Unsinn der Woche: Caring für Barbara Stiegler
Ich sitze hier vor meinem Computer, nachdem ich einen Teil meiner täglichen Care-Arbeit bereits hinter mich gebracht habe: Angefangen beim Zähneputzen (health caring) und Frühstück für mich und meine Frau machen (caring for others), frühstücken (noch healt caring), über das Versorgen der Katzen, (social caring) den kurzen Plausch mit dem Postboten (social relationship management/caring) bis hin zur Beantwortung von Emails (social network caring) . Mit dieser Care-Arbeit gibt es jedoch ein Problem: Sie ist unbezahlt. Barbara Stiegler ist angetreten, dies zu ändern. Als Care-Arbeit gilt ihr dabei im Wesentlichen, die Fürsorge-Arbeit, die “verborgen und überwiegend weiblich” ist, für die es “wenig präzise Daten” gibt, über die man aber dennoch seitenweise schwadronnieren kann, wenn man Barbara Stiegler ist.
Trotz dem wenigen, das über die weibliche Care-Arbeit bekannt ist, gelingt es Stiegler, die (der Götter sei Dank) nur 5 Seiten eines bemerkenswert schlechten Beitrags für einen bemerkenswert schlechten Reader der Friedrich-Ebert Stiftung mit dem Titel “Antworten aus der feministischen Ökonomie auf die globale Wirtschafts- und Finanzkrise” mit einer Vielzahl doch recht apodiktischer Behauptungen zu füllen, deren Berechtigung man angesichts der Stieglerschen Aussage, dass doch so wenig über die Care-Arbeit bekannt ist, nicht so recht nachvollziehen kann. Doch der Reihe nach.
Versuchen wir zunächst, der weiblichen Care-Arbeit (schminken, Haare waschen, Zähne putzen, …? Meine Frau sagt gerade, die Reihenfolge ist falsch!) in der Stieglerschen Diktion auf die Spur zu kommen. Care-Arbeit ist Versorgung der Kinder und Hausarbeit (auf Seite 28), zwischenmenschliche Arbeit, ohne Geschlechtsrollenstereotype und wird zur Fürsorgetätigkeit für Kinder, alte Menschen und Kranke (auf Seite 30), die einer “anderen Rationalität folgt, als die Arbeit, die der Herstellung von Dingen und Sachen dient” (auf Seite 28). Und: Care-Arbeit ist eine Arbeit, deren Merkmal gerade nicht darin besteht, dass man dafür Geld bekommt (auf Seite 27). Wieder fällt mir nur das Wort bemerkenswert ein, um die erstaunliche Diffusität eines doch recht simplen Begriffes zu bewerten, aber lassen wir uns auf die “Gedankenwelt” von Barbara Stiegler ein, folgen wir den Irrungen und Wirrungen ihrer “Argumente”, betreiben wir unentgeltliche Care-Arbeit in der Hoffnung, etwas Produktives möge für Stiegler dabei herauskommen.
Obwohl es ein Merkmal der “Care-Arbeit” ist, wie Stiegler zu Beginn ihres Textes (28) verkündet, dass sie nicht bezahlt wird, geht es im Rest des Textes ausschließlich um die Bezahlung der Care-Arbeit, deren Hauptproblem auf Seite 30 wie folgt beschrieben wird: “Wenn eine Hausfrau und Mutter nach jahrelanger Fürsorgetätigkeit für Kinder, alte Menschen und Kranke auf den Arbeitsmarkt kommt, so gilt diese ihre bislang geleistete Fürsorgearbeit im Rahmen der betrieblichen Qualifikationssysteme nichts”. Diese abermals bemerkenswerte Aussage lässt sich auf die Frage verdichten: Würden Sie Mutter Theresa die Leitung ihres Aufsichtsrats anvertrauen? Anders formuliert: Würden Sie Barbara Stiegler nach jahrelanger ideologischer Tätigkeit für die Friedrich Ebert Stiftung die Betreuung alter Männer mit Alzheimer im Altenheim anvertrauen? Oder ist nicht vielleicht doch ein wenig “Erfahrung” um nicht zu sagen “Kompetenz” notwendig, wenn man sich um andere kümmern will? Warum wohl, werden Alte und Kranke spätestens dann zum Gegenstand von Pflegeheimen oder ambulanter Pflege, wenn sie fachmännisch aufgerichtet und behandelt werden müssen? Braucht man vielleicht doch etwas Kenntnis, bevor man Patienten behandelt, oder kann die “Frau und Mutter” aufgrund ihrer vielfältigen Erfahrung mit Grippeerkrankungen bei Ihren Kindern, als Chefarzt im Transplantationszentrum fungieren? Ich weiß nicht in welcher Welt Barabara Stiegler lebt, aber nicht einmal ich wünsche ihr Pflege durch eine Pflegerin, deren Befähigung darin besteht, Frau und Mutter zu sein.
Neben diesem bemerkenswerten Biologismus, der die Gründungsmütter der Frauenbewegung in Höchstgeschwindigkeit rotieren lassen dürfte (in ihren Gräbern), zeichnet sich der Text von Stiegler durch logischen Unsinn aus, der seinesgleichen sucht, der bemerkenswert ist. So liest man auf Seite 28:
“Die Annahme, das Individuum sei unabhängig und autonom, wird ergänzt durch die Anerkennung, dass zum Menschen Abhängigkeit und Verfall gehören.”
Das ist ein bemerkenswerter Fall von Gehirnkrebs, der unbedingt der Aufmerksamkeit eines Mental-Health-Caring Professionals bedarf, denn bereits die alten Griechen kannten das tertium non datur des Mittelalters, den Satz des ausgeschlossenen Dritten. Anders formuliert, etwas kann nicht es selbst und sein Gegenteil sein. So wenig wie Barbara Stiegler dumm und nicht-dumm zugleich sein kann, kann ein Individuum unabhängig und abhängig zugleich sein. Es geht nur entweder oder – jedenfalls in einer Welt aus Logik und Rationalität (offensichtlich nicht die Welt von Stiegler).
Damit nicht genug. Ebenfalls auf Seite 28 steht für jedermann zu lesen:
“Die Annahme, Austausch und Beziehungsformen sollen ausschließlich reziprok sein, wird ergänzt durch die Anerkennung von Beziehungsformen, die die Selbstachtung des Empfangenden und die Nichtausbeutung des Gebenden sichern”.
Was, Frau Stiegler, kann eine Austauschbeziehung anderes sein als reziprok? Das Wörtchen reziprok stellt einen bemerkenswerten Fall dar, in dem sich der Duden und das Philosophische Wörterbuch über die Wortbedeutung einmal einig sind: “reziprok: wechselseitig sich bedingend”. Als nicht-reziproke Beziehungen bleiben dann nur Herrschafts- oder Machtbeziehungen übrig, bei denen der eine etwas geben MUSS, der andere auf das GEGEBENE ein Anrecht HAT. Die Transferzahlungen im Sozialsystem sind ein entsprechendes Beispiel von Herrschaftsbeziehung, bei der Steuerzahler geben MÜSSEN, damit Mütter für ihre “Care-Arbeit” mit Elterngeld vergütet werden. Hier findet kein Austausch statt, denn der Steuerzahler hat nichts davon, dass er Mütter finanziert, außer vielleicht Lärm und Geschrei in Nachbars Garten, was ihn zum erzwungenen Altruisten qualifiziert.
Die nicht-reziproke Herrschaftsbeziehung scheint genau das zu sein, was Barbara Stiegler bei ihrer Forderung nach einer Bezahlung von “Care-Arbeit” vorschwebt, denn die Care-Arbeit in Familie X (lassen wir das romantische Bild der Familienmitglieder, die füreinander sorgen, einmal bestehen, gegen all die empirischen Evidenzen von vernachlässigten Kindern und in ihrem Urin liegenden Alten) bringt nur Familie X etwas, sonst niemandem. Und dies ist dann auch der Punkt, wo das archaische Bild von Ökonomie, das Barbara Stiegler auszeichnet, deutlich zum Vorschein kommt, wenn sie schreibt: “Fürsorgearbeit ist zwischenmenschliche Arbeit, die nicht automatisiert werden kann”. Dieser verkappte Glaube an das Paradies im Pleistozän als die Urhorde noch durch die Wälder streifte, wilden kommunalen Sex hatte und ansonsten sich gegenseitig die Backen gestreichelt hat (Care-Arbeit), macht einem schaudern.

Wo wäre wohl Pflegearbeit ohne all die modernen Hilfsmittel, die dabei zum Einsatz kommen? Als in erster Linie Frau, Frau Stiegler, sollten sie eigentlich um die endemischen Rückenschmerzen der hauptberuflichen Pflegekräfte wissen, die ausschließlich durch moderne Hebehilfen gemildert werden können; darum, dass weiblich-fürsorglicher Zuspruch vielleicht nicht unbedingt das Mittel ist, um Krebs zu behandeln oder Alzheimer zu lindern. Es ist auch keine “andere Rationalität” diesen Unsinn zu behaupten. Es ist Irrationalität und bleibt Unsinn, nicht mehr und nicht weniger.
Somit bleibt nur noch ein loses Ende in diesem Text wieder aufzunehmen: Die rotierenden Frauenrechtlerinnen, ein Punkt, der Dr. habil. Heike Diefenbach besonders wichtig ist. Frauenrechtlerinnen des späten 18. und des 19. Jahrhunderts haben dafür gekämpft, Zugang zu Erwerbsarbeit zu erreichen und ihre Begrenztheit auf den eigenen Haushalt zu überwinden. Sie wollten in der “Männerwelt” arbeiten. Frauen, wie Barbara Stiegler, im 21. Jahrhundert, wollen zuhause sitzen, Hausfrauenfernsehen schauen, sich um die Kinder kümmern, die in der Schule sind und die Eltern versorgen, die im Altenheim untergebracht sind, und sie wollen dafür bezahlt werden, sich dafür zwar nicht in Abhängigkeit von Männern, dafür in die Abhängigkeit des Staates begeben. Mir scheint, Barbara Stiegler sollte noch einmal über die Bedeutung des Wortes “Emanzipation” nachdenken.
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“Wo wäre wohl Pflegearbeit ohne all die modernen Hilfsmittel, die dabei zum Einsatz kommen?”
Dieser Satz hat mich amüsiert. Als männliche Pflegekraft kenne ich mich damit genau aus. Wo solche Hilfen nicht verfügbar sind (defekt/ausgeliehen/aus Platzmangel etc.nicht einsetzbar) ist ‘Mann-Power’ gefragt, d.h. ein männlicher Pfleger wird schnell geholt 😉
Vieles in der Pflege ist ohnehin weniger sanfte ‘Care-Arbeit’ als vielmehr eine technische und organisatorische Herausforderung. Während einerseits ‘Soft-Skills’ in der Pflege sicher wichtig sind und ausgeprägte zwischenmenschliche Fähigkeiten (wie sie eine gute Mutter bestimmt besitzt) dazu gehören sollten, kommt es andererseits stark auf fachliche Kompetenz sowie psychische und körperliche Belastbarkeit sowie die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion an.
Das eine solche Tätigkeit qualifiziert ist und bezahlt werden muss liegt auf der Hand. Die sogenannte weibliche ‘Care-Arbeit’ ist (genau wie die männliche ‘Care-Arbeit’) reine Privatsache und unterliegt keinerlei Kontrollen oder Standards.
Passt nicht ganz zum Thema aber sicher zum Blog: Das ‘Philosophie Magazin’ (http://philomag.de/philosophie-magazin-32012) verfolgt die Frage “Sind Frauen moralischer als Männer?”.
Also…
Ich bin Anfang 30 und dass ich weiblich bin erkennt man allein schon daran, dass ich neben Ausbildung, Studium, Beruf, Ehrenamt, etc. auch seit mehr als 10 Jahren bereits tägliche (natürlich unbezahlte) Care-Arbeit verrichte:
Erst habe ich nacheinander meine (nicht im Altersheim wohnenden) Omas bis zum Tod mit-gepflegt, dann Kinder bekommen (hat sich nur kurz überlappt).
Für meine Altersklasse ist das (heutzutage) ungewöhnlich (geworden), für die meisten Ü50-jährigen aber dürfte das Standart sein.
Ja, es gibt auch Männer, die ihren Familienmitgliedern helfen (mein Freund bspw. geht seit Jahren jeden Samstag für seine Ü90-jährige, alleinlebende Oma einkaufen), und ja, es gibt auch Frauen, die sich dem entziehen wollen oder das nicht leisten können.
Von der Masse und dem Tätigkeitsspektrum her ist diese notwendige Care-Arbeit aber eindeutig noch immer weiblich konnotiert, und sie wirkt sich vielfältig aus:
Auf die Psyche, den Geldbeutel, sowie bei mir auch auf das politische (Partei-)Engagement.
Ich klage nicht etwa, denn das meiste wollte ich so.
In meinem Wollen war ich allerdings nicht immer frei (von Rollendruck).
Ein Mann hätte vermutlich andere Entscheidungen getroffen, hätte sich also vielleicht ohne schlechtes Gewissen auf einen anderen Kontinent verkrümelt (Karrierechancen!) angesichts einer pflegebedürftigen, eng-verwandten Person. Mit ziemlicher Sicherheit hätte niemand von ihm erwartet (und er selbst von sich natürlich auch nicht, woher auch), dass er freiwillig, unbezahlt und auf unbestimmte Zeit einem Menschen, der ihm viel bedeutet, Katheter legt, Windeln wechselt, Medikamente verabreicht, etc. (Und mit der wiederkehrenden Routine ist es ja nicht getan, überlegen ist häusliche Pflege der stationären ja gerade in anderen Bereichen: Angstzustände erkennen und Beruhigungen finden, Beistand bei Schmerzen bishin zum Todeskampf leisten uvm.)
Schade, dass Du das Thema ins Lächerliche gezogen hast.
Ich erwarte sicher keinen Orden, weil ich das leiste was mein Herz und mein Verstand als unumgänglich & meine Aufgabe erkennen.
Ich möchte aber bitte nicht verhöhnt werden dafür.
Nichtmal für die Kindererziehung, die so viel mehr Freude macht als dabei zuzusehen, wie ein geliebter Mensch als Person verschwindet, als Körper weiterexistiert und leidet und schließlich vom Tod erlöst wird.
Wie möchtest Du denn, dass Deine Eltern alt werden (falls sie noch leben)?
Ich kann mich nicht erinnern, Ihnen das “Du” angeboten zu haben…
Der Unsinn der Woche setzt sich mit einem unsinnigen Beitrag von Barbara Stiegler auseinander und zeigt die Irrungen und Wirrungen des Stieglerschen Assoziierens. Ich sehe nicht, was das mit der von Ihnen in der von Ihnen geschilderten für Sie so befriedigenden Form des Kümmerns um andere zu tun hat (Wäre ich Psychologe würde ich Ihnen empfehlen, Distanz zu schaffen (also sich selbst nicht so wichtig zu nehmen) und nicht alles auf sie selbst zu beziehen… und dann noch einmal zu lesen, was als so verhöhnend empfunden wurde, z.B. unter der Maßgabe, Argumente unemotional aufzunehmen).
Und wenn das Kümmern für Sie so befriedigend war, dann sehe ich nicht, worin die Verbindung zur Care-Arbeit und der von Stiegler geforderten Bezahlung besteht, denn wenn man zu so befriedigenden Ergebnissen bei der eigenen Tätigkeit kommt, dann will man ja schließlich nicht dafür monetär entlohnt werden, denn das würde doch die intrinsiche Motivation zerstören und nahe legen, man hätte sich nicht aus altruistischen, sondern aus ganz anderen Gründen gekümmert. Was Sie beschreiben ist letztlich eine persönliche Entscheidung” und was ich argumentiere ist, dass es nicht die Aufgabe der Allgemeinheit ist, persönliche Entscheidungen zu finanzieren.
Was ist eigentlich in der Zeit des Kümmerns aus der Rente der Oma geworden?