Risse in der Meritokratie: Was wird in deutschen Schulen eigentlich bewertet?
Die für mich nach wie vor erstaunlichste Reaktion auf “Bringing Boys Back In” und die in der Nachfolge entstehende Diskussion um die Nachteile von Jungen im deutschen Bildungssystem, besteht darin, dass die Institution “Schule” und ihre Lehrer, denen eine zentrale Rolle zukommt, wenn es darum geht, die Frage zu beantworten, wie Noten und Bildungstitel verteilt werden, in der offiziellen Diskussion so gut wie nicht vorkommen. Statt dessen wird regelmäßig und monoton wiederholt, in Deutschland herrsche Meritokratie, wer gut sei, habe gute Leistungen und finde sich entsprechend auf weiterführenden Schulen, wer sich dort nicht finde, sei entsprechend nicht gut, dumm, faul oder welche Adjektive auch immer genutzt werden, um den derzeitigen Zustand des deutschen Bildungssystems in den Verantwortungsbereich der davon betroffenen Individuen zu verschieben (z.B.: Faulstich-Wieland, 2009; Meuser, 2009)
Von der Ignoranz deutscher Stellen ungeachtet, ergeben Analysen z.B. auf Basis des PISA-Datensatzes oder weiterführende Untersuchungen der OECD regelmäßig, dass das deutsche Schulsystem ganz offensichtlich nach sozialen Kriterien selegiert und dafür sorgt, dass wer in der sozialen Hierarchie unten ist, auch unten bleibt, und irgendwie schafft es die offizielle Ideologie auch nicht, die erheblichen Nachteile, die Jungen im Hinblick auf z.B. das Erreichen eines Abiturs gegenüber Mädchen haben, hinweg zu phantasieren. Mit anderen Worten: Die offizielle Behauptung, im deutschen Schulsystem herrsche Meritokratie, werde Leistung, Intelligenz und Denkfähigkeit belohnt, hat erhebliche Risse, so dass man langsam die Frage stellen muss, ob nicht Leistung, Intelligenz und Denkfähigkeit drei Variablen darstellen, von denen man annehmen muss, dass sie fast den geringsten Effekt auf schulischen Erfolg haben.
Ein kurzer Überblick über derzeit vorhandene Forschungsergebnisse lässt diesen Schluss valide erscheinen:
- Die soziale Herkunft ist nach wie vor entscheidend für den schulischen Erfolg. Kinder aus der Arbeitschicht, gelangen deutlich seltener auf Gymnasien und sind unter Studenten eine Ausnahme (Geißler, 2005).
- Jungen haben im Bildungsystem erhebliche Nachteile gegenüber Mädchen. Sie machen deutlich seltener ein Abitur und bleiben öfter ohne bzw. mit Hauptschulabschluss als Mädchen (Diefenbach & Klein, 2002).
- Migranten schneiden im deutschen Schulsystem deutlich schlechter ab als in fast jedem vergleichbaren Schulsystem ausserhalb von Deutschland (Diefenbach, 2008, Entorf & Minoiu, 2005).
Diese Befunde lassen den Schluss zu, dass etwas nicht stimmt, mit dem deutschen Schulsystem, denn es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Arbeiterkinder, Jungen oder Migranten weniger intelligent oder weniger leistungsbereit sind als Kinder aus der Mittelschicht, Mädchen oder Nicht-Migranten. Studien, die sich mit der Frage der Ursachen der offensichtlich im deutschen Schulsystem stattfindenden Selektion befassen, haben entsprechend eine Reihe von interessanten Ergebnissen erbracht, die den Riss in der Vorstellung meritokratischer Verteilung von Bildungstiteln vertieft haben.
- Institutionelle Diskriminierung gegenüber Migranten wurde als Ursache für deren schlechteres schulisches Abschneiden ausgemacht (Gomolla & Radke, 2009).
- Die Herkunft spielt bei der Überstellung auf die Sonderschule eine herausragende Rolle: Jungen aus der Unterschicht werden besonders häufig als sozial-emotional förderungsbedürftig etikettiert und in die Sonderschule abgeschoben (Kottmann, 2006).
- Jungen, so wurde in einigen Studien gezeigt, benötigen bessere Noten um dieselbe Grundschulempfehlung zu erhalten wie Mädchen (Lehmann & Lenkeit, 2008; Lehmann & Nikolova, 2005; Lehmann & Gänsefuß. 1997).
- Dieselben Jungen, die in unabhängigen Leistungstests besser abschneiden als Mädchen, haben schlechtere Noten als die entsprechenden Mädchen (Diefenbach, 2007).

Dies ist nur ein Teil der Ergebnisse, die deutlich machen, dass in deutschen Schulen (auch?) andere Dinge eine Rolle spielen als die Leistung von Schülern. Damit nicht genug: Mit einer interessanten und einfallsreichen Studie haben Imke Dunkake, Thomas Kiechle, Markus Klein und Ulrich Rosar (2012) dem schönen Schein der Meritokratie einen weiteren Schlag verpasst: Die Leistungsbewertung von Schülern, so ihr Ergebnis, werde von einer weiteren leistungsfremden Variable beeinflusst: der physischen Attraktivität des jeweiligen Schülers.
Die bemerkenswerte Untersuchung der vier Autoren basiert auf den schulischen Leistungen von 77 Schülern, die an einem nordrhein-westfälischen Gymnasium lernen und sich zum Zeitpunkt der Untersuchung auf drei Klassen der Jahrgangsstufen 5 und 9 verteilt haben. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass deutsche Schulämter normalerweise den Zugang zu Schulen hüten wie Zerberus den Eingang zur Unterwelt, ist es mehr als erstaunlich, dass es den Autoren gelungen ist, Zugang zu den Daten zu erhalten, auf denen ihre Analyse aufbaut. Vergegenwärtigt man sich die Fragestellung ihrer Untersuchung, dann ist das Ganze noch erstaunlicher.
Ingesamt basiert die Auswertung auf 1716 Noten, die die Schüler über zwei Halbjahre hinweg erhalten haben.
Die Schulnoten als abhängige Variable wurden durch unabhängige Variablen wie Intelligenztests, demographische Variablen, wie den jeweils höchsten Bildungsabschluss der Eltern, das Geschlecht der Schüler, Migrationsstatus sowie um Einschätzungen der Lehrer über die Leistungsfähigkeit, Disziplin und dergleichen der Schüler ergänzt, die zur Vorhersage der Schulnoten genutzt wurden. Die zentrale unabhängige Variable “Attraktivität des Schülers” wurde unabhängig gemessen: 24 Lehrer, 12 männlich und 12 weiblich, an baden-württembergischen Schulen wurde eine Portraitaufnahme des jeweiligen Schülers vorgelegt, anhand derer sie den Schüler von 0 “unattraktiv” bis 6 “attraktiv” bewerten sollten. Die so erzielten Urteile der 24 Lehrer über die 77 Schüler zeigten ein hohes Maß an Übereinstimmung (Cronbach’s Alpha von .91) und die Attraktivität von Mädchen wurde im Mittel durchgängig höher eingeschätzt als die von Jungen.
Auf der Grundlage der genannten Variablen haben die Autoren dann Mehrebeneanalysen berechnet , um die Schulnoten der 77 Schüler vorherzusagen. Dabei haben sich folgende Einflussfaktoren ergeben (Abbildung):
-
Dunkake et al. (2012), S.153-154 Die Attraktivität eines Schülers wirkt sich durchgängig positiv auf die Schulnoten aus. Mit zunehmender Attraktivität erhalten Schüler einen Notenbonus von bis zu vier Fünftel Notenpunkten.
- Mädchen erhalten einen Notenbonus von 0.72 Notenpunkten im Vergleich zu Jungen.
- Schüler, deren Disziplin von ihren Lehrern als hoch eingeschätzt wird, erhalten im Durchschnitt um 0.62 Punkte bessere Noten als Schüler, deren Disziplin ihren Lehrern nicht hoch eingeschätzt wird.
- Schüler, deren Vater oder Mutter einen Hochschulabschluss erreicht haben, erhalten im Durchschnitt um .27 Punkte bessere Noten.
- Schüler, deren Eltern geschieden sind, erhalten durchschnittlich um .35 Punkte schlechtere Noten als Schüler, deren Eltern nicht geschieden sind.
- Die Intelligenz der Schüler hat nur einen sehr geringen Effekt auf die Noten (.05 Notenpunkte).
Die Liste der leistungsfremden Variablen, die einen Effekt auf die Schulnoten haben, ebenso wie der kaum vorhandene Einfluss von Intelligenz auf die erreichten Noten sprechen eine deutliche Sprache, die die Autoren im Hinblick auf die Attraktivität wie folgt in Worte fassen: “Im Titel der Abhandlung haben wir die Frage aufgeworfen, ob die Vergabe von Schulnoten positiv durch die physische Attraktivität der Schüler beeinflusst wird. Diese Frage muss auf der Grundlage unserer Analysebefunde vorläufig bejaht werden: Schöne Schüler erhalten die ‘schöneren’ Noten!” (152). Hinzu kommt, dass Mädchen besser benotet werden als Jungen, Schüler, deren Eltern nicht geschieden sind, besser als Schüler, deren Eltern geschieden sind, und hinzu kommt der aus der Bildungsforschung bekannte Effekt der Bildungstransmission, der Schüler aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil über einen Hochschulabschluss verfügt, bessere Noten erhalten sieht als Schüler aus Familien ohne akademisch gebildeten Elternteil.
All diese Ergebnisse werfen die Frage auf, warum die Effekte in der Weise bestehen, in der sie bestehen: Wie wird aus dem Geschlecht “weiblich” eine bessere Note als aus dem Geschlecht “männlich”. Wie wird aus dem Merkmal “Eltern nicht geschieden” eine bessere Note als aus dem Merkmal “Eltern geschieden”? Wie wird aus dem Merkmal “Attraktivität” eine bessere Note als aus dem Merkmal “nicht attraktiv”?

Bereits diese Fragen zeigen die Inadäquanz der bisherigen Erklärungen, die die Schuld für schlechte schulische Leistung bei den Schülern suchen. Nun ist weder Geschlecht noch Attraktivität etwas, das per se einen Effekt auf schulische Leistung hat, was zu dem Schluss führt, dass der Effekt von außen zugeschrieben wird. Die Diskussion um die schulischen Nachteile von Jungen hat gezeigt, dass die Zuschreibung über von manchen Jungen gezeigte und von (vornehmlich weiblichen) Lehrkräften nicht tolerierte Verhaltensweisen erfolgt: Weil sich Jungen nicht dem feministischen Schulkodex entsprechend verhalten, erhalten sie schlechtere Noten. Ich will an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass Verhaltensweisen von Schülern, dann, wenn tatsächlich das meritokratische Prinzip waltet, das die Leistung, Intelligenz, das Denkvermögen der Schüler zur Basis der Benotung nimmt, völlig irrelevant sind. Ebenso irrelevant wie die Attraktivität, bei der es sich um ein eindeutig von außen zugeschriebenes Merkmal handelt, für das Schüler erst einmal nichts können. Wenn sich ein solches Merkmal auf die Benotung auswirkt, dann zeigt dies, dass Lehrer etwas an Schüler herantragen und Lehrer die Leistungen der Schüler auf Grundlage leistungsfremder Kriterien benoten. Es ist diese Überlegung, die Dunkake, Kiechle, Klein und Rosar zu dem Schluss kommen lässt, dass es notwendig ist, die schulische Bewertung von Lehrern durch unabhängige Leistungstests, “die durch schulexternes Personal ausgewertet werden” zu überprüfen (155). Diese Schlussfolgerung ist nicht neu. Bereits im Jahre 2008 hat Dr. habil. Heike Diefenbach mit Blick auf die Bildungsnachteile von Jungen dieselbe Schlussfolgerung gezogen: “Entgegen populärer Überzeugungen wäre also nicht mehr Spielraum für Lehrkräfte bei der Bewertung ihrer Schüler bzw. bei Entscheidungen über ihre Schüler angezeigt, sondern eine stärkere Standardisierung und Formalisierung von Prüfungen und Entscheidungsverfahren, die anhand möglichst vieler verschiedener Formate und nicht nur durch die Klassenlehrer, die Schule oder das Kultusministerium, sondern (auch) durch unabhängige Gremien erfolgen sollte, wie z.B. in Großbritannien durch die Assessment and Qualification Alliance (AQA) oder Educational Excellence (EDEXECEL)” (Diefenbach, 2008a, S.105). Würden die entsprechenden Konsequenzen aus der nicht an Leistungskriterien orientierten schulischen Notenvergabe gezogen, eine größere Tranparenz, eine gerechtere Benotung gerade über Grenzen der Bundesländer hinweg und ein weitgehend objektives Bild vom Leistungsvermögen der Schüler wäre das Ergebnis. Daran, so ist abschließend festzustellen, hat die Politik, haben vor allem die für das deutsche Bildungschaos verantwortlichen Kultusminister aber offensichtlich kein Interesse.
Literatur
Diefenbach, Heike (2008). Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien im deutschen Bildungsystem. Erklärung und empirische Befunde. Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften.
Diefenbach, Heike (2008a). Jungen und schulische Bildung. In: Matzner, Michael & Tischner, Wolfgang (Hrsg.). Handbuch Jungen-Pädagogik. Weinheim: Beltz, S.92-108.
Diefenbach, Heike & Klein, Michael (2002). “Bringing Boys Back In”. Soziale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zuungunsten von Jungen am Beispiel der Sekundarschulabschlüsse. Zeitschrift für Pädagogik 48(6): 938-958.
Dunkake, Imke, Kiechle, Thomas, Klein, Markus & Rosar, Ulrich (2012). Schöne Schüler, schöne Noten? Eine empirische Untersuchung zum Einfluss der physischen Attraktivität von Schülern auf die Notenvergabe durch das Lehrpersonal. Zeitschrift für Soziologie 41(2): 142-161.
Entorf, Horst & Minoiu, Nicoleta (2005). Waht a Difference Immigration Policy Makes. A Comparison of PISA Scores in Europe and Traditional Countries of Immigration. German Economic Review 6(3): 355-376.
Faulstich-Wieland, Hannelore (2009). “Jungenverhalten” als interaktiver Herstellungsprozess. In: Budde, Jürgen & Mammes, Ingelore (Hrsg.). Jungenforschung empirisch. Zwischen Schule, männlichem Habitus und Peerkultur. Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften, S.91-101.
Geißler, Rainer (2005). Die Metamorphose der Arbeitertochter zum Migrantensohn. Zum Wandel der Chancenstruktur im Bildungssystem nach Schicht, Geschlecht, Ethnie und deren Verknüpfungen. In: Berger, Peter A. & Kahlert, Heike (Hrsg.). Institutionalisierte Ungleichheiten. Wie das Bildungswesen Chancen blockiert. Weinheim: Juventa, S.71-100.
Gomolla, Mechtild & Radke, Frank-Olaf (2009). Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer Differenzen in der Schule. Wiesbaden. VS-Verlag für Sozialwissenschaften.
Kottmann, Brigitte (2006). Selektion in die Sonderschule. Das Verfahren zur Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf als Gegenstand empirischer Forschung. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.
Lehmann, Rainer & Lenkeit, Jenny (2008). ELEMENT. Erhebung zum Lese- und Mathematikverständnis. Entwicklungen in den Jahrgangsstufen 4 bis 6 in Berlin.
Lehmann, Rainer & Nikolova, Roumiana (2005). “>Lese- und Mathematikverständnis von Grundschülerinnen und Grundschülern am Ende der Klassenstufe 5.
Lehmann, Rainer, Peek & Gänsefuß, Rüdiger (1997). Aspekte der Lernausgangslage und der Lernentwicklung von Schülerinnen und Schülern, die imi Schuljahr 1996/1997 eine fünfte Klasse an Hamburger Schulen besuchten. Bericht über die Erhebung im September 1996 (LAU 5)
Meuser, Michael (2009). Junge Männer: Aneignung und Reproduktion von Männlichkeit. In: Budde, Jürgen & Mammes, Ingelore (Hrsg.). Jungenforschung empirisch. Zwischen Schule, männlichem Habitus und Peerkultur. Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften, S.420-427.
Bildnachweis:
Ian Bone
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“Nun ist weder Geschlecht noch Attraktivität etwas, das per se einen Effekt auf schulische Leistung hat, was zu dem Schluss führt, dass der Effekt von außen zugeschrieben wird.”
Aber nicht unbedingt vom Lehrer.
Attraktivität könnte auch, ganz unabhängig von der Schule, zu größerem Selbstwertgefühl führen, und das wiederum zu größerer Leistungsbereitschaft, die sich dann auch in der Schule bemerkbar macht.
Standardisierte Tests würden daran nichts ändern.
Stimmt, die – von den Autoren so benannten mediierenden Prozessmerkmale müssen noch genauer untersucht werden. Allerdings hääte man erwartet, dass wenn die von Dir angesprochenen Selbstverstärkungsmechanismen eine große Rolle spielen, ein deutlicher Zusammenhang zwischen IQ und meintwegen auch einem positiven akademischen Selbstkonzept vorhanden sind und man hätte in jedem Fall erwartet, dass beide einen stärkeren Einfluss auf die Noten haben als Attraktivität. How things stand, it’s the other way round: Attraktivität ist wichtiger als IQ und akademisches Selbstkonzept und die Differenz zwischen beidem, das was Attraktivität jenseits der getesteten Selbstverstärkungsmechanismen relevant macht, harrt einer Erklärung.
Ich habe hierzu eine Frage:
Wenn die lesitungsunabhängigen Variablen nun also einen signifikanten EInfluss haben, dann muss ich doch unterstellen, dass der Prüfer/ Lehrer diese Variablen auch kennt – dass also der Lehrer weiss, die Eltern von XY sind geschieden oder haben einen Hochschulabschluss.
Wenn ich diese Prämisse nun voraussetze, so müssten sich bei Unkenntnis entsprechend differente Leistungsbewertungen ergeben. Konkret würde dies bei einem Zweitprüfer dann bedeuten, dass dieser (aus Unkenntnis der externen Faktoren) im Durchschnitt besser bewertet.
Zu erkennen wäre dies zB anhand der Zweitkorrektur beim Abitur.
Wobei ich ebenfalls hier einräumen muss, dass man auch bei anonymisierten Prüfungen anhand der handschrift das Geschlecht erkennen kann. Insofern wirft dies meinerseits die Frage auf, wie hoch der Einfluss der Handschrift ist und wie hoch die Differenz der Leistungsbewertung des Zweitprüfers bei anonymen Klausuren ist.
Kennen Sie hierzu ggf. entsprechende Studienergebnisse?
M.Klein schrieb:
“[…] denn es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Arbeiterkinder, Jungen oder Migranten weniger intelligent oder weniger leistungsbereit sind als Kinder aus der Mittelschicht, Mädchen oder Nicht-Migranten.”
Doch, natürlich gibt es Gründe.
– Was die Arbeiterkinder betrifft: Wenn schon die Eltern wenig geneigt waren, Wissen aufzunehmen, und kein Geld hatten, um Bildungsreisen zu unternehmen, warum sollte das für die Kinder folgenlos bleiben? Es muß also gar nicht einmal die Vererbung die entscheidende Rolle spielen.
– Was Jungen betrifft: Zeitweilig sind die Mädchen ihnen in der Entwicklung voraus. Insgesamt sollte das aber keine große Rolle spielen.
– Was Migranten betrifft: Es sind bekanntlich nicht gerade die leistungsbereiten Migranten, die nach Deutschland kommen. Deutschland lockt mit Sozialleistungen wie kein anderes Land. Daher gilt Ähnliches – nicht genau das Gleiche – wie für die Arbeiterkinder.
zu den Spiegelstrichen:
(1) ich teile nicht die Ansicht, dass Arbeiterschicht äquivalent mit Dummheit ist. Wenn die Äquivalenz nicht vorhanden ist, dann gibt es keinen Grund anzunehmen, dass Arbeiterkinder dümmer sind als Mittelschichtskinder. Zudem gibt es erhebliche Probleme, wenn man erklären soll, warum Mittelschichtsjungen schlechter abschneiden als Arbeitermädchen…
(2) Die meisten Migranten, die in die Schule gehen, sind in der dritten Generation in Deutschland. Sie haben den Kindergarten durchlaufen, die Grundschule hinter sich gebracht und abermals gilt, was ich oben geschrieben habe, es gibt keine Äquivalenz zwischen Migrantenkind und dumm.
“(1) ich teile nicht die Ansicht, dass Arbeiterschicht äquivalent mit Dummheit ist.”
Wären Sie so freundlich, diese Ansicht zu begründen? Natürlich steht Ihnen zu, Ansichten zu haben. Aber Wissenschaft besteht nicht im Haben von Ansichten, sondern in der Diskussion von Ansichten, genauer: im Erkenntnisgewinn durch methodisches Vorgehen.
Ich bitte daher um eine Begründung.
“(2) Die meisten Migranten, die in die Schule gehen, sind in der dritten Generation in Deutschland.”
Dann sind es aber keine Migranten mehr. Oder wir alle sind Migranten.
Gegebenenfalls definieren Sie bitte Ihren Begriff von Migrant. Ihr Verständnis von Migrant scheint unüblich zu sein.
(1) Ich glaube nicht, dass man die Ansicht, Arbeiter ist nicht gleich dumm begründen muss. Eher muss man das Gegenteil begründen. Ich komme übrigens aus der Arbeiterschicht. Abgesehen gibt es keine mir bekannte Studie, in der der IQ als durch die soziale Schicht determiniert festgestellt wird. Nicht einmal Murray und Hernstein gehen soweit.
(2) Gewöhnlich wird in Deutschland von Migranten gesprochen, wenn die entsprechenden Adressaten selbst aus einem anderen Land nach Deutschland eingewandert sind oder als Kinder eingewanderter Eltern in Deutschland leben und KEINE deutsche Staatsangehörigkeit haben. Das ist so etwas von einem Mainstream-Verständnis von Migrant, das ich da habe, so dass ich mich frage, wie Sie Migrant definieren. Und wenn wir gleich dabei sind: Wie begründen und belegen Sie Ihre Ansicht, dass Arbeiter dumm sind.
Hallo Herr Klein,
bzgl.: “…Arbeiter ist nicht gleich dumm begründen muss…”
– Weil es auch keinen Zusammenhang zwischen IQ und beruflichem Erfolg gibt. Intelligenz ist kein Garant, sondern ein Geisteszustand, gemessen an einem Test und hat recht wenig Auswirkung auf die berufliche Zukunft. Für beruflichen Erfolg sind andere Faktoren wichtig (Sie hatten es bereits in Ihrem Beitrag aufgeführt und auch anhand von Studien belegt). Vielleicht gibt es ein Verständnisproblem des Begriffs Intelligenz.
Definition Intelligenz:
“…je komplexer die Bahn zwischen dem Subjekt und dem Objekt seiner Tätigkeiten ist.” (Jean Piaget, 2000; Originalausgabe Paris, 1947).
Damit kann Intelligenz per Definition nur ein aktueller, speziifisch beobachtbarer und vor Allem relativer Zustand sein. Eine Person pauschal als intelligent zu bezeichnen, ist aus diesem Grunde haltlos.
Entschuldigung, sie verwechseln Leistungsbereitschaft und Bildung mit naturgegebener Intelligenz. Ein häufiger Fehler 😉.
Samuel,
da muss ich jetzt aber wirklich schmunzeln, weil Sie schreiben:
“Intelligenz ist kein Garant, sondern ein Geisteszustand,..”.
Darauf möchte ich Ihnen antworten, dass ein Geisteszustand aber ein Garant ist..für was auch immer – für Sinn oder Unsinn wahrscheinlich. 😉
Hallo Mo,
das ist korrekt. Meine Aussahe basiert auf folgendem Beispiel:
Selbst wenn jemand hochintelligent ist, bedeutet dies nicht, dass diese Person auch in der Lage ist, diese Intelligenz umzusetzen. Ich werte also die Intelligenz völlig unabhängig der zB physischen Fähigkeiten und unterscheide damit zwischen Körper und Geist. Oder einfach formuliert: nur weil jemand etwas in Perfektion beherrscht lässt dies keinen eindeutigen Rückschluss auf Intelligenz zu.
Darüber hinaus beurteilt die Intelligenz eben nicht Sinn oder Unsinn. Intelligenz wertet nicht in richtig oder falsch, sondern beschreibt letztlich die Art der Handlungsweise bzw. die Komplexität der Handlungsform. Welches Ergebnis aus dieser Handlung entsteht ist jedoch absolut irrelevent.
Im Schluss bedeutet dies, dass Sie jemanden anhand der Ergebnisse eigentlich nicht als intelligent bezeichen können, da Sie nur das Ergebnis jedoch nicht die Vorgehensweise betrachten – was wiederum nach obiger Definition falsch wäre.
Wenn ich nun einen Schritt weiter gehe, stelle ich damit alle Intelligenzstest infrage – was ich hiermti auch gerne anstrebe. Warum? Weil der IQ keinerlei Aussagen hat. Oder was bedeutet es konkret, einen IQ von zB 130 zu haben? Wie wirkt sich dies aus? (Es gilt Intelligenz von Kompetenz zu unterscheiden!)
Restriktion:
Die angeführte Definitionb ist eine von enorm vielen Ansätzen – man findet auch Gegenläufiges.
Wenn ich das richtig verstandnén habe, übernimmt der Intelligenztest hier die Rolle der unabhängigen (“objektiven”) Kontrolle der Ergebnisse, oder? Wie groß ist denn eigentlich der Einfluss des Geschlechts, wenn man den Einfluss der Intelligenz herausrechnet? (Das wurde bei der Zahl 0.72 ja anscheinend nicht getan.)
Andreas Rheinhardt:
Dies wurde in der Untersuchung von Dunkake (2012) auf Seite 147 behandelt unter dem Stichwort “Beauty is Beastly – Effekt”:
Z.B. Je attraktiver eine Schülerin ist desto schlechter sind Ihre Noten in den naturwissenschaftlen Fächern (da diese traditionell eher männliche Refugien darstellen – Mädchen wird hier also weniger zugetraut).
Weiterhin: Wenn diese Fächer von einem männlichen Lehrer unterichtet werden, fallen die Noten für Mädchen noch schlechter aus.
Einfluss des Geschlechts: Hierüber existiert eine nahezu unglaubliche Vielzahl von Studien und sog. Fachartikeln. Je nachdem, was Sie gerne glauben möchten, können Sie sich den passenden Artikel/ Studie selbst suchen.
Meine finnische Kinder war 3 Jahre in die Schule in Deutschland (im Ulm)… speciell Gymnasium war sehr schlecht aber Grunschule war teilweise ok.
Deusche Lehrer/Lehrerin nur anfordern, sind besserwisser und teilweise lügen. Aber lernen nicht Kinder so jeden einzige lernt, nein das ist überhaupt kein Aufgabe, nur “Programm” durch gehen. Einfach voll idioten. Wichtig ist schön schreiben, Hausaufgabe genau machen, strafen, Ordnung ist wichtig usw. Mentalität ist totalt falsch.
Ich bin glücklich Kinder kann wieder in Finnische Schule studieren, da Lehrkraft kann echt Kinder motivieren, fördern und Kind’s eigene Intresse grösen. Schön schreiben ist nicht wichtig, Hausaufgaben sind wichtige aber kein Plicht -> kein Strafen, Kinder kann noch Kinder sein.
Niemals nach Deutsche Schule !
Gerade gelesen:
“Werden die Lehrer durch dieses Beförderungssystem auch dazu gebracht, bei den ganzen Reformen mitzumachen?
Bengs: So ist es. Wenn ich bereit bin, mich für etwas einzusetzen, das von Wiesbaden gewollt wird, habe ich gute Chancen, dafür auch belobigt zu werden.
Doiwa: Und wenn du dann noch daran denkst, eine Fortbildung in Gender-Mainstreaming zu machen, dann hast du gute Chancen, dass du etwas schneller an die Fleischtöpfe kommst.”
http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/gymnasiallehrer-ueber-g8-und-bildungsstandards-das-gymnasium-ist-zur-gesamtschule-geworden-11907906.html
Die Intelligenzdiskussion ist komplizierter:
Natürlich gibt es einen riesigen Zusammenhang zwischen Intelligenz und Berufserfolg. In Meritokratien haben Intelligente unabhängig von ihrer Herkunft grössere Chancen aufzusteigen, da Berufserfolg weniger über Papas Portemonnaie geregelt wird … die wunderbare Figur des genialen Kellners (z.B. aus der commedia dell´arte der Italiener), der es dem dummen reichen Gast mal so richtig zeigt … sie stirbt in Meritokratien aus – das haben Herrnstein/Murray richtig gezeigt. Bildungsreform funktioniert idealtypisch nur einmal, danach sind Dumme und Kluge unter sich … dass wir keine Meritokratie hABEN liegt daran, dass wir den Trainer im “Ernstfall Prüfung” auch gleichzeitig als Schiedsrichter einsetzen, das geht in keiner Sportart, und in einer Schule schon garnicht. Wir brauchen viel mehr externe Evaluation und weniger Gekuschel !!!
Das gleiche gilt für die Migranten nach Deutschland, diese sind zwar ursprünglich bildungsfern, deshalb aber nicht per se dumm (denn in der Abstammungsgesellschaft war das kein soziales Allokationskritierium), aber das deutsche Anreizsystem belohnt die, die es sich hier bequem machen und ihre Familien nachholen, die Klugen und Leistungsbereiten der zweiten und dritten Generation gründen zurückgegangen in der Türkei erfolgreich Unternehmen (ausgebildet durch den deutschen Staat …), das ist empirisch belegt und individuell-ökonomisch sinnvoll, volkswirtschaftlich ein Wahnsinn. Kanada hat dieses Problem nicht, die machen einen IQ-Test bei der Einreise und schmeissen bei ökonomischem Nichterfolg nach 6 Jahren rücksichtslos raus, Familiennachzug ausgeschlossen, wenn Du wieder ausreisen willst verfällt Dein Deposit im fünfstelligen Euro-Bereich, das gilt auch bei Straffälligkeit – das ist des Pudels Kern der erfolgreichen kanadischen Einwanderung und Integration. (Gilt übrigens für die jetztige Einwanderungspolitik in Deutschland ansatzweise auch schon, um da genau zu bleiben, aber die Masse sind/waren einfache Bauern aus Anatolien und deren Nachkommen).
Insgesamt scheint mir die Redundanz-Frage bei dem Artikel zu wenig gelöst: Sind die Schüler schön, weil sie keine Sorgenfalten haben, die Eltern ungeschieden sind und sie in Ruhe leben, oder führt ihre Schönheit zu guten Noten, die Eltern scheiden sich nicht und die Kinder haben ihre Ruhe ? Ein anderer Faktor bei der Intelligenzdiskussion scheint mir wichtiger: Die Förderungen von Hochbegabten im letzten Perzentil, und das sind 1:7 – Mädchen: Jungen. Das hat Nyborg gezeigt und ist dafür schwer abgestraft worden, aber wir brauchen diese Spitzenkräfte für Innovation, sonst bekommen wir noch mehr gender-Gequatsche von selbsternannten Guten.
Der Bericht der EU weist übrigens aus, dass Migration nicht per se eine Risikovariable ist, sondern z.B. asiatische Schüler eher besser abschneiden, jüdische am allerbesten natürlich, am unteren Ende Schwarze aus der Karibik in England. Skandalös: Migration ist ein geringerer Risikofaktor in Schweden für Schulerfolg, als Geschlecht. Einheimischer Junge sein ist in Schweden gefährlicher als Migrantin ! Obwohl das in den dortigen Ministerien vermutlich sogar als unproblematisch angesehen wird …
Hat dies auf psychosputnik rebloggt.