Hausarbeit macht unglücklich…

oder sind es doch eher Studien über Hausarbeit, die unglücklich machen, mich zum Beispiel?

Wenn ich Sie jetzt frage, wie glücklich Sie “alles zusammen genommen” sind und Ihnen eine Skala unter die Nase halte, die bei 0 “extrem unglücklich” beginnt und bei 10 “extrem glücklich” aufhört, was würden Sie sagen? Würden Sie einen Wert zwischen 7 und 8 angeben? Wenn ja, dann lägen Sie im Durchschnitt der Deutschen und weitgehend auch im Durchschnitt der Europäer, die im European Social Survey (EES) u.a. nach Ihrem “Glücklichsein” befragt wurden. Das durschnittliche “Glücklichsein” in den 26 Ländern, die im EES (2004) befragt wurden, reicht von 6.20 in der Ukraine bis 8.57 auf Island. Deutsche sind durchschnittlich “7.48” glücklich. Wenngleich man Zweifel an der Messung von “Glücklichsein” anmelden kann, und sich z.B. fragen kann, was man eigentlich misst, wenn man Befragte bittet “alles zusammen genommen” zu sagen, wie glücklich sie sind, so muss man doch feststellen, dass egal was man gemessen hat, das was gemessen wurde, mehr zum positiven Extrem (extrem glücklich) als zum negativen Extrem (extrem unglücklich) ausschlägt.

Doch mit einer solchen Feststellung sind moderne Sozialforscher nicht mehr zufrieden – bzw. damit sind sie nicht glücklich. Wo kämen wir denn hin, wenn wir einfach feststellen würden, dass Europäer alle mehr oder weniger glücklich sind. Und überhaupt, zwischen “Glücklichsein 6.20” und “Glücklichsein 8.57” besteht ein Unterschied von “2.37 Glücklichsein”, und genau diesen Unterschied, von dem wir zwar auch nicht wissen, was er bedeutet, aber wo Daten sind, da wird die Auswertung nicht lange auf sich warten lassen, also für diese “2.37 Glücklichsein” haben Letizia Mencarini und Maria Sironi sich gefragt, wie sie zu erklären sind.

Ihre eigene Frage haben sie sich auch gleich mit einer eigenen Hypothese beantwortet: Hausarbeit! Die 2.37 Unterschied im Glücklichsein, stammen von frustrierten Frauen, die Hausarbeit machen müssen. Ganz unter der Hand führen die Autorinnen somit die Annahme ein, dass Hausarbeit keinen Spass macht, eine Annahme, die, wenn ich an meine Großmutter zurückdenke, ich nicht so einfach unterschreiben würde. Aber geschenkt. Lassen wir es bei der Feststellung, dass Hausarbeit also keinen Spass macht und dass die Autorinnen, dies vermutlich aus eigener Erfahrung wissen (was Fragen hinsichtlich der Sauberkeit im entsprechenden Autorinnen-Haushalt aufwirft, die aber hier nichts zur Sache beitragen).

Mencarini & Sironi (2012), S.210

Nun, nach der Akzeptanz all dieser impliziten Prämissen, kommt die nächste Frage: “Warum soll Hausarbeit Frauen unglücklich machen, und warum in der Ukraine mehr als in Griechenland? ( – eine Frage die sich aufdrängt, wenn man die Abbildung betrachtet, die der “Studie” von Mencarini und Sironi entnommen ist). Ich meine, wie ist die Kausalität? Wie hat man sich das vorzustellen, dass Hausarbeit unglücklich macht? Also ich komme nach Hause, hänge meine Jacke an die Garderobe und fange an das Abendessen vorzubereiten. Weil ich dabei herumkrümele, muss ich den Besen zur Hand nehmen und kehren. Nicht nur aufkehren, nein, auch in die Mülltonne entsorgen. Dabei stelle ich fest, dass die Hausmülltonne bereits voll ist. Also bringe ich den Müll zur Mülltonne vor dem Haus, und wenn ich dann schließlich vor meinem Abendessen sitze, dann bin ich unglücklich? Oder bin ich unglücklich, weil in dem Moment, in dem ich essen will, das Befragungsinstitut anruft, um mich zu fragen, ob ich glücklich bin, worauf ich denke, ich wäre es ja, wenn man mich essen ließe und deshalb sage ich 7 statt 8 auf der Skala des extremen (Un-)Glücks.

Aber ich bin wieder bei der Frage angekommen, was man mit der Frage nach dem Glücklichsein, eigentlich misst. Diese Frage haben sich Mencarini und Sironi auch gestellt und mit irgendetwas wird die Frage schon messen, schließlich gibt es eine ganze Reihe von empirischen Untersuchungen, in denen die Frage verwendet wird, (207) beantwortet. Wenn es darum geht, die Überfrachtung von Frauen mit Hausarbeit und das Nagen der Hausarbeit am Glücklichsein zu belegen, dann sind Bedenken, wie man sie mit bestimmten empirischen Konstrukten durchaus hegen muss, einfach zweirangig. Und dass diese ideologische Betriebsblindheit sich nicht nur im Hinblick auf den fragwürdigen Status des selbst berichteten Glücklichseins ergibt, erfährt der Leser auf Seite 205 des während der hausarbeitsfreien Zeit von Mencarini und Sironi erstellten Beitrags: Denn, so stellen die Autorinnen fest, die beobachtete Zunahme der Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben gehe nicht mit einer entsprechenden Zunahme der Beteiligung von Männern an der Hausarbeit einher.

Eine kurze logische Analyse zeigt, dass hier eine ganze Reihe von Unbekannten intervenieren, denn: (1) Zeit ist eine Ressource, die pro Tag nur an 24 Stunden zur Verfügung steht. Entsprechend wäre zu erwarten, dass eine erhöhte Beteiligung von Männern an der Hausarbeit mit einem geringeren Engagement von Männern an der Erwerbsarbeit einhergeht. Wie die dauerhafte Erfolglosigkeit des Elterngeldes in Deutschland eindrucksvoll belegt, sind die meisten Männer einfach nicht von der Vorstellung abzubringen, sie seien der Hauptverdiener und würden den größten Beitrag zum Haushaltseinkommen beisteuern. (2) Diese Sturheit von Männern mag daran liegen, dass Frauen nach wie vor viel häufiger als Männer teilzeit arbeiten, was entsprechend – und nach nur einer kurzen Kalkulation, zu der auch Mencarini und Sironi eigentlich fähig sein sollten – zu dem Schluss führt, dass Frauen durchschnittlich nach wie vor mehr Zeit für Hausarbeit haben als Männer.

Diese Feststellung wiederum, bringt mich zur Frage, wie die Autorinnen den jeweils männlichen und weiblichen Anteil an der Hausarbeit bestimmt haben. Und hier hüllen sich die beiden Autorinnen in ein interessantes Schweigen. Sie geben lediglich an, dass sie weibliche Befragte, die von sich angeben, mehr als 75% der Hausarbeit zu verrichten, allen anderen, die weniger verrichten, gegenüber gestellt haben. Dabei hätte man als Leser sehr gerne erfahren was aus den Fragen zur Hausarbeit, die sich auf Putzen, Einkaufen, Waschen, Instandestzungsarbeiten, Gartenarbeiten usw. beziehen, geworden ist, wie sie zusammengefasst wurden, wenn sie zusammengefasst wurden. Aber nach dieser doch grundlegenden Information sucht man leider vergeblich. Statt dessen wird man mit dem Ergebnis konfrontiert, dass die Analysen angeblich ergeben haben, dass Frauen, die von sich sagen, dass sie mehr als 75% der Hausarbeit (von was auch immer) leisten, weniger glücklich sind, als reine Hausfrauen und Frauen, die weniger als 75% der Hausarbeit leisten. (Nur am Rande will ich vermerken, dass dem Leser urplötzlich eine Kategorie “reine Hausfrauen” untergeschoben wird. Wie sich reine Hausfrauen im Hinblick auf ihren Hausarbeitsanteil von mehr als 75% der Hausarbeit leistenden Frauen unterscheiden, ist ein Geheimnis, das die Autorinnen leider nicht lüften.)

Ja, so ist das. Oder so wäre es, wenn nicht in den Analysen, die die beiden Autorinnen gerechnet haben, die Einschätzung der eigenen Gesundheit als gut, das Vorhandensein einer (unentgeltlichen) Haushaltshilfe, hohes Einkommen und ein häufiger Kirchgang “Glücklichsein” besser erklären würde als mehr als 75%Hausarbeit, was wieder zu zwei Fragen zurückführt, die diesen post durchziehen: Was wurde mit der Frage nach dem Glücklichsein gemessen, und warum soll es einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Hausarbeit und dem Glücklichsein (worin auch immer es bestehen mag) geben? Zumindest für die zweite Frage habe ich eine Antwort, die sich quasi aufdrängt: Weil Mencarini und Sironi gerne hätten, dass hier ein Zusammenhang wäre. Das allerdings reicht nicht, um einen wissenschaftlichen Beitrag zu verfassen und zeigt nur, dass die “European Sociological Review” seit sie unter dem prägenden Einfluss deutscher “Soziologen” steht, scheinbar keine Ernst zu nehmende Zeitschrift mehr ist.

Epilog

Es mag manchen Lesern aufgefallen sein, dass Männer in der gesamten Analyse von Mencarini und Sironi nicht vorkommen. Männer sind in den Augen der Autorinnen vermutlich per se glücklich, mit ihrer Erwerbsarbeit und ihrer geringen Beteiligung an der Hausarbeit (sofern die Beteiligung gering ist, was den Analysen von Mencarini und Sironi nicht zu entnehmen ist). Jedenfalls geben die Autorinnen an keiner Stelle ein Datum dafür, wie stark das Glücklichsein der Männer ausgeprägt ist, und wie es sich mit dem Glücklichsein der Männer relativ zum Glücklichsein der Frauen verhält. Man fragt sich schon, warum diese Grunddaten, die eine wissenschaftliche Analyse angeben sollte, wenn sie Ernst genommen werden will, bei Mencarini und Sironi fehlen, und warum das keinem der Gutachter für diesen Artikel, deren Aufgabe darin besteht, derartige Fehler zu entdecken, aufgefallen ist.

Besonders deutlich sind die ideologischen Scheuklappen der Autorinnen bei der Interpretation ihrer Ergebnisse: Ein Blick auf die Analysen zeigt einen negativen Effekt von Erwerbsarbeit (31 Stunden pro Woche und mehr) auf das “Glücklichsein”. Erwerbsarbeit macht demnach weniger glücklich (, was auch immer Glücklichsein sein mag), und Hausarbeit mach auch weniger glücklich, so dass man schließen kann, nicht Haus- oder Erwerbsarbeit, nein Arbeit ist es, die sich negativ auswirkt. Aber das passt natürlich nicht ins ideologische Muster, das die Autorinnen aus ihren Daten herauslesen wollen.

Mencarini, Letizia & Sironi, Maria (2012). Happiness, Housework and Gender Inequality in Europe. European Sociological Review 28(2): 203-219.

Bildnachweis:
RobotAid

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