Intellektuelle Abwärtsspirale: Neue Studie belegt weniger Innovation in Wissenschaft und Technik
Wissenschaft lebt von der immer fortwährenden Ansammlung von Wissen um die Phänomene, die wir mit unserem menschlichen Erkenntnisapparat beobachten und beschreiben können. Sie ist ein kumulatives Geschäft, das durch Forschung vorangetrieben wird, denn neue Forschung wirft neue Fragen auf, wenn sie die Erwartungen der Forscher nicht erfüllt (weshalb es so wichtig ist, dass in Forschungen die Möglichkeit eingebaut ist, Erwartungen als falsch zu erweisen, d.h. zu falsifizieren). Wenn sich Theorien durch neue Forschung bzw. neue Beobachtungen als falsch erweisen, dann werden sie durch neue, bessere Theorien abgelöst, „besser“ insofern als sie die gemachten Beobachtungen erklären oder hervorsagen können – bis diese Theorien ihrerseits durch bessere ersetzt werden. Das ist die Idee vom graduellen Wissenschaftsfortschritt.
Manchmal erfordern neue Beobachtungen neue Theorien, die sehr Vieles, was man bislang zu wissen glaubte, auf grundsätzliche Weise in Frage stellen, und in einem solchen Fall spricht man von wissenschaftlichen Revolutionen oder Paradigmenwechseln. Ein Beispiel hierfür ist die Evolutionstheorie, die sich im 19. Jahrhundert entwickelt hat und u.a. mit den Namen von Jean-Baptiste Lamarck, Alfred Russell Wallace und Charles Darwin verbunden ist. Der Grundgedanke der Evolutionstheorie ist, dass lebende Organismen in der Auseinandersetzung mit Umweltbedingungen und gemäß angebbarer Entwicklungsgesetze eine Entwicklungsfolge darstellen, die (derzeit) im Menschen als der (bislang) höchstentwickelten Form ihren Höhepunkt erreicht hat. Dieser Gedanke war nicht vor dem Hintergrund der christlichen Schöpfungsgeschichte revolutionär, sondern stand auch im Gegensatz zu Theorien wie z.B. derjenigen von Pierre-Louis Moreau de Maupertuis oder Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon, nach denen Organismen spontan entstehen und aussterben und – nach Leclerc – spezifische Kombinationen von organischen Molekülen darstellen.
Im technologischen Bereich denke man nur an die innovativen Leistungen der Viktorianer, ohne die wir die Leben, die wir heute führen, nicht in der Weise führen würden, wie wir es führen: die heißwasser-basierte Zentralheizung im Audley End House aus dem Jahr 1846, der elektische Telegraph – die erste elektronische Nachricht, die den Atlantik überquerte, wurde am 16. August 1858 von Königin Victoria in Osborne an den amerikanischen Präsidenten James Buchanan gesendet –, das erste Wasserkraftwerk, das William Armstrong in Cragside, Northumberland, im Jahr 1870 installierte, um sein Haus, Cragside House, und die Farmhäuser aus einem Anwesen mit Elektrizität, vor allem für elektrisches Licht, zu versorgen, mit all dem vielem anderen mehr haben die Viktorianer die technologischen Grundlagen gelegt, auf denen in den folgenden Jahrzehnten aufgebaut wurde, um das zu ermöglichen, was man eine moderne Lebensführung nannte. Und obwohl heutige Computer auf den ersten Blick keinerlei Ähnlichkeiten mehr mit z.B. Charles Babbages „Analytical Engine“ aus dem Jahr 1837 haben, kann man mit Fug und Recht sagen, dass selbst die Grundlagen der Computertechnik bereits vor 200 Jahren gelegt wurden. Die wissenschaftlichen und technischen Innovationen des 19. Jahrhunderts haben die Welt in nahezu jeder Hinsicht verändert.
Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hat uns im Jahr 1905 mit Einsteins Relativitätstheorie einen weiteren wissenschaftlichen Paradigmenwechsel gebracht, und im Bereich technologischer Innovation u.a. den Zeppelin (1900), ), das Neon-Licht (1902), das Auto (das erste Model T-Auto von Ford wurde 1908 verkauft), das Fernsehen (1927), Flüssigbrennstoffraketen (1926), das Penicillin (1928) das Elektronenmikroskop (1931), das Düsentriebwerk (1937), die Atombombe (1945). Das Mobiltelefon und den Aufbau von Mobiltelefonnetzes, die CDs und den CD-Player sowie die digitale Kamera haben uns die 1970er-und die 1980er-Jahre beschert, aber spätestens seitdem, so zeigt eine aktuelle Studie von Park et al. (2023), gibt es immer weniger bahnbrechende wissenschaftliche und technologische Innovationen.

Zu diesem Ergebnis kamen Park et al. aufgrund ihrer Analyse von 25 Millionen Fachzeitschriftentexten aus dem Zeitraum von 1945 bis 2010, die im WebofScience (WoS) verzeichnet sind, und 3,9 Millionen Patenten, die zwischen 1976 und 2010 in die Patents View-Datenbank des United States Patent and Trademark Office, des Patentamtes der Vereinigten Staaten, aufgenommen wurden. Die auf dieser Basis gewonnen Ergebnisse haben Park et al. anhand von vier weiteren Datensätzen überprüft, nämlich JSTOR, dem American Physical Society Corpus, Microsoft Academic Graph und PubMed, die zusammengenommen 20 Millionen Fachbeiträge führen.
Die in diesen Datensammlungen geführten Fachtexte bzw. Patentanmeldungen haben die Autoren zunächst anhand des von Funk und Owen-Smith (2017) entwickelten CD-Indexes ausgewertet. Es handelt sich dabei um einen zitationsbasierten Index, der von -1 bis +1 reicht, wobei die am stärksten konsolidierenden Beiträge bei -1 liegen und die am stärksten innovativen, bahnbrechenden Beiträge bei +1 (Park et al. 2023: 139). Der CD-Index bildet ab, inwieweit Fachtexte oder Patente Vorgängerarbeiten zitieren bzw. auf technologische Vorläufer verweisen und es damit erlaubt, zwischen bahnbrechenden oder zumindest stark innovativen Beiträgen einerseits und konsolidierenden Beiträgen, also den Bestand festigenden oder auf bereits Etabliertem aufbauenden und es ausbauendes Beiträgen andererseits zu unterscheiden:

Wie man aus der Abbildung erkennen kann sind bahnbrechende Fachbeiträge im Zeitraum von 1945 bis 2010 in allen vier Bereichen, die Park et al. unterscheiden – Biowissenschaften inklusive Biomedizin, (andere) Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften und Technologie –, sehr viel seltener geworden. In den Sozialwissenschaften beträgt der Rückgang 91,9%, in den Naturwissenschaften 100%, der Rückgang in den Bereichen Biowissenschaften/Biomedizin und Technologie liegt zwischen diesen Prozentzahlen. Seit etwa 1980 hat sich die Anzahl bahnbrechender Fachbeiträge in den Bereichen Biowissenschaften/Biomedizin und (andere) Naturwissenschaften stabilisiert, aber in den Sozialwissenschaften und im technologischen Bereich hat der Rückgang auch nach 1980 angehalten.
Für Patente beobachten Park et al. ebenfalls einen starken Rückgang im Zeitraum zwischen 1976 und 2010:

“… for patents, the decrease between 1980 and 2010 ranges from 78.7% (… for ‘computers and communications’) to 91.5% (…for ‘drugs and medicinal’)” (Park et al. 2023: 139),
d.h.
„… bei den Patenten reicht der Rückgang zwischen 1980 und 2010 von 78,7% (… für ‚Computer und Kommunikation‘) bis 91,5 % (… für ‚Drogen und Arzneimittel‘) (Park et al. 2023: 139).
Für Fachbeiträge und Patente zusammengenommen stellen Park et al. fest:
Mit den „niedrig hängenden Früchten“ beziehen sich Park et al. figurativ auf eine mögliche Erklärung für den Rückgang bahnbrechender Fachbeiträge und Patente, nach der die „niedrig hängenden Früchte“ in früheren Jahren oder Dekaden bereits „geerntet“ sind, d.h. die relativ einfach zu erreichenden bzw. vergleichsweise näher liegenden Innovationen, bereits in früheren Jahren oder Dekaden vorgenommen wurden, so dass es mit der Zeit schwieriger wird, in einem Fachbereich oder Forschungsfeld innovativ zu wirken. Park et al. wenden gegen diese Erklärung aber ein, dass es unwahrscheinlich ist, dass sich dieser Prozess in allen von ihnen unterschiedenen Bereichen zeitlich betrachtet in paralleler Weise vollziehen würde. Und das bedeutet, dass andere Erklärungen für den von Park et al. beobachteten Trend gefunden werden müssen. Darauf wird noch zurückzukommen sein.
Die Ergebnisse, die Park et al. mit Hilfe des CD-Indexes erzielt haben, überprüfen sie, indem sie eine sprachliche Analyse durchführen, um bahnbrechende von konsolidierenden Beiträgen zu unterscheiden. Sie argumentieren, dass bahnbrechende Beiträge eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, neue Worte zu enthalten, weil die in ihnen formulierten Gedanken eine Abkehr vom status quo und der Begriffe, die ihn kennzeichnen, bedeuten. Das mag erfordern, dass neue Begriffe für neue Konzepte geschaffen werden müssen. Basierend auf dieser Überlegung berechnen sie das Verhältnis von neuen, speziellen, außergewöhnlichen („unique“) Worten zu allen verwendeten Worten (Park et al. 2023: 139).
Und was das betrifft, so haben Park et al. (2023: 140)
Alle von Park et al. verwendeten Maße zeigen also einen erheblichen Rückgang bahnbrechenden Fachbeiträge und Patente zwischen 1945 und 2010 bzw. 1976 und 2010:
“We find that papers and patents are increasingly less likely to break with the past in ways that push science and technology in new directions. This pattern holds universally across fields and is robust across multiple different citation- and text-based merits” (Park et al. 2023: 138).
D.h.
„Wir stellen fest, dass es immer unwahrscheinlicher wird, dass Veröffentlichungen und Patente mit der Vergangenheit in einer Weise brechen, die Wissenschaft und Technologie in neue Richtungen lenkt. Dieses Muster gilt durchgängig für alle Fachgebiete und ist robust gegenüber verschiedenen zitier- und textbasierten Merkmalen“ (Park et al. 2023: 138).
Das bedeutet nicht, dass im beobachteten Zeitraum so gut wie keine bahnbrechenden Beiträge (in Text- oder Patentform) mehr geleistet wurden, denn – wie Park et al. (2023: 140) bemerken, verdecken die beschriebenen Trends “… remarkable stability in the absolute number of highly disruptive works …“, d.h. „… bemerkenswerte Stabilität der absoluten Zahl der sehr stark innovativen [im eigentlichen Sinn bahnbrechenden] Werke“.
Als sehr stark innovativ oder bahnbrechend im eigentlichen Sinn ordnen Park et al. diejenigen Beiträge ein, die einen CD-Index aufweisen, der höher als +0.5 liegt. Wie man (an den grünen und roten Linien in) der folgenden Abbildung entnehmen kann, ist die Anzahl dieser Beiträge, d.h. der stark innovativen Beiträge mit einem CD-Index über +0.5, während des beobachteten Zeitraums in den verschiedenen von den Autoren unterschiedenen Bereichen stabil geblieben.

Während die Trends für alle von den Autoren unterschiedenen Fachbereichen im beobachteten Zeitraum also eine abnehmende Innovationstätigkeit abbilden, ist die Anzahl hochinnovativer Fachbeiträge (links in der obenstehenden Abbildung) und Patente (rechts in der obenstehenden Abbildung) also mehr oder weniger stabil geblieben. Oder anders ausgedrückt:
“… declining aggregate disruptiveness does not preclude individual highly disruptive work” (Park et al. 2023: 140),
d.h.
„abnehmende Gesamtinnovation schließt einzelne hochgradig innovative Arbeiten nicht aus“ (Park et al. 2023: 140).
Wie ist der beobachtete Trend abnehmender Innovationstätigkeit in allen von den Autoren unterschiedenen Bereichen zu erklären? Die Befunde sprechen gegen die Vermutung, dass alles, was relativ einfach zu entdecken wäre, bereits entdeckt sei und sich in der Folge eine Art Konsens in jedem der verschiedenen Fachbereiche eingestellt hätte, dem es wenig oder gar nichts hinzuzufügen gäbe. Sind die Befunde dann vielleicht ein methodisches Artefakt? Park et al. verwenden einige Mühe darauf, diese Möglichkeit zu überprüfen und können zeigen, dass das nicht der Fall ist. So können sie u.a. zeigen, dass der Trend kein Ergebnis sich wandelnder Publikationstätigkeit von Wissenschaftlern/Forschern ist (Park et al. 2023: 142) und
“… papers and patents are increasingly less disruptive than would be expected by chance” (Park et al. 2023: 142),
d.h.
„… Fachbeiträge und Patente sind zunehmend weniger innovativ als zufällig zu erwarten wäre“ (Park et al. 2023: 142).
Die Autoren führen den beobachteten Trend zum Teil darauf zurück, dass Wissenschaftler, Forscher und Erfinder sich auf ein engeres Spektrum an vorhandenem Wissen verlassen (Park et al. 2023: 142). Und diese Vermutung wird gestützt durch den von den Autoren beobachteten Rückgang der Vielfalt der zitierten Arbeiten, und diese Entwicklung wird begleitet von einem Anstieg des Anteils der Zitationen des einen Prozentes der am meisten zitierten Beiträge (Park et al. 2023: 142). Darüber hinaus beobachten sie, dass Selbst-Zitationen, also Zitationen eigener Texte, mit der Zeit immer häufiger werden, und Selbst-Zitationen sind
“… a common proxy for the continuation of one’s pre-existing research stream…, which is consistent with scientists and inventors relying more on highly familiar knowledge” (Park et al. 2023: 142),
d.h.
„… ein gängiger Indikator für die Fortführung der eigenen Forschung…, was damit übereinstimmt, dass Wissenschaftler und Erfinder mehr auf bereits bekannte Kenntnisse zurückgreifen“ (Park et al. 2023: 142).
Anders ausgedrückt: Wissenschaftler, Forscher, Erfinder bewegen sich mental immer weniger. D.h. sie beackern im Verlauf ihrer Karriere sozusagen häufiger dasselbe Feld, vielleicht um einen „Experten“-Status zu gewinnen oder einen ggf. vorhandenen nicht zu verlieren, statt neue Interessen aus dem bereits Geleisteten heraus zu entwickeln oder sich anderen Zugängen zu ihrem Feld, angezeigt durch die Zitation anderer Literatur, zu öffnen.
Die zunehmende Zitation älterer Texte, die Park et al. beobachten, könnte ihrer Meinung nach auch dadurch zu erklären sein, dass sie Schwierigkeiten haben, Schritt zu halten mit dem Wissensfortschritt in ihrem, geschweige denn: angrenzenden, Gebieten, so dass sie sich stattdessen auf ältere, vertraute Arbeiten verlassen (Park et al. 2023: 142).
Vor dem Hintergrund, dass wissenschaftliches Personal während der vergangenen Jahrzehnte zunehmend Verwaltungsaufgaben übernehmen musste und wissenschaftliches Personal immer mehr zu Hochschul-Lehrpersonal geworden ist , das von Semester zu Semester dieselben Lehrangebote machen bzw. „Lehrmodule“ vorlesen muss, vielleicht sogar Stunden wertvoller Arbeitszeit damit zubringen muss, Klausuren zu beaufsichtigen, wäre es nicht überraschend, wenn es keine Energie oder Zeit mehr aufbringen würde, um sich auf dem Stand des Wissensfortschrittes in ihrer wissenschaftlichen Disziplin oder darüber hinaus, oder wenigstens in ihrem eigenen Wissens-/Forschungsgebiet zu halten. (Überraschend wäre dann allerdings, dass das so Wenige in den Reihen eigentlich wissenschaftlichen Personals zu stören scheint.)

Jedenfalls weisen alle genannten Indikatoren nach Park et al. (2023: 142) in die Richtung eines zunehmend geringer werdenden Umfangs vorhandenen Wissens, auf dem Innovationen überhaupt aufbauen können, und
“[r]elying on narrower slices of knowledge benefits individual careers…, but not scientific progress more generally” (Park et al. 2023: 143),
d.h.
„die Beschränkung auf engere Wissensausschnitte kommt individuellen Karrieren zugute, aber nicht dem wissenschaftlichen Fortschritt im allgemeinen“ (Park et al. 2023: 143).
So sehr man (wie ich) geneigt sein mag, den Schlussfolgerungen von Park et al. aufgrund der von ihnen genannten Indikatoren (und der insgesamt gesehen soliden Arbeit, die sie geleistet haben,) zuzustimmen, so kann man sich doch fragen, welche Rolle beim beobacheten Trend von immer weniger Innovation, angezeigt u.a. durch immer weniger Neu-Schaffungen von Konzepten bzw. Begriffen und immer mehr Selbstzitationen und Zitationen der immer selben Werke, ein gesellschaftliches Klima der „sprach- und denkpolizeilichen Aufsicht“ spielt, das längst auch jedes Unternehmen, jede Universität und jede Forschungseinrichtung ereilt hat.
So könnten junge Wissenschaftler z.B. negative Folgen fürchten, wenn sie ihrer im Prinzip zur Innovation fähige Forschung über „Rassismus“ eine andere Definition zugrundelegen wollten als sie derzeit von Teilen der Akademia und von politischer Seite erwünscht ist. Oder die Forschung über den Bildungserfolg von Kindern aus Migrantenfamilien könnte deshalb stagnieren, weil im gesellschaftlichen Klima akzeptable Erklärungen für denselben bereits bearbeitet wurden und sich wissenschaftliches Person einfach nicht traut, weniger akzeptable zu beforschen. Ja, ganze Forschungsbereiche können tabuisiert werden, wie z.B. die Forschung über die Nachteile, die Jungen oder Männer in westlichen Gesellschaften gegenüber Mädchen und Frauen haben, weil nicht sein kann, was ideologisch nicht sein darf. In einem solchen Klima mag, wer Karriere machen will, vorziehen, der Forschung (oder auch nur Spekulation) über Mädchen- oder Frauennachteile einen weiteren, wenn auch noch so wenig relevanten, Aspekt hinzuzufügen, als sich über die Grenzen des ideologisch Erwünschten hinauszubewegen.
Im Zusammenhang damit muss auch vermutet werden, dass während der vergangenen Jahrzehnte die Lehrqualität, insbesondere mit Bezug auf die Breite des Gelehrten – an Universitäten und Hochschulen insgesamt gelitten hat, sei es aufgrund der zunehmenden Modularisierung der Lehre oder aufgrund persönlicher Ängste oder ideologischer Voreingenommenheiten des Lehrpersonals. Im Ergbnis verschmälert sich die Wissensbasis von Studenten, die jeweils die Wissenschaftler, Forscherund Erfinder der Zukunft sind.
Yanai und Lercher (2023) haben mit Bezug auf die Frage, wie man für mehr Innovationstätigkeit in Wissenschaft und Forschung sorgen könnte, folgendes vorgeschlagen:
All dies könnte sicher nicht schaden, aber die Frage ist, inwieweit solche Vorschläge verwirklichbar sind eben angesichts des sich ständig verengenden Wissensvorrats. Z.B. müssen die Biologen, die Interaktionen zwischen Hefezellen untersuchten, von der ökonomischen Spieltheorie gewusst haben, und sie müssen sie verstanden haben, um sie überhaupt als Anregung für die Untersuchung von Hefezellen erkennen und benutzen zu können. Angesichts eines immer enger werdenden Wissensvorrats bei Wissenschaftlern, Forschern und Erfindern dürften solche Übertragungsleistungen immer weniger wahrscheinlich werden. Und selbst, wenn Wissenschaftler, Forscher und Erfinder um Dinge außerhalb ihres Feldes wissen, dann setzt eine Übertragungsleistung aus diesen Feldern voraus, dass sie keine ideologischen oder sonstwie motivierten Vorbehalte gegen sie haben, was in einem ideologisch stark aufgeladenen gesellschaftlichen Klima nicht automatisch vorausgesetzt werden kann.
Innovation, die die Bezeichnung verdient, setzt Kreativität voraus, aber Kreativität muss auf einer möglichst breiten Wissensbasis aufbauen, wenn sie im Dienst der Entwicklung von einigermaßen Sinnvollem stehen soll. Deshalb muss m.E. ein Weg gefunden werden, eine möglichst gute Kenntnis von bereits Erarbeitetem mit einer Fähigkeit zur Kreativität zu verbinden. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass eine breite Wissensbasis in diesem Zusammenhang sinnvollerweise nicht in einer Vielzahl von Detailwissen aus verschiedenen Feldern oder Disziplinen bestehen sollte, sondern aus breitem Grundlagenwissen um in Wissenschaft und Forschung immer Wiederkehrendes, insbesondere mit Bezug auf wissenschaftliche Arbeitstechniken, speziell Methodenwissen, und Wissen um Konzepte, die Phänomene oder Prozesse bezeichnen, die überall in Wissenschaft und Forschung eine Rolle spielen, wie z.B. „emergente Eigenschaften“, „unbeabsichtigte Folgen“, „sich selbt verstärkende Prozesse“, multikausale Verursachung“, „Moderatorvariable“ u.v.a.m. verstehen und anwenden zu können. Nur auf einer solchen Basis ist es m.E. möglich, sich spezifisches inhaltliches Wissen aus verschiedenen Fachbereichen unter einigermaßen vertretbarem zeitlichen Aufwand zu erarbeiten oder neue Entwicklungen im eigenen Bereich aufzuarbeiten und zu würdigen, aber auch, tolerant gegenüber konkurrierenden Theorien und eine Erwartung enttäuschende Forschungsergebnisse zu sein.
Ich bin deshalb (nach wie vor) der (von mir schon häufiger formulierten) Auffassung, dass jedes Studium gleich welcher Fachrichtung so aufgebaut sein sollte, dass grundlegendes Wissen um Konzepte und Methoden wie die oben erwähnten in einem für alle Studenten gleichen Grundstudium vermittelt werden sollten, und erst danach und darauf aufbauend fachspezifisches inhaltliches Wissen in einem weiterführenden Fachstudium vermittelt werden sollte.
Aber das erfordert zum einen Lehrpersonal, das dies leisten kann, und zum anderen ein deutlich anti-ideoloigisches Klima an Universitäten und Hochschulen. Deshalb scheint es, dass wir uns auch im kommenden Jahrzehnt auf diejenigen werden verlassen müssen, die es – anscheinend resistent gegen das jeweilige gesellschaftliche bzw. ideologische Klima, gegen karrieretechnische Erwägungen und hinreichend motiviert, um sich ein breites Wissen selbst anzueignen – in allen Dekaden gegeben hat und wohl weiterhin geben wird: die vergleichsweise Wenigen, die Beiträge leisten können, die einen Wert im CD-Index von >+0.5 erreichen.
Literatur
Funk, Russell J., & Owen-Smith, Jason, 2017: A Dynamic Network Measure of Technological Change. Management Science 63(3): 791-817.
Park, Michael, Leahey, Erin, & Funk, Russell J., 2023: Papers and Patents are Becoming Less Disruptive Over Time. Nature 613(7942):138-144. doi: 10.1038/s41586-022-05543
Yanai, Itai, & Lercher, Martin J., 2023: Make Science Disruptive Again. Nature Biotechnology. doi: 10.1038/s41587-023-01736-5
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Schon Ignaz Paul Vital Troxler (1780-1866) forderte, dass alle (natur)wissenschaftlichen Studiengänge mit einem Jahr Philosophie beginnen sollten… bzw. auch das Denken will erlernt werden.
Ein weiterer, wichtiger Aspekt scheint mir die Schulbildung zu sein. Kreativität kann erlernt werden, genau so wie die Kenntnis, wie Wissen angeeignet werden soll. Und unter Umständen ist beides wichtig; dieses den Menschen im frühen Alter beizubringen, nicht bloss, was sie zu passablen ‘Arbeitern’ macht (wie von der Bologna-reform intendiert)…
Die Reduktion der Vernunft beklagte schon die Frankfurter Schule.
Und wenn Naturwissenschaftler dem Drang, zu philosophieren, nicht widerstehen können, ist das Ergebnis meist zum Sich-an-den-Kopf-greifen: mir fällt hier spontan Chr. Dawking ein oder ein Frank Tipler (Pietschmann ist eine rühmliche Ausnahme).
Soll heißen: Reduktion der Vernunft auf das Instrumentelle.
Zumindest in Österreich mußten bis ca. 1970 alle Absolventen der Philosophischen Fakultät (die damals auch noch die naturwissenschaftlichen Studienrichtungen umfaßte) auch philosophische Veranstaltungen absolvieren. Dies fiel dann den nachfolgenden “Studienreformen” zum Opfer; deren letzte bekennt sich ja offen zur Abkehr vom Humboldt-Ideal und zur Reduzierung des Studiums auf reine “Ausbildung” für das Kapital.
Der moderne Arzt z. B. ist eigentlich nur noch ein besserer medizinisch-technischer Assistent, der die von Pharma vorgegebene Behandlung durchführt – und wehe, er tut es nicht (siehe Corona)!
Interessanter Artikel. Die nachlassende Innovationskraft ist Resultat einer gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Dass weiterhin bahnbrechende Entdeckungen gemacht werden, ist dem Genie einzelner geschuldet, die auch unter widrigsten Bedingungen Herausragendes leisten können. Dass die Zahl der Innovationen abnimmt ist Resultat nachlassender Fähigkeiten im mittleren und gehobenen Intelligenzbereich. Das Senken schulischer Anforderungen wirkt sich eben auch massiv auf den Wissenschaftsbetrieb aus. Logisches Denken, Grundlagen der Mathematik, Sprachfertigkeit wie Wortschatz und das korrekte Verwenden der Grammatik – alles auf breiter Front im Rückzug begriffen. Was dagegen hochgehalten wird, sind Ideologien und eine ins quasireligiöse übersteigerte Karikatur der Wissenschaft, was in einem “Die Wissenschaft sagt!” kulminiert. Logisch, dass dann eben keine Artikel in Fachzeitschriften erscheinen, die sich kritisch mit dem sogenannten menschgemachten Klimawandel auseinandersetzen oder mit den “Genderwissenschaften” oder der Energiewende. Alles Themen die von grünlinker Seite vorangetrieben wurden und werden und bei denen jede Kritik daran als Ketzerei gebrandmarkt wird. Eine freie und unabhängige Wissenschaft kann in allen ihren Gebieten in solch einem Klima nicht existieren.
Für mich sind Mai Thi Nguyen-Kim oder Harald Lesch die Prototypen des heutigen Wissenschaftsdarstellers. Beide sicherlich intelligent aber nicht klug genug, Ideologie aus der Wissenschaft herauszuhalten und so trompetet der eine erhaben von jedem Zweifel die üblichen Klimatheorien heraus und die andere macht sich mit der Theorie der vielen Geschlechter, die aber nur in den Köpfen mancher Zeitgenossen existieren, gemein.
Was sicher auch eine Rolle spielt: die Zahl der „wirklichen“ Wissenschaftler ist gar nicht so groß und irgendwie will man ja auch sein Auskommen finden. Vor die Wahl gestellt, unter Einbußen eine wesentliche neue Forschungsrichtung zu verfolgen oder bei gleichbleibenden Pfründen Durchschnittsware abzuliefern, werden die Meisten den zweiten Weg einschlagen. In der schieren Masse der Mittelmäßigen gehen die Guten dann oft unter – wissenschaftliche Exzellenz ist ja nicht automatisch der Weg zu einer entsprechenden Stelle und andere Kriterien wiegen heute oft wesentlich schwerer…
In meinem „früheren Leben“ in der Astrophysik habe ich auch noch erlebt, daß ein Professor mit „herausfordernden Ideen“ kein Geld für Konferenzen mehr erhielt und von einigen Veranstaltungen sogar explizit ausgeladen wurde. Zugegeben, er war etwas nervig – aber die Diskussion mit ihm war sehr anregend. Ein anderer bekam von seinem MPI-Direktor ebenfalls kein Reisegeld mehr, weil die beiden sich nicht vertrugen.
Als ich selbst bei einer Konferenz Beobachtungen vorstellte, die mit der gängigen Theorie nicht zu erklären sind, nickten die anwesenden Theoretiker bestätigend mit dem Kopf – und machten mit den alten untauglichen Verfahren weiter. (Die Beobachtungen wurden seitdem immer weiter verfeinert und die Diskrepanz wurde noch größer – die Artikel zu dem Thema sind aber seit nun über einem Dutzend Jahren unverändert.)
Lesch kenne ich persönlich – aber nicht so gut, daß ich wüßte, warum und wann der Faden gerissen ist, der ihn mit der Wissenschaft verbindet. Ich vermute, daß es eine Form der Korrumpierung durch die Medien ist – wie ja auch Nguyen-Kim einstmals eigentlich ganz gute Wissenschaftsvideos gemacht hat.
Gute Punkte zu Lesch und Nguyen.
Mein Hintergrund ist die Chemie, da gibt es weniger esoterische Konstrukte weil sich (fast) alles immer überprüfen lässt.
Entweder liefert die Reaktion das gewünschte Produkt oder eben nicht.
Die “Dark Matter”-Hypothese lässt sich hingegen kaum noch überprüfen.
Ganz ernsthaft, brauchen wir immer noch mehr Innovation und Technik? Ich habe das Gefühl, je mehr wir davon haben, desto leichter sind Überwachung und Kontrolle von Menschen.
Es gab doch neulich die Forderung nach einem Stopp der Entwicklung der KI. Aber interessanterweise unterstützt von den Unternehmen, die dort vermutlich den größten Vorsprung haben. So macht man Monopole…
@Karsten Mitka
Ja, wo Gebrauch ist, ist in der Regel auch Mißbrauch oder sagen wir besser: die Möglichkeit des Mißbrauchs. Aber deshalb jedes Wissen-Wollen, Verbessern-Wollen suspendieren zu wollen, ist mir zu fatalistisch, und es würde auch einfach nicht funktionieren, denn irgendjemand will immer wissen, und irgendjemand will immer dafür bezahlen, dass andere etwas herausfinden – und damit ist der Mißbrauch in das Entdecken von Gebrauchsmöglichkeiten eingebaut; das ist halt einfach so.
Was kann man vor diesem Hintergrund tun? Innovationstätigkeit so breit wie irgend möglich zu streuen, d.h. so vielen Leuten wie möglich die Gelegenheit bieten, innovativ zu sein in welcher von ihnen selbst gewählten (!) Richtung auch immer.
Und in diesem Zusammenhang sind zwei Dinge gefragt: zum einen, wie ich schon im Text schrieb, dass Leute die Fähigkeit entwickeln, innovativ wirken zu können (statt bloß Phantasie zu haben), und zum anderen, dass die finanziellen und zeitlichen Möglichkeiten dafür geschaffen werden, dass jemand innovativ wirken kann.
Dazu benötigen wir – neben einer Gesellschaft, in der es keine ideologiebegründete Zensur gibt, das versteht sich vermutlich von selbst – m.E. ein anderes wissenschaftliches Qualifizierungs- und Fördersystem, aber nicht nur das, sondern auch eine gesellschaftliche Veränderung dahingehend, dass Privatleute als solche das Geld und die Zeit haben können, ihre Ideen zu entwickeln und auszuprobieren (soweit das im Privaten oder privat organisiert möglich ist, versteht sich). Das ist, glaube ich, wichtig, denn die Bindung an Unternehmen oder Einrichtungen, in die man seine Ideen “einbringen” kann, nimmt einem die Eigenständigkeit, einen Teil der Gratifkation, die man aus seiner eigenen Innovationstätigkeit nimmt, zwingt einem Arbeit im “Team” auf, also die Zusammenarbeit mit Leuten, die vielleicht gar keine Lust dazu haben oder einfach nicht willens oder im Stande sind, an der Idee mitzuarbeiten, und wenn die Idee erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden kann, sieht man sich eines Teils des finanziellen Nutzens aus Patenten beraubt. Das ist eine suboptimale Anreizstruktur, wenn sie nicht sogar in manchen Fällen Leute von innovativer Tätigkeit abschreckt.
Ich vermute, dass es kein Zufall ist, dass die bedeutenden Erfindungen der Viktorianer zum großen Teil auf die Ideen und die Versuche von Privatleuten zurückgegangen sind, die das Geld hatten und sich die Zeit nahmen, an ihren Ideen zu arbeiten. Innovation und Arbeit als solche waren gesellschaftlich hoch angesehen, wurden als wertvoll und bereichernd für die Gesellschaft und – vielleicht vor allem – das Individuum eingestuft (“No idle hands!”). Das gesellschaftliche Klima heute im Westen (!) scheint mir derzeit ein gänzlich anderes zu sein; es ist ein kollektivistisches, arbeitsfeindliches Klima, in dem, wer mehr arbeitet als er muss, als “selbst schuld” gilt, und es stimmt ja auch: man hat von seiner Arbeit ja selbst ohnehin nicht nennenswert mehr als andere Leute (aufgrund massiver finanzieller Umverteilung); warum sollte man dann mehr tun als man muss?! Und weil es keine Innovationtätigkeit ohne Freude an der Arbeit gibt, ist das derzeitige gesellschaftliche Klima, wenn es ein arbeitsfeindliches ist, auch ein innovationsfeindliches.
Ich gebe zu; wenn ich Recht habe, dann stehen die Chancen auf mehr Innovationstätigkeit im Westen bis auf Weiteres schlecht. Ich hoffe, ich habe nicht Recht! Naja, just food for thought ….
Not macht erfinderisch. Aber heute gibt es halt statt Waschbrett die Waschmaschine und die Dame des Hauses kann sich ganz den Kindern widmen. O nein, die sind in der Kita oder Ganztagschule. Na gut, dann ab ins Nagelstudio oder zur Klimademo. Auch der Herr des Hauses betätigt sich als Mausschubser, die wenigen körperlichen Jobs machen die anderen. Man sinniert evtl. über eine Revolution in der Bartpflege für Hipster oder veganes Essen in der Kantine. Nun gut, die Erfindung des Rades hätte ich mir auch noch zugetraut, aber heute wird der Kreis der möglichen Erfinder auch nicht gerade grösser. Selbst wenn man was drauf hat, hat man nicht unbedingt den nötigen Background und die Ressourcen dafür, im High-Tech-Bereich mitzumischen. Ein neues Geschlecht ist schneller ausgedacht.
Das verstehen sie falsch !
Denken sie einmal an die vielen Geschlechter, die man auch und gerade in Deutschland entdeckt hat – von denen man nichts wüßte ohne diese ganz spezielle Forschungen, zu denen nicht zuletzt die Regierung und das Verfassungsgericht seine Grundlagen gelegt hat!
Das ist fast wie die “Pandemie”, von der man auch nichts gemerkt hätte ohne die speziellen Popeltests des Prof. Dr. Drosten von der Berliner Charité !
Und das Wissen, wie Bordell geht und wie man seinen Namen tanzt, ist – jedenfalls nach Grün-Rot – goldbringende Kompetenz !
Aber wenn man natürlich einen Fisch danach beurteilen will, wie man auf Bäume klettert !
Vielleicht haperts auch letztlich an den allgemeinen Grenzen menschlicher Lernkapazität – Universalgelehrte wie zuletzt Schopenhauer, der sich noch über die Fortschritte in den Wissenschaften informierte, um sie in seinem philosophischen System unterzubringen, sehen sich doch einem immer größeren Quantum an Wissen je Fach gegenüber, um mitreden bzw mitdenken zu können. Dass viele wissenschaftliche Fragen ideologisch aufgeladen sind (Klima z.B.) tut dann sein übriges, ergebnisoffene Forschung zu zerstören.
.
Aber wie schon ein anderer Kommentator schrieb; ich denke das Hauptproblem ist nicht das theoretische Wissensniveau oder seine mangelnde Wachstumsgeschwindigkeit, sondern dass selbst trivialstes technisches Können und die Fähigkeit, simpelste Grundbedürfnisse als Zivilisationsleistung zu organisieren, scheitern. Man steckt in den Staat eine Menge Steuergeld, aber bekommt dafür keine Grundversorgung mehr.
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Ich glaube was erheblichen Förderbedarf hätte, wäre Medienkompetenz. Denn auf welch plattem Niveau sich selbst Gebildete in meinem Umfeld z.B. bzgl. Corona haben veräppeln lassen, geht auf keine Kuhhaut. Aber ich fürchte, dass die dazu nötige Urteilskraft (=aus reinen Beobachtungen Schlüsse ziehn) schwer erlernbar ist. Meine Lebenserfahrung: wenn man sie hat, hatte man sie schon immer. Sowas erlernt man nicht. Ich fürchte, das ist eher festverdrahtet, angeborenes Erbe. Der einzige Milieueinfluss ist dann, dass es aktiviert wird.
Rant ON
Frauenförderung könnte man auch gut als Zicken-Förderung für moderat Qualifizierte mit ungereifter Persönlichkeit bezeichnen, wie ich aus eigenem Erleben bestätigen kann. Einige davon haben erstaunliches Klebe-Potential auf einem Lehrstuhl, obwohl du als Student davorsitzt und WEIST, dass die Dame vorne Unsinn erzählt und ihr Lehrprogramm bestenfalls mit “Unterforderung” beschrieben werden kann. Wenn Sie dann merken, dass das nicht läuft bei Studenten, werden sie zickig.
Rant OFF
Meiner Erfahrung nach kann man Kreativität oder Innovation nur schwer in einem Lehrplan organisieren.
Es gab mal eine Studie, die besagte, dass Innovationen außerhalb des Lehrplanes in gewissen Frei-Kapazitäten entstehen: das Uni-Labor, das Abends/Nachts zur Forschung verwendet wird, dass die Lücken im System genutzt werden usw. Nur werden die Lücken immer kleiner.
Ein weiteres Elend ist die Bachelorisierung: weniger Wissensvermittlung, Studenten sollen sich das “selbst” erarbeiten, was dazu führt, dass eine sehr ökonomische Arbeitseinstellung sinnvoll wird, wodurch widerum die Arbeitslast erhöht wird, um die “Qualität” zu steigern … ein Teufelskreis.
Es gibt fast keine Vorlesungen mehr. Für die Planer der Studiengänge scheint es Sinn zu machen, Studenten im “Selbstlernverfahren” auf den Stoff loszulassen, anstatt einen Prof vorne hinzustellen, der den Stoff geordnet vermittelt, und ein gewisses Lesepensum den Studenten dazugibt.
Mit der Bachelorisierung ist der Verwaltungsaufwand enorm gestiegen. Früher besuchte man ein paar Vorlesungen, Seminare und bekam in diesen Veranstaltungen nach der Prüfung / der wissenschaftliche Arbeit den “Schein” und wenn man alle Scheine hatte, ging man zum Prüfungsamt. Heutzutage sind die Seminare zu Modulen verkuppelt mit je 2-3 Veranstaltungen, wenn eine davon verpatzt wird, wirds eng. Also von oben: Anforderungen runter und für Studenten gilt: alle Studienarbeiten nur wischi-waschi machen, hauptsache irgendwas abgegeben, liest eh niemand.
@freddy
Vielen Dank für Ihre Kommentare, offensichtlich aus studentischer Sicht! Leider, so finde ich, hören wir zu solchen Dingen wie den im Text oben angesprochenen zu wenig von Studenten selbst, vielleicht wegen der Notwendigkeit einer “sehr ökonomische[n] Arbeitseinstellung”, wie Sie schreiben 🙂
Ich teile Ihre Meinung, nach der Kreativität/Innovation nicht organisiert werden kann, und ich denke: weder im Lehrplan noch sonstwo. Ich bin auch nicht so sicher, ob kreatives Denken wirklich erlernbar ist (zumindest in einem nennenswerten Ausmaß). Aber man doch versuchen, den Leuten, die es können (sei es “natürlicherweise” oder erlernterweise), zum einen keine Barrieren aufzurichten oder vorhandene abzubauen, und zum anderen das Handwerkszeug dazu zu vermitteln, wie man vom inhaltlichen Detail zurücktreten kann, sozusagen das größere Ganze sehen zu können, innerhalb dessen das Detail ja gewöhnlich überhaupt erst interessant ist oder werden kann.
Es ist, glaube ich, durchaus möglich, Studenten Werkzeuge an die Hand zu geben, die es ihnen ermöglichen, mit Fachlichem gleich welcher Art umzugehen und es auf prinzipielle Weise einzusortieren, so dass sie sofort sehen, was sie damit machen können und was sie damit nicht machen können, was genau schon erarbeitet wurde und was noch “fehlt”.
Zum Beispiel könnte man ihnen vermitteln, wie sie erkennen können, um welche Art von Behauptung es sich bei einer Hypothese formal handelt, damit sie sofort einordnen können, was genau überhaupt betrachtet/geprüft werden müsste, um die Hypothese zu testen: wird hier das Wirken einer Moderatorvariable behaupet, oder das Vorliegen eines Transmissionszusammenhangs? Welche Beobachtungen genau würden durch die Hypothese ausgeschlossen? Und welche wären für sie relevant und welche nicht, obwohl sie oberflächlich betrachtet, etwas mit der in Frage stehenden Sache “zu tun haben” könnten? Etc. In Abhängigkeit davon kann man sehr schnell angeben, welche Variablen in welchem Verhältnis zueinander betrachtet werden müssen (und, und das ist schließlich auch sehr wichtig, welche nicht, welche man sozusagen bloß aus schlechter Angewohnheit in alle möglichen Analysen hineinzwingt). Auf diese Weise kann man sich rasch ein Bild von der Qualität einer Forschung machen bzw, davon, was geleistet wurde und wo noch welche Lücken zu füllen sind, ohne dass man die Inhalte alle kennen/verstehen muss. Selbst, wenn man nicht besonders kreativ sein oder innovativ wirken will, ist ein solches Handwerkszeug DAS Mittel, durch das man vorliegende Studien oder Forschung schnell systematisch aufarbeiten kann.
Solches Handwerkszeug bewegt sich irgendwo zwischen wissenschaftstheoretischen Überlegungen, Wissen um Argumentation und Logik und methodischem Wissen, und diese drei Dinge sind für uns bei Sciencefiles die Grundlage allen wissenschaftlichen Tuns (und Beurteilens). Ohne dieses Handwerkszeug versinkt man im fachspezifischen Detail bzw. läuft Gefahr, Detailbefunde zu Zwecken an sich zu machen (der Art: “schau her, eine Verteilung ist ungleich, und Ungleichheit muss bekämpft werden”), statt sie in wissenschaftliche Fragestellungen eingefügt zu sehen. Und vor allem ist solches Handwerkszeug die Grundlage dafür, dass Übertragungsleistungen, die ihrerseits die Grundlage für kreatives Denken sind, vornehmen kann, und damit meine ich begründete, vernünftigte Übertragungsleistungen aufgrund von Kriterien, nicht Assoziationen. (Ja, Assoziationen können hilfreich sein, aber eben nur, wenn man sie aufgrund angebbarer Kriterien sinnvoll auf etwas anderes beziehen kann.)
Last, but not least, glaube ich, dass ein Studium, das solches Handwerkszeug vermittelt, Studenten viel mehr Spaß machen würde als die fachliche (und oft: theoretische oder gar ideologische) Engführung und ihnen echte Erfolgserfolgserlebnisse vermitteln würde, wenn sie sehen, dass sie ihr Urteilsvermögen systematisch entwickeln können und es auf alle möglichen Themen/Fragen anwenden können.
Aber ja, dazu wäre es notwendig, dass jemand vor den Studenten steht und ihnen das Handwerkszeug vermittelt und die Studenten sich auf diesem Weg dieser Person ein Stück weit anvertrauen, damit diese Person sie dabei begleiten kann, das Handwerkszeug dann anzuwenden. Das ist etwas, was man üben muss, aber eben auch üben kann. Und “Frontalunterricht” ist derzeit ja alles andere als en vogue, und sei es nur, weil jemand, der guten “Frontalunterricht” machen möchte, sehr, sehr viel Arbeit damit hat, sehr viel mehr Arbeit jedenfalls als mit einem Seminar, in dem wir uns in der ersten Sitzung erst einmal selbst finden und vereinbaren, was wir im weiteren Verlauf des Seminars überhaupt machen wollen. Und wenn schon Vorlesungen-Halten, dann ist es so viel einfacher, immer dasselbe Modul herzubeten als selbst etwas zu erarbeiten, von dem man denkt, dass es Studenten wirklich weiterhilft/weiterbildet.
Und selbst, wenn ein Dozent wollte (und könnte), dann dürfte er es im Rahmen der (relativ) neuen Art der Organisation von Studiengängen, wie Sie sie ja im Kommentar ansprechen, nicht oder nur sehr eingeschränkt. Das war für mich selbst ein wichtiger Grund dafür, nach vielen Jahren Lehrtätigkeit, die Uni zu verlassen…
Vielen herzlichen Dank für diese Ausführungen, in denen Sie wichtige Punkte zur Sprache bringen. Erlauben Sie mir bitte einige Anmerkungen auf Basis meiner Erfahrung und Kenntnisse der Wissenschaftsgeschichte.
So glaube ich sehr wohl, dass die (scheinbar oder wirklich) abnehmende Produktivität sehr viel damit zu tun hat, dass vieles leichter Zugängliche bereits entdeckt ist. Die konstante Zahl der innovativen Arbeiten spricht m.E. nicht dagegen, denn diese werden ja im Mittel mit immer größerem Aufwand erstellt. Man vergleiche einmal, wie groß in der Physik der Aufwand zum Nachweis des Elektrons, des Protons, des Neutrons, des Neutrinos und des Higgs-Bosons war. Ich hatte unlängst das Vergnügen, die (m.E. erstklassige) Arbeit eines jungen Theoretischen Physikers auf dem Gebiet der erweiterten Gravitationstheorie bzw. Quantengravitation durchzusehen, und sah dabei eindrucksvoll, wie eng die Rahmenbedingungen sind, denen ein neuer Ansatz zu genügen hat, der schließlich alles Vorhandene mit erklären muss. Und das kenne ich aus meinem eigenen Gebiet ebenfalls.
Auch sollte man nicht vergessen, dass Konfirmation wichtig ist in einer Zeit, in der viele nach schrillen Ergebnissen suchen, die sich in der Folge nicht bestätigen lassen. Die misstrauischen Nachfolger können, wie ich selbst erlebt habe, jahrelange Probleme bekommen nach der Art „ Warum konnten Sie das nicht ebenfalls finden“, bis dann (wie bei Corona) sozusagen unter der Hand die ursprüngliche Behauptung begraben wird. Im Laienpublikum werden immer wieder die wissenschaftlichen Outlaws gefeiert, ohne zu bemerken, dass nur die sehr geringe Zahl derer, die sich dann doch bestätigen ließen, in die Lehrbücher eingegangen ist. Man lese einmal ältere wissenschaftliche Originalliteratur, um zu sehen, wie vieles sich nicht bestätigt hat. Überhaupt rate ich allen, die eigene Bescheidenheit zu trainieren, indem man 100 oder 200 Jahre alte Arbeiten liest.
In der Medizin jedenfalls ist der publication bias von eminenter Bedeutung, und er lässt sich leider auch nur zum Teil durch Nachmachen der Studien beseitigen, wenn alle die gleichen Fehler begehen. Der Herdentrieb ist hier ein wesentliches Problem, man hat es bei Corona wieder eindrucksvoll gesehen und ggf. auch sozusagen „von innen“ erleben können. Ironischerweise liegt die Chance zu einer „neuen“ Entdeckung manchmal darin, ein langvergessenes Konzept, eine vergessene Beobachtung in neuem Licht zu reaktivieren. Früchte können auch so niedrig hängen, dass die Masse der Wissenschaftler jahrzehntelang darüber hinweggetrampelt ist.
Die Verengung der Forschungsfelder sowie die Selbstzitate haben m.E. ganz banal damit zu tun, dass die Voraussetzungen, die man abdecken, die Einwände, gegen die man sich absichern, die Vorergebnisse, in die man sich einfügen muss, immer umfangreicher werden und man selbst diese Daten unter allen anderen am besten kennt, ferner damit, dass man heute, wenn man Forschungsanträge einreicht, in aller Regel zeigen muss, bereits (oft sehr substantielle) Erfahrung auf dem Gebiet zu haben. Auch führt die Notwendigkeit für Nachwuchsforscher, prominente Stellen auf den Publikationen aufzuweisen, dazu, dass an sich zusammenhängende Daten in möglichst viele Teile zerlegt werden, die dann mit verschiedenen Autorenreihungen einzeln publiziert werden und die man sich mühsam zusammensuchen muss, weil beispielsweise wichtige methodologische Angaben verstreut sind.
Die zunehmende Steuerung der Forschung durch politische Vorgaben, die inzwischen längst die Medizin und die Naturwissenschaften erreicht hat, kommt massiv als Faktor hinzu, da sie Bestätigungen und nicht Erweiterung, geschweige denn Revision verlangt. Ein Antrag beispielsweise, in dem man eine realistische Analyse des Zusammenhangs zwischen Umgebungstemperatur und Mortalität, und zwar über das ganze Jahr, vorschlägt, hat keine Chance mehr bei irgendeinem „öffentlichen“ Förderer, anders als vor 25 Jahren. Nur die Bestätigung einer hitzewellenassoziierten Sommersterblichkeit wird gefördert, aus offensichtlichen Gründen, die mit Agitprop, aber nicht mit Wissenschaft zu tun haben.
Die allgemeine Verengung des Fragen- und Diskussionshorizonts kann ich aus eigenen Beobachtungen und Erfahrungen nur allzugut bestätigen, sie geht so weit, dass sich i.d.R. nur noch Senior Researchers erlauben können, auszubrechen, einmal wegen ihrer Autorität und Kompetenz, die Angriffe erschweren, andererseits, weil sie ohnedies am Ende der Karriere stehen. Ich habe hier schon groteske, ja aberwitzige Frageverbote erlebt. Das gilt erst recht in der Diskussion mit sog. Geisteswissenschaftlern, in der beispielsweise meine Anmerkung, dass bei einem bestimmten (jüdischen) Philosophen sehr deutlich die Spuren eines jüdischen Chiliasmus in seinem Denken zu erkennen seien, als Antisemitismus (!) gewertet wurde.
@R.J.
Vielen Dank – sozusagen zurück an Sie – für Ihren Kommentar, in dem Sie Ihre Beobachtungen, Erfahrungen, Überlegungen mitteilen!
Ich kann ihnen allen zustimmen außer vielleicht oder nur in Teilen Ihrer ersten Auffassung, nach der die These von den “niedrig hängenden Früchten” den Trend doch mehr oder weniger erklärt , gerade weil die Rahmenbedinungen, die in unserer Gesellschaft herrschen, klar benennbare Effekte erwarten lassen bzw. provozieren, insbesondere mit Bezug auf die karrieretechnisch bedingten Zwänge wie denjenigen, möglichst viel zu publizieren oder sich als “Experte” für ein enges Themengebiet gerieren zu müssen, und andere, die Sie in Ihrem Kommentar ansprechen, und allein schon diese erwartbaren Effekte den Innovations”schwund” vermutlich recht weitgehend erklären können.
Gegen die These von den “niedrig hängenden Früchten” spricht m.E. der zeitliche Tend des anhaltenden Innovationsschwunds, denn wenn die “niedrig hängenden Früchte abgeerntet” sind, dann würde man ja keinen oder kaum einen weitergehenden Innovationsschwund mehr erwarten können. Aber die Daten zeigen deutlich, dass der Trend bereits Jahrzehnte anhält. Der zeitliche Trend entspricht m.E. der Tatsache, dass auch die Vereinnahmung von Wissenschaft durch Politik und durch Einrichtungen mit eher finanziellen als wissenschaftlichen Interessen ein Prozess ist, der sich über die Zeit hinweg entfaltet und verstärkt hat.
Was Ihre Erfahrungen mit den Frage- und Denkverboten betrifft, so kann ich sie sehr gut nachvollziehen. Ich bin meinerseits u.a. als “anti-feministisch” bewertet worden, weil ich mir erlaubt habe, eine wissenschaftstheoretisch begründete Kritik an “Frauenforschung” und “Gender Studies” vorzunehmen, und ich wurde als anti-“anti-rassistisch” (also für manche vielleicht als “rassistisch”) eingeordnet, weil ich dem sogenannten Anti-Rassismus dieselbe Behandlung habe angedeihen lassen. Mit wissenschaftlicher Diskussion haben es Ideologen eben nicht gerne zu tun, und das entspricht der unguten Absicht totalitärer Systeme, Wissenschaft unter ideologische Aufsicht stellen zu wollen, wie wir das z.B. aus der DDR kennen, die Wissenschaft den Marxismus/Leninismus als Interpretationsschablone vorgeben wollte. Dass Wissenschaft damit behindet wird, kümmert den Ideologen nicht. Er darf dann aber nicht behaupten, er sei an Wissenschaft als etwas anderem denn als Legitimationsmittel für die Ideologie interessiert!
Besonders unterstreichen möchte ich Ihren Ratschlag, ältere Arbeiten zu lesen, wirklich ältere, also nicht nur diejenigen von vor zehn Jahren, sondern von vor Dekaden oder aus anderen Jahrhunderten. Ich stimme IHnen uneingeschränkt zu, dass man sehr viel aus der Lektüre älterer Arbeiten lernen kann. Z.B. kann man aus ihr lernen, dass es in der Fachliteratur durchaus vorkommt, dass “das Rad” mehrfach “erfunden” wird, und vor allem interessant und lehrreich ist, in welcher Weise die Mehrfacherfindungen dem Zeitgeist verbunden waren/sind. Und das wiederum schult die Aufmerksamkeit dafür, was den Kern der Angelegenheit ausmacht, was das eigentlich interessante oder wichtige daran ist oder sein kann – jenseits der zeitgeistabhängigen Begriffe, Bewertungen oder sonstiger “Schnörkel”.
Danke, ich pflichte Ihnen bei. Als Erläuterung dessen, was man aus der Lektüre älterer Arbeiten lernen kann, seien folgende zwei Beispiele erwähnt, die für Sie vielleicht interessant sind und die ich aus meinem Fundus an Originalliteratur konkret aufzeigen kann.
In einem Jahrbuch (Uranus) vom Anfang des 19. Jahrhunderts (wie sie damals unter Gebildeten sehr verbreitet waren) finden sich unter anderem zwei interessante, regelrecht wissenschaftliche Übersichtsarbeiten eines Astronomen, darunter eine über die Natur der Kometen. Wir befinden uns 50 Jahre vor der Spektralanalyse, wohlgemerkt, daher ist nur an elementare Beobachtungen zu denken. Der Autor notiert u.a., dass der Schweif immer weg von der Sonne weist, und diskutiert mehrere Erklärungen, darunter als am wahrscheinlichsten die, dass von der Sonne irgendeine Kraft oder ein Strom ausgehe, der seinerseits einen Strom aus dem Kometen mitreiße, also genau das, was wir heute annehmen und konkret zeigen können. Dann aber zitiert er Berechnungen eines Mathematikers nach der Art eines mathematischen Modells, dem zufolge das (numerisch) unmöglich sei, und verwirft die Hypothese, die sowohl die naheliegende als auch die korrekte Erklärung ist. Es hat dann über 100 Jahre gebraucht, um das zu revidieren.
Oder die Geschichte vom Lithium in der Psychiatrie. Es gab in den 1880er-Jahren den Neurologen/Psychologen/Mediziner/Philosophen (das war damals nicht so getrennt) Carl Lange in Kopenhagen. Er hatte herausgefunden, dass er bei Geisteskranken mit Lithium gute Behandlungserfolge erzielen konnte, und dies auch vielfach nachgewiesen. Die Verwendung von Lithium erfolgte nicht hypothesenfrei, sondern beruhte auf der Annahme, dass die Geisteskrankheit auf einer Störung der Blutchemie beruhe, indem das Blut sauer werde; diese Annahme findet sich verbreitet in der Originalliteratur der Zeit (natürlich wusste man noch nichts von den Effekten z.B. der Ventilationsrate oder metabolischer Störungen auf den pH). Lithiumsalze sollten diese Ansäuerung chemisch rückgängig machen. In einem internationalen Kongress (der natürlich auf Deutsch stattfand) wurde jedoch einige Jahre später die These der Ansäuerung begraben (korrekterweise), doch damit wurde zugleich die dagegen gedachte Lithiumtherapie über Bord geworfen, um erst nach dem 2. Weltkrieg wiederentdeckt zu werden.
Wir sehen also zwei Fälle einer korrekten Entdeckung, die mit falscher Begründung eliminiert wurden, wenn auch auf verschiedene Weise. Ironischerweise im ersten Fall auf der Basis einer mathematischen Modellrechnung, im zweiten Fall auf der Basis eines simplen Fehlschlusses.
Ich empfehle von Steven Weinberg das Bändchen „To Explain the World: The Discovery of Modern Science“, in dem er an einer ganzen Reihe von Beispielen die Entwicklung einzelner Konzepte in ihren Irrungen und Wirrungen konkret aufzeigt, und das, indem er die damaligen Thesen in heutige Terminologie überträgt, um das Verständnis zu erleichtern (beispielsweise sind aufgrund der eigenwilligen, heute völlig ungebräuchlichen Terminologie die „Principia“ von Newton nur sehr schwer zu verdauen). Interessanterweise warf ihm ein bekannter amerikanischer sog. Intellektueller und Literaturkritiker beim Erscheinen in einem führenden amerikanischen Presseerzeugnis „Whiggism“ vor, indem er ein Bild der Wissenschaft alleine aus heutiger Perspektive und als Erfolgsgeschichte zeichne (ein komplett absurder Vorwurf, typisch für einen Vertreter der „Humanities“, der so vorurteilsgesteuert und arrogant ist, dass er nicht einmal ahnt, vielleicht schimmerfrei zu sein). Viele Grüße.
In Schulen werden die Leistungsstandards gesenkt, durch unqualifizierte Lehrer, Gender-Quatsch und Immigranten, unqualifizierte Lehrer werden eingestellt, weil Naturwissenschaftler in der freien Wirtschaft mehr verdienen und viele Lehrer den Job bei gewissen Schülern nicht machen wollen.
Schlechte Ausstattung der Schulen ist das nächste Problem, mancherorts gibts nicht mal halbwegs anständige Toiletten.
In den Unis und FHs haben die Schüler dann Probleme, Mathe und Naturwissenschaften zu bestehen.
Weniger MINT-Absolventen und gewisse Absenkungen des MINT-Niveaus sind die Folge.
In den Unis gibts ebenfalls Gender-Quatsch und zuwenig Geld für moderne Forschungen, z.B. auch für KI-Forschung, sowie ideologische Barrieren.
Ideologische Barrieren sind meist vom Staat gesetzt und bestehen in Forschungsverboten und mangelnden / nicht vorhandenen Forschungsgeldern, dies betrifft momentan: Stammzellen, KI, genetische Forschung und Grundlagenforschung, sowie Atomkraft. Man sollte das Erforschen, damit man die Gefahren kennt.
Das Ergebnis ist, dass die Forscher ins Ausland ziehen und deutsche Forschung und Entwicklung austrocknet.