Grüne Hetze?

Es gibt eine neue Konfliktlinie in Deutschland. Sie verläuft zwischen denen, die Mehrwert schaffen, und denen, die von diesem Mehrwert leben. Gleichzeitig gibt es Versuche, die deutsche Gesellschaft in zwei ungleichwertige Gruppen zu teilen, eine Gruppe, die mit negativen Attributen belegt wird, steuerflüchtig, egoistisch, männlich, reich, privat, eine Gruppe, die mit positiven Attributen belegt wird, sozial, caring, altruistisch, weiblich, nicht reich. Um beide Gruppen voneinander zu trennen und die Differenzierung zwischen beiden deutlich zu machen, wird mit Neid gearbeitet, so dass die erste Gruppe zur Gruppe der Beneideten wird und die zweite Gruppe zur Gruppe der Neider. Um den Neid nicht als miesen und kleinbürgerlichen Neid erscheinen zu lassen, wird er mit Gleichheitsfloskeln überlagert, die den Neidern suggerieren sollen, sie seien keine Neider, hätten vielmehr ein Anrecht auf das, was andere erwirtschaften, denn die sozialen Unterschiede, die Grundlage des Neids sind, sie seien ungerecht und nicht mit lauteren Mitteln zu Stande gekommen.

Den Mechanismus, den wir eben beschrieben haben, kann man mit einem derzeitigen Modewort als Hetze beschreiben, denn Hetze meint eigentlich Aufhetzen, also z.B. eine gesellschaftliche Gruppe gegen eine andere gesellschaftliche Gruppe aufbringen, wobei normalerweise mitschwingt, dass die Hetze grundlos und auf Basis von keinerlei Kriterien erfolgt. Entsprechend muss man Behauptungen, die geeignet sind, Menschen gegeneinander aufzubringen und die erfunden oder erlogen sind oder eine wissentlich falsche Darstellung oder wissentlich unvollständige Darstellung der Wirklichkeit darstellen, als Hetze bezeichnen. Dieses Verständnis liegt auch dem Paragraphen 130 StGB (Volksverhetzung) zu Grunde.

Gruene HetzeDie neuen Servicestellen der Krankenkassen sollten die Wartezeiten für Kassenpatienten auf einen Arzttermin verkürzen. Doch offenbar hat sich die Situation keineswegs verbessert. Ein Test der Bundesabgeordneten der Grünen Kordula Schulz-Asche ergab: Im Schnitt mussten gesetzliche Versicherte zum Beispiel in Hessen 38 Tage auf einen Arzttermin warten. Privatpatienten erhielten ihn bereits nach neun Tagen.”

Dieser Text findet sich im Fokus, er findet sich in der FAZ, der Frankfurter Rundschau usw. Die Meldung soll die Privatpatienten, also diejenigen, die von geneigter Seite mit den Attributen reich, privat, egoistisch, vermutlich mehrheitlich männlich und steuerflüchtig in Verbindung gebracht werden, gegen die sozialen, solidarischen in gesetzliche Krankenversicherungen gezwungene, vermutlich weibliche Nicht-Reichen in Stellung bringen. Erstere werden als Profiteure gesellschaftlicher Ungerechtigkeit, die von Ärzten bevorzugt werden, (die man ebenfalls der ersten Gruppe von Reichen, Privaten, Egoistischen und vermutlich Steuerflüchtigen zuordnen kann) dargestellt, Letztere werden als Opfer, Ausgebeutete, Arme stilisiert, als diejenigen, die man bei den Grünen gerne gegen die erste Gruppe aufbringen würde, was wiederum einen Leser von ScienceFiles so aufgebracht hat, dass er einen Beitrag geschrieben hat, in dem er die Informationen präsentiert, die die Grünen verschweigen oder nicht kennen, Informationen, die u.a. erklären, warum gesetzlich Versicherte auf einen Behandlungstermin warten müssen, während Privatpatienten das nicht (so lange) müssen. Die Ursache findet sich nicht in den Gründen, die die Grünen suggerieren wollen, sondern in dem Regelungssystem, das deutsche Regierungen unter Beteiligung nicht zuletzt der Grünen, Ärzten aufgezwungen haben. Insofern erlaubt es die folgende Darstellung von Hans Peter Hammer jedem ScienceFiles-Leser sich anhand der oben genannten Kriterien ein eigenes Urteil darüber zu bilden, ob wir es bei den Berichten in Focus, FAZ, Frankfurter Rundschau und anderen Zeitungen mit einer Verbreitung von grüner Hetze zu tun haben oder nicht.

Die Grünen haben eine „Erhebung“ gemacht und dabei herausgefunden, dass Kassenpatienten im Schnitt 27 Tage länger auf einen Termin warten müssen als Privatpatienten. Und natürlich schieben sie das auf eine 2-Klassenmedizin und die Medien (z.B. Welt, RP, Focus, etc.) tröten ins gleiche Horn!
Die Ärzte sind ja so böse!
Traurig daran ist, dass die Grünen eigentlich die gesetzlichen Grundlagen der GKV (Gesetzliche Krankenversicherung) kennen müssten! Wenn nicht, ist das tatsächlich nicht nur traurig, sondern schon bedenklich für eine im Bundestag – nicht erst seit gestern – vertretene Partei.

Ebensolches gilt für die Medien. Auch die sollten entweder die gesetzlichen Hintergründe kennen, oder wenigstens etwas recherchieren, bevor sie ungeprüft dummes Zeug weiterverbreiten. So ist das tatsächlich ein Beleg für manipulative Berichterstattung (oder Faulheit!?), um nicht zu sagen: „Lügenpresse“

Was die Grünen, bzw. die Presse nämlich (wohlweislich) nicht erwähnen, ist ein wesentlicher Unterschied zwischen gesetzlichen und Privatpatienten für die Praxen: Für gesetzlich Versicherte gibt es für jede Praxis (Ausnahme Zahnärzte, bei denen wird das Gleiche über z.B. den „Honorarverteilungsmaßstab“ geregelt) ein sogenanntes RLV (Regelleistungsvolumen). Das RLV legt – unter Zuhilfenahme vorheriger Abrechnungszahlen, den Abrechnungszahlen der umliegenden Kollegen gleicher Fachrichtung, den Fallpauschalen und dem zur Verfügung stehenden Gesamtbudget der Kassen – fest wie viel ein Arzt im Quartal abrechnen darf. Es ist, salopp gesagt, ein Praxisbudget. Aus dem RLV ergibt sich somit auch wie viele GKV-Patienten ein Arzt im Quartal behandeln darf, ohne dass ihm sein Honorar gekürzt wird!

Ein Beispiel zum Verständnis: Ergibt sich aus dem RLV, dass die Praxis im Quartal 1500 GKV-Patienten behandeln darf, bekommt der Arzt für diese 1500 Patienten das volle Honorar. (Zumindest ist das so gedacht, ob es so eintrifft ist eine ganz andere, und zu häufig durchaus offene, und manchmal erst nach mehreren Jahren endgültig geklärte Frage.) Für die Patienten 1501 – 1700 erhält der Arzt dann nur noch 80%, für die Patienten 1701- 1800: 70%, für die Patienten 1801-1900: 60%, für die Patienten 1901-2000 noch 50% der Behandlungskosten erstatten., bis er am Ende Nichts mehr bekommt, das heißt umsonst arbeitet!

Bis zu dem Punkt an dem die Honorierung nicht mal mehr die Praxiskosten deckt, kann der Arzt das Spiel eventuell mitmachen, aber spätestens ab diesem Zeitpunkt ist Schluss mit lustig, ab da müsste er nämlich die Behandlung seiner Patienten aus eigener Tasche bezahlen. Daraus ergibt sich, dass es für begrenzte Bezahlung auch nur begrenzte Patientenversorgung und damit auch nur eine begrenzte Zahl an Terminen gibt.

Ergo: RLV heißt begrenzte Zahl von Terminen, heißt Wartezeiten!

Und hier liegt die Ursache des Problems, nicht bei einer angeblichen Bevorzugung von Privatpatienten. Das ist völliger Quatsch!

Über 90% der Patienten sind gesetzlich versichert und nur für die gilt das RLV! Nur rund 10% der Patienten sind Privatversicherte, die a) erwiesenermaßen seltener zum Arzt gehen als gesetzlich Versicherte, und b) zum Teil nur Privatärzte aufsuchen, also gar nicht von Vertragsärzten behandelt werden und entsprechend auch gar keine Termine bei Vertragsärzten in Anspruch nehmen.

Selbst wenn alle Privatversicherten genauso häufig zum Arzt gingen wie die gesetzlich Versicherten, würde das für die Wartezeiten Letzterer höchstens Minuten bedeuten. Ein Arzt wird die Termine die sich aus seinem RLV ergeben möglichst gleichmäßig auf das gesamte Quartal (außer er macht Urlaub) verteilen, allein schon, um eine gleichmäßige Auslastung zu haben und nicht im letzten Monat des Quartals seine Mitarbeiter herumsitzen zu haben, oder in „RLV-ausgereizt-Urlaub“ schicken zu müssen, das kostet nämlich sein Geld. (Das hatten wir schon mal und hieß da „Budgetferien“ und löste einen ungeheuren Shitstorm aus, was schon damals die Falschen traf, statt der Verantwortlichen in Politik und Kassen!)

Folglich gibt es zwischen den „RLV-Terminen“ durchaus die Gelegenheit Privatversicherte „dazwischen zu schieben“, oder halt auch mal außerhalb der regulären Behandlungszeiten zu behandeln, da diese sein RLV nicht belasten. Der Irrtum besteht darin zu glauben diese Termine stünden ansonsten den gesetzlich Versicherten zur Verfügung, die Privatversicherten würden vorgezogen und nähmen den GKV-Patienten die Termine weg.

Das ist falsch!

Gäbe es keine Privatversicherten, nicht ein einziger gesetzlich Versicherter käme früher zum Zug. Aber genau das wollen uns Grüne und Medien glauben machen.

Und ich bin mir sicher, sie wissen, dass das eine Lüge ist!

Dazu muss man wissen, dass nach deutschem Kassenrecht nur Vertragsärzte (früher: Kassenärzte, also Ärzte mit Kassenzulassung) die Behandlung gesetzlich Versicherter über die Kassenärztlichen/Kassenzahnärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen abrechnen dürfen und die Krankenkassen auch nur an Vertragsärzte zahlen dürfen (Ausnahme. Notfall!). Der Vertragsarzt muss sich an die Richtlinien und Vorgaben der Krankenkassen welche Behandlung wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig ist, halten.

Das war früher durchaus interessant, da es einen sicheren monatlichen Zahlungseingang bedeutete. Heute, nachdem Honorare vielfach gekürzt wurden, die Bürokratie überhand nimmt, Politik und Medien fortwährend auf die Ärzte einschlagen, nicht mehr der Patient und seine Krankheit, sondern die Frage wie viel das die Kassen kostet und ob man sich als Arzt die Behandlung noch leisten kann, im Mittelpunkt steht, spielt so mancher Arzt jedoch mit dem Gedanken die Kassenzulassung zurückgeben. (Was auch nicht so einfach ist, denn es gibt da den Paragraphen 95b im Sozialgesetzbuch V, genannt „Seehofers Rache“! Ein Vertragsarzt der seine Zulassung „… in einem mit anderen Ärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten ..“ und sei es auch nur angenommen, zurückgibt, wird mit verschiedenen Maßnahmen bestraft. Es lohnt sich den Paragraphen 95b des Fünften Sozialgesetzbuches zu lesen und zu überlegen, ob er mit dem Grundgesetz vereinbar ist?)

Lässt sich ein gesetzlich Versicherter (was er natürlich darf) von einem Privatarzt behandeln muss er die Kosten selbst tragen und bekommt im Regelfall von den Kassen keinen Cent!

Nun könnte man auf die Idee kommen das Problem durch mehr Ärzte zu lösen, was funktionieren könnte, gäbe es da nicht die Zulassungsbeschränkungen!

Nach KV/KZV [Kassenärztliche/Kassenzahnärztliche Vereinigung] verschieden – und auch innerhalb der KV Gebiete noch unterschiedlich – gibt es Kennzahlen wie viele (Vertrags-)Ärzte welcher Fachrichtungen tätig sein dürfen. Wird die Kennzahl um eine bestimmte Höhe überschritten wird der Bereich „zulassungsgesperrt“, das heißt es darf sich kein weiterer (Vertrags-)Arzt der Fachrichtung für die die Sperre gilt, in dem Gebiet- für das die Sperre gilt, niederlassen!

Das war früher auch im Interesse der Ärzteschaft um ruinösen Wettbewerb zu verhindern. Inzwischen ist es aber ein Mittel der Politik und Kassen um die Gesundheitsausgaben zu begrenzen, das die Terminproblematik verschärft.

Wie man deutlich sieht, wird mal wieder auf die Falschen eingeschlagen.

Es sind NICHT die Ärzte die das Problem verursacht haben, es ist die Politik – und ihres Zeichen eine bestimmte ehemalige Bundesgesundheitsministerin, Ulla „Das-steht-mir-doch-zu“ Schmidt, die dafür verantwortlich zeichnet.

Die Ärzte halten sich lediglich an das was ihnen Politik und Kassen vorschreiben.

Aber seit Ehrenberg ist es immer dasselbe: Die Politik entdeckt etwas was sie meint regeln zu müssen, hört NIE auf die warnenden Stimmen (besonders der Ärzte, die jedes Mal das Scheitern begründet vorhersagten) und wenn es dann mal wieder in die Hose geht, sind die Ärzte schuld. Was dann wiederum zum Anlass genommen wird, um die nächste Sau durchs Dorf zu treiben und den Ärzten die Daumenschrauben anzuziehen.

Wie sagte Prof. Schnauz es in der „Feuerzangenbowle“ so treffend: „Bäh! Wat habt ihr für ‘ne fiese Charakter!“

Nun noch einmal die Frage: Betreiben die Grünen mit Unterstützung der so genannten Qualitätsmedien gerade Hetze gegen Ärzte und Privatpatienten?


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