Von wegen „Macht“!: Soziale Macht endet dort, wo persönliche Macht ihr Grenzen setzt
von Dr. habil. Heike Diefenbach
Dem Begriff der „Macht“ konnte man während der letzten Jahr(zehnt)e immer häufiger begegnen – in den Sozialwissenschaften, im Zusammenhang mit sozialen Bewegungen, beim Thema Gerechtigkeit, in vielen öffentlichen Diskussion um politische Ideologien und Politiken. Max Weber (1995[1922]: 311) hat „Macht“ definiert als „Möglichkeit, den eigenen Willen anderen aufzuzwingen“, und dies dürfte etwa dem Verständnis entsprechen, das ein durchschnittlicher Deutsch-Sprecher von dem Begriff „Macht“ hat. Da der durchschnittliche Bürger mehr Erfahrungen damit hat, den Willen Anderer aufgezwungen zu bekommen (z.B. durch Steuerzahlungen, den Nachweis einer Haftpflichtversicherung, Erhöhung der Strompreise etc.), als damit, den eigenen Willen Anderen aufzwingen zu können, und in vielen Fällen der Zwang, etwas zu tun oder zu unterlassen, kaum vernünftig begründet ist, ist der Begriff „Macht“ gewöhnlich eher negativ konnotiert. Im Zuge der sogenannten Postmoderne ist „Macht“ zu einem Schlüsselbegriff geworden, der zwar – typisch „postmodern“ – undefiniert und unbestimmt bleibt, aber den Begriff „Macht“ – im Anschluss an Foucault – von seinem negativen Image befreien will:
„Man muss aufhören, die Wirkungen der Macht [was immer der Autor darunter verstehen mag; es bleibt sein Geheimnis] immer negativ zu beschreiben, als ob sie nur ‚ausschließen‘, ‚unterdrücken‘, ‚verdrängen‘, ‚zensieren‘, ‚abstrahieren‘, ‚maskieren‘, ‚verschleiern‘ würde. In Wirklichkeit [sic!] ist die Macht produktiv; und sie produziert Wirkliches. Sie produziert Gegenstandsbereiche und Wahrheitsrituale [!]: das Individuum und seine Erkenntnisse sind Ergebnisse dieser Produktion“ (Foucault 1975: 250).
Die Frage ist dann aber, für wen „Macht“ (eher) produktiv ist und für wen (eher) destruktiv. „Produktiv“ ist Macht, die „Gegenstandsbereiche“ und „Wahrheitsrituale“ produziert, nur oder vor allem für diejenigen, die an diesen Bereichen und Ritualen (gerade) ein Interesse haben. Alle anderen, die an anderen „Gegenstandsbereichen“ interessiert sind und an Wahrheit als Übereinstimmung von Sätzen mit beobachtbaren Fakten statt an „Ritualen“, die etwas [was immer es auch sein mag] bloß als „Wahrheit“ inszenieren sollen, werden notwendigerweise „ausgeschlossen“, „unterdrückt“, „verdrängt“, „zensiert“ usw. – und damit der Macht unterworfen, wie Weber sie definiert hat.
Auch (oder gerade) das kann man „produktiv“ finden, insbesondere dann, wenn man eine Machtposition inne hat und ein Interesse daran, sie zu erhalten, weil sich durch Unterdrückung bestehende Machtverhältnisse erhalten lassen. Wir erleben dies seit einigen Jahren u.a. im Zusammenhang mit „Wahrheitsritualen“, wie sie mainstream-Medien z.B. durch die Einrichtung von sogenannten „Faktenfindern“ oder „Faktencheckern“ etabliert haben. Der Postmoderne und dem Machtbegriff, wie ihn allen voran Foucault seinen Lesern präsentiert hat, haben wir die neue, ungehemmte, Lust an der Manipulation durch das, was ich eher als Beschwörungsrituale denn als „Wahrheitsrituale“ bezeichnen würde (z.B. masseninszenierte Beschwörungen des Weltuntergangs aufgrund von angeblich menschengemachtem Klimawandel) zumindest mit- zu verdanken.
Bemerkenswerterweise haben Webers und Foucaults Auffassungen von „Macht“ etwas Wichtiges gemeinsam: beide haben das, was Lammers et al. (2009: 1543) als „… monolithic power concept …“, also als monolithisches Konzept von Macht bezeichnen, denn beide fassen das als „Macht“ auf, was in der sozialpsychologischen Literatur gewöhnlich als „soziale Macht“ bezeichnet wird, nämlich als die Macht, von Anderen zu bekommen, was man von ihnen möchte, bzw. als Macht über andere Menschen.
Daneben kennt die Sozialpsychologie aber – spätestens seit 1959, dem Erscheinungsdatum der von Dorwin Cartwright herausgegebenen „Studies in Social Power“; aber s. auch Williams 1922 und Russell 1960[1938] – die personale oder persönliche Macht.
Diese Form von Macht bezeichnet die Möglichkeit, sich dem Einfluss Anderer zu entziehen, ihn ignorieren oder ihm widerstehen zu können. Personale Macht hat jemand, der möglichst viele der für ihn bedeutsamen Ausgänge möglichst weitgehend selbst kontrolliert. Sie kann als mentale und praktische Unabhängigkeit, „independence“ (Lammers, Stoker & Stapel 2009: 1544), von Anderen aufgefasst werden.
„Social power, on the other hand, is associated with interdependence rather than with independence …“ (Lammers, Stoker & Stapel 2009: 1544).
Personale Macht oder Unabhängigkeit hat (ebenso wie soziale Macht) verschiedene Aspekte, je nachdem, worin die Unabhängigkeit besteht bzw. durch welche Mittel sie besteht oder erreicht wird, durch Geld, durch Wissen oder Kenntnisse und Fähigkeiten, durch das, was man „inneren Abstand“ oder – mit dem Buddhismus gesprochen – Gleichmut nennt.
Empirische Studien haben gezeigt, dass Menschen, wenn sie vor die Wahl gestellt werden, ihre Autonomie (bzw. ihre personale Macht) zu erhöhen oder ihren Einfluss auf Andere (bzw. ihre soziale Macht), eher ihre personale Macht erhöhen (Lammers et al., 2016; Van Dijke & Poppe 2006):
„We argue that the most parsimonious and useful view of power striving is as a general striving for agency, and not as striving to control others” (Van Dijke & Poppe 2006: 537),
und
“Empirical evidence that people value and strive for personal power is abundant. Studies show that people are often strongly motivated to restore their independence when they feel it is restricted … In interpersonal and group situations, the most obvious way to restore one’s independence is to leave the social situation …” (Van Dijke & Poppe 2006: 539).
(Wer muss hier nicht unwillkürlich an die aktuellen Demonstrationen gegen lock-down-Maßnahmen denken, die die Ausbreitung des SARSCov-2-Virus schützen sollen?!)
Außerdem haben Studien gezeigt, dass ein Zuwachs an personaler Macht das allgemeine Bedürfnis oder Streben nach Macht befriedigt im Sinn von sättigt, während dies ein Zuwachs an sozialer Macht nicht tut (Inesi, Botti, Dubois, Rucker, & Galinsky 2011; Lammers et al. 2016).
Schon dies deutet darauf hin, dass das Verhältnis zwischen personaler und sozialer Macht komplex ist, jedenfalls kein einfacher linearer Zusammenhang zwischen beiden Arten von Macht besteht. So haben Leach, Weick und Lammers (2017) in ihrer Studie herausgefunden, dass geringe personale Macht (Autonomie) mit geringer sozialer Macht (Einfluss) einhergeht, aber dass das umgekehrt nicht der Fall ist (Leach, Weick & Lammers 2017: 9). Außerdem haben diese Autoren festgestellt, dass größere personale Macht nicht mit größerer sozialer Macht korreliert, und größere soziale Macht nicht mit größerer personaler Macht einher geht (Leach, Weick & Lammers 2017: 8).

Gerade dieser zuletzt genannte Befund hat die Forscher überrascht und überrascht vielleicht auch die Leser dieses Textes, ist doch die Vorstellung, dass größere soziale Macht bessere Möglichkeiten bieten würde, auch größere Autonomie zu erwerben, weit verbreitet und „… strongly ingrained in theoretical thinking“ (Leach, Weick & Lammers 2017: 10; s. hierzu auch Keltner, Gruenfeld & Anderson 2003; Van Dijke & Poppe 2006).
Leach, Weick und Lammers machen einen Vorschlag, wie man diesen für sie überraschenden Befund erklären könnte. Sie argumentieren, dass Werte und Normen hinsichtlich des Umgangs miteinander diejenigen, die soziale Macht haben, sozusagen daran hindert, sie in personale Macht oder Autonomie umzumünzen. Am Beispiel von Managern führen sie diesen Gedankengang wie folgt aus:
“Modern leaders are expected to take the interests of their subordinates into account and work hard to advance them – in particular in the modern, Western workplace with its strong focus on a democratic exercise of positions of power. Indeed, almost all modern theories of leadership … stress the need for leaders to be attentive to the ideas and priorities of their followers, in order to be personally successful in their exercise of power. Although these approaches are certainly beneficial to organizations, they undoubtedly restrain leaders in their experience of autonomy. Further, modern evaluation procedures have strongly reduced the degree of autonomy exercised by modern managers in middle and even top-management and have opened them up to increased scrutiny by others in the organization …” (Leach, Weick & Lammers 2017: 6-7).
Die Ergebnisse, die die Autoren erzielt haben, beruhen aber nicht auf einer Stichprobe von Managern, sondern auf einer Stichprobe von Studenten an einer Europäischen Universität und einem Sample von U.S.-Amerikanern und Indern, die durch Amazon Mechanical Turk rekrutiert wurden.
Inwieweit die Teilnehmer an der Studie Erfahrungen damit gehabt haben (oder überhaupt haben konnten), die Ausübung von sozialer Macht an Normen mit Bezug auf die Gestaltung ihrer Machtposition ausrichten zu müssen, ist unbekannt. Leach, Weick und Lammers müssten, um ihren Erklärungsvorschlag plausibel zu machen, angeben, warum bzw. wie es für die Samples in ihrer Studie schwierig oder unmöglich (gewesen) sein soll, soziale Macht in Autonomie umzumünzen.
Für mich persönlich ist der Befund, den die Autoren überraschend fanden, d.h. der Befund, nach dem größere soziale Macht nicht mit größerer personaler Macht einher geht, aber gar nicht überraschend, denn wenn das Machtstreben von Menschen normalerweise ein Streben nach Autonomie, also ein Streben nach personaler Macht, ist, dann ist das Streben nach Einfluss ein sekundäres Machtstreben und stellt vielleicht vor allem den Versuch da, durch Einfluss Autonomie zu erreichen, wenn andere Mitteln – Geld, Wissen, Kenntnisse und Fähigkeiten, „innerer Abstand“ – nicht oder kaum vorhanden sind. Wenn die Vorstellung, soziale Macht würde personale Macht verschaffen, weit verbreitet ist, viele Menschen also diese Vorstellung haben, mag das Streben nach sozialer Macht– in Ermangelung direkter Wege in die Autonomie – einen „Umweg“ darstellen, von dem man sich letztlich die Erfüllung des eigenen Strebens nach Autonomie verspricht.
Van Dijke und Poppe haben eine sehr ähnliche Vermutung in ihrem Aufsatz aus dem Jahr 2006 formuliert:
„… Spector … showed in a meta-analysis containing 88 studies that people who experience insufficient personal power (operationalized as autonomy or as participative decision-making) are not only relatively dissatisfied with many aspects of their job …, but they are more likely to intend to quit working for the organization, and they are more likely to actually leave the organization. Restoring independence to increase personal power, for instance by leaving the situation, is often difficult or undesirable …. Therefore, people may attempt to (re)gain personal power by increasing their social power, because social power can be instrumental for gaining or securing personal power” (Van Dijke & Poppe 2006: 539; Hervorhebung im Original).
Generell kann man Leach, Weick und Lammers schwerlich widersprechen, wenn sie meinen, dass die Ausübung sozialer Macht Normen unterworfen ist (deren Einhaltung sie erst zu einer legitimen sozialen Macht macht), und weil das so ist, dürfte der Zugewinn an Autonomie, der vielleicht durch soziale Macht erreicht werden kann, aufgewogen werden durch neue Verbindlichkeiten und Abhängigkeiten, die die sozial „machtvolle“ Position (und sei es eine Anstellung beim Einwohnermeldeamt oder als Hochschullehrer an einer Universität) mit sich bringt. Ich würde also dem Erklärungsvorschlag von Leach, Weick und Lammers nicht widersprechen, würde ihn aber in einen Kontext einordnen, in dem das Streben nach sozialer Macht vorrangig als eine dysfunktionale Ersatzhandlung von Menschen angesehen wird, die über direkte Wege in die Autonomie nicht oder kaum verfügen.
Wenn das so wäre, würde es implizieren, dass Menschen, die vor allem oder mehr als andere nach sozialer Macht, nach auf Andere, streben, mit Bezug auf diejenigen Eigenschaften oder Güter, die direkte Wege in die Autonomie darstellen, eine Negativauswahl darstellen – vielleicht auch eine psychologische. So wäre es spannend zu erfahren, welche Ergebnisse sich einstellen, wenn man Menschen, die (eher) nach sozialer Macht streben, und Menschen, die (eher oder allein) nach personaler Macht streben, mit Bezug auf die sogenannte dunkle Triade untersucht, oder generell mit Bezug auf ihre (anderen) Persönlichkeitsmerkmale.
Aber solche Studien liegen bislang nicht vor, und daher können wir bislang nur darüber spekulieren, warum wir die Zusammenhänge oder Nicht-Zusammenhänge zwischen sozialer und personaler Macht finden, die wir bislang gefunden haben. Tatsächlich wird das Thema mit Hilfe empirischer Studien erst seit etwa fünfzehn, höchstens zwanzig, Jahren erforscht; diese Forschung steckt also noch in den Kinderschuhen.
Bleibt zu hoffen, dass dieses Forschungsgebiet weiterhin systematisch bearbeitet werden wird, denn es mag uns einiges darüber lehren, wer es ist, der nach möglichst großer soziale Macht und besonders politischer Macht, strebt. Immerhin besteht soziale Macht ja eben darin, andere Menschen zu beeinflussen bzw. in Abhängigkeiten zu bringen – und damit deren personale Macht oder Autonomie zu beschränken. Und wenn das Streben nach sozialer Macht (anders als personale Macht) keinen Sättigungsgrad kennt, kann es schwerlich anders als fahrlässig bewertet werden, wenn wir nicht im Interesse des Erhaltes oder der Vergrößerung unserer personalen Autonomie viel genauer als bisher hinschauen, wer es ist, der aus welchen Gründen soziale Macht zu erwerben und auszuüben gedenkt. Die Forderung nach „mehr Staat“ ist vor diesem Hintergrund nicht mehr nur eine Frage der politischen Ideologie, sondern eine von psychologischer Relevanz.
Literatur:
Cartwright, Dorwin (Hrsg.), 1959: Studies in Social Power. Ann Arbor: University of Michigan.
Foucault 1975: Überwachen und Strafen: Die Geburt der Gefängnisse. Suhrkamp.
Keltner, Dacher, Gruenfeld, Deborah H. & Anderson, Cameron, 2003: Power, Approach, and Inhibition. Psychological Review 110(2): 265-284.
Lammers, Joris, Stoker, Janka I. & Stapel, Diederik A., 2009: Differentiating Social and Personal Power: Opposite Effects on Stereotyping, but Parallel Effects on Behavioral Approach Tendencies. Psychological Science 20(12): 1543-1549.
Leach, Stefan, Weick, Mario & Lammers, Joris, 2017: Does Influence Beget Autonomy? Clarifying the Relationship Between Social and Personal Power. Journal of Theoretical and Social Psychology 1(1): 5-15.
Russell, Bertrand, 1960[1938]: Power, a New Social Analysis. London: Allen & Unwin.
Van Dijke, Marius & Poppe, Matthijs, 2006: Striving for Personal Power as a Basis for Social Power Dynamics. European Journal of Social Psychology 36(4): 537-556.
Weber, Max, 1995[1922]: Schriften zur Soziologie. Stuttgart: Reclam.
Williams, James Mickel, 1922: Principles of Social Psychology as Developed in a Study of Economic and Social Conflict. New York: Alfred A. Knopf.
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“und in vielen Fällen der Zwang, etwas zu tun oder zu unterlassen, kaum vernünftig begründet ist,”
Das ist übrigens eines der beliebtesten Hauptargumente der Machthaber gegen jene Untertanen, die ihre Übergriffigkeit als Übergriffigkeit erkennen / sehen wollen / spüren und dies auch (wie auch immer) äußern: Es sei ja keine Übergriffigkeit, was jene dumben Untertanen nur nicht verstanden hätte, weil ihnen nicht “richtig kommuniziert” bzw. “vernünftig begründet”.
“Vernunft” ist – wie Wissenschaft – keine “demokratische” Veranstaltung, sondern erwächst primär aus den Werten des Individuums. Daran ändert letztlich auch wenig, wenn relativ viele Personen in einer wie auch immer gearteten / gefassten Menge überschneidende “Vernunft” (Werte) haben.
Deshalb war es auch nie Aufgabe des Staatswesens einer freiheitlichen Grundordnung – heute längst wieder selbstverständlich hierzulande – Untertanen zu “erziehen” (“Volkserziehung”), sondern wenn dann überhaupt andersherum.
Das Streben nach “personaler Macht” beeinhaltet doch auch die Bereitschaft, sich persönlich weiter zu entwickeln, während “soziale Macht” eher auf einen Entwicklungsstillstand hindeutet, welcher auf Kosten dritter -häufig durch Unterdrückung- ausgelebt wird. Die Angst der Unterdrücker vor der eigenen inneren Weiterentwicklung kann scheinbar derartig groß werden, dass diese Unterdrücker in ihrem Machtbereich alle entwicklungswilligen Menschen ermorden lassen, weil sie diese Spiegelbilder ihrer Angst nicht ertragen. Die Linken sind doch ein Paradebeispiel der Angst vor der eigenen inneren Weiterentwicklung bis hin zur völligen Realitätsverleugnung in toto.
Den Versuch die eigene Autonomie durch die Beeinflußung anderer zu erhöhen, kann man auch in Familien erkennen, wenn Eltern ihre Kinder dahingehend manipulieren, einen bestimmten Beruf, bzw. einen bestimmten Lebensstil zu wählen, der den Eltern mehr Mittel zu verschaffen verspricht, um die eigene Autonomie zu erhöhen. Die Eltern berechnen, wenn die Kinder über ein bestimmtes Wissen, bestimmte Kenntnisse, Fähigkeiten, über Geld verfügen, und mit der Familie teilen, dann erhöht sich die Unabhängigkeit von den anderen außerhalb der Familie, und es erhöht sich das Ansehen in der Bezugsgruppe. Da für die Eltern viel auf dem Spiel steht, müssen dann auch die Manipulationsversuche entsprechend angepasst werden, was von Überreden bis hin zum Drohen reichen kann.
–
Ich kann mich nicht entsinnen, wo ich das Folgende gelesen zu haben meine. Psychopathen spüren beim Versuch die eigene Autonomie aufrechtzuerhalten, sie gegen (gewollte und ungewollte) Grenzüberschreitungen anderer Menschen zu verteidigen, in eine (vermeintlich) unüberwindbare Angst, weshalb Psychopathen es bevorzugen mit Menschen Umgang zu haben, die sie beherrschen, das heißt deren normalen, gesunden Ausdruck persönlicher Autonomie sie unterdrücken können. Darin könnte eine weitere Erklärung liegen, warum der autoritäre/totalitäre Typ Mensch im Rahmen der Institution Regierung versucht, allen anderen Menschen den Willen aufzudrücken. Im Sinne der oben beschriebenen Familie: in einer Demokratie, wie wir sie noch erleben, wird ständig versucht die Menschen zu Handlungen zu überreden, es wird z. B. über FFF versucht, emotional zu erpressen, es wird einem eingeredet, alles wäre alternativlos, ein Bill Gates will den Menschen einreden, dass sie sich impfen lassen werden müssen, und in Ländern wie China gilt der Mensch so wenig, dass nicht mal mehr gedroht wird, sondern nur noch gezwungen.
Schizophrene dagegen sperrenn sich gegen Machtansprüche und kriecchen in ihr Schneckenhaus.
Ich habe dazu noch den Begriff der Kollusion in Paarbeziehungen gefunden. Jürg Willi hat das Konzept in seinen Büchern (1975, 1978) in Deutschland bekannt gemacht. Soweit ich das beim Überfliegen eines zusammenfassenden Textes erkennen kann, hat Willi die Begriffe “Psychopath” und “Schizophrener” nicht benutzt. Er hat Begriffe gewählt, die aus der Freud’schen Psychoanalyse stammen. Willi hat vier komplementäre Kollusionstypen auf Grundlage eines Beziehungsgrundthema beschrieben: narzisstisch, oral, anal-sadistisch und phallisch-ödipal. “Beim narzisstischen Beziehungsthema geht es um die Entwicklung eines eigenen, autonomen Selbst im Gegensatz zur Selbstverwirklichung in dem und durch den Partner.” “Beim anal-sadistischen Beziehungsthema wiederum geht es um das Ausmaß an Beherrschung, Kontrolle, Führung, usw. oder, andersherum, um Abhängigkeit und passive Hingabe.” (aus: Jürgen Kriz, Grundkonzepte der Psychotherapie, 6. Auflage, 2007)
–
Mir scheint, dass das Konzept der Kollusion auf das, was Sie und was ich geschrieben haben, anwendbar ist. “Psychopath” und “Schizophrener” bedingen und festigen eine gemeinsame Beziehung. Inwieweit solche Begriffe aber alltagstauglich sind, müßte noch geklärt. Ich sehe die Gefahr, dass der normale Alltagsmensch durch Begrifflichkeiten als krank im Denken und Verhalten erklärt wird, was mich an Framing, wie “irgendwas-Leugner” erinnert. Nur weil jemand etwas bekloppt klingendes ausspricht, lässt sich daraus nicht ableiten, dass dieser jemand auch bekloppt ist.
Inwieweit solche Begriffe aber alltagstauglich sind
mE garnicht, weil sie Extreme zum Maßstab nehmen, die idR überhaupt nicht beziehungstauglich sind.
Also ich habe mir aus gegebenen Anlässen die Frage gestellt, warum eigentlich die Milliardäre in den USA (die Bosse der High-Tech Firmen nicht mir dem (nun kann ich es personale Macht nennen) zufrieden sind, was sie erreicht haben. Wieso sind sie alle gegen Trump, wieso spielt Gates sich als Apostel gefährlicher Impfungen auf. Wieso sind die geisteskranken Ideologien verfallen? Ich weiß nicht, warum ausgerechnet so erfolgreiche (und sicher auch fähige) Menschen derart geisteskrank und bösartig sind.
Ich will das so als Frage stehen lassen, aber das Begriffspaar personale/soziale Macht kam mir in diesem Zusammenhang jetzt spontan hilfreich vor. Warum reicht den Milliardären nicht ihre personale Macht? Ist es nicht doch so, dass die höchste denkbare personale Macht dann eben doch bösartig in das Streben nach maximaler sozialer Macht ausartet? Oder dann doch nicht bereist genetisch festgelegt ist. So kleine Fische wie ich betreiben alles um seiner selbst willen und wollen nur innere Autonomie. Aber die Großen wollen anscheinend mehr. Und vor allem meist das Böse. Trump ist galt eine Ausnahme.
Meine völlig unmaßgebliche Lebenserfahrung zeigt mir, dass das Anstreben persönlicher Macht über den Umweg sozialer Macht oft im Ansatz stecken bleibt, sprich im Umweg. Wenn ich mir die “Mächtigen” meines Lebens revue passieren lasse, bemerke ich dass fast niemand dazu gekommen ist, seine soziale Macht am Ende in persönliche Macht/Freiheit/Unabhängigkeit umzumünzen.
Ich vermute dass man auf dem Umweg über die soziale Macht soviel “Anpassungsgeld” bezahlt, dass man am Ende unfähig ist die “Rückanpassung” zu “finanzieren” sprich es entweder nicht mehr vermag oder nicht mehr wollen kann.
Ich habe sogenannte Mächtige nie beneidet, eher bedauert. Konnte ich doch schon sehr früh erkennen, dass meine Weigerung irgendeine Form sozialer Macht zu erwerben mir immer viel mehr persönliche Freiheiten gestattet hatte, als es den “Mächtigen” möglich war. Dass man sich dabei weit aus der Hammelherde entfernt, muss man dafür in Kauf nehmen.
Mein Eindruck ist, dass zwar die angestrebte Macht oft zumindest teilweise und zeitweise erreicht wird, aber der Preis dafür viel höher ist als gedacht, in Form von Kungelei, Aufgabe von politischen Zielen, Verlust von Zeit für Dinge, die normale Leute tun können nach Belieben, Verlust von Ansehen bei grossen Teilen der Bevölkerung, Leben im sozialen Politiker-Ghetto, Verlust von persönlicher Sicherheit, so dass sie immer mit Leibwachen unterwegs sein müssen, Leben in Kulissen (z.B. wenn auf Veranstaltungen das Volk in den vorderen Reihen von zivilen Beamten, oder zuverlässigen Parteimitgliedern dargestellt wird – eine auch im Westen übliche Praxis; kam mal raus, als Bundespräsident Weizsäcker bei einer Rede Eier abkriegte, weil bei der Organisation Fehler gemacht wurden.,
und nicht zuletzt : Man sieht es ihnen irgendwann auch an, was sie (geworden) sind.
Tja, die alte Frage: Sind machtgierige Menschen selbstbeußt, oder versteckt unselbstbewußt und kompensieren mit Macht? Die Beispiele Wilhelm2, Hitler, Idi Amin oder eine gewisse Angela würden in die Richtung Kompensation weisen.
Da kommt, im Zusammenhang mit der hier dargestellten Machtdefinition, auch wieder das Thema Infantilität zur Sprache. Unreife Persönlichkeiten mit einem Mangel (oder einem Überschuß?) an Aufmerksamkeit, die mit Unterdrückung anderer versuchen, sich zu therapieren.
Bei den Motivpsychologen gibt es ja auch noch die Unterscheidung unregulierte/ regulierte Machtmotivation. Die reifen erwachsenen Menschen mit Machtmotiv sind konstruktiv (Trump, Ärzte etc, aber nicht Drosten); unreife große Kinder wollen alles zertrümmern (fiese Manager, Angela etc).
Ein großartige Buch zu dieem Thema von Paul Babiak und Robert D. Hare “Menschenschinder oder Manager”- Psychopathen bei der Arbeit.
Das ist mal sehr interessante Forschung.
Ich frage mich, wie es sich bei frühren Spitzen der Gesellschaft mit dem Verhältnis von persönlicher und sozialer Macht verhielt, da mir gerade die Anekdote in den Sinn kam, daß Kaiser Franz Josef (?) nach Besuch eines Theaterstücks nur noch den stereotypen Satz “es war sehr schön und hat mich sehr gefreut” äußerte/äußern durfte, nachdem sich einmal eine Schauspielerin umgebracht hatte, als er zuvor mal seine wirkliche Meinung “hat mir nicht gefallen” geäußert hatte. D.h. er stand unter dem sozialen Zwang, seine Meinung nicht frei äußern zu dürfen – obwohl er nominell der Mächtigste war.
Das habe ich etwas anders in gelesen : Er hatte auf einer Ausstellung einen Aussteller/ Unternehmer kritisiert, der sich dann einige Tage später umbrachte. Quelle ist ein sehr dickes Buch über Franz Joseph (Titel?) von einer österreichischen Autorin
Das mag sein, daß Sie es genauer wissen; aber grundsätzlich ist das Problem gleich: persönliche Unfreiheit, weil jede Äußerung auf die Goldwaage gelegt wird und verheerende Wirkung haben kann. Ich halte diesen Preis einer Machtstellung auch für den Grund, warum man kaum je wirklich freie Menschen finden wird, die ein Amt anstreben.