Der Bundesrat im Geschlechtstaumel: Mittelschichtsfrauen sollen die Wirtschaft retten

Nun ist es also soweit. In seiner Sitzung vom 21. September hat der Bundesrat einen Gesetzesantrag beschlossen, dessen Ziel darin besteht, Unternehmen in der Wahl ihrer Aufsichtsratsmitglieder einzuengen, und sie zu zwingen, eine Frauenquote von zunächst 20% und später 40% einzuhalten, die den Ländervertretern im Bundesrat opportun erscheint (Wieso eigentlich 40%, wenn das Ziel Gleichberechtigung ist, wissen die Mitglieder des Bundesrates nicht, was “gleich” bedeutet oder geht es gar nicht um Gleichberechtigung, sondern um rent seeking?). Der Vorstoß der Länder ist von langer Hand vorbereitet und hat in einem Gesetzesantrag von insgesamt 89 Seiten, in dem vor allem rechtliche Aspekte der neuen Regelung behandelt werden, seinen Niederschlag gefunden. Um den Antrag umzusetzen, ist es u.a. notwendig, das Aktiengesetz zu ändern (, um die Quoten zwingend zu machen), das Handelsgesetzbuch zu ändern (, um Unternehmen zu zwingen, die Geschlechtsverteilung auf Führungsposten im so genannten Lagebericht zu veröffentlichen), und es ist notwendig, das Körperschaftssteuergesetz zu ändern (, um Unternehmen, die die Quote nicht erfüllen, was durch den Lagebericht deutlich wird, dadurch zu strafen, dass Aufsichtsratsvergütungen nicht mehr steuerlich begünstigt werden und abgesetzt werden können).

Interessant an dem Gesetzentwurf ist für mich vor allem zweierlei: (1) die Begründung der Frauenquote erfolgt ausschließlich kollektiv. Die Vertreter der Länder im Bundesrat können sich offensichtlich nicht vorstellen, dass Individuen, also einzelne Frauen, und nicht Gruppen, also alle Frauen, Entscheidungen treffen, und (2) die darauf aufbauende und völlig an wissenschaftlichen Ergebnissen vorbeigehende Phantasterei darüber, was der Nutzen einer Frauenquote wäre und woran es liegen könnte, dass in deutschen Aufsichtsräten derzeit knapp 10% und nicht 40% Frauen sitzen. Besonders interessant ist hier die staatlich sanktionierte Verschwörungstheorie, die “group of middle-aged, business suit wearing men”, die Viviane Reding so gerne bemüht, wenn es darum geht, die Tatsache, dass eine Gruppe mittel- bis ziemlich alter Frauen im Kostüm versucht, eine Frauenquote für Mittelschichtsfrauen durchzusetzen und dabei so zu zun, als käme die Frauenquote allen Frauen zu Gute und nicht nur ihresgleichen.

Doch im Einzelnen.

Kollektive Begründung der Frauenquote

Bereits in der Einleitung des Gesetzesantrags der Freien und Hansestadt Hamburg (als könnte eine Stadt einen Gesetzesantrag formulieren) heißt es: “Der Anteil weiblicher Führungskräfte in Spitzenpositionen der deutschen Wirtschaft ist gering: er liegt in Aufsichtsräten bei etwas mehr als einem Zehntel. Damit widerspricht die Rechtswirklichkeit dem in Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 GG niedergelegten Gleichheitsgrundsatz von Frauen und Männern in eklatanter Weise”.

Bereits in der Einführung lernen wir dreierlei: (1) Wer auch immer diese Einleitung geschrieben hat, ist der Meinung, dass es weibliche Führungskräfte auch außerhalb von Spitzenpositionen gibt, was die Frage aufwirft, warum man dann weibliche Führungskräfte in Spitzenpositionen quotieren muss. (2) Wer auch immer diese Einleitung geschrieben hat, kann oder will nicht zwischen Chancengleichheit und Ergebnisgleichheit unterscheiden (, was erstaunlich ist, denn das entworfene Gesetz trägt den Titel “Gesetz zur Förderung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien” Man fragt sich also, ist hier Unfähigkeit oder Hinterlist am Werk). Das Grundgesetz regelt Chancengleichheit z.B. im Zugang zu Bildung, es regelt keine Ergebnisgleichheit, denn dies käme der Forderung gleich, dass alle Schüler die Schule mit Abitur und Note 1 verlassen müssen. Die Väter (!sic) des Grundgesetzes waren sich noch über die Unsinnigkeit einer solchen Forderung im Klaren, die Ländervertreter im Bundesrat sind sich der Unsinnigkeit ihrer eigenen Prämissen offensichtlich nicht bewusst. (3) Ein weiteres Problem mit Ergebnisgleichheit besteht darin, dass man notwendig über die Entscheidungen von Individuen hinweggehen muss, wenn man sie quotiert. Wer also sagt, dass Frauen 40% der Aufsichtsratsmitglieder ausmachen müssen, geht von einer Interessengleichheit bei Frauen aus, deren individueller Entscheidungsrahmen ist schlicht nicht vorhanden, denn, nach Ansicht der Ländervertreter gibt es nichts Erstrebenswerteres als die Mitgliedschaft in einem Aufsichtsrat für Frauen. Wie gut, dass die Ländervertreter so genau wissen, was andere wollen, und was für andere gut ist. Und dass sie so bar jeglichen Zweifels über ihr Wissen sind, zeichnet sie insbesondere als dogmatische Geister aus, die sich eben nicht vorstellen können, dass jemand etwas anderes wollen und attraktiv finden könnte als sie selbst.

Dabei hätten die Ländervertreter durchaus zu einem anderen Schluss kommen können, wenn sie gelesen hätten, was da auf den 89 Seiten steht, die sie gerade verabschiedet haben, was sie natürlich nicht haben, denn Politiker müssen schon entscheiden, sie können entsprechend nicht lesen und sich eine Entscheidungsbasis beschaffen. Z.B. wundert sich der Schreiber des Gesetzesentwurfs auf Seite 19, dass die Anzahl der Hochschulabsolventinnen deutlich über dem Anteil weiblicher Aufsichtsräte liegt. Wäre der Schreiber nun ein Individualist, der Achtung vor den Entscheidungen von Menschen hat, er würde sich fragen, ob viele der “Hochschulabsolventinnen” vielleicht gar nicht in Aufsichtsräte gelangen wollen. Und wenn er diesen Gedanken geformt hätte, würde er vielleicht auf die Idee kommen, die betroffenen Frauen zu fragen, warum sie nicht in Aufsichtsräte gelangen wollen.
Interessanter Weise gibt es in Deutschland keine einzige quantitative Studie, die durchgeführt wurde, um die Motive von Hochschulabsolventen zu untersuchen, ihre beruflichen Aspirationen zu messen und die entsprechenden Aspirationen von männlichen und weiblichen Hochschulabsolventen zu vergleichen. Wer entsprechende Forschung sucht, muss ins Vereinigte Königreich blicken und lernt aus den Untersuchungen, die vor allem Catherine Hakim vorgenommen hat, dass rund 30% der Frauen die Familie der Karriere vorziehen, während 40% nicht wissen, ob sie lieber Familie oder Beruf den Vorrang geben sollen. Ledigliche 30% der von Hakim untersuchten Frauen waren bedingungslos auf eine Karriere ausgerichtet. Der Pool der weiblichen Führungskräfte ist somit um zwei Drittel kleiner als der entsprechende Pool, aus dem männliche Führungskräfte rekrutiert werden können. Eine Quote von 40% bedeutet entsprechend, dass Frauen eine dreimal so hohe Chance in eine Führungspositionen zu gelangen haben, als Männer. Gleichberechtigung made by Bundesrat.

Anstelle einer Suche nach den Ursachen der geringen Beteiligung von Frauen in Aufsichtsräten, die Frauen als vollwertige Entscheidungsträger und Verantwortliche für ihre Lebensentscheidungen annimmt, entmündigen die Quoteneiferer Frauen lieber, sehen in ihnen hilflose Wesen, die dabei zusehen müssen, wie sie durch böswillige Männer, “in einer hauptsächlich von Männern geprägten Unternehmenskultur” (20) aus ideologischen Gründen am Aufstieg behindert werden. Diese unsinnige Behauptung einer “gläsernen Decke” wurde zum einen gerade von Fabian Ochsenfeld widerlegt, zum anderen zeigt diese unsinnige Behauptung, dass diejenigen, die sie aufstellen, auch nicht die Spur einer Ahnung von Unternehmensprozessen haben.
Liebe Bundesratler, es mag ihnen unvorstellbar sein, aber zwischen Unternehmen herrscht Konkurrenz, Konkurrenz nicht nur um Marktanteile, sondern Konkurrenz um fähige Mitarbeiter, ja, so etwas gibt es, Mitarbeiter, die sich aufgrund ihres Humankapitals als besonders wertvoll erwiesen haben. Unternehmemn haben heute das Problem, dass Kopfjäger Führungskräfte “wildern (poaching)”, d.h. nicht das von Bundesratlern phantaisierte Verhindern des Aufstiegs fähiger Mitarbeiter ist Hauptanliegen der meisten Unternehmen, sondern das Halten, das Verhindern der Abwanderung der entsprechenden Mitarbeiter. Es ist nur bei Politikern so, dass man sie nicht wieder los wird. In der Wirtschaft sind fähige Mitarbeiter unabhängig von ihrem Geschlecht gesucht und entsprechend unsinnig erscheint die Argumentation der “Outsider” aus dem Bundesrat.

Die Behauptung, nach der “weibliche Führungskräfte … Anreize schaffen” (20) nämlich dafür, dass Hochschulabsolventinnen verstärkt nach Führungspositionen streben, hat einen so langen Bart und ist schon so oft als falsch erwiesen worden, dass ich nur auf das logische Problem hinweisen will, das in der Annahme besteht, alle teilten die Homo-Geschlechtsteilfixierung, die die Mitglieder des Bundesrats auszeichnet. Es soll Frauen geben, die Männer toll finden und umgekehrt (Ich finde z.B. Dr. habil. Heike Diefenbach toll und hoffe, umgekehrt ist das auch so…). Im Übrigen würde ich die Behauptung aufstellen, dass der gestiegende Frauenanteil unter deutschen Politikern einen erheblichen Einfluss auf die Politikmüdigkeit in Deutschland hat und dass Scharen junger Frauen den Jugendorganisationen von Parteien zulaufen würden, wird durch die Entwicklung der Mitgliederzahlen auch nicht bestätigt.

Phantastereien über den Nutzen einer Frauenquote

Am meisten ärgert mich der Sermon über die wissenschaftlichen Studien (20), die gezeigt haben sollen, wie vorteilhaft sich eine Frauenquote auswirken soll. Keine der angeblichen Studien hat eine Kausalität zwischen Frauenanteil und finanzieller Entwicklung oder Performanz der Unternehmen gemessen. Die meisten Studien sind unterirdisch schlecht. Das neueste Machwerk in dieser Tradition, eine “Studie” von Credit Suisse versucht z.B. mit Balken- und Liniendiagrammen einen Zusammenhang nachzuweisen. Das mag Politiker beeindrucken, auf jemanden, der sich mit Statistik und Datenanalyse auskennt, wirkt ein solcher Beitrag eher peinlich.

Die einzige, wirlich die einzige Studie, die eine Kausalität messen konnte, weil die Autoren, Kenneth Ahern und Amy Dittmar, sich die Situation eines quasi-natürlichen Experiments in Norwegen nach Einführung der Zwangsquote zu nutze machen konnten, kommt zu verheerenden Ergebnissen: Die Qualität der Entscheidungen, die in Aufsichtsräten getroffen werden, ist nach Einführung der Zwangsquote dramatisch gesunken und als Folge sind Markt- und Buchwert in gleicher Weise eingebrochen, ersterer durch einen Vertrauensverlust bei Investoren, der durch die Entwicklung von zweiterem angetrieben wurde, denn der Marktwert ist gesunken, weil schlecht informierte Investitionsentscheidungen die Schulden erhöht und den Gewinn reduziert haben. Wer vor diesem Hintergrund noch behauptet, eine Frauenquote hätte eine positive Auswirkung auf die Entwicklung eines Unternemens, der sollte sich in institutionelle Betreuung begeben.

Eine neue Behauptung findet sich auch im Gesetzentwurf: Die Frauenquote entfaltet ihre angeblichen Wohltaten durch eine “höhere Meinungsvielfalt” (20). Ja, das ist wirklich ein neues Argument, aber wie ein zerstrittener Aufsichtsrat sich positiv auf die Unternehmensentwicklung auswirken soll, ist mir nicht nachvollziehbar. Aber bestimmt kennen die Bundesratsmitglieder eine Vielzahl von Studien, die das belegen und können die Studien aus dem ff zitieren.

Nachdem ich den Gesetzentwurf des Bundesrates gelesen habe, schwanke ich zwischen zwei Erklärungen für das Zustandekommen dieses Entwurfes: Entweder, diejenigen, die ihn zu verantworten haben, sind Opfer struktureller Defizite, die es ihnen erlaubt haben, in politische Toppositionen aufzusteigen, ohne dafür die geistige Ausrüstung mitzubringen, oder es sind hemmungs- und gewissenlose Lobbyisten, die Frauen aus der Mittelschicht ohne Rücksicht auf Verluste einen Vorteil gegenüber dem Rest der Gesellschaft verschaffen wollen. Ich weiß nicht, welche Erklärung zutrifft und entsprechend will ich diesen post mit einer Forderung schließen, deren Umsetzung als Test dafür angesehen werden kann, welche der beiden Erklärungen nun zutrifft: Ich fordere eine Intelligenzquote für Bundesratsmitglieder, mindestens 40% der Bundesratsmitglieder müssen in einem Intelligenztest mehr als 100 Punkte erreichen.

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