Deutscher Gesetzgebungs-Dilettantismus [ScienceFiles-Rätsel]

Einst hat sich Amtsrichter Kallembach am Amtsgericht Chemnitz darüber geärgert, dass das Arbeitnehmerentsendegesetz in weiten Teilen unlesbar ist, in den meisten Teilen, in denen es lesbar ist, nicht verständlich ist und in den Teilen, in denen es verständlich ist, nicht anwendbar ist. Den Leipziger Landrichter Ommeln haben die Verweise ins Nichts, die sich im Sozialgesetzbuch in großer Zahl finden und besonders dann interessant sind, wenn sie mit dem Hinweis erfolgen, dass man ansonsten verfahre, wie in § XY angegeben, also so wie in dem Paragraphen angegeben, den es nicht gibt, schier zur Verzweiflung getrieben.

Schlechte Gesetze, handwerklich schlechte Gesetze voller vager Begriffe, voller Formulierungen, die sich schon bei oberflächlicher Betrachtung im Bedeutungsnichts verlieren, Gesetze, die in entscheidenden Passagen auf nicht vorhandene Ausführungsbestimmungen oder andere Paragraphen verweisen, die genauso durch Abwesenheit glänzen, sind in Deutschland Realität. Was fehlt ist die Kritik an diesem Gesetzes-Dilettantismus.

Um Kritik an dem Sprachschrott, der Gesetz genannt wird, zu hören, muss man viel Zeit investieren, um mit Richtern bekannt zu werden, um die entsprechende Kritik zu lesen, muss man suchen, lange suchen.

Aber: Wir haben Kritik am deutschen Gesetzgebungsdilettantismus gefunden, daran, dass die Gesetzgeber in Deutschland sich seit Jahren, nein Jahrzehnten dadurch auszeichnen, dass sie machen, einfach machen, ohne Sinn und Zweck. Und weil wir wissen, dass manche, vielleicht auch viele unserer Leser an Sonntagen in ein Loch fallen, ein Untätigkeitsloch, aus dem sie nur schwer herausfinden, hier unsere Aufgabe für die besonders motivierten: Wer hat den folgenden Text geschrieben? Für die weniger Motivierten belassen wir es bei einer multiple-Choice Aufgabe und fragen: Wann wurde der Text geschrieben?

„Die Mängel der meisten Gesetze beginnen bei der Formulierung der zu realisierenden Ziele, die entweder in der Begründung oder im Gesetz selbst genannt sind. Diese Ziele sind normalerweise extrem unklar formuliert. Falls sie überhaupt diskutiert werden, läßt die Art der Argumentation erheblich zu wünschen übrig. Theorien, die implizit angewendet werden, kann man nur erahnen: die Begriffe, aus denen die Theorien vermutlich bestehen, sind häufig Leerformeln. Normen, die ebenfalls Leerformeln sind (z.B. die Normen des Grundgesetzes), werden zur Rechtfertigung angeführt, so dass es sich hier um Scheinlegitimation handelt.

Inwieweit die vorgeschlagenen Maßnahmen tatsächlich zur Realisierung des propagierten Ziels führen und welche anderen (positiv oder negativ bewerteten) Konsequenzen diese Maßnahmen haben, wird normalerweise nur angedeutet. Auch hier werden die angewendeten Theorien nicht explizit formuliert.

Inwieweit die zu realisierenden Ziele faktisch bereits realisiert sind, wird lediglich vermutet. Weiterhin erfährt man nicht, ob nicht andere Maßnahmen als die vorgeschlagenen vielleicht effektiver wären.

Da bei der Formulierung eines Gesetzes normalerweise keine Untersuchungen durchgeführt werden, wird auch nicht geprüft, inwieweit die zu ergreifenden Maßnahmen bereits realisiert sind.

Die Wirkungen eines Gesetzes werden – wenn überhaupt – durch ‚Erfahrungsberichte‘ von Richtern, Polizei usw. abgeschätzt. Hier feiert also die intuitive Alltagsforschung mit ihren Mängeln Triumphe. Zuweilen versucht man, aufgrund vorliegender offizieller Statistiken den ‚Erfolg‘ eines Gesetzes zu ermitteln. So pflegt man z.B. den Erfolg von Änderungen der Straßenverkehrsordnung dadurch abzuschätzen, dass man die Zahl der Unfälle bestimmter Unfallarten (z.B. mit tödlichem Ausgang) vor und nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung miteinander vergleicht. Dass auch andere Faktoren als die Gesetzesänderung eine Rolle gespielt haben könnten, wird dabei selten diskutiert. Zuweilen werden auch Statistiken herangezogen, ohne dass deren Fragwürdigkeit deutlich gemacht wird. Das gilt vor allem für Statistiken über die Veränderung in den Häufigkeiten von Straftaten; Sozialwissenschaftlern ist seit langem bekannt, dass diese Statistiken normalerweise nicht die real vorhandene Delikthäufigkeit beschreiben.

Es wäre an der Zeit, auch in der Bundesrepublik bei wichtigen Gesetzen endlich Untersuchungen durchzuführen. Forschungen anderer Länder könnten hierfür als Vorbilder dienen“.

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