„Ist der tot?“ „Keine Ahnung!“ – Organspende als Geschäft mit der Ahnungslosigkeit
Informationsasymmetrien sind die Grundvoraussetzung für opportunistisches Verhalten. Oliver Williamson hat das schon vor Jahrzehnten zu Papier gebracht und auch damals war es keine wirklich neue Erkenntnis.
Wenn man jemanden ausnutzen will, sich einen Vorteil verschaffen will, sich auf Kosten eines anderen bereichern will, dann hilft es, wenn dieser jemand nicht merkt, dass er ausgenutzt wird; wenn er im Dunkeln tappt, während er düpiert wird.

Das ist mit ein Grund, warum Religionen, religiöse Sekten, Parteien und Regierungen „geheimes Wissen“, das nur Eingeweihten zugänglich ist, ansammeln und von Zeit zu Zeit Erkenntnisse verkünden, die sie daraus abgeleitet haben wollen.
Es ist mit ein Grund dafür, dass Betrugsversuche erfolgreich sind, weil derjenige, der in ein tolles Modell investiert, das ihm Reichtum verspricht, nicht merkt, nicht die Informationen und Kenntnisse hat, um zu bemerken, dass er betrogen wird.
Es ist schließlich ein Grund dafür, dass politische Korruption blüht, denn bei der Ausgestaltung der formalen Ordnung „Demokratie“ hat in Deutschland und anderswo niemand mit dem abhängig beschäftigten Parteisoldaten gerechnet, dessen Loyalität bei seiner Partei, nicht bei seinen Wählern liegt.
Man könnte die Liste der Täuschungs- und Betrugsversuche, der Korruption und Manipulation, die durch Informationsasymmetrien ermöglicht werden, weiter fortsetzen, aber wir wollen es bei einem abschließenden Beispiel belassen.
Es stammt aus einer Untersuchung, die Krekula, Forinder und Tibell in Schweden durchgeführt haben. Ziel der qualitativen Studie war es, u.a. ein wenig Licht in den Ablauf einer Organspende in einem schwedischen Krankenhaus zu bringen. In Schweden wird davon abgesehen, lebenserhaltende Maßnahmen durchzuführen, wenn bei einem Patienten die Gefahr besteht, dass dadurch sein Leiden verlängert wird (das an sich ist schon eine Opportunismus-Superstruktur). Patienten, die sich zur Organspende bereit erklärt haben, werden nach Feststellung des Hirntods durch einen Arzt, weiter künstlich beatmet, um die Frische der Organe, die recylced werden sollen, sicherzustellen. Als Konsequenz dieser künstlichen Beatmung schlägt das Herz der Toten weiter, so dass man sich die Frage stellen kann, ob die für tot Erklärten überhaupt tot sind. Tatsächlich haben sich die Angehörigen der Toten diese Fragen regelmäßig gestellt, aber nicht beantwortet bekommen, wie Krekula, Forinder und Tibell in ihrem Beitrag berichten.
Nicht nur das, kaum einer der Befragten wusste, wann der Tod seines Angehörigen eingetreten sein soll. Manche schlossen daraus, dass ihm Organe entnommen wurden, dass er wohl tot sein müsse. Andere waren der Ansicht, erst die Organentnahme haben ihn endgültig um die Ecke gebracht. Kurz: Angehörige befinden sich gegenüber Ärzten, die von sich behaupten, sie könnten den Tod eines Menschen über dessen Gehirnfunktion oder deren Verschwinden, eindeutig feststellen, in einem erheblichen Nachteil, was relevante Informationen zum Leben eines Angehörigen angeht.
Generell sind die Angehörigen den Diagnosen und Aussagen der Ärzte auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Die Situation ist durch eine Informations-Asymmetrie ausgezeichnet und somit eine Situation, die zum Opportunismus einlädt, dazu, dass Ärzte ihren Wissensvorsprung zu ihren Gunsten ausnutzen.
Die in Deutschland derzeit diskutierte doppelte Widerspruchslösung sieht vor, dass Menschen, die keine Organe spenden wollen, Widerspruch dagegen einlegen können, generell als Organbank angesehen zu werden. Der zweite Widerspruch wird Angehörigen zugestanden, sofern sie greifbar sind: Wenn ein Patient, der hirntot sein soll, zu Lebzeiten seiner Ausweidung nicht widersprochen hat, dann können es die Angehörigen tun.
Auf welcher Informationsbasis sie das in einer Situation tun sollen, in der sie den Kommunikationskünsten des behandelnden Arztes sowieso ausgeliefert sind, hat sich bislang niemand überlegt. Die Forschung aus Schweden zeigt, dass Angehörige nicht einmal mit Sicherheit Angaben dazu machen können, wann ihr Angehöriger gestorben ist, also keinerlei Möglichkeit haben, Angaben, die Ärzte ihnen gegenüber machen, zu prüfen.
Eine Situation wie geschaffen für Opportunismus und der Grund dafür, dass wir registrierte Nichtspender sind, denn in Wales wird die doppelte Widerspruchslösung der Organspende bereits angewendet, die in Deutschland diskutiert wird. Damit kommen wir zur letzten Informationsasymmetrie in diesem Zusammenhang: Wenn Politiker von sich behaupten, sie seien Menschenfreunde und aus purer Menschenfreundlichkeit die Organe von für hirntot Erklärten wollen, dann ist etwas im Busch, dann versprechen sich diese Politiker einen Vorteil von einer große Zahl gespendeter Organe. Worin dieser Vorteil besteht?
Das ist eine der Informationsasymmetrien, die dazu führen, dass man besser zurückhaltend mit den Dingen ist, die man unentgeltlich verteilt.
Krekula, Linda Gyllstroem, Forinder, Ulla & Tibell, Annika (2018). What Do People Agree to When Stating Willingness to Donate. On the Medical Interventions Enabling Organ Donation After Death. Plos one.
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Dann unterstützen Sie bitte das private Blog ScienceFiles!
[wpedon id=66988]
ScienceFiles-Spendenkonto
Weitere Möglichkeiten, ScienceFiles zu unterstützen
Anregungen? Hinweise? Kontaktieren Sie ScienceFiles
©ScienceFiles
Wissenschaft und Information verständlich und in Klartext.
Unterstützen Sie ScienceFiles
Anregungen, Hinweise, Kontakt? -> Redaktion @ Sciencefiles.org
Wenn Ihnen gefällt, was Sie bei uns lesen, dann bitten wir Sie, uns zu unterstützen.
ScienceFiles lebt weitgehend von Spenden.
Helfen Sie uns, ScienceFiles auf eine solide finanzielle Basis zu stellen:
Entweder direkt über die ScienceFiles-Spendenfunktion spenden [das ist sicher und Sie haben die volle Kontrolle über ihre Daten]:

Oder über unser Spendenkonto bei Halifax:

HALIFAX (Konto-Inhaber: Michael Klein):
- IBAN: GB15 HLFX 1100 3311 0902 67
- BIC: HLFXG1B21B24
Wenn Sie ScienceFiles weiterhin lesen wollen, dann sind Sie jetzt gefordert.
Ein kleiner (?) Nebeneffekt bei Organspenden,
Mutter (Witwe), 2 Söhne, Mutter und ein Sohn im Ableben begriffen.
Stirbt die Mutter zuerst, erben beide Söhne, in Folge auch die Ehefrau des Totkranken.
Stirbt der Sohn zuerst, erbt nur ein Sohn, die Ehefrau des anderen Sohnes geht leer aus.
Manchmal geht es dabei um Stunden, wie aber sieht das Ergebnis aus, wenn einer oder beide Todeskandidaten Organspender sind oder einer von beiden lebensverlängernde Maßnahmen erhält ?
Sie gelangen hier auf einen interessanten Nebenschauplatz, auf dem – mit denen von Ihnen beschriebenen Konsequenzen – nur die Reihenfolge zählt. Thematisch bei Autounfällen (mit Familie) angesiedelt, hier dann die Frage, wer durch die ärztlichen Manipulationen als erster ablebt.
Frage aber: wann lebt er ab? Wie lange lebt der Mensch (noch) ohne das entnommene Organ? Selbst bei der Herzentnahme lebt der Mensch ja noch – Gegenprobe: wiedereinsetzen des Herzens – für einige Zeit, der Tod als solcher ist nicht mit einer Grenze definierbar da die Organe unterschiedlich ihren Dienst aufgeben und den auch nicht schlagartig. Hier greift der Begriff: todgeweiht – aber eben noch nicht tot. Zu welchem Punkt also lebt der Mensch noch so wenig, daß man ihn über den Jordan schubsen kann? Denn tot ist er erst dann wenn auch das letzte Organ seine Funktion nicht nur eingestellt hat sondern auch nicht wieder aufnehmen kann. Daß dies umgekehrt in Folge dann für die anderen eine Rolle spielt (plakativ: Hirn) sind Rückkopplungsprozesse des Organismus, todgeweiht aber eben der Willkür wie Definition eines Systems unterworfen.
–
Organspende per se ist ein dunkles Kapitel der Menschheit mit all ihren Folgeerscheinungen, ethisch wie moralisch nur in wenigen Fällen nachvollziehbar.
Da Hirntote noch zeugen und gebären; erröten und schwitzen können, Muskeln noch zucken können (Abwehr?), kann man beim Hirntot wohl nur von einer juristischen Definition sprechen, die einzig die Schlächter, also unsere unfehlbaren und lernrenitenten Halbgötter in Weiß, schützen soll.
Deswegen werden oft beim Ausschlachten (denn genau das ist es in meinen Augen) Muskelrelaxantien und Narkotika, jedoch in Deuschland keine Schmerzmittel verabreicht. So wird natürlich verhindert, dass, sollte eine arme Seele in dem Moment, in dem sie von Brust bis Schambein aufgeschlitzt wird, doch wider Erwarten wieder erwachen, sie sich bemerkbar machen kann. Eingeschlossen im eigenen Körper und zur Schlachtung freigegeben. Eine Art innere Klaustrophobie mit Todesfolge, ein würdeloser, grausamer Tod.
Es gibt dokumentierte Fälle, in denen Leute aus dem Hirntot aufgewacht sind und gesund und munter weitergelebt haben, aber das wird gern von den entsprechenden Stellen als Mis-/Desinformation verunglimpft, weil nicht sein kann, was nicht sein darf im lukrativen Geschäft des Organhandels.
Böse Zungen könnten natürlich sagen, dass man als Hirntoter sogar noch Gesundheitsminister werden kann. 😉