Populistische Pseudo-Forschung der Bertelsmänner [Junk Science]

Populismus, das weiß der Leser der angeblich wissenschaftlichen Studie, die die Bertelsmann-Stiftung gemeinsam mit ihrer Außenstelle im Wissenschaftszentrum Berlin ausgeführt haben, ist schlecht, ganz schlecht. Die Zunahme „populistischer Einstellungen“ ist „problematisch“ (9), der Populismus nimmt „schleichend“ zu (11,12), wird gar zum „grassierenden Populismus“ (12), einer „Versuchung“, dem das „Lager der Linkspartei … nicht widerstehen … kann oder will“ (14). Populismus ist ein „Feuer“ (18), das bekämpft werden muss (18). Denn: „Populismus wird in Deutschland zunehmend populär“ (21), er verschärft sich gar (22) und dem ausgeprägten Populismus der Wähler der AfD steht ein zunehmender Populismus in der Mitte gegenüber (23).

419 Mal kommt der Begriff „Populismus“ auf den rund 90 Seiten des Populismusbarometers vor. Wir haben die ersten 100 Nennungen betrachtet. Mehr war nicht zumutbar. Die Hypothese, dass man es hier mit Ideologie und nicht mit Wissenschaft zu tun hat, kann bereits als bestätigt angesehen werden.

Der Populismusbarometer der Bertelsmänner und ihrer Helfer in Berlin, er hat drei zentrale Mitteilungen: Die Populisten werden immer mehr, sie finden vor allem in der Mitte der Gesellschaft Zulauf und die Grünen sind die Rettung , diejenigen, die das unpopulistische oder auch unpopuläre Heil versprechen.

Wir haben den Weg, den der Bertelsmann-Junk in den Gleichlaut-Medien genommen hat, nicht verfolgt. Überschriften wie „Populismus macht sich breit“ (N.tv), Fast jeder dritte deutsche Wähler ist populistisch eingestellt (WELT), Gegen Feuer hilft kein Brandbeschleuniger (Tagesschau) oder Populismus nimmt vor allem in der Mitte zu (Tagesspiegel) reichen, um einmal mehr zu konstatieren, dass sich die Gleichlaut-Presse nicht durch Recherchieren oder gar kritisches Hinterfragen auszeichnet.

Dabei macht es die Bertelsmann-Stiftung allen, die Kritik am Populismus-Junk üben wollen, sehr einfach. So einfach, dass man daraus den Schluss ziehen muss, dass die Bertelsmänner die Gefahr einer Kontrolle durch vermeintliche Journalisten für so gering halten, dass man sie vernachlässigen kann.

Das „Populismusbarometer“ basiert auf einer Befragung, die letztlich 3427 Wahlberechtigte ab 18 Jahren zusammenbekommen hat. Und wie immer bei solchen Befragungen muss man latente Konzepte wie Populismus, die man nicht direkt messen kann, indirekt, durch die Zustimmung zu bestimmten Aussagen erheben.

Die Bertelsmänner messen Populismus mit den folgenden Fragen.

Ob mit den Fragen „Populismus“ gemessen werden kann, ist eine Frage, die wir schon deshalb hier nicht diskutieren wollen, weil dazu eine Definition von „Populismus“ notwendig wäre. Indes, die 90 Seiten der Bertelsmänner, auf denen der Begriff „Populismus“ 419 Mal vorkommt, kommen gänzlich ohne Definition aus. Folglich kann man nicht untersuchen, ob die acht Aussagen, mit denen angeblich Populismus gemessen werden soll, auch Populismus messen. Davon abgesehen legen Formulierungen wie „einfacher Bürger“ oder „wahres Volk“ eher den Schluss nahe, dass es sich hier um eine Skala handelt, die die Verbreitung von Faschismus bei Sozialforschern misst. Schließlich haben wir schon an anderer Stelle diskutiert, was von diesen „Items“ zu halten ist.

Aber das ist auch nicht notwendig, denn was auch immer die Bertelsmänner da messen, sie messen es mit unlauteren Mitteln.

Wir möchten das Augenmerk der Leser auf die vier Antwortmöglichkeiten lenken, die die Bertelsmänner für jede der acht Aussagen vorsehen: „Stimme voll und ganz zu“, „stimme eher zu“, „stimme eher nicht zu“, stimme überhaupt nicht zu. Aus diesen 4 Antwortalternativen pro Aussage und 8 Aussagen ergeben sich 32 Antwortmöglichkeiten.

Ein Sozialforscher, der darum bemüht ist, auf Grundlage dieser 32 Antwortmöglichkeiten ein einigermaßen reliables Maß für in diesem Fall Populismus abzuleiten, das, wie bei den Bertelsmännern „Populisten“, von „teils-teils“ und „Nichtpopulisten“ trennt, der wird so vorgehen, dass er Populisten als Befragte definiert, die auf alle acht Aussagen „stimme voll und ganz zu“ geantwortet haben, alle Befragten, die alle acht Aussagen mit „stimme überhaupt nicht zu“ beantwortet haben, als Nichtpopulisten und alle anderen als „teils-teils“.

Wer dagegen sicherstellen will, dass er möglichst viele Befragte der Kategorie „Populismus“ zuordnen kann, weil sich nur mit vielen Populisten Katastrophenmeldungen inszenieren lassen, der wird davon abweichen und z.B. wie die Bertelsmann-Stiftung das tut, alle, die entweder voll und ganz zugestimmt oder eher zugestimmt haben, zu Populisten erklären und für den Rest, eine aberwitzige und vollkommen willkürliche Kategorisierung vornehmen. Wir haben dies für die Bertelsmann-Stiftung einmal farblich deutlich gemacht (in der Abbildung oben). Alle Befragten, die sich im roten Feld bewegen, gelten als Populisten (16 von 32 Möglichkeiten), alle im orangen Feld gelten als teils-teils (8 Möglichkeiten) und alle im grünen Feld gelten als „Nichtpopulisten“ (8 Möglichkeiten). Die Wahrscheinlichkeit, Populisten zu finden, wird auf diese Weise verdoppelt und dennoch haben die Bertelsmänner nur 33% ausfindig machen können, die eine „populistische Einstellung“ mit sich herumtragen.

Wozu diese populistische Einstellung führt, das ist übrigens vollkommen unklar, denn ob sich damit ein Verhalten verbindet, ist eine Frage, die die Bertelsmänner nicht einmal gestellt haben. Sie suggerieren einfach, dass das Konstrukt, das sie gemessen und Populismus genannt haben, für die Wahl von Parteien relevant sein soll. Ob es das tatsächlich ist, dafür bleiben sie jeden Beleg schuldig.

Die Maximierung der Wahrscheinlichkeit, vermeintliche Populisten zu finden gibt es in zwei Varianten, obwohl die Bertelsmänner nur eine davon erklären. Auf Seite 19 stellen sie dar, wie sie Populismus erhoben haben. Ob man mit diesen Fragen „Populismus“ misst, oder was man damit misst, ist wie gesagt eine offene Frage. Interessant für uns ist die Aussage im Kleingedruckten: „Deshalb gilt in unserem Populismusbarometer nur derjenige als „populistisch“, der allen acht Aussagen „voll und ganz“ oder „eher“ zustimmt“. Dass dies statistische Schiebung ist, darauf haben wir bereits hingewiesen, dass es darüber hinaus gelogen ist, dazu kommen wir jetzt.

Denn: Im Laufe des Populismusbarometers taucht plötzlich eine „Populismus-Skala“ auf, die von 0 (nicht populistisch) bis 8 „populistisch“ reicht. Sie soll das Ausmaß von Populismus abbilden, wie man z.B. auf Seite 12 nachlesen kann. Der AfD wird hier ein „extrem konturiertes Populismusprofil … mit einem Wert von 6,49 auf der Populismus-Skala“ zugewiesen. Die Populismus-Skala berechnet sich auf Grundlage derselbe 8 Aussagen, die oben bereits dargestellt sind. Um einen Wert von 6,49 zu erreichen, muss ein Befragter z.B vier Aussagen voll zustimmen, zwei Aussagen eher zustimmen und zwei Aussagen eher nicht zustimmen. Die Aussage, nach der Populismus nur denen attestiert wird, die allen acht Aussagen voll und ganz oder eher zustimmen, ist also falsch.

Ein Zweck des Populismusbarometer besteht darin, den Blödsinn von der rechten Mitte, der seit den Leipziger Mitte-Studien durch die Welt geistert, zu kolportieren. Dazu wird eine Zunahme populistischer Einstellungen in der Mitte propagiert und es wird behauptet, „dass der Anteil populistischer Wähler im politisch rechten Spektrum deutlich größer ist als im linken Spektrum“. Nun ist das rechte Spektrum, wie es sich bei den Bertelsmännern findet, kleiner als das linke Spektrum, so dass man, je nach Prozentuierungsbasis unterschiedliche mehr oder weniger gewünschte Ergebnisse erhält. Wir haben dies einmal durchgespielt. Das Ergebnis ist in der folgenden Abbildung zu sehen.

Schließlich jammern die Bertelsmänner auf mehreren Seiten, z.B. auf den Seiten 10 und 31, dass der Populismus in der Mitte so heftig zugenommen habe, um 1,6% seit ihrer letzten Befragung. Diese Zunahme von mageren 1,6% muss natürlich deshalb hochgeredet werden, weil die Grünen als Rettung vor dem Populismus, mit dem die Mitte durchseucht ist, verkauft werden sollen. Rechnet man indes die 1,6% auf Basis der Daten von 2018 in Befragte um, dann ergibt es sich, dass gerade einmal 7 Befragte für die zunehmend populistische Mitte verantwortlich sind. Wir haben an dieser Stelle schon öfter gefragt, ob solch‘ vermeintliche Forscher keine Angst haben, sich lächerlich zu machen. Wir schenken uns diese Frage. Vermutlich haben die angeblichen Forscher nicht einmal ein Konzept von „sich lächerlich machen“. Daher unser Tipp, es ist keine latente Variable, man kann es direkt messen, z.B. darüber, wie viele Menschen die Augen verdrehen, wenn sie „eine Studie der Bertelsmann-Stiftung“ hören.

Bleibt einmal mehr festzustellen, dass wir um eine Junk-Studie sind und dass die Gleichlaut-Medien ihrem Auftrag(?), Junk durchzureichen und keinerlei Recherche oder gar Kritik angedeihen zu lassen, wieder einmal gerecht geworden sind.

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