dass diese Leute sich schämen und versuchen, ihre doch ziemlich exzentrischen Phantasien über Dornröschen und König Artus unter Ausschluss der ohnehin schon zu stark belästigten Öffentlichkeit zu bearbeiten, erzählen sie wie Barden aus der Mythologie, als ob sie von Realitäten berichteten, die nur ihnen aufgrund ihrer (unter LSD?) gewonnenen Einsichten erkennbar sind.
Und damit der Mythos unbefleckt bleibt, wird “Gewalt” eben ‘mal nach dem Vorbild (von Teilen) des Mabinogion definiert, nämlich als PHYSISCHE Gewalt und Gewalt von Männern. Aber was ist mit der von Frauen häufiger an den Tag gelegten psychischen Gewalt, mit Rufmord durch Tuscheln, durch Diffamierung, mit Erpressung, mit Giftmorden, mit Denunziation, damit die anderen, am besten Männer, die physische Drecksarbeit machen können und die Denunzierten physisch bestrafen können, etc. etc.? Was ist mit der sogenannten “defensiven” Gewalt, in dessen Klasse z.B. das Pfefferspray fällt? Warum haben weder “Forscher” noch Zeitungsschreiberlinge sich z.B. Pfefferspray-Ausstattung und -Attacken geschlechtsspezifisch angeschaut? (Naja, Baier ist ja in der Vergangenheit schon negativ durch Jungenhass oder -verachtung aufgefallen ….)
Und überhaupt:
Was haben denn die “Normen”, von denen nur bekannt ist, dass Baier und Thurm sie haben, mit dem Verhalten realer Menschen weiblichen oder männlichen Geschlechts zu tun? Kennen die beiden Michelle Yeoh? Oder das Shaolin Wushu? Oder – für deutsche Breiten – Lisa Marie Schweizer? Oder fällt ihnen jemand wie Lisa Marie Schweizer nicht ein, weil sie sich nicht unbedingt für die Hauptrolle der Zauberin Morgane im nächsten pseudomythologischen Epos aufdrängt? Wer ist es denn dann, der heute in Europa in Schablonen denkt, die fatalerweise durch feuchte Träume von Leuten wie Engels auf uns gekommen sind?
Ich bin es jedenfalls nicht. Ich fühle mich so weit von den Weiblichkeitsnormen einer Frau Thurm oder eines Herrn Baier entfernt, dass ich ggf., wenn sie mich darum bitten würden und versichern würden, von einer Anzeige gegen mich wegen Körperverletzung abzusehen, den physischen Nachweis in Form einer harmlosen kleinen Ohrfeige erbringen würde. Bekanntermaßen bringt ja nichts Leute mit hysterischen Anfällen so effizient zurück in die Realität wie eine Ohrfeige zum rechten Zeitpunkt.
Hallo,
schlimme Zeiten, vor 55 Jahren war es kein Problem wenn 12-jährige Buben ein Fahrtemesser am Gürtel trugen, regte sich keine darüber auf. Ebensoist es heute für mich völlig normal ein kleines rotes Taschenmesser aus einem südlichen Nachbaland immer bei mir zu tragen. Gekauftes Brötchen aufschneiden, Stück vom Schinken absäbeln, faule Stellen vom Apfel rauspulen usw.
ein richtiger Bub hat auch als 70-jähriger sein “Sachmesser” immer dabei.
Richtig, so ein Messer trage ich auch shon seit über 50 Jahren mit mir herum- natürlich kann man selbst mit so eienem Messer heftigen Schaden zufügen. Wenn man will!!!
Schön zu wissen, dass ich nicht der Einzige bin, der immer sein Klappmesser im Auto mitführt.
Oder kurz & trefflich (ich zitiere):
“der übliche Trick um aus Wenig mehr zu machen”
Als Jäger habe ich in meiner Freizeit oft ein Messer dabei …
Früher, vor 40 Jahren und wahrscheinlich heute noch, hieses es
En richtige Schwiizer Bueb hed es Sackmässer und e Schnuer debi
Ein richtiger Schweizer Knabe hat ein Taschenmesser und eine Schnur dabei.
Viele grosse Jungs (Männer) haben ein Taschenmesser dabei.
Das letzte Mal, als ich es nicht dabei hatte war auch einem Flug mit nur Handgepäck.
Das zweitletzte Mal?
Keine Ahnung.
Liebe Redaktion und Mitkommentator/innen,
„En richtige Schwiizer Bueb hed es Sackmässer und e Schnuer debi“ – klar soll man das Thema nicht aufbauschen und dramatisieren. Ich meine andererseits aber auch, aus Kopf und Bauch heraus, dass man das Thema nicht ganz klein reden sollte. Sicher muss man das rote Taschenmesser zum Äpfelschneiden von größeren (Spring-)Messern/anderen Waffen unterscheiden.
Also: Messer ist nicht gleich Messer!
Ich fände es allerdings nicht sehr beruhigend zu wissen, dass erkleckliche Anteile 14-Jähriger (evtl. auch 15-, 16-, 17-, 18-Jähriger) evtl. Springmesser (usw.) mit sich führen – egal ob in der Schule oder in der Freizeit. Mich wundert bei dem ein oder anderen Verbrechen/Angriff sowieso, dass Menschen offenbar im Alltag mit Waffen in der Hosentasche herumlaufen?
Allerdings muss man sich wohl erst einmal vergegenwärtigen, dass es sich um SELBSTAUSKÜNFTE der Neuntklässler handelt, mit dem tatsächlichen Vorhandensein von Waffen diverser Art in den Hosentaschen müssen die Zahlen nicht unbedingt deckungsgleich sein. Es gibt da bekanntlich den Aspekt der sozialen Erwünschtheit (Man trägt kein Messer bei sich), hier und da vielleicht auch des Bedürfnisses zu prahlen (Es ist cool und erwachsen, ein Messer bei sich zu haben). Ob alle ca. 14-Jährigen, befragt, ob sie eine Körperverletzung mit Waffen, also unter anderem Messern, verübt haben, die Wahrheit sagen, würde ich doch eher bezweifeln. Illegale Handlungen geben Betroffene wahrscheinlich nicht so gern zu. Zudem ist die Stichprobe zu jung, um für das gesamte Jugendalter Aussagen tätigen zu können. Interessant wäre es auch, bei migrantischem Hintergrund nach konkretem Herkunfts- und Bezugsland zu differenzieren. Grundsätzlich ist die Kriminalstatistik da vermutlich seriöser. Nur ist hier die klassische Unterscheidung nach deutscher und nicht-deutscher Staatsangehörigkeit defizitär, sofern man in Erwägung zieht, dass das Mitführen von Waffen/Messern womöglich auch kulturell bedingt sein könnte und nicht nur vom Pass abhängig ist.
Sollte es tatsächlich eine „größere Akzeptanz von Gewalt und aggressiver Selbstdurchsetzung im Alltag der Jugendlichen“ geben, was zu beweisen und ein gefährliches Phänomen wäre, wäre es aber doch spannend zu erfahren, worauf diese Entwicklung zurückzuführen ist/sein könnte. Gerade Zuwanderer aus einzelnen Ländern könnten (könnten!) möglicherweise durchaus auch von „identitätsstiftenden Normen“ wie „Ich bin ein Mann, ich bin stark, ich kann mich durchsetzen“ geprägt sein. Die jungen Leute wachsen ja hierzulande in einer Gesellschaft auf/wachsen in eine bundesdeutsche Gesellschaft hinein, in der die Rechte von Frauen und Gleichberechtigung der Geschlechter nach meinem Eindruck viel thematisiert werden. Eine offene Frage scheint mir persönlich zu sein, ob und inwieweit z. B. die modernen Plädoyers für Gleichberechtigung und der in Teilen durchaus verbreitete feministische Zeitgeist in bestimmten sozialen Gruppen (nicht unbedingt nur migrantischen) mit dem alten Ideal- und Selbstbild vom überlegenen Mann, der alles im Griff hat, in einem Spannungsverhältnis stehen. Da könnte dann ein Messer im ein oder anderen Fall auch ein Symbol für männliche Stärke sein, nicht nur ein Ding zum Äpfelzerkleinern. (Ohne dass damit gesagt ist, dass es zu kriminellen Zwecken genutzt wird.)
… und weil “Messer nicht gleich Messer ist”, was sicherlich richtig ist, dann würde man auch erwarten dürfen, dass unsere grandiosen uni-angestellten “Forscher” auf diese Tatsache auch schon gestoßen sind und entsprechend ihres ach so komplexen Denkens auch in ihrer Forschung berücksichtigen. Nur leider hat das ach so komplexe Denken so weit nicht gereicht.
Und was Ihre Feststellung betrifftt:
“Gerade Zuwanderer aus einzelnen Ländern könnten (könnten!) möglicherweise durchaus auch von „identitätsstiftenden Normen“ wie „Ich bin ein Mann, ich bin stark, ich kann mich durchsetzen“ geprägt sein”,
so kann ich dem nur zustimmen. Ja, es KANN so sein. Nichts ist unmöglich.
Es KANN auch sein, dass gerade jemand, der denkt: “ich bin ein Mann, ich bin stark, ich kann mich durchsetzen” gerade weil er das denkt, nicht die geringste Notwendigkeit sieht, ein Messer bei sich zu tragen. So würde auch ein Schuh daraus. Und es gibt noch unendlich viel mehr Möglichkeiten. Wir können noch Tage, Monate, Jahre wild spekulieren, unsere Phantasie unter Beweis stellen, vielleicht auch nur unsere Vorurteile.
In jedem Fall bezahlt der Steuerzahler Uni-Angestellte nicht dafür, sondern für anständige, nachvollziehbare, nachprüfbare Forschung und Urteilsvermögen bei der Analyse von Daten und dem Bericht von Ergebnissen.
Aber leider – wie so oft – auch hier: Fehlanzeige!
Als Kind so zwischen 9 und 14 hatte ich auch ein Taschenmesser “am Mann”. Man schneidet damit Stöcke ab und macht daraus Pfeile und Bogen (Stück Schnur nicht vergessen!). Man schnitzt aus Rindenstücken bzw. Borke irgendetwas.
Heuer, d.h. 50 Jahre später habe ich noch ein Taschenmesser in meinem “Kultusbeutel”, damit ich ich mir – so unterwegs – das Brötchen oder den Apfel aufschneiden kann. Nicht in jedem Hotelzimmer liegt Besteck bereit.
Mir kam es nie in den Sinn, ein Messer als Waffe zu “konnotieren”. Obwohl: Sollte ich das mittlerweile? Hoffentlich eher nicht. Mein Vater aber meinte: Mit dem Messer kann man stechen und das nennt man ein Verbrechen.