Gesichter des Faschismus: Aufruf zum Rechtsbruch im Neuen Deutschland
Wenn man als Wissenschaftler vor dem Problem steht, dass man Faschismus definieren soll, dann wird dieses Problem durch einen Beitrag im Neuen Deutschland, einen, den Lorenz Gösta Beutin zu verantworten hat, gerade kleiner.
Die Wissenschaftler um Theodor Adorno, den Sozialforscher wider Willen, die letztlich für die Operationalisierung von Faschismus, in der berühmten F-Skala verantwortlich sind, sie haben Faschismus auf Grundlage des Nationalsozialismus und des Faschismus von Mussolini konzipiert und damit den Schluss nahegelegt, dass Faschismus eine rechte Angelegenheit sei.
Einer der größten Irrtümer der Geschichte der Menschheit und eine der größten Verkehrungen der Realität in ihr Gegenteil nahmen damit ihren Anfang: Faschismus wurde rechts und Antifaschismus links, ungeachtet der Tatsache, dass sich Antifaschismus ursprünglich gegen totalitäre Tendenzen gerichtet hat, die es links (Stalin, Mao, Pol Pot) wie rechts (Hitler, Mussolini) gibt.
An diese Tatsache hat Milton Rokeach in den 1970er Jahren erinnert, die enge Welt ideologischer Phantasie ist nicht auf Rechte begrenzt, so sein Fazit. Linke teilen die ideologische Selbstkasteiung.
Und deshalb muss man Faschismus formal bestimmen, unabhängig von politischen Moden und Tendenzen und der Artikel von Lorenz Gösta Beutin bietet dazu eine hervorragende Grundlage. Liest man, was der Mann mit den zwei Nachnamen schreibt, die Bestimmung von Faschismus ergibt sich fast von selbst.
Faschisten sind einem Freund-Feind-Denken verpflichtet, das an Primitivität kaum zu unterbieten ist und schon das Denken von Karl Marx, oder soll man sagen, seine Denkversuche in dieser Angelegenheit ausgezeichnet hat (“Historischer Materialismus” nennen Sozialisten diese intellektuelle Primitivität, die sich so antagonistisch zu Erkenntnis verhält, damit sie nach mehr klingt). Die Feinde von Beutin, sie tragen Anzug, sind entsprechend männlich, finden sich in Unternehmen und Konzernen, wollen Endlager für Atommüll bauen und Atommüll transportieren, sie wollen Wald für Kohle tauschen, militärische Geheimnisse nicht preisgeben, sie sind Rechte, sitzen bei Staat und AfD.
Ihnen stehen die Guten gegenüber. Diejenigen, die sich Schlachten mit der Polizei liefern, die „mit ihren Körpern tonnenschwere Atommüll-Transporte aufhalten“ (da sage noch einer, die DDR-Variante von NS-Kult a la Arno Breker sei gestorben), die Ertrinkende aus dem Mittelmeer fischen, Staatsgeheimnisse verraten (aber nur von kapitalistischen Staaten), die Bäume fällen, um Baumhäuser zu bauen und Wälder zu retten, die sich Maschinenpistolen und Staatsmacht entgegenstellen: „schreiende Frauen“.
Die rudimentäre Struktur des Freund-Feind-Denkens, die natürlich der Komplexität der modernen Welt in keiner Weise gerecht wird, weist auf ein geistiges Defizit bei Faschisten hin: Sie sind nicht in der Lage der Ambivalenz moderner Welt, ihrer Widersprüchlichkeit und ihrer Diversität Herr zu werden. Die Vielfalt macht ihnen Angst, deshalb wollen sie sie beseitigen und ihre eigene Sichtweise als die einzig gültige zulassen.
Faschisten zeichnen sich durch die Unfähigkeit aus, die Relativität der eigenen Überzeugungen, deren Kontext- bzw. Echozimmergebundenheit in Rechnung zu stellen. Diese Unfähigkeit, die letztlich eine Form der Lebensunfähigkeit darstellt, weil Menschen wie Lorenz Gösta Beutin offenkundig unfähig sind, sich an die schnellen Veränderungen des digitalen Echtzeitalters anzupassen, führt zu einer kognitiven Dissonanz. Das, was Faschisten denken und das, was sie umgibt, ist nicht vereinbar.
Bei Beutin findet diese kognitive Dissonanz zwischen seiner Ideologie und der Realität im Glauben Ausdruck, dass Staat, Polizei, AfD, Atomindustrie, Recht, Gesetz, alles, was er nicht mag, falsch und verderbt und deshalb von den guten Menschen, die sich „mit ihren Körpern tonnenschweren Atommüll-Transporten“ entgegenstellen, beseitigt werden müssen.

Da derartige Beseitigungen immer mit Gewalt einhergehen, ist es notwendig, die eigene Sache so zu verklären, dass sie zum missionarischen Kampf, zum Kampf auf Leben und Tod, zur Frage des Überlebens (der nächsten Generationen) wird; zum Kampf, in dem es nur einen Sieger geben kann. Die Überzeugung selbst der gute Mensch zu sein, der dem (Staats-)Reich des Bösen (sofern kein sozialistischer Staat) heldenhaft mit bloßem Oberkörper (wir kennen unseren Arno Breker und seinen Junk) gegenübersteht, mündet in einen von keinem Zweifel getrübten Feldzug gegen die Falschgläubigen, ein heiliger Feldzug, bei dem die guten Menschen von Seenotrettung, Waldrettung, Umweltrettung, Anti-Kapitalismus-, Anti-Rechts- und Anti-Staatsrettung (sofern der Staat nicht sozialistisch ist) dem Heer der Bösen gegenüberstehen und heldenhaft für „eine bessere Welt“ kämpfen.
Sie wissen, was die bessere Welt ist. Zweifel ausgeschlossen. Und dafür kämpfen sie, dafür gehen sie über (Polizei)Leichen, dafür leisten sie „zivilen Ungehorsam“, wie der feige Gösta Beutin zum Ende seines Beitrags schreibt, in dem er jede Form von Gewalt als legitim suggeriert hat, so lange sie sich nur gegen die Richtigen richtet.
„Die Herrschenden“, so schreibt Gösta Beutin und merkt nichts dabei, „fühlen sich immer im Recht.“ Realsatire wie diese, kann man nicht erfinden, denn natürlich ist Gösta Beutin aus seiner Sicht im Recht, wenn er dem herrschenden und politisch-institutionalisierten Zeitgeist das Wort redet.
Faschisten können eben nicht zweifeln (wohl weil sie nicht denken können).

Die Operationalisiserung des Begriffs „Faschismus“ umfasst somit die folgenden Kriterien:
- Faschisten kennen nur ein Freund-Feind-Schema.
Die Freunde sind immer gut, die Feind immer schlecht. Eine Differenzierung findet nicht statt.
- Faschisten sind unfähig, der Komplexität der Welt Rechnung zu tragen. Dass es einen Kapitalisten geben könnte, der Gutes tut, ist ihnen so undenkbar, wie es ihnen undenkbar ist, dass es einen Sozialisten geben könnte, der Schlechtes tut (Stalin war für sie wohl kein Sozialist).
- Faschisten verfügen über keinerlei Ambiguitätstoleranz. Wer von ihrer Ansicht abweicht, muss bekämpft werden. Sie sind Antidemokraten.
- Faschisten sind durch eine kognitive Dissonanz ausgezeichnet: Die Realität entspricht in ihrer Wahrnehmung nicht ihrer Ideologie. Um diese kognitive Dissonanz abzubauen, müssen sie missionieren und ihre Ansicht durchsetzen. Da sie nicht mit Abweichung leben können, muss Abweichung beseitigt und die Außenwelt gleichgeschaltet werden, auch mit Gewalt.
Auf Basis dieser Definition sind alle, die nicht zulassen (wollen oder können), dass andere eine andere Meinung haben, die der ihren gleichberechtigt (was nicht bedeutet: gleichwertig) ist, die diese anderen bekämpfen und zum Verstummen bringen wollen, Faschisten.
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Sie haben selbstverständlich Recht damit, dass Faschismus und Anti-Faschismus formal bestimmt werden müssen, nicht primär nach politischer Motivation. So wie auch (z.B.) Hass und Angst und Wut oder Verschwörungstheorien oder Fake News nicht immanent von Hause aus einer bestimmten politisch-weltanschaulichen Richtung zuzuordnen sind. Hassen und wütend werden können im Grundsatz alle Menschen, von Verschwörungstheorien dominiert sein, auch. Die letzten knappen Punkte im Text oben reichen völlig, um beide Phänomene, Faschismus und Antifaschismus, zu beschreiben und zu analysieren.
Wenn man die Website des Linken-MdB Lorenz Gösta Beutin durchsieht, fällt auf, dass die Welt, Sidolin-klar, in 1. alles Gute/alle guten Menschen/die Linken mit Toleranz, Offenheit, Willkommens-Kultur und 2. alles Böse/alle bösen Menschen/die Rechten mit Hass, Angst, Hetze, völkischem Denken aufgeteilt ist, wobei Herr Gösta Beutin sich natürlich zur ersten Fraktion zählt. Einerseits, nur ein harmloses Beispiel (Text: Rassenfrage statt Klassenfrage) behauptet der Politiker, „in rechten Kreisen“ gehöre es „wieder zum ‚guten Ton‘, gegen ‚Schwule‘, ‚Ausländer‘, ‚Muslime‘, ‚Gutmenschen‘ u.a. zu hetzen“. – Ein paar Absätze weiter heißt es: „Mehr als alle anderen Parteien rekrutiert die AfD ihre Wähler*innen aus der Mittelschicht (Studie „Die enthemmte Mitte“). Der Protest dieser Wähler*innen ist keine Antwort auf eine reale soziale Situation, sondern auf eine verzerrte Wahrnehmung der Realität.“ Nun kann man darüber diskutieren, ob es nicht auch eine grobe Unfreundlichkeit, wenn nicht gar im Ansatz Hetze, ist, größeren sozialen Gruppen pauschal zu unterstellen, sie litten unter einer Art von chronischer Wahrnehmungsstörung. Zumal es echt schwierig ist, die „objektive Realität“ wahrzunehmen. Genau deswegen streitet man sich in der Politik.
Grosses Update-jetzt über 600 Kriminalstatistiken!
https://luegenpresse2.wordpress.com/2016/10/16/statistiken-die-politiker-und-presse-immer-wieder-leugnen/
Es ist wichtig, daß das aufgespießt wird!!!
Der ganze Kommunismuskram krankt doch am Sympathisieren mit der Gewalt (lest bei Lenin nach über die Machtfrage…)
Die Kommunisten sind nur durch Gewalt an die Macht gekommen. Von Recht und Gesetz halten sie nichts.
Das sei jedem (vor allem Altbundesbürgern) gesagt, die in der untergegangenen DDR heute noch eine verpaßte Chance sehen). Da war keine Chance, dieses ganze unwürdige Experiment war nicht zu Recht chancenlos, es war vor allem unwürdig, menschenfeindlich und blankes Unrecht
Übrigens, Hetze im Neuen Deutschland ist doch nichts wirklich Neues!
Ich kenne nichts anderes von denen. Die sind heute wie früher: so eine Art “Agit-Prop-Brigade”.
Na wenigstens mußten sie sich nicht wenden, was für ein Trost 🙂
Zum Hinternabwischen wäre mir der Hintern zu schade – nicht daß vielleicht noch was von dem krankmachenden roten Geifer klebenbleibt.
die oben angegebenen Bedingungen sind sicher notwendig, aber das trifft auf jeden zu der politisch festgefahren ist und ein simples (gut-böse) Weltbild hat.
Sollte zu “Faschismus” nicht auch die Überhöhung der Nation, des eigenen Volkes gehören?
Zitat: “Sollte zu “Faschismus” nicht auch die Überhöhung der Nation, des eigenen Volkes gehören?”
Wenn dieses sein soll, dann wäre es für die faschistischen Roten und Rotgrünen geradezu die Freisprechung davon. Denn wenn einer das eigene Volk nicht erhöht ,sondern gezielt erniedrigt, ja, sogar als nicht existent betrachtet, wie jüngst ein Herr Habeck von den Grüninnen posaunte, dann sind es doch diese real existierenden Faschisten in der Bunten Republik.
die Verwendung von Faschismus als allgemeiner Begriff für jede Art von politischem Absolutismus ist eben der Punkt den ich kritisiere.
Faschismus als rechte Spielart des pol. Absolutismus
Sozialismus/Kommunismus als linke Spielart des pol. Absolutismus
Dackel und Doberman sind beides Hunde, aber nicht jeder Hund ist ein Dackel.
Mal weitergesponnen den Gedanken:
Puritanismus als christliche Spielart des theol. Absolutismus
Salafismus als muslimische Spielart des theol. Absolutismus
Perser und Maine-Coon sind beides Katzen, aber nicht jede Katze ist ein Perser.
theol. Absolutismus und pol. Absolutismus as Spielart des Absolutismus
Hunde und Katzen sind beides Säugetiere, aber nicht jedes Säugetier ist eine Katze.
Absolutismus hier verstanden als Überzeugung, dass ein fix definiertes Set von Regeln ohne Ausnahme gelten müsse und keiner Diskussion und folgender Änderung unterliegen dürfe.
Faschismus ist imho weder rechts noch links einzuordnen, sondern eine Vorstufe des Totaltarismus, oder anders gesagt, eine unheilige Allianz von Hochfinanz und Politik. Ob es sich dabei um linke oder rechte Verbündete handelt ist der Hochfinzanz völlig egal, so lange das Ergebnis stimmt. Und Hitlers NSDAP was eine linke Partei, die genau so links war wie die Grünen grün vorgeben zu sein.
Sehr geehrter Herr Klein,
Sie schreiben sehr viel Richtiges in diesem Artikel und doch muss ich Ihnen in einem Punkt widersprechen, und zwar hinsichtlich Ihrer Definitionen von Faschismus und Antifaschismus, weil diese m. E. nicht wissenschaftlich sauber vorgenommen werden. Sie kritisieren zu recht die politische Instrumentalisierung und Vereinnahmung des Begriffs Antifaschismus durch Kommunisten und heutige Linksradikale. Zugleich aber verwenden Sie den Begriff Faschismus als Oberbegriff für totalitäre und autoritäre politische Strömungen und Systeme. Es wäre wissenschaftlich angemessener, den Begriff Faschismus ausschließlich als Bezeichnung für den historischen Faschismus in Italien zu verwenden. Weder Nationalsozialisten noch Marxisten sind für mich Faschisten. Es bedarf auch nicht des Faschismus als Oberbegriffs für freiheits- und demokratiefeindliche Bestrebungen. Dafür gibt es bereits andere, besser geeignete Begriffe (Totalitarismus, Autoritarismus usw.). Es ist schon allein deshalb unsinnig, Marxisten als Faschisten zu bezeichnen, weil es weder zum Zeitpunkt der Entstehung der marxistischen Ideologie noch zum Zeitpunkt der Oktoberrevolution in Russland eine faschistische Bewegung gab bzw. der Begriff Faschismus erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs entstanden ist. Zudem haben Marxisten den Begriff nie als Eigenbezeichnung verwendet.
Was den Begriff Antifaschismus angeht, ist es intellektuell nicht ganz redlich zu suggerieren, Antifaschismus habe sich ursprünglich gegen verschiedene (rechte wie linke) totalitäre Tendenzen gerichtet. Richtig ist, dass Antifaschismus urprünglich eine Sammelbezeichnung für die Gegner des Faschismus in Italien war. Manche Gegner des historischen Faschismus waren auch gegen andere totalitäre Richtungen, andere Faschismusgegner wollten hingegen eine marxistische Diktatur errichten. Der Begriff Antifaschismus verstanden als Gegnerschaft gegen totalitäre Herrschaftssysteme hat sich im nichtlinken politischen Spektrum nicht durchsetzen können. Es gab zu keinem Zeitpunkt auch nur den Hauch einer Chance, dass so etwas passiert. Dazu war und ist der Begriff zu sehr diskreditiert. Und wer sich im linken Spektrum als Antifaschist definiert, ist in der Regel jemand, der entweder selber ein Linksextremist ist oder den Schulterschluss mit Linksextremisten sucht oder Teile des demokratischen Spektrums ausgrenzt (Anti-Populismus).
Historisch nicht korrekt ist schließlich die Aussage, die Kommunisten hätten den Begriff „Antifaschismus“ vor allem NACH dem Zweiten Weltkrieg für sich instrumentalisiert. Nein, die Kommunisten haben den Begriff bereits seit den 1920er Jahren massiv für sich instrumentalisiert. Man denke an Stalins Bezeichnung “Sozialfaschismus” für die Sozialdemokratie, die KPD-Kampagnen gegen den “Brüning-Faschismismus” und den “Papen-Faschismus” sowie Heinz Neumanns “Antifaschistische Aktion”. Das Phänomen Antifaschismus ist also bereits rund 90 Jahre alt. Die K-Gruppen der 1970er (KB, KPD/ML, KBW) Jahre haben bezüglich Antifaschismus einfach bei der KPD der Weimarer Republik abgekupfert, was auch für die Neugründung der “Roten Hilfe” gilt.
Es geht mit Leo Trotzki auch kürzer: Faschismus ist Sicherung der Herrschaft der Bourgeoisie durch eine Massenbewegung der radikalisierten Mittelschichten.
Und damals wie heute gab es liebenswürdige Philanthropen, welche mit der finanziellen Ausstattung von “NGO’s” die Welt ein bisschen besser machen wollten – für sich.