In Europa unbekannt: Gelebte Demokratie -> BREXIT nächste Runde

Demokratie ist angeblich einer der Werte, die von der EU vertreten werden. Seltsamerweise erkennt kaum jemand in der Eurokratie Demokratie, wenn er sie vor sich sieht. Wenn Abgeordnete sich streiten, uneins sind, der Regierung nicht folgen wollen, weil die Regierung einen Deal aus Brüssel mit nach Britannien gebracht hat, den Nigel Farage nicht ohne Grund mit dem Versailler Diktat nach dem zweiten Weltkrieg verglichen hat, dann ist das GELEBTE DEMOKRATIE.

Gelebte Demokratie sieht Abgeordnete gegen die eigene Fraktion stimmen, heftige Debatten, in denen versucht wird, den Gegner in letzter Minute von den eigenen Argumenten zu überzeugen und vor allem sieht man, dass mit allen parlamentarischen Mitteln gearbeitet wird, um die eigene Position mehrheitsfähig zu machen. Mehrheitsfähig ist indes keine der im Unterhaus vertretenen Positionen, wie die „indicative votes“ dieser Woche deutlich gemacht haben.

Dass ausgerechnet deutsche Medien und Politiker von einem Chaos in Britannien sprechen, dass ausgerechnet ein ehemaliger Blockpolitiker der SED, der die Volkskammer der DDR noch erlebt hat, meint, er müsse „vom besten Kabarett Europas“ sprechen, was die DDR-Volkskammer dann zum besten Ballett mit der Spezialität, alle heben gleichzeitig die Hand, Europas macht, schlägt dem Fass dann doch den Boden aus.

Es ist zwar verständlich, dass es deutschen Abgeordneten nicht geheuer ist, dass britische Abgeordnete einfach so abstimmen, wie sie es für richtig halten, nicht so, wie es ihnen die Fraktionsspitze befiehlt, es ist auch verständlich, dass deutsche Abgeordnete, die sich so gerne hinter der Fraktionsdisziplin verstecken und ihr Händchen an der richtigen Stelle in die Luft strecken, sofern sie sich nicht in der Abstimmung vertun, wie unlängst geschehen, eine erkennbare Scheu davor haben, eine eigene, am Ende noch eine abweichende Meinung zu vertreten und für dieses dann auch noch die Verantwortung zu übernehmen, es ist aber kein Grund, um sich über diejenigen, die noch einen Hintern in der Hose haben, lustig zu machen.

Dass im Britischen Parlament gestritten wird, welcher Brexit der richtig ist, dass dabei Versuche, den Brexit aus der Spur zu bringen, die nicht zuletzt auch aus der EU finanziert und über EU-NGO-Marionetten in die Öffentlichkeit getragen werden, sollte eigentlich als Musterstück transparenter und öffentlicher Demokratie in die Annalen eingehen. Dass es bislang selbst George Soros nicht gelungen ist, die Waage in eine Richtung zu kippen, ist ein erfreuliches Zeichen, denn offenkundig kann man eine relevante Anzahl von britischen Abgeordneten nicht finanziell beeinflussen. Dass das Referendum aus dem Jahre 2016, in dem sich eine Mehrheit der britischen Wähler für den Brexit ausgesprochen hat, nach wie vor mit der Voreinstellung „hard brexit“ verbunden ist, den man, weil man ihn smart spielen kann, nicht umsonst in Brüssel fürchtet, fast so fürchtet, wie eine Beteiligung der Briten an der nächsten Europawahl, ist ein weiterer Grund zur Freude, denn die Demokratie lebt noch – in Britannien.

Hier ist sie nicht im Gemisch aus Fraktionsdisziplin, Rückgratlosigkeit und politisch-korrekt gleichgeschalteter Eintracht untergegangen. Kein Wunder also, dass deutschen Medien nur einfällt, vom Chaos zu sprechen, Politiker, denen man, damit sie sich gerade halten, einen Besen ins Kreuz gebunden hat, sich vom hohen Roß herunter belustigt geben. Denn: Sie haben keine Ahnung wie Demokratie sich anfühlt.

Das sagt eigentlich alles über diese Politiker.

Damit es nicht verloren geht. Dass in Britannien derzeit die parlamentarischen Fetzen fliegen, das hat eine Reihe von Gründen, die auf den Versuch der EU, einen Diktat-Brexit durchzusetzen, zurückgehen und natürlich damit zusammenhängen, dass es die EU bei Theresa May mit einen überaus schwachen und saftlosen Premierminister zu tun hat. Wäre Theresa May 1939 britischer Premierminister gewesen, dann würden wir auf der Insel heute alle Deutsch sprechen.

Zur Erinnerung:

Erklärtes Ziel der Unterhändler der EU war es, die Kosten für das Vereinigte Königreich, die durch den Brexit entstehen, so hoch wie möglich zu setzen. Martin Selmayr, ein deutscher wir-sind-wieder-wer, spielt hier eine sehr unglückliche Rolle, eine, die nach unterschiedlichen Berichten direkt aus dem Kanzleramt gesteuert wird. Wir haben hier darüber geschrieben.

Die Umsetzung dieses Zieles findet sich im so genannten Withdrawal Agreement, das Theresa May mit nach London gebracht hat und für das sie seither Schläge bezieht. Welches Land würde freiwillig einen Vertrag unterschreiben, der es auf Jahre an einen Partner bindet, dem man nicht trauen kann, der das Land effektiv zerteilt, der mit Reparationen in Höhe von 39 Milliarden Euro an Brüssel verbunden ist, für die es keinerlei Gegenleistung gibt?

Yanis Varoufakis hat gerade gesagt, dass nur ein Land, das in einem Krieg besiegt wurde, einen solchen Vertrag unterschreiben würde. Mit dem Politiker „Varoufakis“ stimmen wir selten überein. Hier tun wir es.

Was es zum Backstop, an dem auch der dritte Anlauf von May, das Withdrawal Agreement durch das House of Parliament zu bringen, gescheitert ist, zu sagen gibt, haben wir hier gesagt.

Schließlich hat der Brexit von Anfang an in einem medialen Umfeld ungeahnter Feindseligkeit stattgefunden. Besonders deutsche Medien haben zu keinem Zeitpunkt die demokratische Wahl der Mehrheit der britischen Bevölkerung akzeptiert. Bis heute schwingt die Hoffnung mit, man könne den Brexit verhindern, selbst für Beiträge, in denen der deutschen Öffentlichkeit der Bär aufgebunden werden soll, der Brexit sei bezahlt worden, sind sich die angeblichen Journalisten nicht zu schade.

Den Bias deutscher Medien bemerkt man u.a. daran, dass große, umfangreiche Berichte zu lesen sind, wenn die organisierte Veranstaltung des „Peoples Vote“, die u.a. aus Brüssel finanziert wird, in London für ein zweites Referendum marschiert, ein entsprechender Bericht aber fehlt, wenn wie heute tausende Brexiters in London demonstrieren und zwischenzeitlich dazu geführt haben, dass Abgeordnete das Unterhaus nicht mehr verlassen können.

Hier ist die Live-Berichterstattung aus dem UK.

In der Zusammenschau ist es für Brexit-Befürworter wie uns natürlich hochgradig ärgerlich, dass Theresa May, deren letztes Stündlein als Premierminister heute geschlagen hat (ERG [European Research Group] hat sie schon zum Rücktritt aufgefordert), die gute Verhandlungsposition des Vereinigten Königreichs aus der Hand gegeben hat und wohl als schwächster Premierminister aller Zeiten in die Geschichte eingehen wird, was etwas heißen will, es gab auch Gordon Brown (wer kennt ihn noch?), Clement Attlee oder Neville Chamberlain. Gerade angesichts der Aggression, mit der die EU gegenüber den „britischen Freunden“ verhandelt hat, wäre ein tit-for-tat-fähiger Premierminister wichtig gewesen. Indes, vor diesem Hintergrund kann man auf die funktionierende britische Demokratie, in der Streit über Fraktionsgrenzen um Inhalte geführt wird, stolz sein. Dagegen kann man die hochnäsige und dumme Berichterstattung in Deutschland nur verachten.

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