so heißt es in der Pressemeldung. Und zu lesen, ist u.a. Folgendes:
“Insbesondere Frauen nutzen vermehrt ihre Bildungschancen. Dies zeigt sich auch auf der Ebene der Promotionen: Bei den unter 45-Jährigen ist der Frauenanteil an den Promovierten mit 41 Prozent fast doppelt so hoch wie in der Altersgruppe der über 55-jährigen (22 Prozent). Im Jahr 2011 waren in Deutschland rund 752.000 Personen promoviert. Über alle Altersstufen hinweg betrug der Anteil der Frauen daran 31 Prozent. Mit 52% stammt etas mehr als Hälfte aller Promovierten aus Nichtakademikerfamilien”.
Was denken Sie? Sind die 752.000 Promovierten, von denen hier die Rede ist, die Grundgesamtheit, die Datenbasis, auf der die dargestellten Prozentwerte errechnet wurden? Die Pressemitteilung erweckt jedenfalls diesen Eindruck. Aber dieser Eindruck ist falsch, wie sich herausstellt, wenn man die Publikation des Statistischen Bundesamts, auf die sich die Erfolgspressemeldung des BMBF bezieht, zu Rate zieht.
Dass 752.000 Personen in Deutschland im Jahre 2011 promoviert waren, ist ein Ergebnis aus dem Mikrozensus. Der Mikrozensus ist eine 1%tige Bevölkerungsstichprobe, von der aus das Statistische Bundesamt seit Jahren munter auf die rund 80 Millionen Deutschen hochrechnet. Wenn man wissen will, zu wie vielen Haushalten und Personen tatsächlich Informationen im Mikrozensus enthalten sind, dann ist GESIS die beste Informationsadresse:
“Insgesamt nehmen rund 370 000 Haushalte mit 820 000 Personen am Mikrozensus teil; darunter etwa 160 000 Personen in rund 70 000 Haushalten in den neuen Bundesländern und Berlin-Ost. … Befragt werden alle Personen im Haushalt. Fremdauskünfte für andere Haushaltsmitglieder sind unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.”
Es ist also mitnichten so, dass im Mikrozensus Daten zu allen 752.000 Promovierten enthalten sind. Es ist vielmehr so, dass im Mikrozensus ein kleiner Teil der Promovierten enthalten ist, von dem aus die vermutliche Gesamtzahl errechnet oder hochgerechnet wird. Aber, die Aussagen, die in der Erfolgspressemitteilung des BMBF verbreitet werden, basieren nicht einmal auf dem Mikrozensus, sondern auf einer eigens angestellten Erhebung, in deren Verlauf je 10.000 promovierte und 10.000 nicht promovierte Personen angeschrieben und zur Teilnahme aufgefordert wurden. Tatsächliche haben sich 6.782 nicht promovierte Personen und 8.250 promovierte Personen an der Befragung beteiligt (Statistisches Bundesamt, 2013, S.6).
Was in der zitierten Pressemitteilung verkündet wird, basiert also nicht auf Daten über alle Promovierte, sondern auf den Angaben von 8.250 Promovierten, deren Aussagen unter der Annahme, dass die auf Grundlage des Mikrozensus errechnete Zahl von 752.000 Promovierten richtig ist, auf eben diese 752.000 geschätzten Promovierten hochgerechnet wurden.
Hochrechnungen sind so etwas wie Kaffeesatzlesen für Fortgeschrittene. Dabei werden bekannte Verteilungen, wie z.B. die Verteilung der Bildungsabschlüsse, die Verteilung nach Wohnsitz in Stadt oder auf dem Land oder die Verteilung nach Alter der Bevölkerung genutzt, um die vorhandenen Daten proportional hochzurechnen. Im vorliegenden Fall wird die Hochrechnung der Angaben der 8.250 Promovierten jedoch nicht auf tatsächliche Verteilungen in der deutschen Bevölkerung vorgenommen, sondern auf die geschätzten Verteilungen der deutschen Bevölkerung, wie sie auf Grundlage des Mikrozensus hochgerechnet wurden. Dies ist eine Form des Gebraucht-Kaffeesatzlesens, bei der die Ergebnisse von Kaffeesatzleser 1 die Grundlage dessen bilden, was Leser 2 in seinem Kaffeesatz findet. In jedem Fall ist es eine Irreführung der Öffentlichkeit, wenn so getan wird, als lägen Daten für alle Promovierten in Deutschland vor.
Regelmäßig enstehen bei dieser Art von Hochrechnung mehr oder weniger große Diskrepanzen, und entsprechend finden sich dann mehr oder weniger willkürliche Zusammenfassungen von Daten. Haben Sie sich eigentlich gewundert, dass der Anteil der Promovierten unter 45 Jahren mit dem Anteil der Promovierten über 55 Jahren verglichen wurde? Was ist z.B. mit den Promovierten im Alter von 46 bis 54 Jahren? Wieso wurden alle unter 45 Jahren und nicht alle unter 44 oder 40 Jahren zusammengefasst? Eine Antworte auf diese Fragen ist eine methodische, und sie kommt aus dem Statistischen Bundesamt:
“Ein Vergleich der Befragtenstruktur der Erhebung mit dem Mikrozensus 2011 zeigt, dass die Altersstruktur der Befragten nicht der der Bevölkerung entspricht. So sind jüngere Altersgruppen (Personen bis unter 45 Jahren) bei den Befragten weniger stark vertreten als in der Grundgesamtheit. Ältere Befragte sind dagegen stärker vertreten. Dies wurde zwar durch die Hochrechnung ausgeglichen, so dass die hochgerechneten Ergebnisse die Altersstruktur in der Bevölkerung widerspiegeln. Die Fallzahlen hinter den jüngeren Altersgruppen und somit auch die Auswertungsmöglichkeiten sind allerdings geringer. Die Altersgruppen unter 45 Jahren wurden aus diesem Grund bei der Hochrechnung und auch bei der Ergebnisdarstellung zusammengefasst” (20).
Die Zusammenfassung der Angaben aller unter 45-Jährigen ist demnach aus der Not geboren, weil ansonsten dem Chefstatistiker beim Statistischen Bundesamt die Haare noch steiler zu Berge gestanden hätten als sie das eh schon tun. Festzustellen ist, dass die Basis der Erfolgsaussage, also die Daten über jüngere Promovierte mehr als wackelig ist. So wackelig, dass selbst Daten die mit einer Fehlerwahrscheinlichkeit von 10% hochgerechnet wurden, in der Erfolgsmeldung verwurstet sind, wie ein Blick auf “Tab 1A” im Anhang der Publikation des Statistischen Bundesamts zeigt. Normalerweise macht man bei einer Fehlerwahrscheinlichkeit von maximal 5% einen Schnitt, weil Aussagen jenseits einer Fehlerwahrscheinlichkeit von 5% einfach zu fehleranfällig sind. Nicht so, wenn das BMBF einen Erfolg vermelden will. Dann werden selbst Daten von 8.250 Promovierten, die auf Angaben von 820.000 Personen hochgerechnet wurden, die wiederum auf 80 Millionen Deutsche hochgerechnet wurden, eben einmal als Vollerhebung ausgegeben.
Warum der Vergleich zwischen den weiblichen Promovierten, die unter 45 jahren alt sind und den weiblichen Promovierten, die über 55 Jahre alt sind? Nun, hätte man andere Vergleichsgruppen gewählt, es wäre keine “Verdoppelung” des Anteils der Promovierten dabei herausgekommen, wie die folgende Abbildung, die die Anteile der Promovierten nach Geschlecht darstellt, wie sie aufgrund der Angaben von 8.250 Promovierten auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet wurden, zeigt.
Statistsiches Bundesamt, 2013, S.25
Bleibt noch der letzte Satz aus der zitierten Sequenz der Pressemitteilung: “Mit 52 Prozent stammt etwas mehr als die Hälfte aller Promovierten aus Nichtakademikerfamilien”. Beim Statistischen Bundesamt liest sich dies anders:
“Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass fast die Hälfte der Promovierten selbst aus Akademikerfamilien stammt (48 %) (vgl. Tab. 2 und Tab. 3A). Nur 4 % stammen aus Familien, in denen kein Elternteil eine berufliche Ausbildung abgeschlossen hat. Auch im Hinblick auf den höchsten allgemeinbildenden Abschluss der Eltern zeigen Promovierte eine deutliche Tendenz hin zu höheren Abschlüssen: 55 % stammen aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil die Fachhoch-/Hochschulreife als höchsten Abschluss aufweist. Selbst verglichen mit der Struktur der Hochqualifizierten insgesamt weisen Promovierte höhere Anteile von Eltern mit Fachhoch-/Hochschulreife bzw. Fachhoch-/Hochschulabschluss auf” (27-28).
Wer bislang gelaubt hat, die Form der Manipulation, wie sie in der vorliegenden Pressemitteilung enthalten ist, sei Zufall und der Unkenntnis geschuldet, die in Ministerien herrscht, wenn es um die Realität geht, der sieht sich getäuscht. Die Täuschung hat Methode, und wenn es darum geht, die angeblich so hervorragende Politik der Begünstigung von Frauen an deutschen Universitäten in Lobeshymnen zu besingen, dann ist die Tatsache, dass Promovierte eine sozial höchst stratifizierte Gruppe darstellen, in die Kinder aus Arbeiterfamilien nicht vorstoßen, gute Stimmung zerstörend. Offensichtlich will man das Feiern der eigenen Illusionen nicht von der Realität in Deutschland trüben lassen, die darin besteht, dass Kinder aus klassichen Arbeiterfamilien, kaum eine Chance auf eine wissenschaftliche Karriere haben und dass entsprechend, wenn man unbedingt fördern wollte, es Kinder aus Arbeiterfamilien wären, denen man einen besseren Zugang zu Universitäten und Promotionen ermöglichen müsste, aber mit Sicherheit nicht Frauen. Wie gesagt, dass Promovierte eine weitgehend sich selbstrekruitierende soziale Gruppe sind, die fast hermetisch gegenüber unteren sozialen Klassen abgeschlossen ist, das interessiert das BMBF und allen voran die derzeitige Ministerin Wanka nicht. Sie will sich feiern:
“Diese Entwicklungen sind erfreulich. Die Zahlen steigen: Wir sind auf dem richtigen Weg. Insbesondere verdeutlichen sie, dass es uns gelingt, immer mehr Frauen zu ermutigen, ihre Potentiale auch auszuschöpfen”.
Einmal davon abgesehen, dass dies eine Leerformelsammlung ist (erfreulich, Zahlen steigen, auf dem richtigen Weg), muss man dann wohl feststellen, dass Ministerin Wanka an den Potentialen von Arbeiterkindern kein Interesse hat oder vielleicht denkt sie auch, Arbeiterkinder sind dumm, sonst wären sie keine Arbeiterkinder geworden…
Statistisches Bundesamt (2013). Hochqualifizierte in Deutschland. Erhebung zu Karriereverläufen und internationaler Mobilität von Hochqualifizierten. Wiesbaden: destatis.
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In dem Artikel spricht das Bmbf von “Hochqualifizierten”. Die werden so definiert, weil sie einen Hochschulabschluss haben. Durch Bologna gibt es immer mehr Hochschulabschlüsse, also immer mehr Hochqualifizierte. Bildungsziel erreicht, ohne dass irgendwer irgendwie besser gebildet werden musste als vorher. Seitdem machen dann auch endlich mehr Frauen als Männer Uniabschlüsse.
Nur promoviert haben die Mädels nicht. Vor allem nicht in MINT-Fächernn. Aber das lässt sich ja durch Gender Studies hervorragend lösen. Man wird jetzt einfach auch Doktorin in Physik, wenn man ein bisschen Blabla macht – wie hier: http://lise.univie.ac.at/artikel/Diss_stadler.pdf
Ist nicht mehr allzu weit hin zu den Gender-Atomkraftwerken.
Dafür promovieren wahrscheinlich immer mehr in Urbanistik und Balkanistik..! Alles Hochqualifizierte, was denn sonst? Dass der Begriff ‘Hochqualifizierte’ nicht schon längst differenzierter betrachtet wird, wundert mich schon lange. Auch eine Theaterpädagogin gehört also nach gängiger Definition zu den ‘Hochqualifizierten’. Dieser schwammige Begriff gehört dringendst überarbeitet!
Eine Verständnisfrage.
Am Ende des Artikels heißt es: dass “Kinder aus klassischen Arbeiterfamilien, kaum eine Chance auf eine wissenschaftliche Karriere haben”
Promovierte “fast hermetisch gegenüber unteren sozialen Klassen abgeschlossen”
Begeht man mit diesen Aussagen nicht den gleichen Fehlschluss wie die Genderaktivisten?
“Gläserne Decke” für Arbeiterkinder?
Oder wollen Arbeiterkinder schlicht nicht promovieren, weil sie andere Ziele im Leben haben? (Wie nicht alle Frauen in Führungspositionen wollen?)
Die Aussage ist eine faktisch. Rund 8% Kinder aus Arbeiterfamilien schaffen es an die Universität, rund 6% halten bis zum Abschluss durch und wie viele promovieren weiß niemand, aber dass es sehr wenige sind, ist sicher. Insofern bestimmte Kriterien, die über eine Grundschulempfehlung an z.B. Gymnasien entscheiden, nur auf “bildungsferne” Familien Anwendung finden, haben Arbeiterkinder mit Sicherheit größere Schwierigkeiten bereits auf ein Gymnasium zu kommen, so dass es genügend empirische Belege für die Existenz von Nachteilen, wenn nicht Benachteiligung gibt. Dagegen ist es bei der vermeintlichen “gläsernen Decke” so, dass es genügend Belege dafür gibt, dass Frauen eine Karriere abwählen.
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In dem Artikel spricht das Bmbf von “Hochqualifizierten”. Die werden so definiert, weil sie einen Hochschulabschluss haben. Durch Bologna gibt es immer mehr Hochschulabschlüsse, also immer mehr Hochqualifizierte. Bildungsziel erreicht, ohne dass irgendwer irgendwie besser gebildet werden musste als vorher. Seitdem machen dann auch endlich mehr Frauen als Männer Uniabschlüsse.
Nur promoviert haben die Mädels nicht. Vor allem nicht in MINT-Fächernn. Aber das lässt sich ja durch Gender Studies hervorragend lösen. Man wird jetzt einfach auch Doktorin in Physik, wenn man ein bisschen Blabla macht – wie hier: http://lise.univie.ac.at/artikel/Diss_stadler.pdf
Ist nicht mehr allzu weit hin zu den Gender-Atomkraftwerken.
Dafür promovieren wahrscheinlich immer mehr in Urbanistik und Balkanistik..! Alles Hochqualifizierte, was denn sonst? Dass der Begriff ‘Hochqualifizierte’ nicht schon längst differenzierter betrachtet wird, wundert mich schon lange. Auch eine Theaterpädagogin gehört also nach gängiger Definition zu den ‘Hochqualifizierten’. Dieser schwammige Begriff gehört dringendst überarbeitet!
Eine Verständnisfrage.
Am Ende des Artikels heißt es: dass “Kinder aus klassischen Arbeiterfamilien, kaum eine Chance auf eine wissenschaftliche Karriere haben”
Promovierte “fast hermetisch gegenüber unteren sozialen Klassen abgeschlossen”
Begeht man mit diesen Aussagen nicht den gleichen Fehlschluss wie die Genderaktivisten?
“Gläserne Decke” für Arbeiterkinder?
Oder wollen Arbeiterkinder schlicht nicht promovieren, weil sie andere Ziele im Leben haben? (Wie nicht alle Frauen in Führungspositionen wollen?)
Die Aussage ist eine faktisch. Rund 8% Kinder aus Arbeiterfamilien schaffen es an die Universität, rund 6% halten bis zum Abschluss durch und wie viele promovieren weiß niemand, aber dass es sehr wenige sind, ist sicher. Insofern bestimmte Kriterien, die über eine Grundschulempfehlung an z.B. Gymnasien entscheiden, nur auf “bildungsferne” Familien Anwendung finden, haben Arbeiterkinder mit Sicherheit größere Schwierigkeiten bereits auf ein Gymnasium zu kommen, so dass es genügend empirische Belege für die Existenz von Nachteilen, wenn nicht Benachteiligung gibt. Dagegen ist es bei der vermeintlichen “gläsernen Decke” so, dass es genügend Belege dafür gibt, dass Frauen eine Karriere abwählen.