Sekundäre Primitivität und kulturelle Regression: Klimahysteriker geben alten Konzepten neue Relevanz
von Dr. habil. Heike Diefenbach
Vom Konzept der „sekundären Primitivität“ hat vermutlich außer Menschen, die Ethnologie studiert haben und inzwischen vermutlich auch schon höheren Alters sind, kaum jemand etwas gehört, schon deshalb nicht, weil es in Zeiten politischer Korrektheit mit sozialen Risiken behaftet ist, ein Wort wie „Primitivität“ überhaupt zu benutzen, insbesondere mit Bezug auf menschliche Lebensweisen bzw. menschliche kulturelle Leistungen. Dabei kennt selbst die Wikipedia den Umstand, dass der Begriff „Primitivität“ vom lateinischen Begriff „primitivus“ kommt, der „das Erste in seiner Art“ (Scheller 1796: 2207) bezeichnet, was wiederum auf Ursprünglichkeit oder Originalität verweist. Allerdings wäre die Wikipedia nicht die Wikipedia, würde sie diese Bedeutung des Begriffs „Primitivität“ mit Bezug auf den „sozialen Zusammenhang“ nicht umdeuten in „einen empfundenen [von wem?!; anscheinend den Verfassers dieses Eintrages …] Mangel an Zivilisiertheit“.
Dies ist aber keineswegs die naheliegendste und schon gar nicht die einzig mögliche Bedeutung des Begriffs „Primitivität“ im „sozialen Zusammenhang“. Tatsächlich wurde der Begriff in der Ethnologie gewöhnlich nicht wertend, als einen Mangel anzeigend, sondern als Synonym für „einfach“ verwendet. Nur, wer mit „primitiv“ irgendwelche Mängel verbindet, die darüber hinaus mit einer Minderwertigkeit im Vergleich mit irgendetwas Anderem verbunden gesehen werden, kann auf die Rede von „primitiven Völkern“, die in der Ethnologie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts üblich war, empfindlich reagieren und übersehen, dass „primitive Völker“ benutzt wurde zur Bezeichnung von Gruppen von Menschen, deren Zusammenleben von Einfachheit in vor allem technologischer Hinsicht geprägt ist/war, oft mit spezifischem Bezug auf die Art und Weise ihres Wirtschaftens, d.h. die Techniken zur Sicherung ihres materiellen Lebensunterhaltes.
Solche Einfachheit war für viele, insbesondere kulturhistorisch orientierte, Ethnologen und an Kulturgeschichte Interessierte aus anderen Gebieten besonders interessant, denn aus kulturhistorischer Sicht warf die bei vielen „Völkern“ auf allen Kontinenten der Erde beobachtete technologische bzw. wirtschaftliche Einfachheit die Frage auf, ob diese Einfachheit als Ursprünglichkeit zu interpretieren sei oder nicht. Einfachheit als Ursprünglichkeit interpretiert würde uns ermöglichen, zumindest eine Vorstellung von der Lebensweise von Menschen bis in die Prähistorie hinein zu entwickeln, und uns damit etwas über unsere Vorfahren, über unsere Geschichte als Menschen, lehren, so die Idee. Um diese Idee angemessen würdigen zu können, muss man sich vergegenwärtigen, dass die Archäologie zur damaligen Zeit selbst nicht über die technologischen Mittel verfügte, um ein einigermaßen akkurates und umfassendes Bild von der Lebensweise der frühen Menschen zeichnen zu können, also im Vergleich zu den Mitteln, die der Archäologie heute zur Verfügung stehen und die dennoch viele Frage offen lassen muss, „primitiv“ gewesen ist. (Für den hieran interessierten Leser sei darauf hingewiesen, dass Karl J. Narr in einer Zusammenstellung der Mittel und Wege, auf denen man sich der Frage nach der Lebensweise der Menschen in ihrer frühen Geschichte annähern kann, aus durchaus bedenkenswerten Gründen dafür argumentiert, die Lebensweise zeitgenössischer Jäger- und Sammlergesellschaften trotz aller damit verbundenen Unsicherheiten als Analogien zur Lebensweise in der frühen Menschheitsgeschichte zu betrachten; s. Narr 1962.)
Aber konnte die beobachtete Einfachheit überhaupt als Ursprünglichkeit interpretiert werden? Und wenn nicht, konnte Einfachheit in einigen Fällen Ursprünglichkeit abbilden, aber in anderen nicht? Und hier kommt das Konzept von der sekundären Primitivität ins Spiel, das von dem deutschen Ethnologen Fritz Krause in den 1920er-Jahren formuliert wurde. M.W. hat er erstmals in seinem Buch über „Das Wirtschaftsleben der Völker“ aus dem Jahr 1924 zwischen „primär primitive[n] Völker[n], wie Semang, Senoi“ (Krause 1924: 24) und „sekundär primitive[n] Völker[n], wie Buschmänner, viele Australier, Feuerländer)“ (Krause 1924: 23) unterschieden, wobei Letztere von einer einstmals differenzierteren Technologie zu einer einfacheren „abgesunken sind“ (Krause 1924: 23). In seinem kurz darauf veröffentlichten Text „Zum Problem der primitivsten Völker“ erläutert Krause dann: „die primär primitiven Völker stellen also eine durch besondere Naturbedingungen [!] zurückgehaltene und dauernd erhaltende Kulturform dar“ (Krause 1925/1926: 309), während „… die sekundär primitiven Völker unter denselben Naturbedingungen abgesunken sind …“ (Krause 1925/1926: 310), und deshalb müssen „[f]ür alle Fragen nach der primitivsten Kulturform die sekundär primitiven Völker ausgeschaltet [werden] und [dürfen] nur die primär Primitiven herangezogen werden“ (Krause 1925/1926: 310-311).
Neben theoretischen und logisch-argumentativen Problemen, von denen einige schon bei Koppers (1927) genannt sind, ist das Hauptproblem mit Bezug auf „sekundäre Primitivität“, sie als solche zu erkennen: „… wie vermag Krause … im Einzelfalle mit absoluter oder auch nur mit hinreichender Sicherheit festzustellen, ob eine primärer oder sekundäre Primitivität gegeben ist?“ (Koppers 1927: 615), und dieses Problem hat sich in vielen und über Jahrzehnte anhaltenden Debatten über die „Einzelfälle“ niedergeschlagen (s. z.B. Herzog 1967; Hirschberg 1934; Sellato 1993; 1988).
Für uns ist hier aber nicht wichtig, bei welchen ethnographisch beschriebenen Gruppen man, wenn überhaupt, warum von primär primitiven oder von sekundär primitiven Gruppen sprechen kann. Vielmehr ist es wichtig, festzuhalten, dass
„[d]evelopmental change in culture is not necessarily from simple to complex. Simplification may itself be a developmental change, as we see frequently in the morphology of languages. Primitivity may remain relatively stable, as proved by the existence of extremely simple societies among our primitive contemporaries. Secondary primitivity may occur as a result of historical and environmental factors which cause a loss of useful arts and techniques. There are no transcendental scientific standards on which to base the idea that the changes which have happened in the history of civilization constitute an orderly moral progress, or contain within them some cosmic idea or purpose, or are the inevitable expression of human striving in some pre-ordained direction” (Lesser 1952: 135).
Kultureller Wandel muss also nicht notwendigerweise in Richtung größerer Komplexität gehen, sondern kann auch in Richtung größerer Einfachheit gehen, wenn z.B. Umweltfaktoren zum Verlust von Kenntnissen und Technologien führen. Und wenn sekundäre Primitivität ein Ergebnis von historischen Ereignissen wie Veränderungen der Umweltbedingungen sein kann, dann folgt darauf, was bereits Krause bemerkt – und in der damals normalen Sprache – formuliert hat, nämlich dass
„Absinkungsvorgänge […] auch auf anderen Kulturstufen [als der von Jäger- und Sammler-Gesellschaften] und auf anderen Kulturstufen hin möglich [sind]“ (Krause 1925/1926: 310).
Weil der Begriff „sekundäre Primitivität“ – wie oben berichtet – eng mit der Frage der Ursprünglichkeit der Lebensweise von zeitgenössischen Jäger- und Sammler-Gesellschaften verbunden ist, „Absinkungsvorgänge“ aber prinzipiell in jeder Gesellschaft, gleich, welchen technologischen Standes, stattfinden kann, ziehen viele Autoren dem Ausdruck „sekundäre Primitivität“ andere Bezeichnungen vor, z.B. „kulturelle Regression“ (Kleihauer 1991) und – im englischsprachigen Raum – „cultural devolution“ (Martin 1969).
Kulturelle Regression ist kein seltenes Phänomen. Man kann darüber streiten, ob z.B. der vergessene Sinn bestimmter Feste oder Symbole, die nach wie vor gefeiert/benutzt werden, eine Form kultureller Regression darstellt oder nicht. Im technologischen Bereich ist die Frage aber relativ einfach zu beantworten: Wenn der Verlust von Technologien dazu führt, dass in einer Gesellschaft für bestimmte Zwecke keine oder weniger effiziente Mitteln zur Verfügung stehen, dann kann man sicherlich von technologischer Regression sprechen, die aber immer auch eine kulturelle Regression ist, weil Ergologie und Technologie kulturelle Errungenschaften sind ebenso wie der kompetente Umgang mit bestimmten Technologien.
Und der Verlust von Technologien ist vielfach dokumentiert, wird einer breiteren Öffentlichkeit aber oft erst dann bekannt, wenn alte Technologien, die einstweilen vergessen worden sind, wiederentdeckt werden und teilweise wieder eingesetzt werden oder wiedereingesetzt werden sollen. Ein Beispiel hierfür ist die Wiedereinführung der Bewirtschaftung von hochgelegten Feldern am Titicaca-See die nicht nur am Titicaca-See, sondern an vielen Orten in Mittel- und Südamerika, einmal üblich war, aber beendet und vergessen wurde, wie archäologische Forschung gezeigt hat (Erickson 1988; Erickson & Candler 1989):
„The reconstruction of raised fields in the Lake Titicaca Basin illustrates the role archaeology can play in developing alternative technologies. Because raised field agriculture was completely abandoned in the Andes, archaeological methods provide the only means to understand the history of the system and to develop models for its proper rehabilitation. Excavation indicates that the prehistoric abandonment of the raised fields was due to socio-political changes rather than environmental limitations or change. This implies that, with proper consideration of the contemporary socio-economic context and the ecologically sound prehistoric models, raised field agriculture had productive potential for the future of development in the Lake Titicaca Basin …” (Erickson & Chandler 1989: 230).
Ein anderes Beispiel für eine sehr alte, vergessene Technologie, die in der Neuzeit wieder nutzbar gemacht wurde, sind die extrem scharfen Messerschneiden aus vulkanischem Glas, die vor etwa 2.500 Jahren in Mittelamerika hergestellt und von Archäologen entdeckt wurden:
„The technique of production of these blades was rediscovered 12 years ago by Dr. Don Crabtree, who suggested possible uses for the blades in modern surgery. Blades produced by Dr. Crabtree have been used in experimental microsurgery with excellent results” (Buck 1982: 265).
Vermutlich werden viele vergessene Technologien gar nicht also solche erkannt. Einige von ihnen werden nur deshalb erkannt, weil irgendeine Anomalie Anlass für eine nähere Betrachtung gibt, wie im folgenden Beispiel: In Indien haben Forscher die Zusammensetzung des Kalkputzes analysiert, der auf das sehr gut erhaltene Charminar in Hyderabad, das im Jahr 1591 erbaut wurde, aufgebracht wurde, um eine Erklärung für den guten Erhaltungszustand zu finden, und kamen zum folgenden Ergebnis:
„TGA [Thermogravimetrische Analyse] confirms the results of XRD [Röntgenpulverdiffraktometrie] and indicated the loss of weight around temperature of 750 °C showing decomposition of calcite and vaterite and release of CO2. SEM [Rasterelektronenmikroskop] images validated the presence of calcite and vaterite. The organics present in the lime plasters in the form of carbohydrates and proteins has mitigated the degradation of materials that could be the main reason behind the sound survival of the Charminar over the ages. On fermentation, organics were converted into alcohols of short chain and stabilised the formation of meta stable vaterite rather than calcite. This keeps the mortar young and hence the durability of the structure” (Ravi, Thirumalini & Taher 2018).
Wollte man hierzu bemerken, dass es sich hier lediglich um einzelne Technologien auf bestimmten Gebieten handle, deren Relevanz fragwürdig sei, würde man übersehen, dass wir erstens nichts über die tatsächliche Relevanz dieser Technologien in früherer Zeit und ebenso über ihre potenzielle Relevanz für die Gegenwart und Zukunft wissen, und außerdem übersehen, dass die wiederentdeckten Technologien als Hinweise auf die Existenz vieler weiterer vergessener Technologien gelten können, die sich bislang sozusagen in einem technologischen Dunkelfeld befinden, also bislang nicht als solche erkannt bzw. wiederentdeckt wurden. Aber es stimmt: Die Wieder-Entdeckung vergessener Technologien ist oft ein direktes Ergebnis der Verwendung neuer Technologien, die einem Strang technologischer Entwicklung angehören, der die Wieder-Verwendung wiederentdeckter Technologien unnötig macht.
Ist die Frage nach technologischer bzw. umfassenderer kultureller Regression zwar interessant, aber praktisch mehr oder weniger irrelevant? Sicher nicht.
So wird im Zusammenhang mit der Inszenierung vom menschengemachten Klimawandel vielleicht erstmals in der Geschichte der Menschheit eine technologische Regression auf globaler Ebene bewusst angestrebt – eine technologische Regression, die für notwendig erklärt wird, um zu verhindern, dass aufgrund eintretender Umweltveränderungen eine noch umfassendere technologische Regression, für die wohl die Bezeichnung „sekundäre Primitivität“ angebracht sein würde, erzwungen wird. Wie wir wissen, basiert diese Inszenierung nicht auf den verfügbaren empirischen Daten, sondern auf manipulierten Daten und unhaltbaren Prämissen, so dass keine sekundäre Primitivität aufgrund unterlassener bewusster technologischer Regression droht.
Aber es ist durchaus möglich, dass sich sekundäre Primitivität – aus anderen Gründen als einem menschengemachten Klimawandel – in der Menschheitsgeschichte mehrfach eingestellt hat und in Zukunft wieder einstellen wird. Beispielsweise argumentiert der Geologe Robert Schoch in seinem vielgelesenen Buch „Forgotten Civilization: The Role of Solar Outbursts in Our Past and Future“ (deutsch: „Die vergessene Zivilisation: Die Bedeutung der Sonneneruptionen in Vergangenheit und Zukunft“ – und auf der Basis archäologischer und geologischer Daten – dafür, dass es eine technologische fortgeschrittene Zivilisation vor dem Ende der letzten großen Eiszeit gegeben hat, die durch eine katastrophale Sonneneruption zerstört wurde, die zyklischen Charakter hat und deshalb früher oder später wieder eine menschliche Zivilisation zerstören wird. Schoch kommt das Verdienst zu, als einer der ersten institutionalisierten, d.h. im Universitätsbetrieb tätigen, Wissenschaftler trotz damit verbundener persönlicher und professioneller Risiken Anregungen auf- und ernstgenommen und (auch) mit den Mitteln seiner eigenen Disziplin, der Geologie, überprüft zu haben, die eine Reihe alternativer Forscher wie Christopher Dunn, Brian Foerster, Graham Hancock oder der YouTube-er Praveen Mohan, d.h. Forschern außerhalb der institutionalisierten Wissenschaft, – ihrerseits verdienstvollerweise – gegeben haben.
Zwar benutzt Schoch diese Begriffe nicht, aber was er schreibt, ist letztlich, dass wie in der Vergangenheit auch zukünftig Sonneneruptionen die Menschheit wieder in eine sekundäre Primitivität schicken werden, zumindest aber zu einer starken technologischen Regression globalen Ausmaßes führen werden.
Bislang verfügen wir über keine Technologie, die die Erde vor kataklysmischen Ereignissen, die aus dem Weltall auf sie kommen, zu schützen. Und möglicherweise werden wir nicht genug Zeit bis zum nächsten kataklysmischen Ereignis zur Entwicklung einer solchen Technologie haben. Sicher ist aber, dass eine aufgrund einer bloß erfundenen Bedrohung absichtlich herbeigeführte technologische Regression die Entwicklung von Technologien verhindern wird, die wir bitter nötig hätten, wenn wir nicht als Menschheit immer wieder in sekundäre Primitivität zurückgeworfen werden wollen – oder gar aufhören wollen, zu existieren. Wer einer freiwilligen technologischen Regression das Wort redet, rettet also keineswegs kommende Generationen, sondern – im Gegenteil – gefährdet die Möglichkeit ihrer Existenz. Eine Entwicklung zur größerer Einfachheit ist vor diesem Hintergrund keine Option für die Entwicklung menschlichen Lebens auf dem Planeten Erde, oder anders gesagt: technologische Regression schützt nicht vor sekundärer Primitivität, sondern macht ihr Eintreten wahrscheinlicher.
Literatur:
Buck, Bruce A., 1982: Ancient Technology in Contemporary Surgery. Western Journal of Medicine 136(3): 265-269.
Erickson, Clark L., 1988: Raised Field Agriculture in the Lake Titicaca Basin. Expedition 30(1): 8-16.
Erickson, Clark L. & Candler, Kay L., 1989: Raised Fields and Sustainable Agriculture in the Lake Titicaca Basin of Peru. S. 230-248 in: Browder, John O. (Hrsg.): Fragile Lands of Latin America: Strategies for Sustainable Development. Boulder, Co.: Westview Press.
Herzog, Rolf, 1967: Zur Frage der Kulturhöhe und der Wirtschaftsform der Frühen Bedja. Paideuma: Mitteilungen zur Kulturkunde 13: 54-59.
Hirschberg, Walter, 1934: The Problem of Relationship between Pygmies and Bushmen. Africa: Journal of the International African Institute 7(4): 444-451.
Kleihauer, Maike, 1991: Kulturelle Regression bei Jäger- und Sammlerkulturen. Münster: LIT.
Koppers, P. W., 1927: Fr. Krause’s ‚Strukturlehre‘ als Teil der kulturhistorischen Methode. Anthropos 22 (3/4): 614.617.
Krause, Fritz, 1925/1926: Zum Problem der primitivsten Völker. Archiv für die gesamte Psychologie LIV: 289-312.
Krause, Fritz, 1924: Das Wirtschaftsleben der Völker. Breslau: F. Hirt.
Lesser, Alexander, 1952: Evolution in Social Anthropology 8(2): 134-146.
Lothrop, Samuel Kirkland, 1928: The Indians of Tierra del Fuego. New York: Museum of the American Indian, Heye Foundation.
Martin, M. Kay, 1969: South American Foragers: A Case Study of Cultural Devolution. American Anthropologist 71(2): 243-260.
Narr, Karl J., 1962: Approaches to the Social Life of Earliest Man. Anthropos 57(3./6.): 604-620.
Ravi, Ramadoss, Thirumalini, Selvaraj & Taher, N., 2018: Analysis of Ancient Lime Plasters – Reason Behind Longevity of the Monument Charminar, India. A Study. Journal of Building Engineering 20: 30-41.
Scheller, Immanuel Johann Gerhard, 1796: Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handlexicon vornehmlich für Schulen. Erster oder lateinisch-deutscher Theil. Leipzig: Caspar Fritsch.
Sellato, Bernard, 1993: The Punan Question and the Reconstruction of Borneo’s Culture History, S. 47-81 in: Sutlive, Vinson H., Jr. (Hrsg.): Change and Development in Borneo: Selected Papers from the First Extraordinary Conference of The Borneo Research Council, August 4-9, 1990. Williamsburg: Borneo Research Council.
Sellato, Bernard, 1988: The Nomads of Borneo: Hoffmann and “Devolution”. Borneo Research Bulletin 20(2): 106-120.
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Hallo Frau Diefenbach, danke abermals für diesen wunderbaren Artikel. Ich hätte da eine Frage zu dem Begriff der Einfachheit. Könnten Sie diesen noch etwas näher erläutern? Mir erschließt sich die Applikation des Begriffs nicht so recht, dass EInfachheit zu einem direkt beobachtbaren Phänomen macht. Bzw. erscheint mir Einfachheit so geschildert als eine ästetische Kategorie, weniger ein Fakt der sich an Artefakten und Völkern ablesen lässt, und damit unangenehm subjektiv. Welche Kriterien setzen Sie bzw Ethnologen als Maßstab an. Auf welche “Ebene” setzt die Betrachtung an?
Ich versuche mir das Leben als Jäger nachzuvollziehen, der die Technik des Spurenlesens beherrscht. Und ich muss sagen, mir erscheint das alles andere als einfach so eine Technik zu beherrschen. Mein gegenwärtiges Ich geht dagegen im Supermarkt “jagen”.
Dies gesagt, habe ich den Eindruck, dass unsere technischen Spielzeuge, je komplizierter sie werden, doch letztendlich andere Lebensbereiche vereinfachen. So als wäre die technische Entwicklungsgeschichte ein ständiges Hin und Her, die die Einfachheit in einigen Lebensbereichen anstrebt zum Preis andere Lebensbereiche hoffnungslos zu verkomplizieren.
Danke Ihnen und Ihrem Vor-Kommentator Chaeremon für das nette feedback, das natürlich freut und zu weiteren Taten motiviert 🙂
Zur Frage nach dem, was “Einfachheit” bedeuten soll:
Zunächst einmal ist es eine ziemlich gute, weil interessante und nicht so einfach zu beantwortende Frage.
M.W. hat in der Ethnologie keine systematische Auseinandersetzung mit dem Konzept der Einfachheit stattgefunden.
Die “alten” Ethnologen verbinden in aller Regel ein rein deskriptives Konzept damit, das außerdem ganz überwiegend auf materielle Kultur bzw. Technologie bezogen ist. “Einfachheit” bezeichnet eigentlich keine absolute Größe, ist jedenfalls nicht als absolute Größe interessant, sondern eine Relation: eine Technik, die weniger Manipulation an in der Natur gegebenen Materialien erfordert, weniger spezialisiertes oder Erfahrungswissen in der Aufbereitung oder im Umgang mit Materialien, ist eine einfacheRE Technologie als eine, die eine größere Manipulation des Materials, mehr spezialisiertes Wissen … erfordert.
Natürlich kann man sagen, dass etwas, was ich kenne, für mich einfacher ist als etwas, das ich nicht kenne, also z.B. ist es für mich einfacher, Öl in den Heizkessel zu füllen oder den Thermostaten zu bedienen als ein Feuer mit dem Feuerbogen anzuzünden. Und so betrachtet kann man sagen, dass die Frage, was einfach ist, kulturabhängig, wenn nicht individuell, zu beantworten ist.
Aber so ist das mit der Einfachheit in der Ethnologie nicht gemeint. Gemeint ist, dass meine ölbetriebene Heizung eine weit komplexere Technologie ist als das Feuer mit dem Feuerbogen, weil meine Heizung eine ganze Reihe sehr elaborierter und spezialisierter Technologien erfordert/voraussetzt, um funktionieren zu können: die Kunst der Ölförderung, Raffinerien, die Logistik hinter der Versorgung mit Öl, ,den Boiler (samt Tiger loop, Ölpumpe etc.), den Betrieb von Heizkörpern samt Herstellung, Installation und Wartung derselben usw. usw. Und das alles nutzt nicht viel, wenn ich nicht weiß, wie ich den Boiler so manipuliere, dass ich zu den gewünschten Zeiten die Heizkörper in welchen Zimmern betreiben kann oder warmes Wasser brauche.
Feuermachen mit dem Feuerbogen ist auch nicht so einfach. Man muss z.B. wissen oder ausprobieren, welches Holz sich dazu eignet, u.ä.m., aber insgesamt gesehen ist es eine Technologie, die ein Mensch allein, aber zweifellos wenige Menschen, von denen zumindest einer Erfahrungswissen mit dem ganzen Prozess hat, bewältigen kann. Das kann man für den Betrieb ölbetriebener Heizanlagen nicht sagen.
Oder ganz plakativ gesagt:
Stellen Sie sich vor, dass nach einem katastrophalen Meteoriteneinschlag nur wenige Menschen auf der Erde übrig sind. Und diese Menschen frieren und wollen ein Feuer mache. Was tun sie? Versuchen sie, Feuer mit relativ einfachen, direkt verfügbaren Materialien anzuzünden, oder machen sie sich daran, Öl zu fördern …?!
Also: “Einfachheit” bedeutet am ehesten: vergleichsweise wenig komplex.
Wie technologische Einfachheit mit Einfachheit in anderen Bereichen zusammenhängt, ist eine umstrittene Frage. Klar ist aber, dass man nicht einfach sagen kann: “dort einfach, überall einfach”.
Die traditionellen Navajo z.B. waren eine der technologisch einfachsten Gesellschaften, von denen wir jemals Kenntnis erhalten haben, aber gleichzeitig ist ihre Sprache einer kompliziertesten bekannten Sprachen, und ihr Verwandtschaftssystem ziemlich elaboriert, so elaboriert, dass wir im Westen keine Worte habe, die die Leute voneinander differenzieren könnte, die die Navajo als Verwandte verschiedener Art (wir würden vielleicht sagen: verschiedenen Grades) sprachlich voneinander unterscheiden können (bzw. konnten; ich weiß nicht, wie präsent unter den jetzt lebenden Navajo diese Verwandtschaftsterminologie noch ist).
Ich hoffe, dies alles ist für Sie mehr oder weniger interessant oder hilfreich!?
Liebe Frau Diefenbach, da fragen Sie noch? Ja, es ist absolut interessant. Ob es hilfreich ist, wird sich hingegen zeigen. Ich jedenfalls glaube daran, dass ethnologische Erkenntnisse, sowie anthropologische Erkenntnisse im Allgemeinen, uns dabei helfen ein grundlegendes Verständnis fremder Kulturen zu entwickeln, das wiederum, so hoffe ich, ein Bedingung ist um einen nüchternen Blick auf die eigene Kultur zu erlangen.
Es ist ein Jammer, dass ausgerechnet diejenigen die am lautesten nach Multikulti, Diversity, Exchange rufen, diejenigen sind, die vor lauter Ignoranz nicht einmal mitbekommen, wie sehr sie ihre Prägungen, ihre Moralvorstellungen, ihre Wertegefüge in andere Menschen hineinprojezieren… und was für einen Schaden sie mit dieser Naivität anrichten.
Jedenfalls möchte ich Ihnen danken, dass sie meine Frage mit Ihrer ausführlichen Antwort würdigen.
Meines Erachtens fehlt in der kulturellen Betrachtung der Aspekt der Rekursivität. Wir alle stammen einem Pfad ab, über den es wert ist zu reflektieren, um sich auf die Grundlagen des Pfades zu berufen und um sich die wichtigen Abzweigungen zu vergegenwärtigen, wie auch das, was konstant blieb über die Generationen und Kulturphasen. Ich denke, es ist der Kardinalfehler in der Dialektik (nicht zu sprechen vom historischen Materialismus), dass die rekursive Betrachtung der Vergangenheit aufgegeben wurde zugunsten des Denkens in Widersprüchen. Denn Widersprüche in sich haben keine Abfolge, sie stehen zeit- und strukturlos im Raum und prallen immer wieder aufeinander, nicht weil es einen Grund gäbe, sondern weil es mangels tieferem Verständnis “so sein muss”. Ohne Kenntnis der Instrumentalität der zu Konflikten führenden Pfaden, lassen sich Widersprüche nicht verstehen, egal wie logisch und nahel iegend sie sich anfühlen.
Das wohl beste Beispiel sind die 10 Gebote, die man erst dann in ihrer Gänze versteht, wenn man sie nicht als These sieht, in der ein Gott Gesetze vorgibt, auf die sich eine Gegenthese bildet ohne oder gar gegen einen Gott mit anderen Gesetzen, sondern vielmehr als Ursprung für einen Pfad an dessen Beginn die Logik gesetzt wurde. Denn genau das stellen die ersten beiden Gebote dar, bei denen es nur oberflächlich um Gott geht, sondern in denen vielmehr die Grundlagen logischen Denkens gelegt werden: 1. Es gibt Gott (es gibt ein A) und 2. Wenn Gott ist, dann gibt es keinen anderen Gott (A ungleich B).
Ohne dieses Verständnis wird jeder Widerspruch gegen die vermeintliche Unsinnigkeit eines der weiteren Gebote oder eines daraus abgeleiteten Gesetzes sinnlos. Man versteht nicht, wogegen man ist und verliert sich daher im Chaos, da es am Weitblick in die Vergangenheit fehlt und damit am größeren Zusammenhang.
Das Gebot “Kein Bildnis sollst Du Dir machen” find ich am Besten! Es kommt ohne Gott aus und empfiehlt einfach und klar, sich nichts vorzustellen und mit offenen Augen durchs Leben zu gehen, he, he!
Denn wenn ich mir etwas vorstell´, dann stell ich mir ja etwas vor, z.B. vor das, was wirklich ist und kann damit, ob der Vor-Stellung, vor das was dahinter ist, die Wirklichkeit gar nicht erkennen.
Es ist das Gebot, gegen das am meisten und permanent verstossen wird!
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Vielen Dank Frau Dr. Diefenbach, sehr gut durchdachter Stoff der zum Selberdenken anregt.
Hallo Frau Diefenbach, danke abermals für diesen wunderbaren Artikel. Ich hätte da eine Frage zu dem Begriff der Einfachheit. Könnten Sie diesen noch etwas näher erläutern? Mir erschließt sich die Applikation des Begriffs nicht so recht, dass EInfachheit zu einem direkt beobachtbaren Phänomen macht. Bzw. erscheint mir Einfachheit so geschildert als eine ästetische Kategorie, weniger ein Fakt der sich an Artefakten und Völkern ablesen lässt, und damit unangenehm subjektiv. Welche Kriterien setzen Sie bzw Ethnologen als Maßstab an. Auf welche “Ebene” setzt die Betrachtung an?
Ich versuche mir das Leben als Jäger nachzuvollziehen, der die Technik des Spurenlesens beherrscht. Und ich muss sagen, mir erscheint das alles andere als einfach so eine Technik zu beherrschen. Mein gegenwärtiges Ich geht dagegen im Supermarkt “jagen”.
Dies gesagt, habe ich den Eindruck, dass unsere technischen Spielzeuge, je komplizierter sie werden, doch letztendlich andere Lebensbereiche vereinfachen. So als wäre die technische Entwicklungsgeschichte ein ständiges Hin und Her, die die Einfachheit in einigen Lebensbereichen anstrebt zum Preis andere Lebensbereiche hoffnungslos zu verkomplizieren.
Danke Ihnen und Ihrem Vor-Kommentator Chaeremon für das nette feedback, das natürlich freut und zu weiteren Taten motiviert 🙂
Zur Frage nach dem, was “Einfachheit” bedeuten soll:
Zunächst einmal ist es eine ziemlich gute, weil interessante und nicht so einfach zu beantwortende Frage.
M.W. hat in der Ethnologie keine systematische Auseinandersetzung mit dem Konzept der Einfachheit stattgefunden.
Die “alten” Ethnologen verbinden in aller Regel ein rein deskriptives Konzept damit, das außerdem ganz überwiegend auf materielle Kultur bzw. Technologie bezogen ist. “Einfachheit” bezeichnet eigentlich keine absolute Größe, ist jedenfalls nicht als absolute Größe interessant, sondern eine Relation: eine Technik, die weniger Manipulation an in der Natur gegebenen Materialien erfordert, weniger spezialisiertes oder Erfahrungswissen in der Aufbereitung oder im Umgang mit Materialien, ist eine einfacheRE Technologie als eine, die eine größere Manipulation des Materials, mehr spezialisiertes Wissen … erfordert.
Natürlich kann man sagen, dass etwas, was ich kenne, für mich einfacher ist als etwas, das ich nicht kenne, also z.B. ist es für mich einfacher, Öl in den Heizkessel zu füllen oder den Thermostaten zu bedienen als ein Feuer mit dem Feuerbogen anzuzünden. Und so betrachtet kann man sagen, dass die Frage, was einfach ist, kulturabhängig, wenn nicht individuell, zu beantworten ist.
Aber so ist das mit der Einfachheit in der Ethnologie nicht gemeint. Gemeint ist, dass meine ölbetriebene Heizung eine weit komplexere Technologie ist als das Feuer mit dem Feuerbogen, weil meine Heizung eine ganze Reihe sehr elaborierter und spezialisierter Technologien erfordert/voraussetzt, um funktionieren zu können: die Kunst der Ölförderung, Raffinerien, die Logistik hinter der Versorgung mit Öl, ,den Boiler (samt Tiger loop, Ölpumpe etc.), den Betrieb von Heizkörpern samt Herstellung, Installation und Wartung derselben usw. usw. Und das alles nutzt nicht viel, wenn ich nicht weiß, wie ich den Boiler so manipuliere, dass ich zu den gewünschten Zeiten die Heizkörper in welchen Zimmern betreiben kann oder warmes Wasser brauche.
Feuermachen mit dem Feuerbogen ist auch nicht so einfach. Man muss z.B. wissen oder ausprobieren, welches Holz sich dazu eignet, u.ä.m., aber insgesamt gesehen ist es eine Technologie, die ein Mensch allein, aber zweifellos wenige Menschen, von denen zumindest einer Erfahrungswissen mit dem ganzen Prozess hat, bewältigen kann. Das kann man für den Betrieb ölbetriebener Heizanlagen nicht sagen.
Oder ganz plakativ gesagt:
Stellen Sie sich vor, dass nach einem katastrophalen Meteoriteneinschlag nur wenige Menschen auf der Erde übrig sind. Und diese Menschen frieren und wollen ein Feuer mache. Was tun sie? Versuchen sie, Feuer mit relativ einfachen, direkt verfügbaren Materialien anzuzünden, oder machen sie sich daran, Öl zu fördern …?!
Also: “Einfachheit” bedeutet am ehesten: vergleichsweise wenig komplex.
Wie technologische Einfachheit mit Einfachheit in anderen Bereichen zusammenhängt, ist eine umstrittene Frage. Klar ist aber, dass man nicht einfach sagen kann: “dort einfach, überall einfach”.
Die traditionellen Navajo z.B. waren eine der technologisch einfachsten Gesellschaften, von denen wir jemals Kenntnis erhalten haben, aber gleichzeitig ist ihre Sprache einer kompliziertesten bekannten Sprachen, und ihr Verwandtschaftssystem ziemlich elaboriert, so elaboriert, dass wir im Westen keine Worte habe, die die Leute voneinander differenzieren könnte, die die Navajo als Verwandte verschiedener Art (wir würden vielleicht sagen: verschiedenen Grades) sprachlich voneinander unterscheiden können (bzw. konnten; ich weiß nicht, wie präsent unter den jetzt lebenden Navajo diese Verwandtschaftsterminologie noch ist).
Ich hoffe, dies alles ist für Sie mehr oder weniger interessant oder hilfreich!?
Liebe Frau Diefenbach, da fragen Sie noch? Ja, es ist absolut interessant. Ob es hilfreich ist, wird sich hingegen zeigen. Ich jedenfalls glaube daran, dass ethnologische Erkenntnisse, sowie anthropologische Erkenntnisse im Allgemeinen, uns dabei helfen ein grundlegendes Verständnis fremder Kulturen zu entwickeln, das wiederum, so hoffe ich, ein Bedingung ist um einen nüchternen Blick auf die eigene Kultur zu erlangen.
Es ist ein Jammer, dass ausgerechnet diejenigen die am lautesten nach Multikulti, Diversity, Exchange rufen, diejenigen sind, die vor lauter Ignoranz nicht einmal mitbekommen, wie sehr sie ihre Prägungen, ihre Moralvorstellungen, ihre Wertegefüge in andere Menschen hineinprojezieren… und was für einen Schaden sie mit dieser Naivität anrichten.
Jedenfalls möchte ich Ihnen danken, dass sie meine Frage mit Ihrer ausführlichen Antwort würdigen.
Meines Erachtens fehlt in der kulturellen Betrachtung der Aspekt der Rekursivität. Wir alle stammen einem Pfad ab, über den es wert ist zu reflektieren, um sich auf die Grundlagen des Pfades zu berufen und um sich die wichtigen Abzweigungen zu vergegenwärtigen, wie auch das, was konstant blieb über die Generationen und Kulturphasen. Ich denke, es ist der Kardinalfehler in der Dialektik (nicht zu sprechen vom historischen Materialismus), dass die rekursive Betrachtung der Vergangenheit aufgegeben wurde zugunsten des Denkens in Widersprüchen. Denn Widersprüche in sich haben keine Abfolge, sie stehen zeit- und strukturlos im Raum und prallen immer wieder aufeinander, nicht weil es einen Grund gäbe, sondern weil es mangels tieferem Verständnis “so sein muss”. Ohne Kenntnis der Instrumentalität der zu Konflikten führenden Pfaden, lassen sich Widersprüche nicht verstehen, egal wie logisch und nahel iegend sie sich anfühlen.
Das wohl beste Beispiel sind die 10 Gebote, die man erst dann in ihrer Gänze versteht, wenn man sie nicht als These sieht, in der ein Gott Gesetze vorgibt, auf die sich eine Gegenthese bildet ohne oder gar gegen einen Gott mit anderen Gesetzen, sondern vielmehr als Ursprung für einen Pfad an dessen Beginn die Logik gesetzt wurde. Denn genau das stellen die ersten beiden Gebote dar, bei denen es nur oberflächlich um Gott geht, sondern in denen vielmehr die Grundlagen logischen Denkens gelegt werden: 1. Es gibt Gott (es gibt ein A) und 2. Wenn Gott ist, dann gibt es keinen anderen Gott (A ungleich B).
Ohne dieses Verständnis wird jeder Widerspruch gegen die vermeintliche Unsinnigkeit eines der weiteren Gebote oder eines daraus abgeleiteten Gesetzes sinnlos. Man versteht nicht, wogegen man ist und verliert sich daher im Chaos, da es am Weitblick in die Vergangenheit fehlt und damit am größeren Zusammenhang.
Das Gebot “Kein Bildnis sollst Du Dir machen” find ich am Besten! Es kommt ohne Gott aus und empfiehlt einfach und klar, sich nichts vorzustellen und mit offenen Augen durchs Leben zu gehen, he, he!
Denn wenn ich mir etwas vorstell´, dann stell ich mir ja etwas vor, z.B. vor das, was wirklich ist und kann damit, ob der Vor-Stellung, vor das was dahinter ist, die Wirklichkeit gar nicht erkennen.
Es ist das Gebot, gegen das am meisten und permanent verstossen wird!
In einer Echo-Blase etwa, ha, ha, ha!