BILD-Zeitung-Lesen als Verfassungspflicht

Wenn es darum geht, auf Kosten der Allgemeinheit zu leben, dann sind organisierte Gruppen innovativ. Rechtsextremismus-Bekämpfer haben es geschafft, sich als demokratienotwendig zu stilisieren und eine dauerhaftes Stück vom Steuerkuchen zu bekommen. Parteien haben es geschafft, Steuerzahler pro Jahr um mehr als eine Milliarde Euro zu erleichtern, einfach mit der Behauptung, sie und ihre Vereine, die sie aus Gründen der Täuschung „Stiftungen“ nennen, seien für die Meinungsbildung der Bevölkerung unerlässlich und müssten deshalb von dem Teil der Bevölkerung, der arbeitet, damit ihn das Finanzamt melken kann, unterhalten werden.

Das Geschäftsmodell von Parteien, also die Behauptung, man sei für die Meinungsbildung der Bevölkerung unerlässlich, das versuchen derzeit Verlage, allen voran der Springer-Verlag, zu kopieren, um auf diese Weise ihre Existenz zu sichern und am Rent Seeking, also daran, auf Kosten der Erwerbstätigen zu leben, teilzuhaben.

Verlage wie der Springer-Verlag und ihre führenden Presseerzeugnisse, die BILD oder die WELT, sie haben den Sprung ins digitale Zeitalter verpasst. Zwar hat Tim O’Reilly schon 2005 verraten, worauf es ankommt, um im Internet Erfolg zu haben, aber Springers Verlage und auch die Verlage, die das Medienimperium der SPD begründen, sie haben es nicht gehört oder gehört, aber nicht verstanden oder gehört, verstanden, aber nicht geglaubt. Wie dem auch sei, sie haben versucht, das überkommene Konzept, das ihre Printmedien auszeichnet, einfach auf das Internet zu übertragen und sind baden gegangen.

Ihr Geschäftsmodell trägt sich nicht.

Es ist nicht attraktiv genug, als dass viele dafür zahlen wollten (nicht genug dafür zahlen wollen).

Es ist nicht innovativ und kann daher das, was Erfolg im Web verspricht, nicht nutzen.

Man hat bei Springer nicht verstanden, dass die alten Zeiten, in denen Journalismus ein Einbahnstraßenunternehmen der Information von Journalist zu Leser war, vorbei sind.

Und vor allem hat man bei Springer nicht verstanden, dass die Alibi-Funktion, die mehr oder weniger editierte Texte erfüllen sollen, Texte, die dpa liefert und die man fast wortgleich bei Konkurrenten lesen kann, um damit die Werbung als eigentliches Verdienstfeld von Zeitungen wie WELT und BILD zu legitimieren, durchschaut wurde und zudem – wir leben in der digitalen Welt – umgangen, ausgeschaltet, beseitigt werden kann.

Ad-Blocker!

Wer keine Lust auf Pop-ups hat, der blockt sie einfach.
Wer nicht will, dass ihm Werbung auf den Monitor geschickt wird, der blockt sie einfach.
Die Zeiten, in denen Zeitungen das Interesse ihrer Leser für Informationen dazu nutzen konnten, sie mit Werbung auf derselben Seite ungefragt zu belästigen, die sind vorbei.

Das Geschäftsmodell, wir wiederholen uns, ist gescheitert.

Aber starre und unbewegliche Konzerne wie Springer haben kein anderes Geschäftsmodell. Sie können nur in Werbeeinnahmen denken, hängen davon ab, ihre ganze Existenz ist daran geknüpft.

Deshalb attackiert Springer bzw. deren Anwalt,seit mehreren Instanzen ein deutsches Unternehmen, das einen Ad-Blocker programmiert hat und nun vertreibt. Ein Geschäftsmodell, das im Gegensatz zu dem von Springer erfolgreich ist, wie die Nachfrage zeigt,

Springer ist mit seiner Klage nach dem Oberlandesgericht München nun auch beim BGH in Karlsruhe abgeblitzt. Ad-Blocker sind rechtens, so haben beide Gerichte entschieden. Der 1. Zivilsenat hat gestern entschieden, dass Ad-Block Plus kein Produkt unlauteren Wettbewerbs ist und somit rechtens.

Springer trägt die Kosten des Verfahrens.

Aber das Verfahren, so hat Cornelis Lehment, der Anwalt von Springer verkündet, und die Tagesschau hat es berichtet, es ist nicht vorbei. Man wolle vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, so der Springer-Anwalt.

Potzblitz…

Was könnte an einem Programm, das seine Nutzer freiwillig nachfragen, um es zu installieren, um damit Werbung, die sie gerade nicht freiwillig nachfragen, die ihnen vielmehr aufgezwungen wird, abzustellen, verfassungswidrig sein?

Hier die Erklärung des Springer-Anwalts, wie sie die Tagesschau wiedergibt:

“Cornelis Lehment, der Anwalt von Springer, hält das Blockieren von Werbung im Internet generell für höchst problematisch. Denn ohne Werbung könnten die Verlage ihre Internetangebote nicht finanzieren: “Print ist seit Jahren im Sinken. Wir werden in Zukunft nahezu ausschließlich digitale Informationsangebote haben, die sich nahezu ausschließlich mit Werbung finanzieren”, so der Jurist.

[…]

Außerdem müssten Verlage wie Springer das Recht haben, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Angebote im Internet dem Nutzer anbieten. Dazu gehöre auch Werbung. Werbeblocker, meint Rechtsanwalt Lehment, würden gegen die Pressefreiheit verstoßen: “Nicht nur die redaktionellen Inhalte, sondern auch die Werbeinhalte sind ausdrücklich vom Grundrechtsschutz umfasst: einmal als unentbehrliche Finanzierungsgrundlage, und zum anderen, weil sie selbst auch Nachrichten sind, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat.”

Das wiederum ist eine Rabulistik, auf die nur verzweifelte Anwälte kommen können und als deren Konsequenz man feststellen muss, dass das Lesen der Bildzeitung zu einer Verfassungspflicht wird.

Versuchen wir, sein Argument zu rekonstruieren:

  • Die Pressefreiheit hänge davon ab, dass die Konsumenten von Presseerzeugnissen mit Werbung malträtiert werden können.
  • Die Pressefreiheit umfasse auch die Freiheit, zu werben.
  • Die Pressefreiheit umfasse das Recht von Verlagen darüber zu entscheiden, was sie Konsumenten anbieten.
  • Daraus folgt für Lehment, dass Ad-Blocker verboten werden müssen, stellten sie doch einen Eingriff in die Pressefreiheit dar.

Das Schema des fehlerhaften Arguments folgt dem der Parteien, die ihre Mitwirkung an der Meinungsbildung, die unvorsichtigerweise ins Grundgesetz geschrieben wurde, nutzen, um sich an Steuerzahlern nach Herzenslust gütlich zu tun.

Das Argument ist fehlerhaft, weil der Mittelterm fehlt. Den fehlenden Mittelterm (im Syllogismus) kann man so rekonstruieren:

  • Konsumenten von Presseerzeugnissen haben die Pflicht, Werbung über sich ergehen zu lassen. Nur mit dieser Pflicht kann man die Argumentation von Lehmann sinnvoll machen.

Nicht einmal das Bundesverfassungsgericht wird eine Pflicht bei Konsumenten von Presseerzeugnissen sehen, Werbung zur Kenntnis zu nehmen – oder?

Aber vielleicht geht es auch gar nicht darum, die Pflicht zur Aufnahme von Werbung zu begründen, sondern darum, die Notwendigkeit der Finanzierung von Verlagen auf Basis der Pressefreiheit im Grundgesetz zu argumentieren. Lehment scheint genau das vorzubereiten.

Ohne Werbung im Internet gehen Verlage bankrott, wie er sagt.
Die Pressefreiheit ist grundgesetzlich verankert, wie er feststellt.
Nun muss man nur noch ein breites Angebot von Zeitungen als zur Information der Bevölkerung notwendig erklären und schon ist man dabei, dass Zeitungen an der Meinungsbildung der Bevölkerung mitwirken und deshalb Steuerzahler gemolken werden müssen, um ein breites Angebot, falsch: ein diverses Angebot (also dpa-Texte unter unterschiedlichen Namen: WELT, ZEIT, FAZ, Augsburger Allgemeine, Tagesspiegel) zu gewährleisten.

You mark my word, sagen die Briten, wenn sie eine Aussage über die Zukunft gemacht haben, von der sie denken, dass sie sich als richtig erweisen wird.

You mark our word!

Wir prognostizieren, dass Zeitungs-Verlage in Deutschland zu verfassungsmäßig verankerten Organisationen werden, deren Angebot durch finanzielle Hilfen des Staates gesichert werden muss, um auf diese Weise ein “diverses” Informationsangebot für die Bevölkerung aufrecht zu erhalten und an deren Meinungsbildung mitzuwirken.

Das Geschäftsmodell, mit dem sich Parteien bereichern, ist bislang noch nicht gescheitert. Deshalb wird versucht, es auszuweiten. Warum auch nicht: Solange Deutsche ohne Murren zahlen.

Ein Indiz dafür, dass unsere Hypothesen richtig sind, findet sich u.a. darin, dass Verlage, die eigentlich kapitalistische Marktteilnehmer sind, gegen ein Geschäftsmodell opponieren, das von einem anderen Marktteilnehmer entwickelt wurde und erfolgreich ist. Dass man Steuergelder nachfragt, staatliche Subventionen, um ein Geschäftsmodell, das nicht rentabel ist, weil es keine Nachfrage danach gibt, künstlich am Leben zu erhalten, ist nicht mit einer Marktwirtschaft zu vereinbaren. Dass Organisationen und Verlage, die von der Parteiführung als hilfreich angesehen werden, um den “Massen” mit dem zu füttern, was die Partei zur Wahrheit erklärt hat, ist dagegen aus sozialistischen Systemen hinlänglich bekannt.

In Marktwirtschaften scheiden Unternehmen, deren Geschäftsmodell gescheitert ist, aus dem Wettbewerb aus. Allein der Gang vor Gericht, um ein gescheitertes Geschäftsmodell am Leben zu erhalten, ist bereits ein Indiz dafür, dass Springer sich in einer Plan-, einer sozialistischen Planwirtschaft wähnt.

Aber vielleicht sollten wir auch gar nicht gegen diese Pläne opponieren. Soziale Medien, Blogger, ScienceFiles wirken auch an der Meinungsbildung der Bevölkerung mit. Also her mit den Steuergeldern …

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