Survival of the Fittest
Nur: Wer sind die Fittesten?
Für die Sozialisten waren die Fittesten die Arbeiter und Bauern, die sich im Klassenkampf gegen den Kapitalismus durchsetzen werden: Deshalb fand u.a. August Bebel den Darwinismus so praktisch, bot er doch angeblich eine theoretische Grundlage um sozialistische Phantasien auszuleben. Was Bebel nicht bedacht hat, Darwin hat eine biologische Theorie aufgestellt, keine soziale.
Für die Nationalsozialisten waren die Fittesten diejenigen, die arisches Blut in ihren Adern hatten, was auch immer arisches Blut sein mag: die reine Rasse der Deutschen. So findet sich in „Mein Kampf“ die folgende Darstellung des Werts der Rassenreinheit, die auf einer Hierarchie der Rassen aufbaut, die die deutsche Rasse an der Spitze sieht:
“Somit kann man folgenden gültigen Satz aufstellen: Jegliche Rassenkreuzung führt zwangsläufig früher oder später zum Untergang des Mischproduktes, solange der höherstehende Teil dieser Kreuzung selbst noch in einer reinen irgendwie rassenmäßigen Einheit vorhanden ist. Die Gefahr für das Mischprodukt ist erst beseitigt im Augenblick der Bastardierung des letzten höherstehenden Rassereinen. Darin liegt ein, wenn auch langsamer natürlicher Regenerationsprozeß begründet, der rassische Vergiftungen allmählich wieder ausscheidet, solange noch ein Grundstock rassisch reiner Elemente vorhanden ist und eine weitere Bastardierung nicht mehr stattfindet. (Hitler: Mein Kampf)
Dass Hitler hier Unsinn schreibt wird schon daran deutlich, dass er der Inzucht das Wort redet. Hitler ist eines der vielen Beispiele, die zeigen, was passiert, wenn sich Personen Ideen oder Theorien aneignen, die sie nicht ansatzweise verstanden haben und dann mit ihnen dilettieren.
Das Schicksal, von vielen Dilettanten aufgegriffen und entstellt zu werden, ist auch der Idee des „Survival of the Fittest“ widerfahren, die Charles Darwin entwickelt hat und die er in der fünften Auflage seiner „Origin of Species“ als zusätzliche Überschrift der schon vorhandenen „Natural Selection“ angefügt hat. Dazu schreibt Darwin: „This preservation of favorable variations and the rejection of injurious variations, I call Natural Selection or the Survival of the Fittest“ (Darwin, Origin of Species IV, 2).
Die Idee von Darwin sagt nicht mehr und nicht weniger, als dass sich auf lange Sicht und aufgrund biologischer Anpassung die Fittesten durchsetzen. Wie Thomas Huxley eigentlich schon zu Darwins Zeiten festgestellt hat, sind nicht notwendig die Besten oder die Größen oder die Stärksten die Fittesten, die Fittesten sind diejenigen, denen es am besten gelingt, sich an die Randbedingungen, die ihre biologische Umwelt setzt, anzupassen. Das müssen nicht diejenigen sein, die zu einem bestimmten Zeitpunkt als die „Besten“ angesehen werden, denn was Darwin formuliert, ist kein Gesetz der moralischen oder sozialen Entwicklung, sondern ein biologisches Entwicklungsgesetz.
Aber hier beginnt der Missbrauch der von Darwin formulierten Idee des „Survival oft he Fittest“: „For those who could not distinguish between biological and social evolution, Darwin’s theory offered the public authority of science by which they could attempt to legitimize their private version of human progress” (Rogers, 1972: 280).
Für sie, die die entsprechende Unterscheidung nicht treffen wollten oder konnten, wurde der Darwinismus zum Selbstbedienungsladen. Aus der Tatsache, dass die existierenden Spezies Beleg einer erfolgreichen Anpassung sind und von Darwin als Ergebnis eines evolutionären Prozesses beschrieben wurden, dass sie „the fittest“ sind, während die Spezies, die z.B. nur noch als Fossil vorhanden sind, offensichtlich eine Anpassung nicht geschafft haben, haben sie gefolgert, dass man den Spieß umdrehen könne und diejenigen, die auf Basis ihrer Bewertung als unfit anzusehen sind, ausmerzen könne oder solle oder müsse.
Wir treffen hier im Kern den selben sozialtechnologischen Machbarkeitsglauben, der sich heute im so genannten liberalen Paternalismus, der auch als Nudgen bekannt ist, findet: Die private Bewertung dessen, was das Beste, das Richtige, das Gute ist, wird verallgemeinert und genutzt, um all das, was gerade nicht als das Beste, Richtige und Gute angesehen wird, zu beseitigen (oder auszumerzen).
Nun gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen einer deskriptiven und post-hoc gewonnenen Theorie, wie sie Charles Darwin formuliert hat, einer Theorie die Zusammenhänge aufführt und Konsequenzen benennt und einer normativen Utopie, wie sie Sozialisten und Faschisten so gerne aufstellen: Erstere kann anhand von Fakten geprüft und notfalls modifiziert oder falsifiziert werden, Letztere ist Widersprüchen gegenüber immun, da die Vertreter der entsprechenden Utopie mit einem Wahrheitsanspruch auftreten. Sie versuchen nicht, ihre Überzeugung zu prüfen und zu modifizieren, wenn sie sich als falsch herausgestellt hat, sie suchen nach Belegen dafür, dass ihre Ansicht richtig ist und natürlich finden sie unzählige Belege dafür, wie der Missbrauch des Darwinismus belegt.
Weil dem so ist, ist es so schlimm, das sich an Universitäten wieder Personen einnisten können, die nach Verifikation streben bzw. deren einziger Beitrag darin besteht, eine religiöse Lehre zu verkünden und jeden, der sie kritisiert, als Häretiker zu verfolgen.
Menschen, sind an biologische Fakten gebunden, und sie sind sozialen Konventionen unterworfen. Erstere sind nicht verhandelbar, weshalb es so lächerlich ist, wenn Menschen herumtollen und der Ansicht sind, sie könnten sich ihr Geschlecht aussuchen. Letztere sind Ergebnis von Verhandlungen, von Verhandlungen, die zuweilen irrationale Ergebnisse zeitigen, z.B. dann, wenn Menschen auf Unisex-Toiletten gezwungen werden oder wenn die Abweichung zur Norm gemacht wird, auf die die Mehrheit Rücksicht nehmen muss oder wenn versucht wird, biologische Grundlagen in Frage zu stellen oder sozial zu überformen, wie dies z.B. im Rassenkonzept der Fall war, das den Nazis dazu gedient hat, Menschen in Über- oder Untermenschen zu unterscheiden.
Weil soziale Fakten verhandelbar sind, deshalb finden sich in menschlichen Gesellschaften Versuche, die Verhandlungen dazu zu nutzen, sich gegenüber anderen Vorteile zu verschaffen, z.B. dadurch, dass man anderen weiszumachen versucht, die Zukunft sei von Menschen planbar und eindeutig gestaltbar, ohne dass dabei unbeabsichtigte und negative Folgen entstünden und ohne dass der schöne Plan sich als nicht durchsetzbar erweisen könne.
Darwin hatte das Pech, eine Theorie zu formulieren, die denen, die so gerne über das Los und die Zukunft anderer bestimmen, die Grundlage geliefert hat, ihre Ideologie in die Tat umzusetzen, entweder in Form der historischen Überlegenheit der Arbeiterklasse oder der arischen Rasse oder in Versuchen, durch Programme der Euthanasie die Qualität der eigenen Bevölkerung zu erhöhen.
Nichts davon geht auf Darwin zurück oder kann mit seiner Theorie begründet werden, denn: Darwin hat eine deskriptive Theorie formuliert, die keinerlei Bewertung enthält. Dagegen ist die Frage, ob bestimmte Individuen aufgrund ihrer Eigenschaften fitter oder weniger fit oder gar nicht fit sind, um den menschlichen Bestand einer Gesellschaft und dessen Qualität zu befördern, eine moralische Frage und noch dazu eine Frage, wie sie sich nur in kollektiven Ideologien, in Faschismus, Sozialismus oder Nationalsozialismus stellen kann.
Wer nicht in Kollektiven, sondern in Individuen denkt, wird schnell bei der Erkenntnis ankommen, dass derjenige, der gerade aufgrund eines bestimmten Kriteriums als unfit angesehen wird (z.B. körperliche Stärke), seinerseits auf eine Vielzahl von Kriterien zurückgreifen kann, um die nicht vorhandene Fitness derjenigen zu beschreiben, die ihn als „unfit“ bezeichnet haben (z.B. einen IQ von mehr als 130).
Wer individuell denkt, ist immun gegenüber Faschismen aller Art. Nur wer in Gruppen und Kollektiven denkt, ist anfällig für Ideen der Rassenhygiene oder der Minderwertigkeit anderer Menschen, deren Bezug eine statische Eigenschaft ist, die entweder zugeschrieben ist wie Nationalität oder phantasiert, wie germanische Abstammung, und weder mit Leistung noch mit Strebsamkeit zu tun hat.
Und selbst wenn man am Kollektiv orientiert ist und kollektive Ziele erreichen will, ist die Konsequenz aus dem „survival of the fittest“ nicht der Eingriff in die menschliche und soziale Entwicklung: “Darwin himself opted for living with the bad consequences of the less capable outbreeding what he called ‘the better class of men’. In the end, he could sanction neither a withdrawal of charity nor active intervention with human breeding” (Paul 2003: 241).
Darwin, Charles (1859). On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or The Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life. London: John Murray.
Paul, Diane B. (2003). Darwin, Social Darwinism and Eugenics. In: Hodge, Jonathan & Radick, Gregory (Hrsg.): The Cambridge Companion to Darwin. Cambridge: Cambridge University Press, S. 214-239.
Rogers, James Allen (1972). Darwinism and Social Darwinism. Journal of the History of Ideas 33.2: 265-280.

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Beim “Survival of the Fittest” geht es m. E. nicht um Selektion, sondern um die Verbreitung des Überlebens-Konzeptes. Die Menschen sollen dazu erzogen werden, ein Überleben anzustreben, anstatt ihr Leben zu leben. Wenn das Ziel Überleben heißt, werden Richtlinien befolgt, Kompromisse eingegangen, zu Gunsten Anderer Überschüsse erwirtschaftet, Benachteiligungen in Kauf genommen, Unterordnung und Demütigung akzeptiert – wesentliche Grundlagen der Ausbeutung. Wer sein Leben lebt, achtet dagegen auf Gerechtigkeit und Ausgewogenheit, wirft selten Gewinne ab.
Der Überlebenswillige ist staatstragend, weil er sich hingibt und aufopfert. Der Lebensgewillte ist in erster Linie selbstbesonnen, weniger ausnutzbar, seltener zu Führungsaufgaben bereit und somit nicht im Interesse der Mächtigen.
Nur leider hat das, worum es Ihren Erachtens geht, nichts mit dem Konzept “survival of the fittest” zu tun.
Die Fitness wird dadurch definiert, in welchem Umfang man die zum Überleben erforderliche Unterwürfigkeit und Hingabe aufbringt. Es stellt sich also nicht mehr die Frage: leben oder überleben? Das Überleben wird als Tatsache definiert, Faschismus des Überlebens eben, und lediglich die Fitness dafür ist das Maß der Dinge. Die Alternative “Leben” steht nicht zur Wahl. Die Diskussion um die Ausgestaltung des Konzepts “Survival of the Fittest” lenkt davon ab, dass man auch leben kann. Wer sich darauf einlässt, hat schon verloren, weil er nicht lebt, sondern überlebt.
Wo wird Fitness so und von wem definiert?
Wenn etwas richtig ist, dann dass hier in Mitteleuropa von Nord nach Süd und West nach Ost und in die jeweilige Gegenrichtung so ziemlich alles durchgezogen ist und irgend was blieb immer hängen.
“Deutschland” hat sich schon immer “Vielfalt”, in jeder Hinsicht einverleibt.
Die Erfindung des “deutschen Volkes” war eine Sache des Kaisers damit die ganzen Länder zu einer “Cooperate Identity” zusammenfinden. Aber mich hat er nicht gekriegt, weil ich immer noch zuerst Badener bin und dann kommen erst irgend welche anderen Sachen.
Welcher Kaiser hat den Ihrer Meinung nach das Deutsche Volk erfunden?
Die Hohenzollern sicher nicht die waren so sehr im monarchischen Prinzip verhaftet das sie 1849 die vom frankfurter Parlament (erste deutsche Volksvertretung) angebotene Kaiserkrone ablehnten.
Aus diesem Fakt ist auch ersichtlich das es das deutsche Volk schon vorher gab.
Eine Selektion durch äußere Lebensumständen gibt es nachweislich. Die, die übrigbleiben, bezeichnet man dann ex post “am fittesten”. Das hat etwas Tautologisches an sich, weil man “fittest” durch das Übrigbleiben definiert. Wie will man fitter obejktiv besser definieren, als sicher “unter den gerade vorliegenden Bedingungen stärker fortgepflanzt haben”?
Die Natur kennt auch eine Intra-Art-Selektion, die zu absurden Ergebnissen führt. Ein sperriges Geweih ist keine Anpassung an dichtes Unterholz, auch wenn die Hirschmädels das total sexy finden. Auch wir Menschen unterliegen im wesentlich nur noch einer Selektion “untereinander”. Neben dem Kinderkriegen (das trotz Frühsexualisierung in Links-Europa rückläufig ist) hilft leider auch eine gewisse Aggressivität, seine Gene gegenüber Konkurrenten durchzusetzen. Entsprechende Arbeiten zum Gruppenverhalten von Eibl-Eibesfeldt werden kritisiert – nicht wissenschaftlich, sondern ideologisch. Das beobachete feindliche Verhalten gegen andere Gruppen widerspricht dem politisch korrekten Friede-Freude-Eierkuchen-Glauben. Ein Nichterkennen der Schwächen unseres biologischen Erbes kann fatal sein für uns unbehaarte Primaten mit Atomwaffen.
Wenn ich Darwin richtig verstanden habe, geht es nicht so sehr um das Überleben in einer Umgebung, sondern darum, das die überleben, denen es gelingt eine Nachkommenschaft zu (er)zeugen.
Eine interessante Theorie für alle diejenigen, die sich freiwillig entscheiden, keine Kinder haben zu wollen!
Sie haben Darwin falsch verstanden. Es geht ihm um Anpassung, nicht um Fortpflanzung.
Es geht nicht um das Überleben eines Lebewesens, sondern um Reproduktion und Arterhaltung (z.B. Reproduktion trotz geringer Spezialisierung). Das Überleben eines spezifischen Lebewesens ist für die Evolution ohne Nutzen.
Sie unterstellen eine Gerichtetheit, die die Evolutionstheorie nicht hat. Das Überleben einer Spezies ist der Evolution wurscht.
Wenn ich Darwin richtig verstanden habe, geht es sehr wohl auch um Fortpflanzung. Eigenschaften von Individuen, die wegen bessere Angepaßtheit einen höheren Fortpflanzungserfolg haben, verstärken sich in der Fortpflanzungsgemeinschaft infolge der Vererbung.
Dass die Nachkommen durch die ererbte Angepasstheit möglicherweise bessere individuelle Überlebenschancen haben, ist ein Nebeneffekt. Der Haupteffekt sind die ererbten besseren Fortpflanzungschancen. Die Hirsche mit ihrem sperrigen Geweih sind dafür der Beweis.
Warum sollte es ihm darum gehen? Er hat eine Evolutionstheorie aufgestellt, keine Bewertung über Wünschenswertes abgegeben. Die Frage, ob das Überleben einer Spezies wünschenswert ist, ist belanglos. Die Frage, wie sich Umweltbedingungen auf das Überleben einer Spezies auswirken, nicht. In diesem Kontext spielt Reproduktion eine Rolle, in keinem anderen.