Nachhaltige Gleichschaltung: Unternehmen als Handlanger der Regierung
Kaum etwas, was derzeit irgendwo von Regierungen, Organisationen, Verbänden oder anderen am kollektiv Guten Orientierten getan wird, wird nicht mit dem Adjektiv “nachhaltig” oder dem Hauptwort “Nachhaltigkeit” versehen. Nachhaltigkeit hat mit dem Bericht der Brundtland-Kommission (1987) erstmals das Licht der Welt erblickt und mit der Erkenntnis, dass Ressourcen knapp sind und deshalb nachhaltig bewirtschaftet werden müssen, eine Erkenntnis verbreitet, die Ökonomen schon seit Adam Smith zur Grundlage ihrer Modelle benutzt haben. Dennoch hat sich Nachhaltigkeit in Rekordzeit als das anzustrebendes Ziel etabliert und wird nun genutzt, um ausgerechnet diejenigen zu penetrieren, denen die Knappheit von Ressourcen auch vor der politischen Entdeckung der Nachhaltigkeit bereits klar war: Unternehmen. Dabei dient Nachhaltigkeit als Dachbegriff , unter dessen Fittichen eine ganze Reihe verschiedenster ideologischer Vorlieben gestopft werden kann, die mit Nachhaltigkeit und begrenzten Ressourcen überhaupt nichts zu tun haben.
Nachhaltigkeit, verpackt in wohlklingende Benennungen wie “unternehmerische Verantwortung”, “nachhaltige Entwicklung” oder “Corporate Social Responsibility” ist zum “Muss” für Unternehmen geworden, die nicht von NGOs öffentlich angeprangert, von internationalen Organisationen wie der UN oder der EU abgemahnt oder mit Bußgeld belegt und von nationalen Regierungen mit negativen Konsequenzen verschiedenster Art bedroht werden wollen. Folglich steht “compliance” bei Unternehmen auf der Tagesordnung: Mit Mitarbeiterschulungen arbeiten Unternehmen gegen die Flut nationaler und internationaler Regulationen und Verordnungen, mit peer-Druck sorgen sie dafür, dass Zwänge, die unter dem Rubrum der Nachhaltigkeit auf sie ausgeübt werden, auch bei Lieferanten und anderen Unternehmen ankommen. Unternehmen werden zunehmend zu Handlangern der Regierung. Ihr Ziel besteht nicht mehr darin, einen Gewinn zu machen, sondern darin, einen für richtig befundenen Wertekanon zu verbreiten, der unter der Bezeichnung “Nachhaltigkeit” vertrieben wird. Ein gutes Beispiel dafür ist der Nachhaltigkeitsbericht der Daimler AG aus dem Jahre 2011.
Nachhaltigkeit sei Bestandteil der Strategie der Daimler AG, verkünden Dr. Dieter Zetsche und Dr. Thomas Weber gleich zu Beginn des Berichts, das Motiv der Nachhaltigkeit (nicht etwa das Prinzip der Nutzenmaximierung) stehe im Mittelpunkt. Alle Planung für die nächsten Jahre basiere auf der Sicherstellung von Nachhaltigkeit. Ein Blick auf die entsprechenden Nachhaltigkeits-Ziele der Daimler AG zeigt den Versuch, mit regulativen Anforderungen Schritt zu halten, die Emissionen in CO2 und NOx zu reduzieren, Emissionsnormen der EU einzuhalten, Anforderungen an das Risikomanagement, wie sie die UN aufgestellt hat, einzuhalten und die Integrität der Geschäftspartner zu prüfen. Es finden sich Nachhaltigkeits-Ziele wie “Ausbau der Verkehrserziehungsmaßnahmen für Grundschüler in Deutschland”, die man vielleicht noch irgendwie mit den Zielen eines Autobauers in Einklang bringen kann, Nachhaltigkeits-Ziele, wie der Ausbau der regionalen und standortbezogenen Kunstförderung, den man als Grille eines umsatzstarken Konzerns abtun kann, und Nachhaltigkeits-Ziele, wie die Erhöhung des Frauenanteils oder die Implementierung eines Freiwilligenprogramms innerhalb der Daimler AG, die nur schwer mit umsatzfördernden Unternehmenszielen oder Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen sind, denn Nachhaltigkeit bezieht sich eigentlich auf einen schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen.
Insofern ist nicht offensichtlich, welche Verbesserung ein höherer Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten für den Umgang mit natürlichen Ressourcen mit sich brächte. Dennoch ist es ein Nachhaltigkeits-Ziel der Daimler AG den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen: Bis 2020 soll der Frauenanteil in Führungspositionen auf 20% steigen, auf Führungsebene 4 zwischen 14% und 18% betragen und Frauen sollen zwischen 12,4% und 15% der Belegschaft ausmachen. Die Daimler AG ist hier “compliant” mit Forderungen des BMFSFJ, das Unternehmen bereist seit längerem mit einer gesetzlichen Regelung droht, für den Fall, dass die entsprechenden Unternehmen nicht den Anteil von Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen erhöhen: Wenn sich bis 2013 der Frauenanteil in Aufsichtsräten und Vorständen, verglichen mit dem Jahr 2011 bundesweit nicht verdreifacht hat, dann werden Unternehmen gesetzlich verpflichtet, sich zur Erhöhung des Frauenanteils zu verpflichten. Erreichen Unternehmen einen Frauenanteil von 30% in Vorstand und Aufsichtsrat, dann entfällt der gesetzliche Zwang.
Für Unternehmen wie die Daimler AG hat dies zur Konsequenz, dass der Frauenanteil in Vorstand und Aufsichtsrat höher ist als der entsprechende Anteil in der Belegschaft, was ein merkwürdiges Verständnis von Gleichheit offenbart (nachhaltige Gleichheit vielleicht) und den gesetzlichen Zwang als das zeigt, was er wirklich ist, plumpeste (nachhaltige) Gleichschaltung von Unternehmen. Dafür wird billigend in Kauf genommen, dass Gerechtigkeit auf der Strecke bleibt, denn männliche Arbeitnehmer bei der Daimler AG werden – gemessen an ihrem Anteil an der Belegschaft – diskriminiert, wenn es um die Besetzung von Vorständen und ihre Repräsentation in den entsprechenden Vorständen geht. Da es sich beim BMFSFJ um ein von Frauen dominiertes Ministerium handelt und die flächendeckende und uneingeschränkte Verpflichtung von Unternehmen, eine Frauenquote von 30% in Vorstand und Aufsichtsrat einzuführen, an Simplizität kaum zu überbieten ist, ist das Ministerium bester Falisifikator seiner eigenen Behauptung wonach “Mehr Frauen -mehr Vielfalt” bedeuten. Dass ein Großteil der Aktivitäten des Ministeriums auf die Durchsetzung einer Frauenquote ausgerichtet ist, ohne dass damit ein angebbarer und sinnvoller Zweck verbunden wäre (z.B. mit jeder Frau im Vorstand steigt der Umsatz um 7%), geschweige denn, ein Grund, spricht eher für Einfalt, denn für Vielfalt.
Dass die Daimler AG mit einem eigenen Freiwilligenprogramm gleich noch kognitiv-kulturelle Schützenhilfe für den Bundesfreiwilligendienst des BMFSFJ leistet, rundet die staatliche Einflussnahme auf die Führung von Unternehmen ab und zeigt, dass sich staatliche Stellen der Unternehmen bedienen, wenn es darum geht, bestimmte Verhaltensdispositionen bei Mitarbeitern zu wecken – eben dies ist das Ziel von Gleichschaltung.
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