Neue Forschungsergebnisse zeigen: Entweder Kinder oder Karriere
Gerade hat Dr. habil. Heike Diefenbach die Begriffe der “Vereinbarkeitsweiblichkeit” und der “Vereinbarkeitsmännlichkeit” geprägt. Vereinbarkeitsmännlichkeit bzw. Vereinbarkeitsweiblichkeit stehen für die Ansprüche, die der hegemoniale Staatsfeminsmus als Normalität an Männer und Frauen heranträgt, also den neuen Mann, der sich gefälligst mit einer Halbtagsstelle begnügt, um sich in der anderen Hälfte seiner Zeit, dem Nachwuchs zu widmen und der “emanzipierten” Frau, die so emanzipiert ist, dass sie ebenfalls der vorgegebenen Agenda folgt.
Ich schreibe “gerade”, denn das wackelige Gebäude der Vereinbarkeitsrhetorik, das Männern und Frauen einen Wunsch nach Nachwuchs als höchstes Ziel des Lebens einreden will, gemeinhin als Übernahme von Verantwortung getarnt, wird gerade durch eine interessante Untersuchung aus Kanada und erneut erschüttert. Die Autoren der Untersuchung, Lonnie W. Aarssen und Stephanie T. Altmann finden in ihren Daten Hiwneise auf die Existenz einer Kultur der Kinderfreien, die vor allem für Frauen ein entweder Karriere oder Kinder umfasst.
1.115 Studenten an einer Kanadischen Universität haben die beiden Forscher nach Lebenszielen wie “Kinder”, “Bekanntheit und Ruhm”, “Ideen entwickeln und Entdeckungen machen” und “andere mit den eigenen religiösen Ideen beeindrucken” gefragt. Die Befragten konnten auf einer Skala von 1 “stimme voll zu” bis 5 “stimme überhaupt nicht zu”, die Wichtigkeit einstufen, die sie dem einzelnen Item zuwiesen.
Die Ergebnisse der Forscher sind insofern interessant als sie nicht nur einen Blick auf die Wirklichkeitsrelevanz von Sozialforschung ermöglichen und auf die Interpretationswelt, in der manche Forscher leben, sondern auch darauf, dass sich eine Kultur der Kinderfreiheit unter Gebildeten nicht erst entwickeln muss. Es gibt sie nämlich längst.
Der Mittelwert des Kinderwunsches, den die befraten Frauen (764) und Männer (351) angaben, lag bei 2,2. Zwei Kinder ist also das Ziel der meisten Befragten. Nur 10% der befragten Frauen gaben an, überhaupt keine Kinder zu wollen. Beide Ergebnisse, die durchschnittlich 2,2 Kinder und die 10% bekennenden Kinderfreien gaben Aarssen und Altman zu denken, ist doch die Geburtenrate in Kanada mit 1,6 deutlich geringer als der angegebene Kinderwunsch und die Anzahl der kinderfreien Frauen im Alter zwischen 40 und 44 Jahren mit 18% deutlich höher.
Wie ist die Diskrepanz zu erklären? Die Antwort liegt für die meisten Sozialforscher auf der Hand und lautet “soziale Erwünschtheit”. Der Kinderwunsch, den Befragte zu Beginn ihrer fertilen Phase angeben, hat nichts mit der Anzahl von Kindern zu tun, die sie tatsächlich in die Welt setzen wollen oder werden. Er ist vielmehr ein Maß für gesellschaftliche Konventionen, denen die Befragten sich ausgesetzt fühlen und die sie verbal befriedigen zu müssen glauben.
Dass dem so ist, können Aarssen und Altman vor allem für Frauen zeigen, denen Bekanntheit, die Entwicklung von Ideen und das Machen von Entdeckungen, also Variablen, die man mit einer Karriere und einem Beruf assoziieren würde, wichtig sind. Je wichtiger die entsprechenden Ziele sind, desto geringer ist der Kinderwunsch. Daher ist es nicht schwierig vorherzusehen, wie die entsprechenden Frauen sich im Verlauf ihres Lebens entscheiden werden, nämlich für eine Karriere und gegen Kinder. Daran wird auch die so weit verbreitete Vereinbarkeitsrhetorik nichts ändern, denn die entsprechende Wahl ist, wie Aarssen und Altman betonen, eine Lebensstilwahl “many women …can now freely realize the lifestyle and life course goals that their maternal ancestors wished for …” (42).
Dieses unschuldig daherkommende Zitat ist für manche deutsche Ohren vermutlich Sprengstoff, denn es heißt zu Deutsch: Frauen wollen gar keine Kinder, weder aufgrund einer biologischen Disposition noch aufgrund sonstiger “typisch weiblicher” Eigenschaften. Die Entscheidung für Kinder, entspringt heute anderen Erwägungen und früher gab es die entsprechende Entscheidung nicht, da Verhütungsmittel nicht so leicht zu erhalten waren, wie dies heute der Fall ist. Noch anders formuliert: Es ist eine Gemeinheit der Natur, Fertilität als Folge von Sexualität zu konzipieren, so dass der Spass an Sex seit Millionen von Jahren den daran Beteiligten vergällt wurde.
Aarssen und Altman präsentieren indes eine eigene Interpretation für das Ergebnis, dass Frauen sich offensichtlich zwischen Karriere und Kindern entscheiden und eben nicht vereinbaren wollen. Für sie ist die Freiheit von Fertilität, die Frauen heute haben, durch das Verschwinden des Patriarchats veursacht, das Frauen über Jahrtausende zur Fertilität gezwungen hat. Nunmehr könnten sich Verhaltenspräferenzen durchsetzen, die “uniquely female” seien und die eben ein Leben ohne Kinder und Fertilität anstrebten.
Warum man die Existenz eines Patriarchats annehmen sollte und damit implizit behaupten, dass Männer an Fertilität und nicht an Sexualität ein größeres Interesse haben sollen, ist mir nicht nachvollziehbar. Vermutlich sahen sich Männer vor der Einführung von Verhütungsmitteln ebenso gewzungen wie Frauen, die Folgen von Sexualität zu akzeptieren.
Wie auch immer, die Daten, die Aarssen und Altman belegen die Existenz einer Kultur der Kinderfreiheit, die vor allem unter hochgebildeten und hochspezialisierten-Frauen verbreitet ist. Die Existenz dieser Kinderfreien-Kultur belegt zum einen, dass es keinen natürlichen Kinderwunsch gibt, denn, wie die Untersuchung von Aarssen und Altman zeigt, ist ein Kinderwunsch eine kulturelle Vorgabe, etwas, das Gesellschaften ihren Mitglieder aufoktroyieren, etwas, von dem sie sich erst emanzipieren müssen. Die Existenz der Kinderfreien-Kultur belegt zum anderen, dass alle Vereinbarkeitsrhetorik umsonst ist, denn bestimmte individuelle Ziele schließen sich aus: Entweder man strebt nach herausragenden Leistungen in seinem Beruf oder man hat Kinder.
Und die Männer? Nun, die 351 Männer, die an der Befragung der beiden Autoren teilgenommen haben, antworten, wie Generationen von Männern vor ihnen geantwortet haben. Sie legen großen Wert auf ihre Karriere und die damit verbundenen Ziele und Kinder, ja, Kinder, warum nicht? Letztlich zeigt sich auch bei Ihnen das Scheitern aller Vereinbarkeitsrhetorik, denn zumindest die 351 Männer, die von Aarssen und Altman befragt wurden, sind offensichtlich der Meinung, dass Kinder, selbst die, die sie vielleicht haben werden, mit ihnen nur am Rande etwas zu tun haben. Und abermals zeigt sich, wie verquer die Interpration mit dem Patriarchat doch ist, denn eines wird deutlich: Außerhalb der ideologischen Welten des Staatsfeminismus ist Männern Nachwuchs heute anscheinend so egal, wie er es in all den Jahrhunderten zuvor war – zumindest gibt es kein plausibles Argument warum man annehmen sollte, dass das, was sich heute messen lässt, von dem abweicht, was frührer war.
Aarssen, Lonnie W. & Altman, Stephanie T. (2013). Fertility Preferences Inversely Related to ‘Legacy Drive’ in Women, But Not in Men: Interpreting the Evolutionary Roots, and Future, of the ‘Childfree’ Culture. Open Behavioural Science Journal 6: 37-43.
Wissenschaft und Information verständlich und in Klartext.
Unterstützen Sie ScienceFiles
Anregungen, Hinweise, Kontakt? -> Redaktion @ Sciencefiles.org
Wenn Ihnen gefällt, was Sie bei uns lesen, dann bitten wir Sie, uns zu unterstützen.
ScienceFiles lebt weitgehend von Spenden.
Helfen Sie uns, ScienceFiles auf eine solide finanzielle Basis zu stellen:
Entweder direkt über die ScienceFiles-Spendenfunktion spenden [das ist sicher und Sie haben die volle Kontrolle über ihre Daten]:

Oder über unser Spendenkonto bei Halifax:

HALIFAX (Konto-Inhaber: Michael Klein):
- IBAN: GB15 HLFX 1100 3311 0902 67
- BIC: HLFXG1B21B24
Wenn Sie ScienceFiles weiterhin lesen wollen, dann sind Sie jetzt gefordert.
Related
Related Posts
Zweierlei Maß im Verharmlosungs- oder Hämejournalismus
Freitag, der 13. – Aberglaube trifft Sozialforschung
Die Dummheit lebt: Auch nach 100 Jahren kein Lerneffekt
About The Author

Michael Klein
... concerned with and about science
Bitte keine Beleidigungen, keine wilden Behauptungen und keine strafbaren Inhalte ... Wir glauben noch an die Vernunft! Antwort abbrechen
Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.
Alles nischt Neues nischt.
Früher gingen Menschen, die sich “der Sache” widmen wollten ins Kloster – “die Sache” konnte “Gott” heißen, aber ganz banal bedeuten, dass jemand ein Kräuterbuch verfasste, Mystikerin wurde, Lieder schrieb etc., alles ungestört von Kindern und Familie.
Daneben gabs Laufbahnritter, die nur daran interessiert waren, in der kirchlichen Hierarchie möglichst hoch zu kommen – für die gabs das Zölibat als offizieller Form der Freihaltung von Familienverpflichtungen.
Heute heißt “Gott” nicht mehr “Gott”, sondern “Karriere”, Klöster und Zölibat sind dank Pille überflüssig geworden, aber im Prinzip ists das Gleiche wie immer: die einen wollen Familie, die anderen etwas anderes.
Die “Karriere”, der “Aufstieg”, meint(e) ursprünglich den Aufstieg zum höheren Bewußtsein, dem “Höheren / wahren Selbst”, dem “Erwachsenen-Bewußtsein” oberhalb des “Niederen Selbst” / “Ego” (dem Kindheits-Bewußtsein), das “geistige Aufrichten / Ausrichten” zum göttlichen Bewußtsein im Prozeß der Initiation, die üblicherweise zu Beginn der Pubertät stattfand / stattfindet – damit die jungen Menschen wahrhaft erwachsen sind, wenn sie langfristige / dauerhafte Beziehungen (Ehe / Partnerschaft) eingehen und Kinder zeugen. Denn nur wer wahrhaft erwachsen ist, ist den Aufgaben / Herausforderugnen den Erwachsenenlebens gewachsen bzw. kann nur dann wirklich angemessen / erfolgreich Kinder erziehen.
Wer das wahre Erwachsenwerden nicht vollzieht – wie normalerweise der typische zivilisierte Mensch – beeinträchtigt durch die Kollektive (Zivilisations-)Neurose – versagt regelmäßig bei den Aufgaben / Herausforderungen des Erwachsenenlebens. Das ist in der zivilisierten Gesellschaft nur zu gut erkennbar.
Kinder können sich nur gut / richtig / gesund entwickeln, wenn sie von Beginn an von Menschen betreut werden, die befähigt und bestrebt sind, das höchste Prinzip des Universums zu verkörpern, das Prinzip der reinen / bedingungslosen Liebe zu leben.
Nur DANN lernen Kinder das ebenso bedingungslose Vertrauen, welches erforderlich ist, um in der Initiation dann auch zum wahrhaft Erwachsenen zu werden.
Die “Kette” der Weitergabe dieser Fähigkeit, des “Know-How”, wurde unterbrochen mit dem Auftreten der “Kollektiven (Zivilisations-)Neurose” vor mehr als 10.000 Jahren in der jetzigen zivilisierten Gesellschaft.
Grundlegende Heilung ist aber in jedem Einzelfall jederzeit möglich!
Jeder Mensch trägt das Potenzial zum Bewußtseins-Aufstieg unverlierbar bei sich.
Und besonders interessant und beeindruckend ist, daß viele Menschen den Aufstieg nachholen, die durch schwere Krisen gegangen sind. Menschen, die nach schweren Verlusterlebnissen, Beziehungskrisen, Unfällen oder schweren Erkrankungen “zurück” zu sich selbst, zur Basis ihres Seins, gefunden haben. Ich durfte in den letzten fast 20 Jahren viele dieser Menschen kennenlernen, die durch psychische Krisen / “Erkrankungen” auf diesen Weg gebracht wurden bzw. auf den “rechten Weg ZURÜCK gebracht wurden”.
Eines der am besten beurteilten Bücher hierzu ist m.E. “Auf der Spur des Morgensterns. Psychose als Selbst-Findung” von Sophie Zerchin (alias Dorothea Buck). Die erste Ausgabe ihres Buches – Anfang der 90er Jahre- erschien noch unter Pseudonym “Sophie Zerchin”, einem Anagramm von “Schizophrenie”.
Die Autorin – Jahrgang 1917; sie lebt seit Kriegsende in Hamburg – hat sich seit den 60er Jahren für Veränderungen in der Psychiatrie eingesetzt.
1989/90 “erfand” sie mit Prof. Thomas Bock (Hamburg) zusammen die trialogischen “Psychose-Seminare”, 1992 war sie maßgebliche Mitgründerin des “Bundesverbandes Psychiatrie-Erfahrener” und bekam dann im Abstand von ca. 10 Jahren zweimal das Bundesverdienstkreuz – erst das “kleine”, dann das “große”.
“Entweder man strebt nach herausragenden Leistungen in seinem Beruf oder man hat Kinder.”
Hiergegen habe ich keine Einwendungen. Wohl aber dagegen:
“Die Existenz dieser Kinderfreien-Kultur belegt zum einen, dass es keinen natürlichen Kinderwunsch gibt, denn, wie die Untersuchung von Aarssen und Altman zeigt, ist ein Kinderwunsch eine kulturelle Vorgabe, etwas, das Gesellschaften ihren Mitglieder aufoktroyieren, etwas, von dem sie sich erst emanzipieren müssen.”
Ich behaupte: Der Kinderwunsch von Mann und Frau ist – ebenso wie die Daseinsform von Mann und Frau – nicht gesellschaftlich aufoktroyiert. Sicher, gesellschaftliche Erwartungen spielen mit, und es kann sinnvoll sein sein, sich davon zu emanzipieren. Die monokausale Erklärung ist aber unseriös.
Lassen wir einmal den “natürlichen” Kinderwunsch beiseite, denn dann wäre zu erklären, was natürlich sei.
Nachweislich gab und gibt (!) es aber den Wunsch von Menschen, Kinder gezielt in das irdische Dasein hereinzurufen, deren präexistentes Sein (subjektiv) erlebt wurde.
Beispielsweise ist dies bezeugt durch den Ethnologen Lommel, Andreas: “Die Unambal”, Ergebnisse der Frobenius-Expedition von 1938/39 nach NW-Australien, Selbstverlag des Museums für Völkerkunde, Hamburg 1952. Ich zitiere nach M. Hoffmeister, “Die übersinnliche Vorbereitung der Inkarnation”, 2. Auflage 1991, S. 96-98:
“Nach dem Glauben der Eingeborenen kann ein Mensch erst geboren werden, wenn sein Vater [!] ihn als Seelenkeim in einem Wasserloch gefunden hat und diesen Seelenkern in einem Traumvorgang an sich genommen hat und wiederum in einem zweiten Traumvorgang seiner Frau übergeben hat.[…]”
Es gibt ebenso den Elternwunsch des Kindes:
“Die Seele ruft den Namen, der ihr Wesen enthält, dem Manne, den sie zum Vater haben möchte, im Traum zu.[…]”
Gleichfalls gilt,
“daß ein Mann, der eine Jallala gefunden hat und gerade keine Frau hat oder kein Kind wünscht, sie einem Freund oder Bruder anvertrauen kann. Er träumt dann, die Jallala gefunden zu haben und erzählt dem anderen davon. Sie verabreden dann die Übergabe, und während der eine in der Nacht davon träumt, ein Kind zu finden, gibt der andere das von ihm vorher “erträumte” Kind an den ersten weiter. Wird das Kind geboren, so steht der erste Finder seiner Seele zu dem Kind ebenfalls im Verhältnis eines Vaters und drückt dieses Verhältnis später durch allgemeine Zuneigung und gelegentliche Geschenke aus.”
Und im Übrigen:
“Aus vielen Gesprächen mit Eingeborenen über diese Frage geht hervor, daß sie die gesamten Traumerlebnisse zur Erzeugung eines Kindes als unbedingt notwendig erachten. Die physische Zeugung allein genügt nach ihrer Ansicht nicht, um ein Kind hervorzubringen. Sie geben zwar zu, daß es bei den Weißen oder auch bei den Tieren genügen mag, betonen aber immer, daß bei ihnen eine seelische Disposition zur Zeugung unerläßlich ist.”
Nun ließe sich einwenden, das alles träfe für uns nicht (mehr) zu. Ich habe es aber zitiert, weil ich mir sicher bin, daß viele Eltern auch heute – noch oder wieder – vergleichbare Erlebnisse haben. – Ich selbst entnehme meinen täglichen Aufzeichnungen, daß ich unmittelbar vor dem Vorgang, der meinen Sohn zur Folge hatte, gebetet hatte, in scheuer Ahnung, ich könne und solle an diesem Tage ein Kind “hereinrufen”. Der “Auftraggeber” war aber nicht die Gesellschaft, sondern – in meinem Ereleben – das Kind.
Sicher wäre es eine lohnende wissenschaftliche Aufgabe, den Hintergrund für den Kinderwunsch bei einer genügend großen Gruppe von Menschen zu untersuchen. Ich halte es jedenfalls für voreilig, anzunehmen, daß die meisten Menschen in Kindern entweder ein notwendiges bzw. verhütbares Folge-Übel sexueller Lust oder aber eine gesellschaftliche Forderung erkennen, von der sie sich als eigenverantwortliche Individuen zu emanzipieren hätten.
Fassen wir die Sache noch weiter, so ist etwa das ganze Alte Testament ein Dokument des “Eugenetischen Okkultismus” mit der Zielsetzung der Inkarnation des Gottessohnes (vgl. V.Tomberg, Anthroposophische Betrachtungen über das Alte Testament”, 1933). Details hierzu würden allerdings von der Vereinbarkeits-Frage abführen. Ich erwähne es nur, um der gewöhnlichen Blickverengung entgegenzuwirken.
Zusammengefaßt: Man sollte den Kinderwunsch – auch inbezug auf die Vereinbarkeit mit einer Berufsausübung – als soziologisches Phänomen vielleicht einmal differenzierter untersuchen.
Sehr interessant – vielen Dank!
Aus meiner – spirituellen – Sicht gehört das Zeugen von Kindern einerseits zum Fortbestand der Menschheit, der/die aus göttlicher Sicht “erwünscht” ist, denn Gott hat ja den Menschen auf der Grundlage des göttlichen Bewußtseins erschaffen und außerdem als “Krone der Schöpfung”; andererseits gehört es zu den elementaren Erfahrungen des Menschen, Kinder zu zeugen, zu gebären, aufzuziehen und – soweit es sich bei den betreffenden Erwachsenen um WAHRE Erwachsene handelt – die Kinder auch wiederum zum wahren Erwachsensein zu führen, zum wahren, vollen, Menschsein, zum höheren, spirituellen, Bewußtsein.
Was dem zivilisierten Teil der Menschheit durch “Entfremdung” – Kollektive (Zivilisations-)Neurose – abhanden gekommen ist. DESwegen die regelmäßigen Untergänge der “Hoch”-Kulturen, wie Oswald Spengler schrieb. DESwegen wird auch die derzeitige “Hoch”-Kultur der fast global ausgeweiteten zivilisierten Gesellschaft untergehen – es sei denn, es würde noch der Weg der grundlegenden Heilung gewählt (gefunden muß er nicht mehr werden; er ist schon gefunden – er war eigentlich immer bekannt).
Das Leben in dieser – materiellen, grobstofflichen – Welt ist SYMBOLISCHER Ausdruck der geistigen, feinstofflichen – Welt, des göttlichen Bewußtseins und seiner Ideen, seines Schöpfungswillens und seiner weiteren Qualitäten wie Güte, Liebe, Frieden, Freiheit – usw. (aller guten Tugenden).
Daß die zivilisierte Gesellschaft diese guten Tugenden gegenwärtig kaum praktisch lebt, ist eben eine Folge der Kollektiven Zivilisations-Neurose, der “Entfremdung” – oder wie man das sonst nennen möchte.
Diese Krankheit gehört zu den Möglichkeiten in der Schöpfung – weil z.B. der Mensch “fehlbar” bleibt, selbst wenn er regelmäßig sich zum höheren / göttlichen Bewußtsein entwickelt, zur Angstfreiheit, und wenn er bewußt das Prinzip der reinen, göttlichen, bedingungslosen, Liebe zu leben bestrebt ist.
Durch ein kollektives Trauma – wie z.B. durch dramatische klimatische Veränderungen, Asteroideneinschlag, Magnetfeldwechsel, Riesenvulkanausbruch, Überschwemmung / Krankheit / Hungersnot, usw. – kann in einem – kleineren oder größeren Gebiet irgendwo eine Kollektive Neurose entstehen und sich – aufgrund der geistigen Störung der Befallenen und ihrem Mangel an Liebe, Frieden, Freiheit usw. (Tugenden) und ihrer tendenziellen Aggressionsbereitschaft – weiter ausbreiten. Darin besteht der “Grundkonflikt”, wie er auch in der Bibel bei Adam und Eva und konkreter bei Kain und Abel beschrieben wird. Weitere Symptome der Kollektiven Neurose werden in anderen Bibelgeschichten dargestellt.
Danke für die Zustimmung. Ich stimme Ihnen im Wesentlichen und in Ihrer Grundhaltung ebenfalls zu. Allerdings befremden mich gewisse Ausdrücke, die Sie häufig verwenden, wie “Kollektive Neurose” oder “grobstofflich” und “feinstofflich”. Letztere sind gebräuchlich in der englich-indischen Theosophie, welche mir fernliegt und dem Leserkreis hier unbekannt sein dürfte. Insofern bilden sie ein Verständnis-Hindernis. Vielleicht könnten wir darüber einmal per Mail diskutieren.
Ich fand das Begriffspaar “feinstofflich” / “grobstofflich” erstmals – glaube ich – im Umfeld der anthroposophischen Literatur, dann aber auch in Schriften außerhalb dieses Bereichs.
Ich halte viel davon, weil es mit anderen als den schon lange bekannten Worten das Geist-seelisch-energetische vom Materiellen unterscheidet.
“Materie” kennen wir in den drei bekannten Aggregatzuständen: fest, flüssig, gasförmig; und in diesen Bereich gehört auch eine Energie: die physikalische, materie-gebundene.
“Feinstofflich” ist die “Dimension” oberhalb der Materie und der materiegebundenen Energie, nämlich die “freie”, nichtmateriegebundene Energie, auch die “universelle Energie”, “Seelen-Energie” oder “göttliches Bewußtsein” / “Geist” genannt.
Schade, daß viele Menschen heute “Geist” mit “Verstand” / “rationales Denken” verkürzend gleichsetzen.
*
“Kollektive Neurose” ist – wie mir verschiedene Absolventen im Bereich der Gesellschaftswissenschaften bestätigten – der bekannte / gängige Begriff für die “Krankheit der (zivilisierten) Gesellschaft”. Ich weiß selbstverständlich, daß dieses Thema gern unter den Tisch gekehrt wird, verharmlost, verdrängt usw., aber das ändert ja nichts an seiner essentiellen Bedeutung.
Meine e-Mail-adresse finden Sie auf http://www.Seelen-Oeffner.de, meiner HP.
@T.R.E. Lentze
Als Ethnologin hätte ich zu Ihrem Kommentar einiges zu sagen, u.a., dass es in der Ethnologie ein großes und ungelöstes Problem mit Bezug auf die Zuverlässigkeit von narrativen Daten gibt, die durch den Ethnologen und auf der Basis seiner eigenen kulturellen Prägungen subjektiv interpretiert werden. Insofern wäre es interessant zu wissen, wie Herr Lommel seine Daten abzusichern versucht hat….
Aber gut, sagen wir, dass Herr Lommel bei bestimmten Leuten beobachtet hat, dass sie den Wunsch haben, “Kinder gezielt in das irdische Dasein hereinzurufen, deren präexistentes Sein (subjektiv) erlebt wurde”.
Glauben Sie, das subjektive Erleben des “präexistenten Seins” von Kindern beruhe nicht auf kulturellen Vorgaben, wie z.B. der Überzeugung, dass es so etwas wie ein “präexistentes Sein” von Kindern gibt? Natürlich ist das eine kulturelle Vorstellung, und ebenso muss es eine kulturelle Vorstellung sein, dass es irgendwie schön wäre und nicht ein einziges großes Leidensprojekt, in das irdische Dasein hereingerufen zu werden – manche individuellen Exemplare unserer Spezies sind ja auch nachweislich auf diese Idee gekommen (der Buddha z.B.).
Jedenfalls sagt die Existenz spezifischer kultureller Vorstellungen nichts darüber aus, ob der Mensch als Mensch einen Wunsch nach Kindern hat oder nicht. Es scheint jedenfalls, als hätte er einen Wunsch nach sexueller Befriedigung; jedenfalls habe ich noch nie gehört, auch in keiner Ethnographie gelesen, dass sich massenhaft viele Leute zum Sex überwinden müssen, um den Wunsch nach Kindern befriedigen zu können – obwohl das vielleicht in Zeiten des übertriebenen Kinderwunsches und der IVF durchaus nicht mehr so unvorstellbar scheint.
Und überhaupt: Glauben Sie, viele Leute wären völlig unabhängig voneinander und unbeeinflusst von der Transmission von Traditionen und Ideenwelten im Stande, auf so eine seltsame Idee wie die “Präexistenz von Kindern” zu kommen?
Und Sie haben Recht damit, dass es schwierig ist, die “Natur” des Menschen festzustellen, aber wenn Sie damit Recht haben, dann spricht das nicht für und nicht gegen ihre Position oder die Position von Herrn Klein, oder anders gesagt: dann können weder Sie noch Herr Klein mit der “Natur” argumentieren.
“Glauben Sie, das subjektive Erleben des “präexistenten Seins” von Kindern beruhe nicht auf kulturellen Vorgaben, wie z.B. der Überzeugung, dass es so etwas wie ein “präexistentes Sein” von Kindern gibt?
[…]
Und überhaupt: Glauben Sie, viele Leute wären völlig unabhängig voneinander und unbeeinflusst von der Transmission von Traditionen und Ideenwelten im Stande, auf so eine seltsame Idee wie die “Präexistenz von Kindern” zu kommen?
Jawohl, das glaube ich, bitte nachlesen:
“Ich habe es aber zitiert, weil ich mir sicher bin, daß viele Eltern auch heute – noch oder wieder – vergleichbare Erlebnisse haben. – Ich selbst entnehme meinen täglichen Aufzeichnungen, daß […]”
Ihre Frage enthält allerdings ein suggestives Element, weil darin die Formulierung “eine so seltsame Idee wie […]” vorkommt. So würden Sie als Soziologin oder Ethnologin doch sicher keine Befragung durchführen, oder? Das wäre ja eine methodische Katastrophe! 😉
Davon abgesehen ist gegen Skepsis natürlich nichts einzuwenden, im Gegenteil. Wissenschaft und Skepsis, das gehört nun einmal zusammen. Auch Ihr Zweifel inbezug auf die Zuverlässigkeit narrativer Daten ist berechtigt. Ich wollte aber auch nicht mehr, als einen Anstoß geben, die Literatur zu diesem Thema einmal in den Blick zu nehmen. Meine Zitate waren sehr kurz, aber mehr ist aus Raumgründen hier auch nicht möglich.
Ich unterstelle aufgrund eigener Überzeugung und aufgrund zahlreicher Gespräche mit Menschen in Westafrika, aber auch z.B. mit Anthroposophen in Deutschland, daß es individuelle Fähigkeiten übersinnlicher Erkenntnis gibt. Wenn Sie nun sagen, entsprechende Selbstbezeugungen derartiger Erkenntnisse beruhten auf kulturellen Vorgaben, so ist dies ein Interpretations- oder Erklärungsversuch, den Sie als solchen auch kennzeichnen sollten. Sie haben derartige Erfahrungen anscheinend nicht gemacht, müssen sich also mit Hypothesen behelfen. Für denjenigen aber, der die Erfahrungen kennt – oder meint, sie zu kennen -, ist es unangebracht, diese zu erklären, etwa zu sagen: “Ich habe dies Erlebnis gehabt, weil ich in einem Umfeld lebe, wo eine größere Zahl von Menschen daran glaubt.”
Es gibt ja auch Menschen, die sich mit solchen Erlebnissen völlig isoliert wissen und trotzdem daran festhalten, auch wenn sie lange Zeit darüber schweigen. So etwa Carl Gustav Jung (siehe seine Biographie, verfaßt von A.Jaffé). Man muß diese Menschen bewundern, weil sie die innere Einsamkeit, die ein materialistisches Milieu bewirkt, ertragen haben.
Zuletzt führt uns dieses Thema in die Frage der Legitimation von Wissenschaft überhaupt, zumindest aber in Probleme der Methodenlehre. Man sollte sich fragen: Was kann Wissenschaft in diesem Falle leisten? Soll sie sich beschränken auf die Erfassung, Sichtung und Vergleichung dessen, was ausgesagt worden ist, etwa im Sinne einer vergleichenden Religions-Phänomenologie? Oder soll sie nach dem Wahrheitsgehalt derartiger Aussagen fragen? Was aber ist hier Wahrheits-Kriterium? Der Mehrheitsglaube? Sicher nicht. Auch eine Mehrheit kann irren.
Man kann jedoch auch versuchen, an der Wissenschaft als Methode festzuhalten, sie aber so zu steigern, daß man in körper-sinnlich nicht erfaßbare Bereiche vordringt. Das hat R.Steiner ausgeführt. Überhaupt kennt ja Wissenschaft eine Evolution. Es fing an mit der Erforschung dessen, was weit weg liegt und unsere Gefühle nicht berührt, also an die Selbstkontrolle keine hohen Anforderungen stellt, etwa Geologie oder Astronomie. Später erst kam hinzu die Psychologie mit ihrer Methode der Introspektion. Das ist schon schwieriger; man steht sich selbst im Wege. Noch tiefer ging Husserl mit seinen Untersuchungen der Akte des konstituierenden Ich. – Man kann so immer weiter “hinter sich” zurückgehen, sich selbst wie einen Fremden betrachten. Das geht zuletzt nur, wenn man aus seinen Leib heraustritt und sein Ich in das Ich eines höheren Wesen einsenkt. Derartige Methoden hat Steiner ausführlich beschrieben. Sie setzen langjähriges Training voraus. Immer ist dies auch verbunden mit einer schmerzhaften, weil vertieften Selbsterkenntnis.
Aber wir kommen vom Thema ab. Es war ein echter “Exkurs”, was ich hiermit zu geben mir erlaubt habe. Vielleicht konnte ich eine Anregung zum Weiterstudium geben. Falls gewünscht.
Nein, genau das kann man nicht. Damit begegen Sie sich auf eine Stufe mit Genderisten, machen sich mit ihnen im Bemühen, die Realität als Korrektur für Erkenntnis auszuschalten und durch Willkür zu ersetzen, gemein. Gespinste welcher Art auch immer, die nicht intersubjektiv prüfbar sind und an der erfahrbaren Wirklichkeit scheitern können, sind und bleiben Gespinste. Sie sind keine Wissenschaft und werden es auch nie sein.
Hier kommen wir offenbar an eine Grenze unserer Verständigungs-Möglichkeiten. Was nicht Gegenstand von Wissenschaft (im üblichen Sinne) ist, muß deswegen, so behaupte ich, noch nicht Hirngespinst sein. Sie behaupten das aber, wenigstens im vorliegenden Fall. Wir sollten diese Differenz auf sich beruhen lassen.
Eine grundsätzliche Bemerkung möchte ich dennoch anbringen: Mich irritiert eine verbreitete Unbescheidenheit bei Wissenschaftlern. Gegen das wissenschaftliche Denken an sich ist ja nichts einzuwenden; im Gegenteil, es bedeutet eine notwendige Evolutionsstufe des Menschen. Insofern verdient es uneingeschränkte Förderung.
Nur sollte man sich der Grenzen der Bedeutung von Wissenschaft stets bewußt sein. Die wichtigsten Entscheidungen, die der Mensch zu treffen hat, ebenso die schwierigsten Fragen, die zu beantworten es den Menschen drängt, lassen sich mit Hilfe der Wissenschaft nicht treffen bzw. beantworten. Und auch die Frage: “Soll ich Kinder kriegen?” ist so ein Thema. Wissenschaftler leben notwendigerweise in einer Art Elfenbeinturm, es sei denn, sie lassen sich von Politik oder Wirtschaft einspannen oder drängen aus Eitelkeit in die Medien. Sie erzielen mit strenger Methodik sichere Erkenntnisse, aber eben nur einen Ausschnitt der Lebenswirklichkeit betreffend.
Sie können mich einfach überzeugen. Bringen Sie mir ein Kilo Seele oder ein Bild von einer “Hochkultur” oder einen Beleg für die Existenz des Objekts religiöser Überzeugungen und schon haben wir uns verständig.
Ich bin es leid, mich mit Stereotypen auseinanderzusetzen. Wissenschaftler leben nicht in einem Elfenbeinturm, denn wenn Wissenschaftler in einem Elfenbeinturm leben würden, dann würden Menschen wie sie, an einfachen Entzündungen sterben und Sie hätten auch nicht die Möglichkeit, hier zu kommentieren, weil wir im Elfenbeiturm natürlich kein Wissenschaftsblog betreiben.. Die Probleme und der Gegenstand von Wissenschaft ist das, was im Leben real und wichtig ist, und es sind im Gegentiel geistige Spinnereien, die man nicht manifest machen kann, die Menschen zu allen Zeiten Unheil und Leid gebracht haben. Aber vielleicht haben wir hier wirklich die Grenze der Verständigungsfähigkeit erreicht (sie sehen, ich ziehe es vor, meine eigene Grenze zu ziehen).
T.R.E. Lentze,
tut mir leid, dass ich Zweifel hatte, dass Sie so etwas tatsächlich glauben! Ich konnte es einfach nur meinerseits nicht glauben, dass jemand das ernsthaft glaubt.Das glaube ich nämlich tatsächlich, dass man das unter normalen Bedingungen einfach nicht glauben kann.
Sie schreiben:
“Ihre Frage enthält allerdings ein suggestives Element, weil darin die Formulierung “eine so seltsame Idee wie […]“ vorkommt. So würden Sie als Soziologin oder Ethnologin doch sicher keine Befragung durchführen, oder? Das wäre ja eine methodische Katastrophe!”
Das mag Ihnen wie ein Späßchen auf meine Kosten vorkommen, und es sei Ihnen gegönnt, aber Sie werden nicht ernsthaft wünschen, dass ich mit meinen Mitmenschen nicht mehr den normalen Alltagsgewohnheiten entsprechend rede, sondern ihnen nur noch Erhebungsskalen vorlegen, wie das in einer standardisierten Befragung üblich ist. Aber wenn Sie es unbedingt möchten, kann ich Ihnen gerne einmal die F-Skala zum Ausfüllen schicken; das wäre bestimmt sehr interessant….
Ich freue mich aber, dass ich Ihren Segen in Sachen “narrative Daten” habe, wenn Sie schreiben: “Auch Ihr Zweifel inbezug auf die Zuverlässigkeit narrativer Daten ist berechtigt.” Wenn Sie das nicht finden würden, dann müssten wir ja tatsächlich alle methodologischen Standardwerke entsprechen korrigieren, oder? (Und das wäre das, was ich eine methodologische Katastrophe nennen würde!)
Sie schreiben dann weiter:
“Ich unterstelle aufgrund eigener Überzeugung und aufgrund zahlreicher Gespräche mit Menschen in Westafrika, aber auch z.B. mit Anthroposophen in Deutschland, daß es individuelle Fähigkeiten übersinnlicher Erkenntnis gibt. Wenn Sie nun sagen, entsprechende Selbstbezeugungen derartiger Erkenntnisse beruhten auf kulturellen Vorgaben, so ist dies ein Interpretations- oder Erklärungsversuch, den Sie als solchen auch kennzeichnen sollten. Sie haben derartige Erfahrungen anscheinend nicht gemacht, müssen sich also mit Hypothesen behelfen. Für denjenigen aber, der die Erfahrungen kennt – oder meint, sie zu kennen -, ist es unangebracht, diese zu erklären, etwa zu sagen: “Ich habe dies Erlebnis gehabt, weil ich in einem Umfeld lebe, wo eine größere Zahl von Menschen daran glaubt.”
Sie unterstellen also etwas, und wenn ich etwas entgegensetze, dann ist das ein Erklärungsversuch. Ja, genau! Besser könnte ich auch nicht auf den Punkt bringen, was uns voneinander unterscheidet.
Mehr gibt es hierzu eigentlich nicht zu sagen, aber eines kann ich Ihnen versichern:
Ich habe für den größten Teil meines Lebens enge Kontakte zu Nicht-Europäern gehabt und viele Jahre eng mit Nicht-Europäern zusammengelebt; ich glaube, an diesebezüglichen “Erfahrungen” übertreffe ich Sie bei Weitem.
Ich habe aber niemals den Fehler gemacht, aus meinen Alltagserfahrungen heraus generelle Aussagen zu “unterstellen” – ich bin eben Wissenschaftlerin.
Ich bitte Sie meinerseits, (noch?) einmal nachzulesen, was das bedeutet, und zwar in unserem Grundsatzprogramm – dann müssten weder Herr Klein noch ich hier in Kommentaren wiederholt die Grundlagen dessen, was Wissenschaft von Einbildung unterscheidet, erklären.
Dann wird Ihnen vielleicht auch klar, dass Wissenschaftler keine naiven Deppen sind, die sich noch nie mit Fragen der Art beschäftigt haben, wie Sie sie aufwerfen. Es gibt Wissenschaftsphilosophie und -theorie….
Als Wissenschaftlerin würde ich Ihnen zu Ihrer Weiterbildung dringend nahelegen, sich nicht mit Leuten äußerst zweifelhafter methodologischer Fundierung wie Jung oder Steiner zu beschäftigen; das verwirrt nur und wirft ein schlechtes Licht auf Wissenschaft. Ich schlage Ihnen statt dessen die Lektüre des Popper-Lesebuchs vor, das seine wichtigsten Artikel in gut lesbarer und insofern leicht zugänglicher Form zusammenstellt.
Nein, Wissenschaftler sind keine naiven Deppen, ganz im Gegenteil. Und auch mit Wissenschaftsphilosophie und -theorie habe ich mich schon lange vor meinem Philosophiestudium befaßt. Aber darum weiß ich auch: Wissenschaft kann die Grundlagen, auf denen sie beruht, nicht selber liefern. Sie ist ein Ausschnitt der Lebenswirklichkeit. Außerhalb ihrer gerät man auf schwankenden Boden. Aber das Leben zwingt uns, uns manchmal auch auf schwankenden Boden zu begeben. Dann bedarf es anderer Qualitäten, um zu bestehen: Mut, Ehrlichkeit, Durchhaltebereitschaft, Leistungsbereitschaft usw., also die ganze Palette moralischer Qualitäten. Wahrheitsliebe ist nur eine davon. Anders gesagt und auf den Punkt gebracht: Auch erklärte Nicht-Wissenschaftler müssen keine naiven Deppen sein. Verbleiben wir einfach so.
Sie konstruieren Gegensätze, wo es keine gibt. Sie beschreiben Normen oder menschliche Charakteristika, Mut, Ehrlichkeit…. Sofern Wissenschaftler Menschen sind, treffen diese Charakteristika auch auf Wissenschaftler zu und haben nichts mit dem normalen Leben zu tun. Wissenschaft ist die Lehre von der Erkenntnis, die Frage nach realen Zusammenhängen und als solche ist Wissenschaft das pralle Leben, während alles, was nicht Wissenschaft ist, sich mit vergeistigtem Quatsch oder dem Versuch, andere über den Tisch zu ziehen, entweder mit esoterischem oder psycho-therapeutischem Quark beschäftigt. Noch anders formuliert: das Projekt Wissenschaft zielt auf die Emanzipation von Menschen, was nicht Wissenschaft ist, zielt auf die geistige und physische Unterjochung von Menschen.
Vielen Dank wiederum für diesen Einblick!
Als Nichtwissenschaftler (Beruf: Außenhandelskaufmann und Betriebswirt) mit guter Allgemeinbildung und seit 25 Jahren privat am Thema Psyche, Gesundheit und Selbst- / Persönlichkeitsentwicklung interessiert, brachte ich meinem langjährigen Freund und Diskussionspartner vor wenigen Tagen ein Bild zur Kenntnis, das ich in mir fand- und zwar das eines Apfels und eines Wurms darin.
Ich ging davon aus, daß der Wurm IM Apfel aus einem Ei geschlüpft sei.
Das Innere des Apfels sei für den Wurm seine Ernährung und “Schutz”.
Irgendwann stößt er von innen an die Schale – und hat theoretisch die Wahl, unterhalb von ihr in der leckeren Apfelsubstanz zu bleiben oder sie zu durchstoßen und das “Ganze” von außen zu betrachten,
– den Apfel in seiner – auch äußeren – Beschaffenheit
– das Umfeld, in dem der Apfel sich befindet
– sein eigenes Wirken in dieser Szenerie
also gewissermaßen eine “intellektuelle Reflektion” seines SEINS, einen Erkenntnisgewinn.
Während der Wurm dies aber – ganz oder teilweise aus dem Apfel herausgekrochen – tut, IST er nicht voll im WAHREN SEIN, sondern im Betrachten / Wahrnehmen der Umstände seines Seins, evtl. im “Denken” über das Sein.
Dies als Vergleich zum SEIN oder NICHT SEIN des typischen zivilisierten Menschen, der sich vor mehr als 10.000 Jahren aus dem WAHREN SEIN, aus dem “Paradies”, herausbegeben hat. Er hat sich sein Leben außerhalb davon eingerichtet. Ein Teil der Menschen kehrt ein- oder mehrmals am Tag kurz in den Apfel zurück (Meditation). Aber wie wir erkennen können, reicht das nicht, um langfristig WAHRHAFT zu SEIN. Eine schwerwiegende “Schwäche”, ein “Übel”, eine “Krankheit” hat sich der Menschen bemächtigt und droht sie auszurotten.
Die vom Leben IM Apfel entfremdete zivilisierte Gesellschaft muß schleunigst in den Apfel zurück. Dabei kann sie die Erfahrung, die sie außerhalb des Apfels gemacht hat, mitnehmen und folgenden Generationen vermitteln, daß man den Apfel auch verlassen kann, daß das aber Risiken birgt.
Der wahrhaft weise Wurm behält seinen “ersten Wohnsitz” folglich IM Apfel. Dort ist seine wahre Heimat.
Der wahrhaft erwachsene / weise Mensch ist der, der in der Pubertätsphase, in der Initiation, zum wahren Erwachsenen-Bewußtsein, dem “Höheren / wahren Selbst”, dem göttlichen Bewußtsein im Menschen, dem so genannten “Christus-Bewußtsein” aufsteigt und in diesem und daraus lebt. Dieses Bewußtsein ist des Menschen wahre Heimat. Deshalb wird von Jesus Christus als dem “eingeborenen” Sohn Gottes gesprochen. Er ist “Eingeborener”, weil man ihn in seiner wahren – geistig-seelisch-spirituellen – Heimat antrifft, in der höheren Bewußtseins-Ebene, in der man die allermeisten Menschen der zivilisierten Gesellschaft NICHT antrifft.
-> Kollektive Zivilisations-Neurose.
Grundlegende Heilung ist in jedem Einzelfall jederzeit möglich.
Zusatz:
Sie haben eine amüsante Bemerkung gemacht, indem Sie rhetorisch in Zweifel zogen, “dass sich massenhaft viele Leute zum Sex überwinden müssen, um den Wunsch nach Kindern befriedigen zu können.”
Beides – der sexuelle Wunsch und der Kinderwunsch – können doch harmonieren, und tun es gelegentlich heute noch, und taten es früher regelmäßig.
Beim Essen geht es bekanntlich ja. Viele Menschen wollen sich “bewußt” ernähren, und plötzlich schmecken ihnen vermeintlich gesunde Nahrungsmittel, nach denen sie vorher kein Verlangen hatten.
Ebenso galt es in der christlichen Hochkultur als selbstverständlich, daß starke sexuelle Wünsche erst mit vollzogener Ehe auftraten, also “von oben” und nicht “von unten” induziert wurden. Ich gestehe, daß ich mir eine derartige Hochkultur zurück- oder wiederwünsche.
T.R.E. Lentze,
ja, sicher, kann beides harmonieren. Wer hat das wo bestritten? Ihre These war aber nicht, dass das harmonieren kann, sondern dass der Kinderwunsch ein dominantes Motiv menschlichen Handelns sei, was eine gänzlich andere Aussage ist.
Insofern verstehe ich nicht, was Ihr letzter Kommentar zur Sache beiträgt – und schon gar nicht, was Ihre These von der Existenz einer “Hochkultur”, geschweige denn einer “christlichen Hochkultur” zur Sache beiträgt.
Aber da Sie es ansprechen: gehörte die Inquisition und deren grandiose Intoleranz gegen Menschen mit anderen Überzeugungen als denjenigen, die die Inquisitoren hatten, eigentlich auch zur “christlichen Hochkultur”?
Ich muss meinerseits gestehen, dass ich mich in der christlichen “Hoch”kultur nicht so auskenne. Ich kenne nur die christliche Einfachkultur, die mich für die alltägliche Lebenspraxis (in DIESER Welt!) gelehrt hat, anderen nicht zuzufügen, was ich selbst nicht erdulden wollte.
Sie schreiben:
“eine Kultur der Kinderfreiheit unter Gebildeten”
Was ist daran bitte “Kultur”? Ich kann der Intention Ihres Beitrages sehr wohl folgen, diesen Begriff finde ich allerdings hier doch sehr unpassend.
Immerhin stirbt der Gebildete nach Erfüllung dieses seines kulturellen Auftrags aus, nicht wahr?
Weit gefehlt, ein Intellektueller lebt über seinen Tod hinaus in den Dingen, die er geschaffen hat, weiter. Was könnte besser sein als für seine Leistungen erinnert zu werden? Denken Sie nur an Kant, Hume, Einstein, Popper…
Wenn ich einmal vermitteln darf:
Zweifellos muß es Menschen geben, die zugunsten wissenschaftlicher, künstlerischer und religiöser Höchstleistungen kinderlos bleiben. Sie verdienen Gesten der Anerkennung.
Anderseits müssen diese Kulturheroen aber auch erst geboren werden. Darum bedarf es der Menschen, die in die Reproduktion investieren – und dafür auf wissenschaftliche usw. Höchstleistungen bewußt verzichten.
“Zweifellos muß es Menschen geben, die zugunsten wissenschaftlicher, künstlerischer und religiöser Höchstleistungen kinderlos bleiben”:
Ich erhebe Einspruch gegen das “muß”!
@Bergische Löwin
Sie schreiben:
“Immerhin stirbt der Gebildete nach Erfüllung dieses seines kulturellen Auftrags aus, nicht wahr?”
Nicht nur “der Gebildete”, sondern JEDER stirbt nach “Erfüllung … seines kulturellen Auftrags” oder dessen, was er dafür hält, auch, wenn.er Kinder in die Welt gesetzt hat. Falls Sie Leuten, die Kinder in die Welt gesetzt haben, eine Kultur zugestehen möchten, Leuten, die dies nicht getan haben, aber nicht, dann muss festgestellt werden, dass die Kultur der Kinderproduzenten mit ihnen ausstirbt, sofern es ihnen nicht gelingt, ihren Kindern ihre “Kultur” zu vermitteln.
Wenn es gelingt, dann bekommen diese Leute auch wieder Kinder, statt sich auf Bldung, Karriere, Erkenntnis (wie immer Sie das nennen wollen) zu spezialisieren.
Ergo: Die Kultur der Kinderproduzenten sorgt dafür, dass die Gebildeten aussterben.
Ich habe meinerseits große Schwierigkeiten, zu erkennen, was dann daran bitte “Kultur” sein soll. Sind Kinderproduzenten mit “Natur” nicht vollständig zufrieden gestellt? Wenn nicht, gibt es (selbst?) für sie noch einen anderen Lebenssinn als die Suche nach diesem Sinn auf die nächste Generation zu delegieren?
Eine der großen Schwierigkeiten unserer Zeit und – “zivilisierten” und damit “entfremdeten” – Gesellschaft ist die Unklarheit über die Bedeutung von Begriffen. Wobei der Bereich “Wissenschaft” um Definition bemüht ist, der Bereich “Allgemeinbevölkerung” jedoch nicht – oder sehr viel weniger.
Dabei hat sich im Laufe der Zeit die “Wissenschaft” Begriffe des Alltagslebens zu eigen gemacht und ihnen eine Bedeutung gegeben, die manchmal wichtige Anteile von Bedeutung fortläßt oder auch die Bedeutung weitgehen oder völlig verkehrt.
Ich bin über Ihre Verwendung der Begriffe “Natur” und “Kultur” aufmerksam geworden.
Genau genommen ist “Natur” für den/die Menschen völlig ausreichend. Und nicht nur das: Natur ist sogar viel erfüllender und gesünder – für alle Beteiligten – als jede Abweichung davon – wie immer wir das auch nennen möchten: Kultur, Hochkultur oder Zivilisation.
Auch – und vor allem – “Natur”-Völker haben Kultur. Und zwar WAHRE Kultur und nicht die entartete Art der “Hochkulturen” oder der “Zivilisation”. Naturvölker besitzen – noch, anders als die “Hochkulturen” / “Zivilisation” – die Fähigkeit, sich hinausgehend über die rein körperliche Fortpflanzung auch SPIRITUELL im Erzeugen von Nachwuchs zu betätigen. Nur diese Art von Nachwuchs ist fähig, die jeweilige – gesunde – Kultur weiterzutragen.
Zwei Absätze zurück:
Der ursprachliche Begriff “Wahn” z.B. wird von der Wissenschaft (hier: Medizin, Teilbereich Psychiatrie) völlig entgegen seiner ursprünglichen Bedeutung benutzt. (Inwieweit auch die Allgemeinbevölkerung an dieser falschen Deutung / Nutzung beteiligt ist, will ich hier mal fortlassen.)
“Wahn” setzt sich zusammen aus dem Laut “W” und dem Begriff “Ahn”. Was “Ahn” ist, weiß man im Allgemeinen: Ein Vorfahr, ein / der “Ur-Vater”. In diesem Fall wahrscheinlich DER (göttliche) Ur-Vater – “Gott”.
Der Laut “W” ist der ursprachliche Laut für die “Frage”, den “Klärungsbedarf” – wie sich schönerweise bei allen deutschen Fragewörtern erweist.
Ein “Wahn” ist nach ursprünglichem Verständnis also eine “Botschaft” vom “Ahn”, die noch zu klären, zu deuten, ist. Und nicht etwa “nur krank”, wie die Psychiatrie unisono urteilt – und sich irrt, dem “Irrsinn” verfallen ist und nicht dem “Wahn-Sinn”.
Herzliche Grüße:
Frau Diefenbach schrieb:
“Wenn es gelingt, dann bekommen diese Leute auch wieder Kinder, statt sich auf Bldung, Karriere, Erkenntnis (wie immer Sie das nennen wollen) zu spezialisieren.
Ergo: Die Kultur der Kinderproduzenten sorgt dafür, dass die Gebildeten aussterben.”
Fehlschluß! Die Voraussetzung nämlich, daß gebildete Leute, die ihren Kindern Bildung vermitteln, Kinder produzieren, die dann auch nur wieder Kinder kriegen usw., ist empirisch nicht abgesichert. Es ist reine Spekulation. Überhaupt zeigt die Erfahrung: Geschichte läuft nicht mechanisch ab im Sinne eines unendlichen Kausalnexus (“Gleiche Ursache, gleiche Wirkung”).
Es muß einfach Menschen geben, die aus Idealismus auf kulturschöpferische Selbstverwirklichung verzichten und stattdessen Nachwuchs produzieren. Und zum Glück gibt es sie. Aber sie reproduzieren sich nicht selbst.
Lieber Herr Lentze,
ein Fehlschluss ist eine logische Figur, die sich auf den Wahrheitswert von Aussagen bzw. deren Übertragbarkeit von Prämissen auf Konklusionen bezieht. Fehlschlüsse haben entsprechend nichts mit der Empirie zu tun. Das korrekte Argument von Dr. Diefenbach lautete übrigens:
Seiner logischen Struktur nach ist dies ein BARBARA-Syllogismus, und zwar ein korrekter.
Und zu behaupten, dass die selbe Ursache nicht die selbe Wirkung habe, ist hanebüchen. Ich wette, Sie gehen jeden Morgen davon aus, dass der Lichtschalter in einem kausalen Zusammenhang zur Glühbirne steht und untersuchen nicht jeden Tag aufs Neue, den “Kausalnexus”. Wenn dieselbe Ursache nicht die selbe Wirkung hätte, dann wäre Erkenntnisgewinn ein unsinniges Unterfangen. Übrigens machen Sie im letzten Absatz genau den Gegensatz auf, dessen Existenz Sie im davorliegenden Absatz noch in Frage gestellt haben. Aber Sie haben Recht, dass Idealismus meist dann einsetzt, wenn der Realismus sagt, dass man besser nicht in Bildung investiert, weil z.B. die Aussicht auf Erfolg zu gering ist. Fortpflanzung ist übrigens Teil von Natur und hat mit Kultur nichts zu tun, entsprechend bedarf es auch keines Idealismus, der auf was auch immer verzichtet.
Die Zeitschrift “The Open Behavioral Science Journal” vom Verleger Bentham Open, in der der Aarssen/Altman ihren Artikel veröffentlicht haben, ist leider ziemlich unseriös. Der Bibliothekswissenschaftler Jeffrey Beall listet den Verleger als “Potential, possible, or probable predatory scholarly open-access publisher” (siehe http://scholarlyoa.com/publishers/). Die englische Wikipedia liefert einige weitere Hinweise in dieser Sache (siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Bentham_Science_Publishers).
Aha, weil einer sagt, etwas sei unseriös und das Ganze mit Begriffen bestückt, ist das Etwas auch unseriös? Ich bilde mir lieber ein eigenes Urteil und habe bislang keinen Grund anzunehmen, dass Bentham Open “unseriöse” ist. Aber vielleich belegen Sie die Aussagen ja mit einer Begründung und nicht nur mit “negativen Worten”.
Wunderbar, dass Sie sich gleich angegriffen fühlen wegen Kontextinformationen zum Aufhängerartikel ihres Blogposts. Fragen Sie doch mal Frau Diefenbach, ob sie nicht schon einmal Werbung von unseriösen, “wissenschaftlichen” Verlegern bekommen hat! Sobald Wissenschaftler mit einer E-Mailadresse im Netz verzeichnet sind, können sie sich davor kaum retten.
Sehen Sie sich doch einmal in Ruhe das Review von Jeffrey Beall zu Bentham Open im Charleston Advisor an (siehe http://eprints.rclis.org/13538/1/s8.pdf):
In der Tat läßt sich aus der Unseriösität von Bentham Open nicht schließen, dass der Artikel von Aarssen/Altman schlecht, falsch, unseriös oder unwissenschaftlich wäre. Das Geschäftsprinzip von Bentham Open liegt gerade darin potenziellen wissenschaftlichen Autoren zu suggerieren, dass dessen Zeitschriften seriöse wissenschaftliche Zeitschriften mit Peer-Review seien, um dann für die Veröffentlichung von den Autoren zu kassieren (wie das einige Zeitschriften mit sog. Gold Open Access tun). Es kann also gut sein, dass die beiden Autoren davon nichts wussten und ganz normal einen wissenschaftlichen Artikel dort eingereicht haben.
Ich bin dieses ewig selbe Spiel leid.
Ein Kommentator sagt X.
Ich sage, X ist nicht belegt.
Der Kommentator schiebt keinen Beleg nach, sondern behauptet, ich würde mich angegriffen fühlen.
Das mag in Ihren Kreisen klappen, Behauptung mit Vorwürfen von Affekt zu verteidigen und zu hoffen, dass der fehlende Beleg nicht nochmals eingefordert, sondern aufgrund von Verteidigung vergessen wird, aber bei mir klappt das nicht. Ich warte immer noch auf einen Beleg dafür, dass Open bentham “böse” ist. Wenn es so einfach zu belegen ist, können Sie es sicher leisten. Ich werde Ihren verlinkten Text mit Sicherheit nicht lesen, jedenfalls jetzt nicht, denn was auch immer Bentham Open ist oder nicht ist, hat mit der Qualität dessen, was auf ScienceFiles dargestellt wurde, nichts zu tun.
@ Ach, Dago,
dass Sie diese persönlichen Angriffe auf Herrn Klein nötig haben, spricht nun wirklich nicht für Ihre Argumentationskraft…..
Aber da Sie sich oben auf mich bezogen haben:
Ich bekomme endlos viel Post von Verlagen, die für neue Texte werben. Ich unterscheide dabei tatsächlich nicht von vornherein zwischen “seriösen” und “unseriösen” Verlagen, und zwar deshalb nicht, weil ich nicht durch Verlage vorgefiltert haben möchte, was ich mit Gewinn zur Kenntnis nehmen kann und was nicht. D.h. ich interessiere mich für die TEXTE, die Verlage verlegen, nicht für die VERLAGE. Man kann sich das als 4-Felder-Matix vorstellen:
1. Vermeintlich unseriöse Verlage veröffentlichen vermeintlich unseriöse Texte;
2. Vermeintlich unseriöse Verlage veröffentlichen vermeintlich seriöse Texte;
3. Vermeintlich seriöse Verlage veröffentlichen vermeintlich seriöse Texte;
4. Vermeintlich seriöse Verlage veröffentlichen vermeintlich unseriöse Texte.
Dies alles ist aus den verschiedensten Gründen möglich. Z.B. kann Feld 2 dadurch gefüllt worden sein, dass ein Doktorand keine Lust hatte, bei einem renommierten Verlag dafür, dass seine vielleicht ausgezeichnete Doktorarbeit überhaupt gedruckt wird, 4.000 Euro zu bezahlen (und er muss sie gewöhnlich drucken lassen, um seinen Titel führen zu können).
Derzeit scheint mir Feld 4 deutlich am stärksten besetzt, so dass die vermeintliche Seriosität eines Verlags ohnehin kein guter Indikator mehr ist.
Nun ja, da also alle vier Felder in der Realität vorkommen und ich an den TEXTEN interessiert bin, betreibe ich keine Selbstbeschränkung dadurch, dass ich die Texte, die bei bestimmten Verlagen publiziert werden, gar nicht zur Kenntnis nehme (außer Texten, die beim GRIN-Verlag erscheinen – ich gebe es zu, denn es ist einfach so, auch, wenn ich diesbezüglich inkonsequent bin, aber ich glaube wirklich, dass der Name des Verlags auf einen boshaften Scherz auf Seiten seiner Schöpfer hinweist).
Wenn ein Text für mich interessant scheint, dann sehe ich ihn mir an und entscheide dann, ob ich ernstnehmen kann oder nicht, z.B. weil die Argumentation schlüssig oder eben hanebüchen ist oder die Methodik sauber oder eben zum Haare-Raufen schlecht ist. Man könnte, wenn man wollte, auch sagen, ein Text ist (wissenschaftlich) “seriös” oder “unseriös”, aber irgendwie kommen diese Worte in meinem Wortschatz nicht wirklich vor.
Wenn man wirklich Wissenschaft betreiben will, dann gehört dazu auch, dass man sich für Argumente und Belege außerhalb des üblicherweise Vorgebrachten probeweise öffnet, und häufig kommen solche Argumente und Belege von “außen”, also von außerhalb der institutionalisierten Wissenschaft, wie schon Thomas Kuhn mit Bezug auf die “Struktur wissenschaftlicher Revolutionen” meinte, so dass man nicht erwarten kann, dass man alles Lesens- und Wissenswerte allein in “seriösen” Publikationsorganen findet (eher im Gegenteil: sie müssen nicht mehr auf besondere Qualität achten und können jede Menge übersehbare mainstream-Langweiler oder auch einfach nur Schlechtes publizieren). Selbst dann, wenn sich die von “außen” kommenden Dinge als falsch erweisen sollten, hat das die Wissenschaft weitergebracht, weil sie nämlich zeigen musste, dass sie falsch sind und insofern ihre eigenen Argumente stärken konnte. Und manchmal erweisen sich diese von außen kommenden Argumente und Belege auch nicht als falsch, sondern wichtig und weiterführend, wie einige der Beobachtungen der so genannten Grewis.
Warum sollte ich mich sehendes Auges durch Vor-Urteile darüber, ob Verlage seriös oder unseriös sind, von neuen Ideen oder Erkenntnissen oder von alternativen Interpretationen abschneiden? Ich habe z.B. große Freude daran, die “Geschichte”-Sparte beim Kopp-Verlag durchzusehen und mich über die neuesten Verschwörungstheorien auf dem Laufenden zu halten und mich zu fragen, wer ein Interesse daran haben kann, diese Theorien aufzubringen, und wer, diese Theorien als (nur) Verschwörungen darzustellen, etc. etc.. Das öffnet den Horizont, und wer (wie ich) weder Mescalin noch LSD nehmen möchte, für den ist das ein guter Weg, den Horizont an seiner natürlichen Tendenz zur Schrumpfung zu hindern.