20. oder 60.000? Vaatz, MS-Medien, professionell Politerregte und die Frage der Glaubwürdigkeit

Seit gestern erregen sich die Mitglieder des politisch-korrekten Kults über einen Häretiker, der es gewagt hat, ihre heilige Erzählung anzuzweifeln. Ein Frevel. Der Frevler ist Arnold Vaatz, der Vize-Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Vaatz hat einen Gastbeitrag für Tichy’s Einblick geschrieben, in dem er drei Argumente macht:

  • Wenn man als Regierung glaubwürdig bleiben will, dann kann man die Ausbreitungsgefahr eines Virus nicht von der politischen Gesinnung abhängig machen. Wenn Demonstrationen die Ausbreitung von SARS-CoV-2 befördern, dann tun sie das bei Black-Lives-Matter Demonstrationen in der selben Weise, in der sie das bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung tun.
  • Wenn man als Regierung glaubwürdig bleiben will, dann darf man die Bewertung der Wirksamkeit von Masken als Schutz gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 nicht davon abhängig machen, ob gerade Masken verfügbar sind.
  • Wenn man als Regierung glaubwürdig bleiben will, dann muss man diejenigen, die Politiken kritisieren, ernst nehmen, dann darf man sie nicht diskreditieren, abwerten oder in ihrer Bedeutung (in der Regel Quantität) herunterreden.

Vaatz sorgt sich also um die Glaubwürdigkeit der Regierung und somit um die Glaubwürdigkeit des politischen Systems und der Medien, denn anders als z.B. in Diktaturen, in denen Unterordnung der Bürger mit Gewalt erzwungen wird, basieren Demokratien auf einem Gesellschaftsvertrag gegenseitiger Verpflichtung.



Ein sehr wichtiger Beitrag, den wir so von Seiten eines Bundestagsabgeordneten nicht erwartet hätten.

Er wolle, so schreibt Vaatz am Ende des Beitrags, zu dessen Beginn er explizit festgestellt hat, die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung für richtig zu halten, eine ausgewogene Berichterstattung in den Medien erreichen.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Nun zur “Berichterstattung” der Medien und zur Reaktion der politisch korrekten Meute. Beides demonstriert unmissverständlich, wie richtig Vaatz mit seinem Beitrag liegt.

Wie nicht anders zu erwarten, ist die Armee der Twitterati, deren einzige Form der Selbstbestätigung darin besteht, über vermeintliche Fehltritte Anderer ins politisch unkorrekte Land der Feinde herzufallen, mit Macht gegen Vaatz zu Felde gezogen. Wir haben drei Beispiele:

Der Tagesspiegel schreibt von einem Flirt mit “Corona-Leugnern” und behauptet wider den Tatsachen, Vaatz verteidige Corona-Leugner. Ob der Erregte, der sich über Vaatz auskotzen durfte, den Text bei Tichy gelesen hat? Wenig wahrscheinlich bzw. wenn er ihn gelesen hat, dann muss man an seinem Verstand zweifeln.

Bastian Fleig, SPD, kennt den Unterschied zwischen einer Online-Zeitung und einem Blog nicht und behauptet, Vaatz würde Verschwörungstheorien verbreiten. Hat Fleig den Text von Vaatz gelesen? Wenig wahrscheinlich.

Henning Höppe, SPD, gehört zu denen, die versuchen, Andersmeinende zu diskreditieren, gemeinhin weil der Verstand nicht dazu ausreicht, anderen argumentativ zu begegnen. Hat Höppe den Text von Vaatz gelesen? Wenig wahrscheinlich. Er scheint die Welle der politischen Korrektheit reiten, sich als “Guter” inszenieren zu wollen.

Drei Reaktionen von vielen 100 Tweets, von Erregten, die in dieselbe Richtung gehen. KEINER versucht auch nur, die Argumente von Vaatz zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn, zu verstehen. Am deutlichsten wird dies im Beitrag der Tagesschau: “Kopfschütteln über Vaatz“. Der Beitrag von Vaatz habe “Unruhe und Kritik” ausgelöst, so die Einleitung zu einem Festival der Heuchelei:

  • Lars Klingbeil, SPD, verteidigt plötzlich die Polizei, nennt Äußerungen zu “angeblichen polizeilichen Falschangaben … unhaltbar und absurd”. 
  • Kevin Kühnert, SPD, “erinnert daran, … dass Vaatz nicht zum ersten Mal mit ‘kruden Äußerungen’ auffalle”.
  • Dirk Wiese, SPD, nennt “die Vorwürfe von Vaatz gegen die Polizei eine Unverschämtheit”.
  • Michael Kellner, Grüne, wirft Vaatz vor, “den demokratischen Rechtsstaat und die freie Presse” zu denunzieren. “Die CDU muss diesem Mist widersprechen”. 
  • Ein Sprecher der Unionsfraktion (namenlos) hat darauf hingewiesen, dass Vaatz seine persönliche Auffassung geäußert hat.


Das intellektuelle Niveau dieser Auswürfe von Parteivertretern, in einem Beitrag, der einmal mehr ein bezeichnendes Dokument für die Ausgewogenheit der Berichterstattung der ARD-Tagesschau ablegt, ist unterirdisch. Keiner der Zitierten hat die Argumentation von Vaatz gelesen oder verstanden. Keiner ist in der Lage, argumentativ auf das, was Vaatz gesagt hat, zu reagieren. Alle stürzen sie sich auf diese Passage im Text von Vaatz, die ihnen irgendwie zur Kenntnis gekommen sein wird:

“Die dreiste Kleinrechnung der Teilnehmerzahlen der Demo vom 1. August durch die Berliner Polizei, entspricht in etwa dem Geschwätz von der “Zusammenrottung einiger weniger Rowdys” mit der die DDR-Medien anfangs die Demonstrationen im Herbst 1989 kleinrechneten”. 

So als wäre dies alles, was im Beitrag von Vaatz zu lesen ist, stürzt sich die Meute auf die Teilnehmerzahl der Demonstration zum 1. August 2020 und bestätigt damit, dass die Gefahr für die Glaubwürdigkeit des politischen Systems in Deutschland, die Vaatz sieht, eine sehr reale Gefahr ist. Wenn in einem Text letztlich die Vorwürfe von Heuchelei, zweierlei Maß, Inkonsistenz der eigenen Politik gemacht werden und damit gesagt wird, dass die Darstellung der Realität durch die in Politik und Medien herrschende Ideologie verzerrt wird und diese Vorwürfe am Beispiel der Teilnehmerzahlen einer Demonstration verdeutlicht werden, dann ist es schon eine bemerkenswerte kognitive Minderleistung, wenn diejenigen, die sich darüber aufregen, ausschließlich das Beispiel, nicht jedoch das Argument thematisieren (das gilt übrigens auch für diesen Beitrag bei Tichy). 

Der Mann, Vaatz, redet von Glaubwürdigkeit und die, die sich über ihn aufregen, sehen darin eine “krude Äußerung”, “Mist”, “unhaltbare und absurde Äußerungen” und “eine Unverschämtheit”. Keiner sieht sich genötigt, auf das Argument der Konsistenz einzugehen: Man kann nicht eine Demonstration, weil sie politisch opportun ist, über den grünen Klee loben, obwohl sie gegen Corona-Auflagen verstößt und eine andere, die nicht politisch opportun ist und gegen Corona-Auflagen verstößt in Bausch und Bogen verdammen, wenn man glaubwürdig bleiben will. 

In der Soziologie und der Sozialpsychologie gibt es zwei Faustformeln, die man nutzen kann, um beobachtbare Reaktionen auf Stimuli zu erklären. Zwei der Stimuli im vorliegenden Fall sind

  • die Argumentation, dass Politik und Medien sich unglaubwürdig machen;
  • das Beispiel der kleingerechneten Teilnehmerzahlen der Demonstration zum 1. August 2020;

Jede Akteur, der mit diesen Stimuli konfrontiert ist, hat die Wahl: er kann beide zur Kenntnis nehmen und gegebenenfalls dagegen argumentieren, er kann auf das für ihn wichtigere der beiden und mit Ignoranz auf das jeweils andere reagieren.

Die mit großem Abstand meisten Reaktionen auf Vaatz bestehen darin, auf die “kleingerechnete Teilnehmerzahl” zu reagieren. Zweifel an Zahlen der Polizei werden zu einer Verschwörungstheorie stilisiert, als Angriff auf die Polizei gewertet, als Mist bezeichnet. Wer so alarmiert genau auf den Stimulus aus dem Text von Vaatz reagiert, den man mit Fug und Recht als den mit weitem Abstand unwichtigsten bezeichnen kann (dazu gleich), der hat Dreck am Stecken, denn diese Reaktion ist nicht normal. Wenn wir bislang desinteressiert der Frage gegenüber gestanden haben, wie viele Teilnehmer die Demonstration am 1. August 2020 in Berlin nun hatte, so wissen wir nun zumindest, dass die offiziellen Angaben falsch waren. Die Reaktionen derer, die sie zu verantworten haben, sprechen Bände. Zumal der Streit darüber, ob nun 20.000 oder 66.000 oder 100.000 in Berlin demonstriert haben, kindisch und irrelevant ist. Ist die Berechtigung einer Sache neuerdings davon abhängig, wie viele Unterstützer sie findet? Oder ist letztlich die Berechtigung eines Anliegens eine Frage, die auf Basis rationaler Argumente entschieden werden muss, z.B. im Hinblick auf den Nutzen bzw. den Schaden, der Gegenstand des Anliegens ist? 

Nur sozialistische Systeme, die ihre Legitimation aus Massenkundgebungen ableiten, müssen einen großen Wert darauf legen, Gegendemonstrationen, Kritik an ihrer Politik herunterzurechnen. Sozialistische Regime basieren auf dem Anspruch “alle” zu repräsentieren. Entsprechend müssen Gegendemonstrationen immer klein sein, während Parteiveranstaltungen zu Massenaufläufen hochgeredet bzw. -organisiert werden. Vor diesem Hintergrund ist die Begeisterung über die 10.000 BLM-Protestierer in deutschen Städten und der Versuch, über die Anzahl der Coronamaßmahmen-Gegner von Berlin zu diskutieren, an sich schon interessant. Zumindest geistig sind alle, die am Beitrag von Vaatz nichts anderes als Ansatz finden, als über die Teilnehmerzahl zu diskutieren, bereits im Sozialismus der DDR angekommen, genau so, wie Vaatz das in seinem Beitrag geschrieben hat.

Die zweite Faustformel, die man aus z.B. den Experimenten von Harold Garfinkel ableiten kann, lautet: Wenn Leute auf Aussagen, die wirklich deftig sind, überhaupt nicht reagieren, dann deshalb, weil sie damit kein Problem verbinden, weil sie ihnen normal vorkommen. Die differenzierte Behandlung von BLM-Demonstranten und Corona-Maßnahmen-Gegnern durch Medien und Politiker ist offenkundig nichts, was die Politdarsteller und die Dauererregten, die sich gegen Vaatz positioniert haben, beanstandenswert finden. Die damit verbundene Heuchelei ist für sie offenkundig kein Problem, eher eine Normalität. Auch das sagt eigentlich alles, über die moralische Qualität derer, die sich über Vaatz aufregen.

Nach dem Zirkus des letzten Tages muss man feststellen, dass die ideologisch motivierte Heuchelei von Linken für normal angesehen wird. Dass sie es normal finden, inkonsistent zu sein, weil sie auf die Realität pfeifen und es ihnen nur darum geht, ihren ideologischen Herrschaftsanspruch, der sich mit ihrem Kult verbindet, durchzusetzen, ist die nächste Gewissheit, die man nun haben kann. Schließlich muss man feststellen, dass – wie in allen sozialistischen Systemen – das eigene Wolkenkuckucksheim dadurch gegen die Realität abgesichert wird, dass Kritiker, Zweifler, Häretiker als Einzelgänger, wenige Verwirrte, heute Coronaleugner ausgegrenzt werden. 

Die Diskussion, die Arnold Vaatz angestoßen hat, ist indes eine sehr wichtige Diskussion, die geführt werden muss, wenn Deutschland nicht in einen anarchistischen Zirkus, in dem tribale Vereinigungen miteinander um die verbliebenen Ressourcen streiten, degenerieren will.



Warum?
In aller Kürze:

Politische Systeme versuchen, eine politische Ordnung mit mehr oder weniger Gewalt aufrecht zu erhalten. Entsprechend unterscheidet die Politikwissenschaft u.a. zwischen totalitären, autoritären und demokratischen Systemen. Während die beiden ersten mit mehr oder weniger offener und in einem mehr oder weniger großen Ausmaß von Zwang und Gewalt agieren, um die politische Ordnung aufrecht zu erhalten, wird von einer Demokratie angenommen, dass Zwang und Gewalt von Seiten des Staates nur notwendig sind, um die politische Ordnung gegen Extremisten zu verteidigen.

Das ist dann auch die wichtigste und vielleicht die einzige Aufgabe, die man einem demokratischen Staat zuweisen kann: Die politische Ordnung, für die sich die Bürger, die sein Staatsgebiet umfasst, entschieden haben, zu verteidigen: Nach innen und nach außen. Da die politische Ordnung auf der Garantie einer Reihe von Rechten basiert: im Wesentlichen auf der Garantie von Freiheitsrechten, leitet sich aus dem Gesagten als weitere Aufgabe eines Staates noch die Garantie von Eigentum und von Sicherheit ab.

Mehr nicht. Dass moderne Staaten von einer Kaste bevölkert werden, deren Zeitvertreib darin besteht, immer neue Aufgaben für Staaten zu erfinden, damit zwangsläufig immer mehr Zwang einzuführen und immer mehr Freiheit zu beseitigen, ist insofern von Relevanz, als man vorhersagen kann, dass es einen Tipping Point gibt, ab dem aus dem demokratischen System entweder ein autokratisches oder ein totalitäres System wird oder ab dem es den Bürgern reicht.

Ruhe und Ordnung in einem Land, sollen von den staatlichen Ordnungsmächten, hier im Wesentlichen von der Polizei und vielleicht vom Militär gesichert werden. In einem demokratischen System basiert Ruhe und Ordnung aber auf mehr: Auf einer Übereinkunft zwischen Bürgern und Staat, denn wenn letzterer Eigentum und Sicherheit garantiert, haben erstere kein Interesse daran, den Staat und die politischen Akteure, die sich in ihm eingenistet haben und denen die Arbeit am Staat ein Auskommen verschafft, zu vertreiben.

Dazu bedarf es jedoch dem Glauben an Rechtssicherheit, und es bedarf der Glaubwürdigkeit der Institutionen und Akteure des demokratischen Systems. Wenn beides nicht gegeben ist, hat ein demokratisches System keine Existenzgrundlage mehr, denn was wollen die wenigen Polizisten, was will die Bundeswehr gegen Bürger ausrichten, die den Staat, den Polizisten und Bundeswehr schützen sollen, nicht wollen? Wie wenig Polizisten einem Mob aus Linksextremen entgegen zu setzen wissen, wie anomisch das Rechtssystem in Berlin einem besetzten Haus gegenüber ist, gibt einen Vorgeschmack darauf, was passieren würde, wenn die Mehrheit, die derzeit so häufig geschmähte Mitte der Gesellschaft, entscheiden würde, diesen Staat in seiner derzeitigen Verfassung nicht mehr zu wollen.

Damit die Mehrheit der Gesellschaft weiterhin das politische System stützt, sich weiterhin an Wahlen und an der Legitimation des politischen Systems beteiligt, ist es eminent wichtig, dass die politischen Akteure einerseits zeigen, dass das Rechtssystem intakt ist und alle Angriffe auf bürgerliche Freiheiten entschieden abgewehrt werden, andererseits ist es notwendig, dass die politischen Akteure und die staatlichen Institutionen Glaubwürdigkeit besitzen, dass Bürger sie nicht für Spruchbeutel, Heuchler und Luftnummern halten.

Die Diskussion, die Arnold Vaatz anstoßen wollte, ist in Deutschland überfällig und imminent wichtig. Die Reaktion, die er darauf erhalten hat, bezeichnend und selbst-diskreditierend:

Auch in der DDR wurden Regime-Gegner als Spinner bezeichnet und zuweilen in die Psychiatrie eingewiesen.



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