long-COVID – Die Hysterie ist Begriff geworden

Wissen Sie was komisch ist?

Während SARS-CoV-2, wenn es um die Infektion geht, nicht nach Geschlecht zu unterscheiden scheint, macht long-COVID einen deutlichen Unterschied nach Geschlecht.

Quelle

Eine – nennen wir es Studie – des Office of National Statistics des Vereinigten Königreichs hat das gerade gezeigt. Frauen leiden, nein, Frauen geben häufiger an, schätzen häufiger für sich selbst ein, dass sie an long-COVID leiden als Männer. Seltsamerweise macht long COVID auch einen Unterschied nach ethnischer Abstammung. Ob der ethnische Hintergrund asiatisch, black oder gemischt ist, die Wahrscheinlichkeit, über long-COVID zu klagen, ist geringer als für Weiße (Frauen). Ein sehr interessantes Verhalten von SARS-CoV-2, das noch dadurch getoppt wird, dass long-COVID vornehmlich in der Altersgruppe der 35 bis 69jährigen, zugegeben nicht unbedingt eine kleine Altersgruppe, aber die, die durch Berufstätigkeit (sofern nicht arbeitslos) geprägt ist, gehäuft von den Befallenen berichtet wird.

Long-COVID ist ein Rätsel.
Beginnen wir damit, es zu lösen.
Wovon reden wir eigentlich? Wir reden von dem hier:
Lassen Sie sich einstweilen bitte nicht von der Einheit (Thousands) stören. Das ist Humbug, zu dem wir noch kommen. Müdigkeit, kurzer Atem, Muskelschmerzen, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, das sind also die Symptome von long-COVID. Allerweltssymptome, von denen man erst noch zeigen müsste, dass sie in einem ursächlichen Zusammenhang mit COVID-19 stehen, insbesondere wenn es sich um Symptome handelt, die von denen, die sie haben wollen, selbst berichtet werden. Beim Office of National Statistics weiß man das, und schreibt deshalb:

Irgend jemand beim Office of National Statistics hat eine Ausbildung und nutzt sein daraus resultierendes Herrschaftswissen um darauf hinzuweisen, dass man Kopf- und Glieder- und Muskelschmerzen und Müdigkeit auch aus anderen Gründen, denn aus einer zurückliegenden Erkrankung an COVID-19 beziehen kann. Indes, die Daten, die hier dargestellt sind, sie basieren gar nicht auf Personen, die an COVID-19 erkrankt waren. Sie basieren auf Personen, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden und sich nun einbilden, manche von ihnen tun das seit 12 Monaten, dass die Kopfschmerzen, die sie haben, auf SARS-CoV-2 zurückzuführen sind. Ob das so ist, ist eine ganz andere Frage. Ob tatsächlich, wie das Office of National Statistic behauptet, geschätzt eine Millionen Menschen im Vereinigten Königreich an long-COVID leiden, an “self-reported long COVID”, wobei der positive Test auf SARS-CoV-2 bei 376.000 von Ihnen mehr als ein Jahr zurückliegt, das ist ebenfalls eine ganz andere Frage. Womit wir bei der Fallzahl sind, die in der Abbildung oben angebeben ist, angelangt sind.

Um zu dieser Fallzahl zu gelangen, hat das Office of National Statistic nicht etwa mehr als eine Million Meldungen von Leidenden, oder eingebildeten Leidenden entgegen genommen. Nein, die Ergebnisse basieren auf einer Hochrechnung, einer, die im Vereinigten Königreich unter dem Stichwort “Experimentelle Statistik” geführt wird, Das sagt eigentlich alles. 26.547 Personen, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, sind in die experimentelle Statistik eingegangen, d.h. deren Angaben. Wie viele unter den 26.547 positiv Getesteten auch Symptome von “long COVID” angeben, das ist ein Geheimnis, das so geheim ist, dass wir mindestens 30 Veröffentlichungen des ONS vergeblich danach durchsucht haben. Es sind halt einige, vermutlich irgendwo zwischen 5% und 20% der 26.547 Befragten, die Angaben machen. Letztlich ist das irrelevant, denn es gibt keinerlei Beleg dafür, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen dem mindestens 12 Wochen, zuweilen auch bis zu einem Jahr zurückliegenden positiven Test und den berichteten Symptomen, den Kopf- und Muskelschmerzen gibt.

Das hindert diejenigen, die entweder hysterisch oder stets auf der Suche nach panikfähigem Material sind, nicht daran, Folgendes zu tweeten:

Dass “fast 1 Million Betroffene erfasst” wurden, wie Lauterbach behauptet, ist falsch. Das behauptet nicht einmal das ONS. Dort ist generell die Rede von “estimated”, also geschätzt, und zwar im Rahmen von “experimental statistics”. Es sind keine Tatsachen, die hier verbreitet werden, sondern Vermutungen, die sich als vollkommen falsch herausstellen können, was natürlich Freund Lauterbach nicht interessiert. Er ist nur am Verbreitung von Doom and Gloom interessiert. Er ist ein richtiger Miesepeter.

Übrigens entspricht eine Inzidenz von 0,2% der 12-16jährigen im Datensatz des ONS ungefähr 16 Hanseln, eine erschreckende Anzahl, die Hysterikern ausreichend Anlass zu Hysterie gibt.

Apropos:

Hysterie wurde bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts ausschliesslich als „weibliche Hysterie“ erfasst und diagnostiziert. Die Erklärungen dafür, dass Hysterie in erster Linie Frauen ereilt, waren vielfältig und müssen uns hier nicht interessieren, denn die Forschung zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat dazu geführt, dass die Diagnose „weibliche Hysterie“ weitgehend verschwunden ist. Die 1895 von Sigmund Freud gemeinsam mit Josef Breuer veröffentlichten „Studien über Hysterie“ haben dazu geführt, Hysterie als Krankheitsbild zu betrachten, das zwar mehrheitlich, aber nicht nur Frauen befällt und darüber hinaus nicht mehr von weiblicher Hysterie, sondern von Hysterie als einer Angst-Störung zu sprechen. Auch diese Klassifikation ist zwischenzeitlich und aus vielen Gründen in Ungnade gefallen. Der Hauptgrund findet sich in der variablen Verwendung, die das Konzept „Hysterie“ im Verlauf des 20. Jahrhunderts gefunden hat, eine Verwendung, hinter der sich neurologische, psychophysiologische Bedingungen und Massenpaniken in gleicher Weise finden. Kurz: Der Begriff war beliebig geworden und wurde deshalb fallen gelassen. Deshalb schreibt R. E. Kendall in einem Beitrag aus dem Jahre 2001:

“Contemporary understanding of hysterical behavior has been influenced strongly by the sociological concepts of the ‘sick role’ and ‘illness behavior’ and by learning theory, and attempts to reduce both the attractions of the sick role and influences discouraging healthy behavior now have a central role in management. This conceptual model explains the distribution of hysterical behaviors in populations, including the predominance in young women, and many other clinical observations, but it fails to account either for neurological conversion symptoms or for fugues and other dissociative phenomena.”

Hysterisches, also den Umständen nicht angemessenes Verhalten, wird nunmehr als erlerntes Verhalten betrachtet, das sich vornehmlich bei Mädchen und jungen Frauen findet, die versuchen, über eine Opferrolle, die sie sich zuschreiben, Aufmerksamkeit zu gewinnen. Auch eine mögliche Erklärung für das Phänomen des selbstberichteten long-COVID, von dem hauptsächlich weiße Frauen im erwerbsfähigen Alter befallen werden …


Noch ein Apropos:

“Experimental statistics are those which are in the testing phase, are not yet fully developed and have not been submitted for assessment to the UK Statistics Authority. They are published in order to involve customers and stakeholders in their development and as a means to build in quality at an early stage.”

Experimentelle Statistik soll demnach keine “Fakten” oder “Befunde” liefern, sondern zur Diskussion Anlass geben. Experimentelle Statistik ist ein Aufruf an Stakeholder, an Statistiker und an Interessierte, sich an einer Diskussion über deren Sinn und Zweck zu beiligen. Dass Polit-Darsteller wie (Un)Lauterbach an einer solchen Diskussion nicht interessiert sind, das dürfte nach seinem Tweet klar sein.


Seit Ende Januar 2020 besprechen wir Studien zu SARS-CoV-2. Damit gehören wir zu den wenigen, die das neue Coronavirus seit seinem Auftauchen verfolgt und den Niederschlag, den es in wissenschaftlichen Beiträgen gefunden hat, begleitet haben.
Eine Liste aller Texte, die wir zu SARS-CoV-2 veröffentlicht haben, finden Sie hier.

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