Das Indianerkostüm: Sinnbild für Genozid

Pierre Brice ist ja nun leider schon in die ewigen Jagdgründe eingegangen, so, wie der Erfinder von Winnetou, der Hohenstein-Ernstthaler mit dem Namen Karl May. Gemeinsam haben Brice und May Generationen von Deutschen diejenigen nahe gebracht, die in Deutschland „Indianer“ heißen, so wie die Briten Briten heißen, obwohl es die Briten nicht gibt, schon weil der Geordie-Sprecher aus Newcastle etwas dagegen hat, mit dem Scouser aus Liverpool in einen Topf geworfen zu werden, es sei denn, es geht um die englische Nationalmannschaft. Dennoch sprechen Deutsche von Briten oder öfter noch von Engländern und verärgern damit u.a. die Waliser unter uns, so wie sie von Indianern sprechen.

Nun wird der Begriff „Indianer“ auf eine Menschengruppe angewendet, für die die Gutmenschen in Deutschland ganz besondere Sympathie hegen, die sie unter sich verorten, denen sie deshalb Schutz und, wie sie meinen, Respekt angedeihen lassen wollen, und zwar dadurch, dass sie der „kulturalisierenden“ Kostümierung, wie sie von kleinen und ganz kleinen Kindern vorgenommen wird, wenn sie sich zu Fasching als Indianer verkleiden, einen Riegel vorschieben. Diese Art der Sorge um andere, eine Art des remote carings, wie es schon Charles Dickens heftig verärgert hat (festgeschrieben in der Person der Mrs. Jellyby aus Bleak House, die sich für die Errichtung einer Mission in Afrika stark macht, während in ihrer näheren Umgebung, einschließlich ihrer Familie, die, wie man so treffend und deftig im Deutschen sagt, Kacke am Dampfen ist.), ist billig, selbsterhöhend, weil man sich als (ungebetener) Retter von Menschen aufspielen kann, die man im Leben noch nie gesehen hat, von denen man niemand kennt und auch niemals kennen lernen wird. Eine gefahrlose Selbstbeweihräucherung des infantilen Narzissten (dazu kommt bald ein schöner Text von Dr. habil. Heike Diefenbach) der die Re-Inkarnation des Maulhelden oder auch Großmauls früherer Zeiten ist.

Falls Sie es also nicht gewusst haben, der edle Indianer Winnetou, der mit seiner Rothaut-Moral jedes Bleichgesicht in den Schatten und sich selbst in den Weg des Bösen stellt und das Gute gemeinsam mit der Hand der Zerstörung (Shatterhand) oder der sicheren bzw. ruhigen Hand (Surehand) für Recht und Ordnung im Wilden Westen sorgt, dieser edle Winnetou ist ein rassistisches Zerrbild. Solch‘ vermeintlich rassistische Zerrbilder, wie sie Pierre Brice auf die Leinwand gebracht und das Indianerkostüm in die Kindertagesstätte bringen, will Berit Wolter verhindern.

Wer Berit Wolter ist?

„Berit Wolter  ist seit Oktober 2016 pädagogisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin im Modellprojekt zu diskriminierungssensiblen Beschwerdeverfahren. Sie studierte Politikwissenschaft/Soziologie (BA), ist Multiplikatorin für Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung und hat sich vertieft mit Themen sexueller/geschlechtlicher Vielfalt und geschlechterreflektierender Pädagogik befasst.“

Wolter arbeitet bei ISTA, dem Institut für den Situationsansatz in Berlin, das wiederum dem Situationsansatz verpflichtet ist:

„Der Situationsansatz ist ein anspruchsvolles und modernes pädagogisches Konzept, das den Anforderungen des Lebens in einer Zeit des Wandels, der Veränderung, der Widersprüche, des Risikos, der Verschiedenheit, der Selbstverantwortung gerecht wird. Der Situationsansatz hat seine Wurzeln in der Elementarpädagogik und wurde in den letzten Jahren auch für andere Erziehungs- und Bildungseinrichtungen adaptiert.

Der Situationsansatz verfolgt das Ziel, Kinder unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft darin zu unterstützen, ihre Lebenswelt zu verstehen und selbstbestimmt, kompetent und verantwortungsvoll zu gestalten. Inhalt des Lernens und der Bildung ist das vielfältige und widersprüchliche Leben der Kinder selbst, sind ihre Erfahrungen und Fragen, ihre unmittelbaren Erlebnisse und die Herausforderungen, die ihnen dabei begegnen.“

Kurz: Hier wird BlaBla zu einem „anspruchsvollen Ansatz“ hochgejubelt und an diejenigen, die immer gerne Steuergelder für Schein ausgeben, verscherbelt: Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Im vorliegenden Fall hat das Ministerium wieder einmal Geld unter diejenigen gebracht, die „Demokratie leben!“ wollen, was sich zumeist darauf beschränkt, Junk als Gegenleistung für Steuergelder zu produzieren. Der Junk, den das BMFSFJ dieses Mal gekauft hat, füllt vier Seiten und ist mit „Fasching vorurteilsbewusst feiern!“ überschrieben.

Die zu lösende Problemstellung wird gleich zu Beginn in zwei Fragen gepackt: „Was jedoch, wenn der Spaß des einen Kindes verletzende Botschaften über die Familie des anderen enthält? Was, wenn Kostüme Stereotype über Geschlecht, Hautfarbe oder Familienkulturen aufgreifen?“.

Ja, was?

Nun, dann müsse man, „die Wirkung von Verkleidungen, die rassistische, kulturalisierende, oder Geschlechtsstereotype bedienen“ in Rechnung stellen. Denn, so erfährt der erstaunte Leser weiter, bereits kleine Kinder, Kleinkinder beobachteten ihre Umwelt. Und weil sie das tun, lernen sie: Schwarze Kinder werden bereits beim Heftpflaster benachteiligt, denn Heftpflaster ist hautfarben, für helle Haut gemacht, nicht für dunkle. Die Normalität, die Kinder erlernen würden, umfasse das Weihnachtsfest, nicht das Opferfest: „Solche einseitigen oder diskriminierenden Botschaften entnehmen sie dem Verhalten und den Aussagen ihrer nächsten Bezugsperson, aber auch Büchern, Werbung, Liedern – und eben Faschingskostümen“.

Damit sind wir beim corpus delicti: Dem Indianerkostüm.

Die Indianer gibt es nicht, schreibt Wolter. Was stimmt. Auch die Deutschen gibt es nicht. Aber das ist ein Thema, das Wolter nicht interessiert, bei der man sich fragt, ob sie etwas an einer Verkleidung als Piefke auszusetzen hätte. Der Begriff „Indianer“, so Wolter weiter, sei im Zuge der „Kolonialisierung Nord- und Südamerikas der damaligen Bevölkerung aufgezwungen [worden] und stehe somit in Zusammenhang mit der brutalen Vernichtung großer Teile dieser Personengruppe“.

Ob es den Navajo oder den Apachen geholfen hätte, wenn sie nicht als Indianer, sondern als Native Americans bezeichnet worden wären? Wolter denkt es offensichtlich. Wir haben so unsere Zweifel.

In jedem Fall, so wird weiter erklärt, werde durch ein Indianerkostüm „falsches Wissen über eine ausgedachte Gruppe nahegelegt“ und „vermittelt, dass es in Ordnung sei, sich über Andere lustig zu machen“. Nun, wenn wir an unsere Kindheit zurückdenken, die Zeit, zu der man noch Indianer sein konnte, ohne dass man von pseudo-intellektuellen Spinnern des Rassismus bezichtigt wurde, dann müssen wir feststellen, an Fasching ein Indianer zu sein, das war eine ernste Angelegenheit, denn man musste die großen Fußstapfen, die Winnetou, der edle, moralische und gute Indianer hinterlassen hat, ausfüllen, musste sich seiner würdig erweisen.

Heute kann man sich benehmen wie man will, so lange man nicht als Indianer an Fasching auftaucht. Das nennt sich dann wohl Fortschritt, ein Fortschritt, der wie es bei ISTA heißt, daraufhinwirken will, dass „Kinder unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft … ihre Lebenswelt … verstehen und selbstbestimmt, kompetent und verantwortungsvoll … gestalten“.

Daher ist es wichtig, Indianerkostüme zu verbieten, und Kindern das vorzugeben, was bei ISTA als korrekt angesehen wird. Wenn sich ein Junge dann als Meerjungmann kostümiert und ein Mädchen als Piratin, dann frohlocken die ISTAs und sind der Meinung, sie hätten etwas zum Guten verändert, mit moralischem Druck und Indoktrination zur Selbstbestimmung von Kindern beigetragen, die ihre kulturelle Kompetenz dann darin ausdrücken, dass sie sich verantwortungsvoll aus ihrer eigenen Kultur verabschieden.

Damit sind wir bei den Gutmenschen wie Wolter sie darstellen, angekommen, jenen Engstirnigen, die denken, sie könnten die Welt zu einem besseren Platz machen, wenn sie sich zum ungebetenen Advokaten von Minoritäten machen, eine Tätigkeit, die staatliche Förderung und Anbiederungspunkte verspricht, aber leider, wie vieles, was im Dunstkreis derer stattfindet, die noch nie etwas von unbeabsichtigten und negativen Folgen selbst gut gemeinter Handlungen gehört haben, allgemein schädlich ist.

Zunächst sind Indianerkostüme nicht als solche schlecht. Dass sie bei Kindern sehr beliebt sind, auch heute noch, nachdem Winnetou nicht mehr durch Kroatien reitet, spricht dafür, dass Indianerkostüme mit positiven Werten verbunden werden, von Kindern, nicht von den ISTAs, die sind rundweg der Meinung, ein Indianerkostüm sie rassistisch, so rassistisch wie es das Schminken für sie zu Fasching ist, wobei der Rassismus mit der Menge des absorbierten Lichtes zu zunehmen scheint. Die ISTA Welt, die kindliche ISTA Welt zerfällt in den guten Teil und den schlechten Teil. Der gute Teil, das ist der Teil mit den Meerjungmänner-Kostümen, der schlechte Teil, das ist der Teil, in dem sich die Indianer einfinden, die falschen Indianer versteht sich.

In früherer Zeit, es muss so um 1200 gewesen sein, haben sich Philosophen darüber auseinandergesetzt, ob Dingen eine Bewertung innewohnt oder nicht. Nach langem hin und her, ist die Entscheidung etwa um 1600 gefallen, dass Dingen keine Bewertung innewohnt, dass die Bewertung vielmehr an die Dinge herangetragen wird. Die Heranträger sind Menschen.

Sie bewerten Dinge.

Kinder bewerten Dinge, z.B. Indianerkostüme positiv, finden sich toll als Indianer verkleidet.

Wolter und die ISTAs bewerten Indianerkostüme negativ, warum? Weil sie Indianerkostümen eine Unmenge von Bedeutungen zuschreiben, die Indianerkostüme als solche nicht haben, die sich allesamt nur im Kopf der ISTAs und von Wolter finden.

Weil sie ihre Bewertung für richtig halten, wollen die ISTAs und Wolter diese Bewertung gesellschaftlich durchsetzen und dafür sorgen, dass Indianerkostüme mit einem Bann belegt werden.

Derartige Ansinnen, die darauf basieren, die eigenen Ansinnen für richtig zu erklären und anderen aufzwingen zu wollen, sind aus Religionen gut bekannt und sie waren nicht zuletzt Anlass für den Streit, der um 1100 entbrannt ist und um 1200 einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Wolter und ISTA wollen offenkundig zurück ins 13. Jahrhundert, zurück in die Zeit, in der vorgegeben wurde, was wie bewertet zu werden hat.

Hinter ihrer Behauptung, sie wollten Kinder darin unterstützen, ihre Lebenswelt zu verstehen und selbstbestimmt, kompetent und verantwortungsvoll zu gestalten, versteckt sich somit etwas ganz anderes, nämlich die Vorgabe des als richtig bewerteten Verständnisses, so dass Selbstbestimmung nur noch im vorgegebenen und von ISTA für richtig befunden Rahmen möglich ist, nur das als Kompetenz gilt, was der Bewertung, die ISTA für richtig hält, entspricht und Verantwortung genau dann als ausgeübt gilt, wenn die Beschränkung des Geistes so erfolgreich war, dass man Kostüme nur noch als Träger einer negativen Entität und nicht mehr als Stoff oder Kunststoff ansehen kann.

Aber natürlich ist das ein wichtiges Anliegen, denn die Mitglieder der Kanadischen First Nations bzw. der Native Americans oder die Nachkommen der Maya sie sitzen dann, wenn in Deutschland Karneval ist, gebannt vor dem Fernseher, schauen sich die Rosenmontagszüge an und machen für jeden Kostümierten, der als Indianer kommt, einen Strich. Die Summe der Striche wird dann der Beschwerde über die kulturelle Appropriation beigegeben, die jedes Jahr bei der UN abgegeben wird, damit der Sicherheitsrat Deutschland rügen kann.

Insofern ist die Broschüre aus Berlin, die den Indianerkostümen den Kampf angesagt hat, sehr wichtig.

Dass sie wichtig ist, zeigt auch ein Bericht in der Welt über einen Kindergarten in Hamburg, in dem Indianer- und Scheichkostüme mit Verweis auf die Broschüre, die wir hier besprochen haben, dadurch diskriminiert werden, dass sie zu unerwünschten Kostümen erklärt wurden. Von Scheichkostümen ist übrigens in der Broschüre keine Rede. Die haben die Hamburger Kita-Angestellten selbst ergänzt, als eigenen Beitrag zum vorurteilsbewussten Feiern, denn natürlich sind Mohammed bin Rashid Al Maktoum oder Saud bin Saqr Al Qasimi stinksauer, wenn in Deustchland Kindergartenkinder als Scheich verkleidet auftauchen.

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